Frust von Mitarbeitern bei Filialschließung gerechtfertigt?
Ich war auch mal in unserer Max Bahr Filiale, die derzeit einen Ausverkauf durchführt und ich muss sagen, dass ich etwas erschrocken über das Verhalten der Mitarbeiter dort war. Außerdem stehen und hängen überall Plakate herum, wo drauf hingewiesen wird, dass sie die nachfolgenden Fragen nicht beantworten. An sich ja nix schlimmer, aber die Formulierung an sich ist ja schon recht abschreckend und außerdem sind dort so viele Fragen aufgelistet, dass man sich schon gar nicht mehr traut nach irgendwas zu fragen.
An den Kassen selbst, kann man den Frust richtig spüren. Die Kassierer sind total gereizt drauf und auch nicht mehr so freundlich wie sonst. Irgendwie hat man das Gefühl dass die Kunden sie nur noch nerven, obwohl sie doch gar nichts dafür können, das die Filiale schließt und sie ihre Arbeitsplätze verlieren.
Habt ihr schon mal so was Ähnliches erlebt, wo eine Filiale geschlossen wurde und die Mitarbeiter total gefrustet waren und dies an die Kunden weiter gegeben haben? Meint ihr, dass das Verhalten gerechtfertigt ist, oder sollte man auch bis zum Schluss dem Kunden ein gutes Gefühl geben?
Naja, warum schließt denn die Filiale? Wahrscheinlich doch, weil es zu wenig Kunden gab, die den Umsatz angekurbelt haben. Und nun, wenn alles schön billig verramscht wird, kommen sie in Scharen. Sicherlich entspricht es nicht der allgemeinen Etikette, wenn man dann unhöflich wird. Aber ich finde es nur allzu menschlich.
Wozu sollten sie da noch stundenlang jeden Tag ihren Frust runterschlucken und freundlich weitermachen? Sie haben nichts mehr zu verlieren. Wegen den Kunden und dem Arbeitgeber haben sie schon alles verloren. Dann sollen sie noch höflich sein zu den einen, um den Ruf des anderen nicht zu schaden?
Kassiererinnen sind doch nicht jeden Tag mehrere Stunden lang höflich, weil sie so gute Menschen sind. Entweder mögen sie ihren Job, sie mögen den Kontakt zu den Menschen, sie sind ihrem Arbeitgeber gegenüber loyal, sie wollen ihren Job behalten, sie sind glücklich, diesen Job zu haben. Das alles fällt weg und trotzdem sollen sie dort noch weiterhin sitzen und abkassieren.
Ich denke, es wäre sogar richtig ungesund, wenn sie diesen Frust jetzt noch runterschlucken würden. Also tue ihnen den Gefallen und lass sie ihren Frust an dir rauslassen. Ich würde das nicht so persönlich nehmen, sondern eher mit ihnen mitleiden.
Das gleiche konnte man doch bei der Schließung der Schlecker Filialen beobachten. Die Verkäuferinnen und Verkäufer sind da auch sehr frustriert gewesen. Aber ist das denn nicht verständlich? Teilweise arbeiten die Leute schon Jahre lang in den Filialen und müssen nun Arbeitslosengeld beantragen und auch noch bis zum letzten Tag freundlich sein?
Ich kann die Leute schon verstehen, dass sie frustriert sind und gerade um die Weihnachtszeit auch noch daran denken, dass sie in wenigen Tagen arbeitslos sind ist doch frustrierend. Würdest du da freundlich und glücklich aus der Wäsche schauen? Ich denke, dass du auch gefrustet sein würdest und auch die vielen Fragen der Kunden, warum und weshalb nicht mehr beantworten wollen würdest. Man sollte für die vielen Leute, die durch die Pleite von Max Bahr betroffen sind schon Verständnis haben.
Bei der hiesigen Filiale war wohl zum Ausverkauf sehr viel los. Wenn das bei dir genauso war, dann kann ich es richtig gut verstehen, dass die Verkäufer nicht so freundlich waren, wie du es vielleicht gewöhnt warst. Aber auch sonst verstehe ich es. Diese Menschen haben ihre Arbeit verloren und ihnen wurde der Boden unter den Füßen weg gerissen. Dann fällt es doch sicher richtig schwer, an den letzten Tagen noch freundlich zu den Kunden zu sein, zumal, wenn sie dann über den Laden herfallen und die richtigen Schnäppchen machen möchten.
