Genervt vom ständigen "tatsächlich"

Ich weiß nicht, ob es dem einen oder anderen hier schon aufgefallen ist, aber seit schätzungsweise zwei Jahren schon fällt mir sowohl bei Promis als auch bei vielen Menschen, die ich reden höre auf, dass sie in jedem zweiten Satz das Wort "tatsächlich" gebrauchen. Mir bluten jedes Mal die Ohren, weil es an Stellen gebraucht wird, wo es eigentlich überhaupt nicht hingehört. Hier ein Beispiel, welches ich gerade im Radio gehört habe: "tatsächlich sammle ich alte Bravos". Äh? Für mich gehört das Wort in Sätze, wie "das tatsächliche Nettogehalt" oder "das tatsächliche Volumengewicht" usw.

Ich hatte mal eine Kollegin, die hat wirklich in fast jedem zweiten Satz dieses Wort gebraucht und ich musste mich während der Unterhaltung mit ihr echt zusammenreißen, dass mir meine Gesichtszüge nicht entgleisen. Ganz extrem fällt es mir immer auf, wenn ich mal "Das große Backen" im Fernsehen gucke. Die beiden Juroren, Bettina Schliephake-Burchardt und auch Christian Hümbs gebrauchen bei jeder Beurteilung der Backwerke wirklich in fast jedem(!) Satz das Wort "tatsächlich". Das eine Mal habe ich aus Spaß mitgezählt, es waren genau dreizehn(!) Mal bei einem Kandidaten.

Mich nervt das total, es ist irgendwie ein Trigger. Ich meine, dass irgendwelche Promis irgendwann mal damit angefangen haben und jeder plappert es einfach nur nach, ohne nachzudenken. Ich achte bewusst drauf, dieses Wort nur an der richtigen Stelle zu gebrauchen. Ist Euch das auch schon mal aufgefallen, dass es Leute gibt, die dieses Wort über das normale Maß hinaus verwenden?

Tatsächlich ist mir die übermäßige Nutzung des Wortes tatsächlich nie aufgefallen. Sorry, die Steilvorlage war zu gut. Aber es entspricht den Tatsachen, denn mir persönlich ist das noch nie wirklich ins Auge gestochen bzw. ist es so sehr in meinen passiven Wortschatz eingegangen, dass es nicht als neu oder störend auffällt. Ich gehe davon aus, dass es sich um eine Eindeutschung anderer Sprachgewohnheiten aus dem Englischen oder Italienischen handelt, ich musste zum Beispiel spontan an das italienische "in realta" oder das englische actually denken.

Das folgt vermutlich einer ähnlichen Logik wie "etwas ergibt Sinn" oder "etwas macht Sinn" (aus dem Englischen angelehnt). Formal betrachtet ist die letzte Variante nicht korrekt, hat sich aber so durchgesetzt, dass sie vermutlich schon längst als Möglichkeit des Ausdrucks im Duden vermerkt ist oder in mittelbarer Zukunft dort eingetragen wird. Sprache ist ständig im Wandel, und es wird immer eine Übergangszeit geben, wo manche Leute neue Gepflogenheiten als falsch wahrnehmen. Korrekt wäre hier für "tatsächlich" vermutlich eher "in der Tat", aber mal ehrlich, wer benutzt das noch groß im mündlichen Sprachgebrauch?

Formal betrachtet wird hier übrigens das Wort "Trigger" auch nicht so ganz korrekt genutzt. Ein Trigger ist ein Reiz, der eine Reaktionskette bei einem psychisch entsprechend vorbelasteten Menschen auslöst, die auf dem Boden eines schweren Traumas fußt. Der inflationäre Begriff des Wortes verwässert die wahre Dramatik des echten Leidens. Es entstammt der Fachsprache der Psychologie, und sollte eigentlich nicht als Synonym für eine Marotte oder gedankliche Fixierung, einen kleinen Reiz oder ein Dorn im Auge genutzt werden. Leider machen das doch so viele, dass die ursprüngliche Bedeutung des Wortes schon fast verloren geht.

Wobei ich natürlich auch manchmal Worte, Wendungen oder Gewohnheiten bemerke, die mich zwar nicht unbedingt nerven, aber die für mich auch albern klingen. Zum Beispiel das in meinen Ohren etwas affektiert klingende "Lieben wir", wenn jemand betonen möchte, dass er bzw. meist eigentlich immer sie, eine Sache gut findet. Fand ich anfänglich noch lustig, aber mittlerweile habe ich es mir quasi bei anderen überhört, ich selbst nutze es sowieso nicht.