Arbeit bei Telefonseelsorge - für euch emotional möglich?
Am 2. April dieses Jahres besteht die Telefonseelsorge in meiner Heimatstadt nun schon 40 Jahre. An dem Tag wurde das erste Gespräch angenommen. Heute sind es wesentlich mehr Mitarbeiter, die sich am Telefon bemühen, Menschen in Not zu helfen. Sie hören sich ihren Kummer, ihre Sorgen an und versuchen, Ratschläge zu geben. In vielen tausend Mails und Chats und rund 450.000 Telefonanrufen haben die Ehrenamtlichen versucht zu helfen.
Angefangen hat diese Hilfe schon vor über 60 Jahren in England. Ihr Wahlspruch war damals: „Bevor Sie sich umbringen, rufen Sie mich an.“ Wenn ihr in der Telefonseelsorge tätig seid, konntet ihr schon verzweifelten Menschen helfen? Vielleicht sogar sie davon abhalten, sich selbst umzubringen? Habt ihr in einer ausweglosen Situation schon mal an die Telefonseelsorge gedacht und dort angerufen? Konnte man euch helfen?
Ich gehe jetzt mal auf die Frage in der Überschrift ein: Ich habe noch nie in der Telefonseelsorge oder vergleichbaren Einrichtungen gearbeitet, glaube jedoch, dass ich mit etwas Einarbeitung durchaus emotional in der Lage wäre, mit der Arbeit umzugehen. Ich bin ein ziemlich rationaler Typ, der sich von den Nöten und Sorgen seiner Mitmenschen recht gut emotional distanzieren kann.
Allerdings hätte ich wohl auch die höchste Selbstmordrate unter allen Anrufern, da meine nüchterne Art, die Dinge zu betrachten, kaum jemandem, der sich in einer miesen Lage im Leben befindet, wirklich helfen kann. Deswegen habe ich auch keinen Sozialberuf ergriffen. Mir sind die Schicksale meiner Mitmenschen zwar nicht egal, aber tätiges Mitgefühl und Einfühlungsvermögen zählen nicht wirklich zu meinen Stärken. Andererseits bestünde bei mir auch weniger die Gefahr, dass ich den Job wegen zu großer emotionaler Belastung aufgeben müsste.
Bei einer Telefonseelsorge angerufen habe ich noch nicht. Ich weiß auch nicht, inwieweit dieses Angebot in Zeiten des Internets und diverser Selbsthilfeforen noch genutzt wird und zeitgemäß ist. Andererseits ist jedes Angebot sinnvoll, das Menschen hilft, die wirklich nicht weiter wissen und ich kann mir schon vorstellen, dass diese Institution schon etliche Menschenleben gerettet hat. Oft hilft es ja wirklich schon, wenn man seine Sorgen jemandem erzählen kann, der einen nicht noch zusätzlich fertig macht.
Vom emotionalen Standpunkt her könnte ich weitgehend ohne Probleme bei der Telefonseelsorge arbeiten. Das einzige, was mich belasten würde, wären Leute, die schlecht mit Tieren umgehen, aber solche Leute rufen sicher nicht bei der Telefonseelsorge an, um Hilfe zu bekommen. Alles andere würde mir nichts ausmachen, ganz gleich ob sich jemand selbst umbringen möchte oder regelmäßig zu Hause ausflippt und seine Familie schlägt. Ich würde mich da recht rational mit den Leuten auseinandersetzen können und ich fände es grundsätzlich auch nicht uninteressant, mir das anzuhören. Ich finde es oft interessant, Menschen in Krisensituationen zuzuhören und mich mit ihnen darüber zu unterhalten.
Ich würde selbst nicht bei der Telefonseelsorge anrufen, da ich alles lieber mit mir selbst ausmache. Wenn ich mich dazu entschließen sollte, mich umzubringen, wäre es auch unsinnig, bei dieser Nummer anzurufen, schließlich wäre die Entscheidung schon gefallen. Und wenn ich doch noch darüber nachdenken würde, diese Nummer zu wählen, wäre doch klar, dass ich es gar nicht so ernst meine, sondern eigentlich doch noch am Leben hänge. Daher wäre dann auch klar, dass ich vielleicht nicht vom nächsten Hochhaus springen sollte, weil doch noch ein Hauch von Lebenswillen vorhanden ist. Letztendlich sind die meisten Situationen, die einem ausweglos erscheinen, nicht wirklich ausweglos. Um das zu erkennen, brauche ich aber eigentlich keine fremde Person, mit der ich am Telefon reden kann.
Ich bin ein sehr einfühlsamer und guter Zuhörer, und ich scheine dieses auch irgendwie auszustrahlen. Egal wo ich in ein neues Umfeld komme (Neuer Job, früher neue Schulklasse, oder einfach neue Freunde), immer scheinen die Leute mir relativ schnell zu vertrauen und kommen mit ihren Sorgen und Problemen zu mir, und ich habe auch immer ein offenes Ohr und versuche auch, nach Möglichkeit zu helfen. An sich mach ich das gut und gerne, wenn es mir schlecht geht, möchte ich ja auch jemanden haben, um mich auszuheulen.
Aber bei der Telefonseelsorge zu arbeiten kann ich mir definitiv nicht vorstellen. Ich steiger mich emotional ja schon sehr in die Probleme meiner Freunde rein, und niemand ist selbst komplett Sorgenfrei. Bei der Telefonseelsorge noch die Nöte unzähliger fremder aufzunehmen stelle ich mir als sehr große, seelische Belastung vor. Klar, es ist nur ein "Job" und man sollte das trennen können, aber so einfach ist es zum Beispiel nach einem Telefonat mit einem sterbenden oder jemanden, der nen Todesfall zu verarbeiten hat, nicht.
Ich bewundere da auch den Moderator Jürgen Domian sehr, der seit 20 Jahren jeden Abend im Fernsehen und Radio mitunter extrem harte Fälle und Themen behandelt und dabei immer sehr einfühlsam und professionell agiert und hilft. Das könnte ich wirklich nicht. Aber mein Respekt gilt allen, die diese ehrenwerte, wichtige Arbeit machen und sie mit ihrem eigenen Privatleben vereinbaren können. Hut ab!
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