Betreuungsgeld - Bar oder Gutschein

vom 10.12.2009, 09:22 Uhr

Diese Diskussion ist ja nun nicht ganz frisch. Trotzdem würde ich gern mal Eure Meinung zu diesem Thema hören. Unstrittig ist sicherlich, dass man diese Zuwendung grundsätzlich entweder allen Familien in bar gewährt oder eben in Form von Gutscheinen. Alles andere wäre doch Diskriminierung.

Klar ist auch, dass bei Bargeld eine Zweckentfremdung möglich ist, die Eltern aber die größere Wahlfreiheit haben. Ebenso klar ist aber auch, dass bei der jetzigen Gesetzgebung die Zuschüsse beispielsweise Empfänger sozialer Zuschüsse in der Regel wieder abgezogen würde; diese Familien also nicht von einer Barzahlung profitieren würden.

Gutscheine dagegen würden dafür sorgen, dass die (eh knappen) Mittel wirklich zielgerichtet dafür eingesetzt werden, wofür sie denn auch gedacht sind. Damit würde auch gleichzeitig ein Zeichen gesetzt: weg von der Fixierung auf die häusliche Erziehung. Natürlich würde die Wahlfreiheit der Eltern so auch eingeschränkt, aber existiert die in vielen Gegenden denn wirklich?

Also was denkt Ihr? Welche Argumente pro und contra fallen Euch ein?

» JotJot » Beiträge: 14058 » Talkpoints: 8,38 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



Das ganze Problem fängt schon damit an, dass die zusätzlichen Gelder für Eltern 1. ein Wahlgeschenk sind und 2. die Bevölkerung in diesem Bereich ruhig stellen soll. Mit dieser Vorgabe lässt sich sowieso nur sehr schwer nachhaltige, sinnvolle Politik gestalten. Fragen der Erziehung, Förderung und Integration werden so jedenfalls nicht gelöst.

Nimmt man aber einfach mal den guten Willen der Regierung, dass vier Milliarden Euro mehr in frühkindliche Förderung investiert werden soll, dann kann man dies zunächst aber einmal als sinnvoll und sehr erstrebenswert einstufen. Bei der Frage der Verteilung stellen sich eben nun die Fragen, wie man das machen sollte.

Gibt man den Eltern 150 Euro mehr Geld in die Hand, so können die Eltern selbst entscheiden, was sie damit anfangen. Dahinter steht das Bild der intakten Familie, wie es sich vor allem immer noch die CSU erträumt. Der Mann geht arbeiten, die Frau erzieht die Kinder und kümmert sich um den Haushalt, sonntags gehen alle gemeinsam in die Kirche. Dieses Bild hat leide rmit Realität nichts mehr zu tun. Alleinerziehende - und davon hat es Millionen - stehen vor ganz anderen Aufgaben.

Und schaut man sich die letzt erst veröffentliche Armutsstatistik an, dann stellt man schnell fest, dass gerade diese Gruppe dreimal häufiger auf Sozialleistungen angewiesen ist als Familien mit Kindern, dann bringt Bargeld da überhaupt nichts, denn es wird mit Sozialleistungen verrechnet und unterm Strich bleibt nichts. Das gilt für viele andere Familien übrigens auch. Bedenkt man ferner, dass in Deutschland rund 3 Millionen Kinder mehr oder weniger auf Transfers des Staates angewiesen sind, dann haben auch die nichts von der Bargeldlösung mit Verrechnung. Ganz abgesehen davon, soll das Geld ja Förderung der Kinder unterstützen, da ist es auch bei denen nicht geholfen, die sich Kinder eh schon leisten können.

Bei Gutscheinen wird den Eltern - und natürlich auch den Kindern - ein Angebot unterbreitet, das sie sonst wohl eher kaum annehmen würden. Sei es im sportlichen oder musischen Bereich, hier entstehen Chancen früher als bisher, im optimalen Fall sogar überhaupt - Angebote zu machen, die genau das fördern können. Soziales Austausch mit anderen Kindern, bessere Integration, letztlich auch mehr Bildung und Kompetenz.

