Gleicher Lohn in West und Ost geht das überhaupt?

vom 16.01.2010, 14:49 Uhr

karlchen66 hat geschrieben:Ein anderer Aspekt besteht darin, dass wir bei einer eventuellen Arbeitslosigkeit oder genauer gesagt beim Hartz 4 Bezug weniger finanzielle Verluste haben als beispielsweise in westlichen Bundesländer. Dort haben einige richtige finanzielle Einschnitte und nicht nur beispielsweise 100,. Euro.

Ja und, deswegen haben sie doch aber trotzdem nicht mehr Geld in der Tasche. Dass ALGII ein Problem der Anpassung von Anspruch und Wirklichkeit ist, da brauchen wir sicher nicht drüber streiten, aber deswegen kriegen ja mittlerweile trotzdem alle den gleichen Satz.

Ich denke, dass es grundsätzlich ohne große Probleme möglich wäre, die gleichen Löhne zu zahlen. Allerdings müsste dann auch die Lebenshaltungskosten dem angepasst werden. Ein Unternehmer kann im Westen höhere Löhne zahlen, weil er mehr Einkommen hat, weil die Menschen dort auch mehr Geld zum Ausgeben haben. Haben dass die Menschen im Osten auch, können hier auch höhere Löhne bezahlt werden.

Dein Beispiel aus Greifswald ist da aber eben kein Abbild dessen. Es ist halbherzig. Oft werden hier Löhne nur in wenigen Branchen oder nur in einzelnen Unternehmen erhöht, nicht aber in der breiten Masse. Dadurch fehlt der Kaufkraftanstieg um für entsprechende Einnahmen bei den Unternehmen zu sorgen. Bei einer flächendeckende Lohnangleichung, würde dieses Problem aber wegfallen.

Unterm Strich würde zwar sicher nicht viel mehr Geld überbleiben, aber darum geht es ja eigentlich auch nur sekundär. Nicht jeder kennt die Preise und Mieten im Westen, aber jeder kann nahezu überall nachlesen, was die Kollegen im Westen für die gleiche, oder oft auch weniger Arbeit, verdienen. Und das ist kein monetäres, sondern eher ein psychisches Problem. Es ist ein Gefühl der persönlichen Abwertung, ein Gefühl Bürger 2. Klasse zu sein.

Die Chance dass zu vermeiden hatte man 1990 gehabt. Genug Geld wurde doch in den Osten gepumpt, Geld zu unrealistischen Kursen umgetauscht. Da hätte man dann auch einfach gleich Löhne und Kosten angleichen sollen und gut wäre es gewesen. Die Mehrausgaben kommen ja auch wieder rein. Es werden ja mehr Steuern gezahlt und die Unternehmen verdienen ebenfalls mehr. Unterm Strich natürlich eine Milchmädchenrechnung ohne wirklich objektiven Gewinn, dafür aber eben Balsam für die Volksseele.

» Klehmchen » Beiträge: 5487 » Talkpoints: 1.012,67 » Auszeichnung für 5000 Beiträge



Das Lohnangleichungen zwischen Ost und West möglich sind, haben aber schon manche Firmen gezeigt. Ein Beispiel wäre ein grosser Autobauer, welcher seinen Mitarbeitern im Osten prozentual eine höhere Lohnerhöhung gegeben hat, als den Leuten im Westen. Das sowas nicht von heute auf morgen geht, damit in beiden Regionen die Leute den selben Lohn bekommen, dürfte jedem klar sein.

Allerdings sollte man doch wirklich nach 20 Jahren weiter sein, als wir heute real sind. Und da hat eben auch der Staat teilweise zu lange die Füsse still gehalten und will jetzt mit Mindestlöhnen noch was retten. Das man damit aber Unternehmern Zahlen aufzwingt, die sich einige dann wieder gar nich leisten können, wird dabei übersehen.

Wenn man bedenkt, wie viele Menschen allein in der Zeitarbeit beschäftigt sind. Die werden nach Tarif Ost als Facharbeiter für 6 bis 7 Euro eingestellt und in den Westen geschickt, wo dann Kollegen mehr als das Doppelte bekommen. Da sollte angesetzt werden. Das man den Tarif bekommt für die Region wo man arbeitet und nicht wo man wohnt.

Was wieder zu Folge hätte, das Zeitarbeiter für manchen Unternehmer unlukrativ werden und sie die Mitarbeiter wieder selbst einstellen. Und es ist dem Arbeitnehmer doch schlussendlich egal, ob sie für Chef X oder Y jeden Montag in die alten Bundesländer fahren, solange sie am Ende mehr Geld in der Tasche haben.

Und wenn man schon mit den Lebenshaltungskosten argumentiert, dann sollte man auch nicht Äpfel mit Birnen vergleichen. Denn Touristenhochburgen mit dem normalen Inland vergleichen hinkt doch sehr stark. Allerdings ist es auch so, das man eben auch in schwachen Regionen sehr hohe Wohnnebenkosten hat. Und wer sich dessen bewusst ist, das eben auch durch die manche Preistreiberei eine hohe Nachzahlung zu begleichen ist, der wird halt sein Geld nicht für andere Dinge, auf dem man eben auch verzichten kann, ausgeben.

