Wunsch auf dem Sterbebett eine moralische Erpressung?

vom 03.09.2013, 14:51 Uhr

Wie in diesem Thread hier Nicht auf Beerdigung der Eltern gehen - später bereuen? geschrieben, will A nicht auf die Beerdigung der Mutter gehen. Nun ist die Mutter ja noch nicht verstorben, sondern hat Krebs im Endstadium. Ich habe A gefragt, ob sie die Mutter nicht doch mal besuchen will, bevor sie doch stirbt und A meinte mit einer klaren Antwort, dass sie es schon deswegen nicht machen würde, weil sie ihre Mutter kennt. Sie würde am Sterbebett um Verzeihung bitten, die aber nur halbherzig wäre und diese Entschuldigung nur aus egoistischen Gründen von Seiten der Mutter kommen würde. Und A will einfach nicht gezwungen sein diese Entschuldigung anzunehmen.

A ist der Meinung, dass alles, was man als Wunsch äußert, wenn man im Sterben liegt einfach nur Egoismus ist und eine moralische Erpressung, weil ja wohl kaum einer einen Wunsch abschlägt, der von einem Sterbenden geäußert wird. Haltet ihr auch einen Wunsch auf dem Sterbebett als moralische Erpressung? Könntet ihr einen Wunsch eines sterbenden Menschen abschlagen? Würdet ihr euch moralisch erpresst fühlen, wenn ein Sterbender einen Wunsch äußert, den ihr eigentlich nicht erfüllen wollt?

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» supermami » Beiträge: 2317 » Talkpoints: 0,00 » Auszeichnung für 2000 Beiträge



Das kommt wohl ganz stark auf den Wunsch an der dort geäußert wird. Bei der Bekannten von dir ist es ja eher so, dass sie so schon kein gutes Verhältnis zu der Mutter verspürt und nichts mehr mit ihrer Mutter zu tun haben will. Sie kennt ihre Mutter vermutlich genug um dieses zu beurteilen, oder hat eine fest gefahrene Meinung. Auf jeden Fall will sie scheinbar ihre Mutter nicht mehr in ihr Leben lassen und dann muss man sich auch keine Wünsche und Aussagen auf dem Sterbebett anhören. Es kommt natürlich darauf an was zwischen den Beiden vorgefallen ist, aber A hat ja durchaus das Recht sich dieser Situation zu entziehen, denn tatsächlich kann man ja schließlich auf dem Sterbebett keine Entschuldigung ausschlagen. Es wäre so unmoralisch, dass sie die Situation lieber meidet.

Ansonsten sind sicherlich einige Wünsche auf dem Sterbebett wie Knebelverträge für so manchen. Meine Oma hat meine Mutter, die zwei hundert mal abgelehnt hat, zum Beispiel versprechen lassen, dass sie ihr Haus in der Einöde nimmt, damit wir ein Haus haben. Mein Vater und ich wollten niemals dorthin aber hey meine Mutter versprach es auf dem Sterbebett meiner Oma und klammerte sich daran fest das halten zu müssen. Nebenbei das war einer der großen Scheidungsgründe meiner Eltern.

Für viele Menschen ist es einfach schwer in diesem Moment nein zu sagen und sie klammern sich an die letzten Wünsche. Auch wenn Menschen auf dem Sterbebett es gut meinen, so erreicht man damit nicht immer etwas Gutes. Ich persönlich würde mich allerdings an solche Versprechen nicht gebunden fühlen. Sollte einer meiner Elternteile versterben, was grundsätzlich niemals passieren darf und niemals passieren wird, so würde mein Vater mich nichts versprechen lassen als das ich mein Leben lebe. Von meiner Mutter könnte etwas kommen, aber ich denke nichts dramatisches. Dennoch würde ich mich an kein Versprechen gebunden fühlen und es nur einem Sterbenden zu Liebe entrichten. Mein Leben ist schließlich mein Leben und ein Toter hat keinen Einfluss mehr darauf.

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» pichimaus » Beiträge: 2016 » Talkpoints: 6,99 » Auszeichnung für 2000 Beiträge


A erscheint mir sehr hartherzig. Welche egoistischen Gründe könnte die Mutter denn haben, wenn sie um Verzeihung bittet? Mir würden keine einfallen, außer wenn sie gläubig ist und sich dadurch den Eintritt in den Himmel erhofft. Das würde ich ihr als Tochter auch nicht verwehren und die Entschuldigung annehmen. Was hat denn A zu verlieren, wenn sie ihre Mutter besucht? Sie hat nur etwas zu gewinnen, vielleicht eine neue Sicht der Dinge und eine Erklärung, warum die Mutter so handelte.