Man könnte diese Gutscheine sogar verpflichtend machen, so dass es auch gesichert ist, dass die Angebote auch genutzt werden. Gerade in der Sprachkompetenz der Kinder würde dies viel nützen. Auch hier ein Beispiel aus den Folgen der Vergangenheit: 15% eines Jahrganges verfügen in der 10. Klasse nur über ausreichende Kenntnisse in Schreiben und Rechnen wie nach der Grundschule. Man könnte es auch anders formulieren: in unserem hochentwickelten Land droht einem Sechstel der Bevölkerung Analphabetismus. Eine erschreckende Zahl, deren Auswirkungen auf die Gesellschaft verheerend ist. Hier wäre der Ansatz früher Förderung ein Mittel, um dies dauerhaft in den Griff zu bekommen, über Gutscheine.

Also meine Meinung steht relativ fest: Gutscheine statt Gießkanne. Sinnvoll und effizient eingesetzt lassen sich damit am ehesten die Ziele erreichen, die man auch wirklich angestrebt hat.

Benutzeravatar

» betty » Beiträge: 1460 » Talkpoints: 0,13 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


Der einzige Vorteil den ich an Gutscheinen sehe: Es spart dem Staat Geld! Einfach deswegen weil die Familien die es sich auch so leisten können an bestimmte Programme gebundene Gutscheine so zu bezahlen, da dürfte es doch ein paar Hemmungen geben, diesen einfach so einzulösen - das hat irgendwie etwas von "Bedürftigkeit". Und ob man sich diese Blöße in entsprechender sozialer Stellung diese geben möchte? Da wird es bestimmt einige geben, aber viele werden es aus Stolz vielleicht nicht annehmen.

Gutscheine würden also heißen: (indirekte) Diskriminierung der Wohlhabenden.

Barzahlungen sind da natürlich angenehmer und ich würde auch, entgegen der sonst üblichen Polemik, den meisten aus dem Prekariat zutrauen damit verantwortungsvoll umzugehen - wenn da nicht die bereits angesprochene Abzugsproblematik wäre.

Barzahlungen würden also heißen: Diskriminierung der Armen.

JotJot hat geschrieben:Damit würde auch gleichzeitig ein Zeichen gesetzt: weg von der Fixierung auf die häusliche Erziehung. Natürlich würde die Wahlfreiheit der Eltern so auch eingeschränkt, aber existiert die in vielen Gegenden denn wirklich?

Ich bin ja eh gegen jede Form von Herdprämie und dass da keine Wahlfreiheit besteht sehe ich eher darin, dass man gerade im Westen ja noch nicht einmal ein funktionierendes Ganztagsangebot an Kindergartenplätzen hat und Frauen sich ernsthaft darüber freuen, wenn sie da ihre Kinder vormittags betreut wissen :D. Lächerlich, aber Frauen im Westen sind halt (in der Elterngeneration) kaum bis gar nicht emanzipiert.

Als ich einmal dazu einen Beitrag im Radio gehört habe, ich glaube es war von der Familienministerin in Mecklenburg-Vorpommern, als es darum ging, dass vereinzelt jetzt auch Kindergärten in Westdeutschland bis 16 Uhr aufhatten und das groß gefeiert wurde und es nur hieß: "Wäre das in Meck-Pomm so, würden einem aufgebrachte Eltern das Ministerium einrennen!" (da es eine Verkürzung darstellen würde).

Aber ein Ganztagskindergartenplatz, bei dem die Kinder Frühstück, Mittagessen und Vesper hätten und somit einerseits die Ernährung als auch die soziale Integration und der Austausch mit anderen gesichert wäre und im Grunde all das ersetzen würde was man mit dem Betreuungsgeld beabsichtigt hat 2 gravierende Nachteile:
- er kostet mehr als 150 Euro im Monat, vor allem wenn er erst noch geschaffen werden muss
- er unterwandert das traditionelle Familienmodell der CDU/CSU mit der Frau als Untertan und dem Mann als gnädigen Versorger - schließlich könnte die ja auf dumme Gedanken kommen, wenn sie auf einmal die Möglichkeit hätte den ganzen Tag über Vollzeit arbeiten zu gehen und selber gut Geld zu verdienen.