» Punktedieb » Beiträge: 17970 » Talkpoints: 16,03 » Auszeichnung für 17000 Beiträge


Punktedieb hat geschrieben:Allerdings sollte man doch wirklich nach 20 Jahren weiter sein, als wir heute real sind. Und da hat eben auch der Staat teilweise zu lange die Füsse still gehalten und will jetzt mit Mindestlöhnen noch was retten. Das man damit aber Unternehmern Zahlen aufzwingt, die sich einige dann wieder gar nich leisten können, wird dabei übersehen.

Naja, der übergreifende Mindestlohn von 8 € der momentan in Diskussion ist kann jedes Unternehmen zahlen ohne wirklich in Existenznot zu geraten - und wenn nicht ist das Unternehmen sowieso marode, wenn man schon so stark an den Mitarbeitern sparen muss ;)

Und selbst hier werden ja Abstriche gemacht, dass der Mindestlohn wieder in Ost und West gesplittet wird - zumindest der, der seitens der Tarifparteien erarbeitet wurde.

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» Subbotnik » Beiträge: 9308 » Talkpoints: -7,05 » Auszeichnung für 9000 Beiträge



Der derzeitige Mindestlohn liegt in Greifswald bei 3,50 Euro. Die Arge zahlt dann einen Zuschuss zum Lebensunterhalt. Es haben auch keine einzelnen Branchen hier etwas erhöht, sondern das ist nur bei der Uni in einzelnen Bereichen der Fall gewesen. Selbst 8 Euro Stundenlohn oder besser gesagt Mindestlohn sind hier noch nicht machbar.

Das letzte Jahr ist im Verhältnis zu anderen Jahren auch in Bezug auf Firmenpleiten schlechter gewesen, als beispielsweise die Jahre davor. Das muss sich einfach langsam entwickeln ohne eine Zeitdruck, denn die Firmen müssen sich erst einmal wirtschaftlich stabilisieren. Selbst Siemens hat hier schon seine Belegschaft um die Hälfte zirka reduziert.

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» karlchen66 » Beiträge: 3563 » Talkpoints: 51,03 » Auszeichnung für 3000 Beiträge



trüffelsucher hat geschrieben: Aber es sind eben nicht überall im Westen die Lebenshaltungskosten billiger, als im Osten.

Entschuldigung. Mein oben zitierter Satz hat wohl Irritationen ausgelöst. Es sollte natürlich so heißen: Aber es sind eben nicht überall im Osten die Lebenshaltungskosten billiger, als im Westen. Zumindest war das meine Aussageabsicht. Alles andere wäre ja quatsch gewesen.

Mir ist ja auch klar, dass man die Lohnniveaus nicht von heute auf morgen oder schlagartig angleichen kann. Aber ein wenig mehr Schritte in diese Richtung würde ich für das gefühlte Zusammenwachsen der beiden Teile Deutschlands für sehr wichtig halten. Ich finde es eben, rein emotional betrachtet, ziemlich pervers, dass man in einem Staat wie Deutschland fast so etwas wie ein innerdeutsches Schwellenland hat. Das hinterlässt bei den Ossi einen ziemlichen Knacks im Selbstbewusstsein, weil man nicht so viel Geld wert ist, wie die anderen Deutschen. Und auch im Westen sehen viele das so, dass das, was nichts kostet, nichts wert ist, also die Kollegen in den neuen Ländern irgendwie weniger entlohnenswert sind. So begegnen sich die Einwohner der einzelnen Landesteile immer noch nicht auf Augenhöhe und das nach zwei Jahrzehnten.

BAT-Ost gilt nicht nur für Staatsdiener, die irgendwie Quereinsteiger sind. Wenn ein Junger Mensch in den letzten Jahren sein Lehramtsstudium abgeschlossen hatte, wurde er auch nach BAT-Ost eingestuft, wenn er z.B. in Potsdam unterrichtet. Und das ist dann ganz egal, dass er eine Ausbildung nach gesamtdeutschen Standard bekam. Natürlich haben so viele dem quasi freiwillig zugestimmt, weniger als Westkollegen zu verdienen. Es ist ja immer noch die kleiner zu schluckende Kröte, wenn man weniger verdient, als wenn man seinen Job ganz verliert.

Zur Neiddebatte: Da wäre mal interessant, wenn man Umfragen in Auftrag geben würde, wie das Volk eine einheitliche Bezahlung der Staatsdiener in Ost und West tatsächlich einschätzt. Ob also der Neid tatsächlich so ein großer Faktor wäre, wie angenommen. Es kann ja auch gut sein, dass das mehr eine äußerst geldsparende Schutzbehauptung ist. Auf Staatsdiener sind sowieso viele Leute neidisch. Die Vorurteile gegenüber Beamten kennt eh jeder. Der Volksmund sagt da ja häufig, dass Staatsdiener eh nur den Stuhl wärmen und das Geld quasi fürs Nichtstun bekommen. Es wäre einfach ein schönes Zeichen, wenn unter einer Kanzlerin mit DDR - Biographie da nun einige schnellere Schritte in Richtung Gleichbehandlung geschehen würden.