Was ist denn vorgefallen? War es Kindesmisshandlung? In diesem Fall wäre eine Erklärung und Entschuldigung der Mutter für die Psyche der Tochter vielleicht sogar heilsam. Mit fällt eigentlich nur absichtliche Kindesmisshandlung ein, die es eventuell rechtfertigt, dem Wunsch der Mutter nicht zu entsprechen.

» anlupa » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »



Mir wird A immer unsympathischer und ich empfinde A auch als sehr kaltherzig. Es ist doch wirklich nicht zu viel verlangt einem sterbenden Angehörigen einen letzten Wunsch zu erfüllen. Es denn, der letzte Wille ist zu abgedreht oder eben einfach nicht umsetzbar.

Ich weiß zwar nicht, was A mit ihrer Mutter für Probleme hatte, aber es muss ja wirklich etwas gravierendes, wenn A nicht mal am Sterbebett ihrer Mutter verzeihen möchte. Ich könnte mir doch vorstellen, dass es As Mutter sehr viel bedeuten würde. Ich wäre wohl nicht so hart und würde mich mit meiner Mutter versöhnen, wenn es eben ihr letzter Wunsch ist. Wahrscheinlich würde ich mich selbst, auch dadurch besser fühlen und mir nicht immer sagen müssen, dass man im Streit auseinander gegangen ist. Ich kenne so einen Fall, wo sich die Tochter von der Mutter nicht mehr verabschieden und einen Streit bereinigen konnte, weil die Mutter ganz plötzlich verstarb. Sie hat lange darunter gelitten und sich deswegen Vorwürfe gemacht. Daher meine ich, dass man die Chance nutzen sollte, wenn man sie noch hat.

Ich finde also nicht, dass der letzte Wunsch eine moralische Erpressung ist. Es wird doch normal sogar zum Tode verurteilten Verbrechern ein letzter Wunsch gewährt oder irre ich mich da nun? Es kommt zwar schon ein bisschen auf den Wunsch an, aber man bricht sich doch keinen Zacken aus der Krone, wenn man jemandem einen Fehler verzeiht. Oft geht es einem selbst doch dann auch besser, wenn es bereinigt wurde.

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» Nelchen » Beiträge: 32238 » Talkpoints: -0,25 » Auszeichnung für 32000 Beiträge



@Nelchen: Muss man alles verzeihen, nur weil die Person im Sterben liegt oder nicht mehr lange lebt? Kann man sich alles erlauben, weil man krank ist und einem deswegen verziehen werden muss? Muss ich verzeihen, nur weil eine Person bald stirbt? Warum ist man dann kaltherzig? Ich habe einige Dinge, die ich meiner Mutter auch Jahre nach ihrem Tod niemals verzeihen würde.

Ich halte einen Wunsch auf dem Sterbebett immer für eine emotionale Erpressung, weil ich glaube, dass keiner dann diesem Menschen den Wunsch verneinen würde. Deswegen erpresst diese sterbende Person diesen Menschen. Moralisch gesehen wird derjenige, der dem Wunsch beipflichtet immer damit zu kämpfen haben. Ich würde niemals ein Versprechen abnehmen wollen, wenn ich gerade schwer krank bin. Ich denke, dass es dann zu spät ist.

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» Diamante » Beiträge: 41749 » Talkpoints: -4,74 » Auszeichnung für 41000 Beiträge


Ich sehe das generell ein wenig anders und aus der Sicht eines Kindes, welches die Mutter nicht im Sterbebett um Verzeihung gebeten hat.

Meine Mutter war relativ lange krank. Ich habe sie die meiste Zeit begleitet. Die letzten Wochen ihres Lebens war sie in einem Hospiz, weil keiner von uns in der Lage war sie zu pflegen. Beziehungsweise war das dann auch ihr Wunsch, in ein Hospiz zu gehen. Unter anderem damit sie niemanden zur Last fällt und sie unsere Besuche genießen kann.

Ich selbst war zu dem Zeitpunkt schon berentet. Ich bezog eine Rente aus gesundheitlichen Gründen. Die Erkrankung wurde erst diagnostiziert, als uns allen an sich klar war, dass unsere Mutter sterben wird. Ich habe mir vieles verkniffen, aus Rücksicht auf meine Mutter. Klinikaufenthalte vermieden und so weiter. Und mir ging es zeitweise selbst ziemlich mies.

Jeden Tag war ich bei meiner Mutter. War für sie da. Und ihr war durchaus bewusst, wie sehr ich sie liebe. Allerdings war ich auch diejenige, bei der sie Sachen machte, die sie bei anderen nicht machte. Medikamente nicht nehmen, mit mir rum meckern und so weiter.