Ich kann mich auch noch daran erinnern, wie es war, als Schlecker zu gemacht hat. Sonst war vielleicht mal ein Kunde im Laden, aber als der Ausverkauf gestartet wurde, mussten Kunden draußen warten, weil so viele Kunden nicht gleichzeitig in den Laden durften, wie sie es gerne wollten. So etwas ist für Verkäufer sicher nicht leicht zu verkraften und darum finde ich schon, dass es gerechtfertigt ist, dass man den Mitarbeitern den Frust auch anmerkt.
Ich kann das sehr gut nachvollziehen, wobei aber nicht nur der Kunde schuld hat weil er vorher nicht gekauft hat. Die Kaufunlust entsteht oft erst durch die Meldungen dass eine Kette Insolvenz anmeldet, meist ist völlig unklar wer zum Beispiel die Gewährleistung bei gekauften Waren übernimmt. Weder bei Schlecker noch bei Max Bahr waren unwillige Kunden das Problem. Dennoch kann man von Menschen, die ihre Arbeit verlieren und nicht wissen wie es weitergeht, nicht verlangen dass sie sich stundenlang verstellen. Ich gehe aber andererseits auch nicht in solche erzwungenen Schlussverkäufe weil es mir wie Leichenfledderei vorkommt.
Bei Schlecker konnte ich ähnliches erleben, zumal hier viele Verkäuferinnen, die als Seiteneinsteigerinnen in diesen Beruf gekommen waren, hinterher vor dem Nichts standen und entgegen der Schönfärberei gewisser neoliberaler Politiker haben viele dieser Frauen immer noch nicht richtig Tritt gefasst.
Bei Quelle gab es zwar keine Filialen in dem Sinne, aber die Familie, die den örtlichen Partnershop geleitet hat, war extrem verbittert. Zuhause waren kleine Kinder, eine OP am Herz hatte die Frau gerade hinter sich und der Mann hatte auch schon einen Bandscheibenvorfall. Da liegen die Nerven blank.
Auf jemanden, der die Einzelschicksale nicht kennt, macht dies natürlich einen völlig anderen Eindruck. Der sieht nur genervte Angestellte, die nicht richtig reagieren und sich unmöglich benehmen.
Es ist doch irgendwo nachvollziehbar, dass man nicht besonders gut gelaunt ist, wenn der eigene Arbeitsplatz quasi schon abgeschrieben ist. Ich kenne das Gefühl, jedoch habe ich mich bemüht bis zum letzten Tag einen gewissen Anstand zu wahren und ordentlich mit Kollegen und Patienten umzugehen.
Genau das habe ich mit mir selbst vereinbart, weil alles andere nicht in Ordnung ist. Andere können da meist am wenigsten für die eigene Situation. Nun geht nicht jeder so damit um und manch einer zeigt seinen Frust nun mal offen und direkt. Das muss man dann auch verstehen und das ganze direkt wieder abhaken und es sich selbst nicht zu Herzen nehmen.
Bisher war ich noch nie in einer Filiale, die unmittelbar danach geschlossen hat. Demzufolge habe ich so einen Frust und Ärger noch nicht selbst erleben können. Gefrustete Mitarbeiter trifft man ab er auch so mal in normalen Geschäften an. Da muss man nicht extra zu so einer Filiale gehen, von der man weiß, dass die demnächst schließen wird.
Ich kann jeden Mitarbeiter verstehen, wenn das Geschäft zumachen muss und jeder hat die Kündigung bekommen. Da würden wir sicherlich auch unsere Arbeit nicht mehr mit besonderer Freude und guter Laune machen. Denn die drohende Arbeitslosigkeit nagt ja jede Sekunde und die Nerven sind gespannt. Man sollte sich zwar bemühen, ein neutrales Gesicht zu machen und höflich zu sein, aber wenn es mal nicht klappt, weil der Kunde eine blöde Frage stellt, dann ist das eben so.