Das ist meine Meinung. Ob das nun volkswirtschaftlich tatsächlich so verheerend wirken würde, wie immer in tiefem Schwarz an die Wand gemalt wird, vermag ich nicht zu sagen. Sicherlich, die Unternehmen drohen. Nur weiß man vorher eben nicht, ob sie nachher tatsächlich die Drohungen wahr machen würden.

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» trüffelsucher » Beiträge: 12446 » Talkpoints: 3,92 » Auszeichnung für 12000 Beiträge


trüffelsucher hat geschrieben:Mir ist ja auch klar, dass man die Lohnniveaus nicht von heute auf morgen oder schlagartig angleichen kann. Aber ein wenig mehr Schritte in diese Richtung würde ich für das gefühlte Zusammenwachsen der beiden Teile Deutschlands für sehr wichtig halten.

Das bestimmt, zumindest was den Ostteil angeht da die meisten Ostdeutschen sich (zu Recht) immernoch als Deutsche zweiter Klasse wahrnehmen.

trüffelsucher hat geschrieben:Zur Neiddebatte: Da wäre mal interessant, wenn man Umfragen in Auftrag geben würde, wie das Volk eine einheitliche Bezahlung der Staatsdiener in Ost und West tatsächlich einschätzt. Ob also der Neid tatsächlich so ein großer Faktor wäre, wie angenommen.

Unterschätze mal die menschliche Gier nicht ;) - wir hatten hier schon (westdeutsche Univsersitätsstadt) einen riesigen Aufschrei als es darum ging, dass die niedrigentlohnten Angestellten der Stadt den üblichen Tariflohn (!) gezahlt bekommen sollten. Die Ausgaben dafür wären sogar noch im Rahmen gewesen und weit unter dem was hier z. B. Unternehmen ständig in den Rachen geschoben bekommen an Förderungen (worüber merkwürdigerweise wenige meckern, wahrscheinlich weil oft der eigene Job mit dranhängt und so subventioniert wird).

Trotzdem fand man es unerhört dass gerade die mehr Lohn (im Grunde nur den, der ihnen laut Flächentarifvertrag zustehen würde) bekommen sollen (das wären im Schnitt nur 30 Euro pro Nase) gewesen oder dass man hier Arbeitslose durch Umsiedlung mehr Wohngeld zustand da zwangsweise aus Baumängeln Häuser abgerissen werden mussten und sie in "teurere" Wohnungen einquartiert werden mussten. Da geht es um Peanuts und viele Gutverdienende regen sich nur deswegen auf, da die eigene Gier schon länger nicht mehr befriedigt wurde nach dem Motto "6 % mehr Lohn - bekomme ich auch nicht, gönne ich anderen deswegen nicht!", also noch nicht einmal um Gehaltsanhebungen von eigentlich gut verdienenden Staatsbediensteten.

Gerade im Osten mit der hohen Arbeitslosigkeit würde da die Einkommensschere noch weiter aufreißen - auch wenn jedem VWLer klar ist, dass das Geld was da regional mehr reingesteckt wird auch langfristig allen zugute kommt. Aber das interessiert erst einmal keinen, weil`s zu komplex ist bzw. man es ja nicht gleich sieht.

trüffelsucher hat geschrieben:Es wäre einfach ein schönes Zeichen, wenn unter einer Kanzlerin mit DDR - Biographie da nun einige schnellere Schritte in Richtung Gleichbehandlung geschehen würden.

Merkel hat doch mit den heutigen Ostdeutschen kaum noch eine echte Bindung, auch wenn sie gern immer etwas anderes behauptet, und für sie steht, siehe Interview gestern im WDR, die Realpolitik im Vordergrund. Das sieht man doch schon an der neuen Koalitionspolitik die vor allem die Ostdeutschen wieder härter in die Pflicht nimmt und abstraft.

trüffelsucher hat geschrieben:Ob das nun volkswirtschaftlich tatsächlich so verheerend wirken würde, wie immer in tiefem Schwarz an die Wand gemalt wird, vermag ich nicht zu sagen.

Verheerend wären glaube ich weniger die Lohnanpassungen, denn das würde sich langfristig ausgleichen und solange das staatlich finanziert wird und den Unternehmen so das Risiko fehlt gibt´s da auch wenig zu drohen. Problematisch wäre dann aber eher, was auch für eine Unterbezahlung der Ossis immer herausgeholt wird, dass die Unterstützungen für den Aufbau Ost stark zurückgefahren werden müssten. Große Streichungen aus diesem Subventionstopf würden einen größeren Schaden anrichten als jede Lohnanpassung.

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» Subbotnik » Beiträge: 9308 » Talkpoints: -7,05 » Auszeichnung für 9000 Beiträge


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