Ich erinnere mich noch klar an den letzten Tag, an dem ich sie lebend und halbwegs orientiert erlebt habe. Sie schlief als ich kam. Ich streichelte sie zur Begrüßung, wie ich es immer tat und setzte mich still lesen neben ihr Bett. Als sie wach wurde, setzte sich die Kommunikation aus so Sätzen zusammen wie: Bist du auch mal da? Ich war wohlbemerkt wirklich jeden Tag bei ihr. Mehrere Stunden am Tag. Wann kommt der Papa? Wusste ich nicht, weil er unterschiedlich lang gearbeitet hat. Ich sagte ihr ständig später. Wann kommt der *Name-meines-Bruders*? Mama der war schon da. Die ganze Zeit.

Am nächsten Tag war sie schon nicht mehr ansprechbar und verstarb in der Nacht darauf. Ich hatte die Nacht vor ihrem Tod meine Medikamente abgesetzt, weil ich die Zuzahlung nicht hatte. Hatte am Tag vorher Knatsch mit meiner Therapeutin, die mich in der ersten Krisensituation, die sie miterlebte, einfach weg geschickt hatte. Es war Wochenende und somit absolut kein Ansprechpartner für mich da. Sprich mir ging es eh schon richtig mies.

Ein paar Wochen nach dem Tod meiner Mutter rief die Hospizbetreuerin meiner Mutter mich an. Wir sprachen ein wenig. Im Gespräch erzählte sie mir, meine Mutter hätte sich ihr anvertraut. Ich meine, ich freue mich, dass es meine Mutter geschafft hat, über die Sorgen, die sie mit uns nicht reden konnte, mit jemand anderem zu reden. Sich jemand anzuvertrauen. Die Hospizbetreuerin meinte zu mir, meine Mutter hat ihr gesagt, dass sie traurig ist, weil ich immer hätte *Name-meines-Bruders* hätte zurück stecken müssen.

Ich habe so lange ich denken kann immer wieder gesagt, dass ich mich benachteiligt fühle. Wenn ich für jedes: Das stimmt nicht und das ist nicht so und wir behandeln euch beide immer gleich nur 1 Cent bekommen hätte, ich wäre heute reich. So sehr habe ich darauf gehofft, dass sie mit mir mal darüber redet. Zu mir hat sie es nie gesagt. Und ich wünsche mir nichts mehr, dass ich so was einmal aus ihrem Mund gehört habe.

Man mag nun sagen, ich war ja oft genug bei ihr. Ich denke, ich hätte es auch einfach mal ansprechen können. Im betreffenden Fall denke ich ganz klar, nicht nur der Sterbende hat Wünsche. Und auch die kann man als Angehöriger klar aussprechen. Wie eben auch klar sagen, ich bin hier, aber mehr bin ich nicht bereit zu geben.

» LittleSister » Beiträge: 10426 » Talkpoints: -11,85 » Auszeichnung für 10000 Beiträge


Ich sehe es absolut nicht so, dass der Wunsch eines Sterbenden einer Erpressung gleichkommt. Es gibt nun einmal Dinge, die man einem Menschen nicht verzeihen kann. Und diese Dinge könnte ich nicht einmal einem Sterbenden verzeihen. Ich würde dann auch ganz bestimmt nicht, nur weil mich jemand auf seinem Sterbebett um Vergebung bittet, auf diese Bitte eingehen und eine halbherzige Vergebung herunter heucheln. Ich würde ganz klar sagen, dass ich das nicht vergeben kann. Allerdings würde ich mich dafür entschuldigen, dass ich nicht in der Lage bin, diese Vergebung zu leisten.

Das zeigt ja wohl, dass zumindest ich mich nicht von einem Sterbenden erpressen lassen würde. Ich sehe absolut nicht, wo das eine Erpressung sein sollte. Keine moralische und auch keine offene. Man sollte die letzten Wünsche eines Sterbenden meiner Meinung nach respektieren, das auf jeden Fall. Aber wenn es nun einmal Wünsche gibt, welche man nicht erfüllen kann, dann ist das nun einmal so und ich denke, dass man das auch auf seinem Sterbebett noch realistisch sehen und erst recht einsehen muss.

Sicherlich ist es nicht schön, wenn man in dem Gewissen sterben muss, dass jemand einem etwas nicht vergeben hat. Das kann sehr hart sein. Aber ich denke, dass man als Mensch zu seinen Fehlern stehen muss und auch die Meinung und Ansicht anderer akzeptieren muss. Ich finde es also nicht schlimm, wenn man einem Sterbenden nicht verzeihen kann, ich verstehe das. Schlimmer fände ich es, wenn sich ein Sterbender ein letztes Mal sein Lieblingsgericht wünschen würde und man es ihm aus irgendeinem Wunsch verweigert. So etwas würde ich auf jeden Fall immer erfüllen, wenn es nicht irgendwie unmöglich ist. Und das hätte dann nichts mit Erpressung zu tun, sondern mit Respekt.