Aussagen wie: „Das tut mir leid für Sie,“ oder „Was machen Sie denn jetzt“? Sind fehl am Platz und nerven, Trotzdem werden sie gestellt. Manche Kunden haben auch nicht ein bisschen Fingerspitzengefühl. Kommt dann eine ablehnende Antwort heißt es, dass die Mitarbeiter unfreundlich sind.
Bei Schlecker habe ich während des Ausverkaufs ähnliches erlebt. Ich habe nach etwas gefragt und eine total pampige Antwort bekommen. Die Verkäuferinnen in dem Geschäft waren aber eh nie besonders freundlich und meiner Meinung nach im Verkauf eh total falsch. Deshalb habe ich dort immer nur eingekauft, wenn es unbedingt sein musste.
Ich kann es eigentlich nicht verstehen, wenn man seine schlechte Laune an völlig Unbeteiligten auslässt. Es bringt nichts und im Prinzip weiß man das doch auch ganz genau. Wenn ich schon mal jemandem eine dumme Antwort gegeben habe, weil ich wegen irgendwas anderem schlechte Laune hatte und die Frage gerade unpassend kam, hat sich meine Laune dadurch eher verschlechtert. Der Grund für meine schlechte Laune ist nicht weg und zusätzlich fühlte ich mich jetzt auch noch schlecht, weil ich jemanden ungerecht behandelt hatte.
Bienenkönigin hat geschrieben:Naja, warum schließt denn die Filiale? Wahrscheinlich doch, weil es zu wenig Kunden gab, die den Umsatz angekurbelt haben.
Soweit ich weiß gehört Max Bahr zu Praktiker und der Grund für die Insolvenz war wohl nicht so sehr der Mangel an Kunden sondern grobe Fehler beim Management. Es gab zum Beispiel ständig diese "alles außer Tiernahrung" Rabatt Aktionen, die Kunden anlocken sollten und im Endeffekt nur dafür gesorgt haben, dass kaum noch jemand zum normalen Preis gekauft hat, weil alle wussten, dass in ein paar Wochen eh wieder reduziert wird.
Es ist durchaus verständlich, dass Angestellte eine gewisse Frustration empfinden, wenn sie eine Kündigung erhalten haben. Gerade für diejenigen, die nicht so gut ausgebildet sind und praktisch nichts anderes machen können oder wollen, ist eine Kündigung kein schönes Erlebnis. An diesem Job hängt dann oftmals die ganz Existenz und wenn sich keine echten Alternativen bieten, ist das sicher auch frustrierend.
Dennoch denke ich, dass sich jemand, der im Verkauf arbeitet, auch darauf einlässt, dass in diesem Job eine gewisse Grundfreundlichkeit vorhanden sein muss. Auch wenn man noch so viele Probleme mit der Geschäftsleitung, den Kollegen oder auch im privaten Umfeld hat, ist es nicht richtig, die Kunden mit der schlechten Laune und Frustration zu konfrontieren. Das mag zwar menschlich sein, aber als Verkäufer sollte man sich eigentlich im Griff haben. Das Problem ist, dass in diesen Jobs aber häufig eben nicht nur Leute arbeiten, die mit Leib und Seele Verkäufer sind, sondern auch solche, denen nicht viel übrig bleibt. Die zeigen dann sicher eher mal im Beisein der Kunden, wie sie gelaunt sind.
Ich habe zwar auch schon unhöfliche Verkäufer erlebt, allerdings stand dies nicht mit einer Filialschließung im Zusammenhang. Ich bin nicht unbedingt ein Schnäppchenjäger, der bei einer Geschäftsschließung noch schnell alle möglichen Dinge zusammenraffen muss. Ein einziges Mal habe ich ein Shirt gekauft, als ein Bekleidungsgeschäft schloss. Dort waren die Angestellten aber trotzdem freundlich. Bei Bahr oder Schlecker habe ich bisher praktisch nie etwas gekauft, schon gar nicht im Rahmen der Geschäftsaufgabe.
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