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» olisykes91 » Beiträge: 5370 » Talkpoints: 24,75 » Auszeichnung für 5000 Beiträge



Emotional erpressen lassen würde ich mich auch nicht. Jedoch weiß ich nicht, ob es dann so richtig ist nicht noch mal hin zu gehen und ob man damit dann wirklich auch leben kann. Ich würde wahrscheinlich versuchen noch mal hinzugehen und dann würde ich auch nicht verzeihen, wenn es wirklich so schlimm war, was passiert ist. Man kann nun mal nicht alles verzeihen. Die Mutter muss hier leider mit einem schweren Herzen sterben, aber so ist es nun mal. Wenn man im Leben Fehler macht und wenn man seine Mutter nicht verzeihen kann, wird das ein großer Fehler sein, dann muss man auch dazu stehen und dann eben auch damit leben, dass man so abtreten muss.

Man kann sich dieses Verzeihen nicht erzwingen und ich finde es ganz schlimm, wenn man so etwas kurz vor dem Tod noch mal versuchen sollte nur um seine eigene Ruhe zu bekommen. Das ist egoistisch. Ich würde mich in dem Fall erpresst fühlen, weil ich weiß, dass es das letzte Mal sein wird, dass man sie sieht, aber dennoch würde ich meine Meinung nicht ändern, denn eine geheuchelte Entschuldigung ist eben keine echte.

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» Ramones » Beiträge: 47758 » Talkpoints: 8,52 » Auszeichnung für 47000 Beiträge


Für mich hat es nichts mit emotionaler Erpressung zu tun, wenn jemand am Sterbebett einen letzten Wunsch hat, daher würde ich an A's Stelle auf jeden Fall hingehen. Gerade, weil es sich um die eigene Mutter handelt. Ich glaube, sie würde die Entscheidung nicht hinzugehen, früher oder später bereuen. Und überhaupt, der Sterbende kann doch nicht mehr überprüfen, ob man den letzten Wunsch umsetzt oder nicht. Da kann man auch mal ein Lippenbekenntnis ablegen, damit der andere in Frieden sterben kann.

» Cappuccino » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »


Ich verstehe immer nicht, dass Kindesmisshandlung die einzige Sache ist, die man den Eltern nicht verzeihen kann. Das wurde hier schon in mehreren Beiträgen über Probleme mit den Eltern gesagt. Ich nehme mal an, damit ist sexueller Missbrauch gemeint. Aber meiner Meinung nach kann man sein Kind auf viele andere Arten misshandeln, auch ganz ohne die Hand zu erheben. Allein das Kind sein Leben lang zu kritisieren oder ihm seine Liebe vorzuenthalten, reicht doch schon aus.

Und auch das ewige "immerhin geht es um die eigene Mutter" verstehe ich gar nicht. Gerade der eigenen Mutter verzeihe ich nicht leichtfertig. Gerade die eigene Mutter hat eine hohe Verantwortung für mein seelisches Wohlbefinden getragen, der sie wohl nicht nachgekommen ist, wenn man ihr nicht verzeihen kann.

Also ich kann A vollkommen verstehen und ich würde an ihrer Stelle auch nicht an das Sterbebett meiner Mutter eilen, wenn ich nur eine halbherzige Entschuldigung zu erwarten hätte. Sicher, eventuell bereut man es, nicht hingegangen zu sein. Aber ich denke, die Wahrscheinlichkeit es zu bereuen, wenn man hingeht, ist viel, viel höher. Wenn dann nichts als fadenscheinige Entschuldigungen kommen, gepaart mit ein paar Vorwürfen nach dem Motto "du hättest ja auch mal" und "du warst auch nicht besser".

Sich das noch anzuhören ohne sich wehren zu können, weil die Mutter gerade stirbt oder dann gestorben ist, ist grausam. Das würde ich mir auch nicht antun. Die Mutter ist dann tot. Die paar Augenblicke Frieden, die man ihr mit einem geheuchelten Verzeihen schenkt, die sie nicht mal verdient hat, stehen dann im Gegensatz zu dem miesen Gefühl, dass die Tochter ein Leben lang noch mti sich rumtragen muss.

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» Bienenkönigin » Beiträge: 9448 » Talkpoints: 19,93 » Auszeichnung für 9000 Beiträge


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