Benutzeravatar

» Subbotnik » Beiträge: 9308 » Talkpoints: -7,05 » Auszeichnung für 9000 Beiträge



Also ich persönlich würde eher darauf verzichten direkte Geldleistungen zu erhöhen. Egal ob nun als Barmittel oder als Gutschein. Statt dessen sollte man das Geld lieber direkt in Kindereinrichtungen, Schulen, Universitäten und das entsprechende Personal investieren.

Ich persönlich komme ja nun aus einem vergleichsweise sehr kinderfreundlichen Bundesland, aus Sachsen-Anhalt. Hier hat man sogar einen Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung und das ab dem dritten (?) Lebensjahr bis die Schulpflicht endet. Das ist soweit ich es weiß in keinem anderen Bundesland so geregelt. Sowas kostet aber natürlich auch Geld und an vielen Ecken fehlen die nötigen Mittel um daneben auch eine genügende Qualität zu gewährleisten und auch genug ausgebildete Erzieher einzustellen.

Solange man sowas nicht mal gewährleisten kann, dass genug Betreuungsplätze und genug ausgebildete Erzieher vorhanden sind, braucht man gar nicht darüber nachdenken, den Eltern mehr Geld in die Hand drücken zu wollen, finde ich.

Zudem sehe ich eine mögliche Wahlfreiheit auch eher kritisch. Natürlich gibt es genug Eltern, die ihre Kinder auch zu Hause umfassend und gut bilden und erziehen können und sowohl eine intakte Familie aufzeigen können, als auch für genügend soziale Kontakte sorgen können. Anderseits gibt es aber auch genügend Familien die dies gar nicht mehr können, die auch teilweise darauf angewiesen wären, dass fürs Kind bestimmte Geld zweckfremd zu verwenden. Und dem steht dann auch die wohlhabende Familie entgegen, die weden auf Bargeld noch auf einen Gutschein angewiesen wäre und die damit höchstens noch den sechsten Musiklehrer bezahlen würden, damit das Geld halt ausgegeben wird.

» Klehmchen » Beiträge: 5487 » Talkpoints: 1.012,67 » Auszeichnung für 5000 Beiträge



Auch ich verfolge die Disskussion aufmerksam. Mein Mann und ich haben einen 6 Monate alten Sohn und "planen" weitere Kinder. Dieses Betreuungsgeld würde uns direkt betreffen. Mein Mann arbeitet als Ingenieur und ich habe Verwaltungswissenschaften studiert. Irgendwann möchte ich sicher zurück in den Beruf. Aber ich möchte meine Kinder gerne bis zum 3. Geburtstag zu Hause betreuen.

Ich finde es immer gut, wenn der Staat die Familien unterstützt. Für uns ist es ein großer finanzieller Einbruch wenn ich zu Hause bleibe. Diese 150 Euro würden uns sehr helfen und ich würde sie wohl sowohl in Gutscheinform als auch in Bargeld in Anspruch nehmen. Ich wäre mir dazu nicht zu fein.

Allerdings finde ich, dass es dafür eine einheitliche Regelung geben sollte. Nicht, dass sozialschwache Familien Gutscheine bekommen und die anderen Bargeld. Das wäre schon diskriminierend.

Ich könnte mir aber auch vorstellen, dass es eine Ausnahmeregelung geben könnte. Dass zum Beispiel die Bargeldauszahlung die Regel ist und es in Ausnahmen Gutscheine gibt.

» Isella » Beiträge: 190 » Talkpoints: 74,64 » Auszeichnung für 100 Beiträge


Eine ähnliche finanzielle Unterstützung gibt es auch in Thüringen. Behält man sein Kind zu Hause, dann bekommt man das Geld ausgezahlt. Gibt man es in die Kita, dann kassieren die doppelt, weil der normale Elternbeitrag trotzdem bezahlt werden muss.

Also sollte man dieses Betreuungsgeld nicht vom Einkommen abhängig machen und auch nicht an die Eltern auszahlen. Egal, ob nun als Bargeld oder als Gutschein. Nein man sollte direkt die Einrichtungen fördern. Und damit meine ich eben nicht nur Kitas, Schulen und dergleichen. Sondern auch Vereine, welche eine gute Nachwuchssektion haben. Damit könnten sich nämlich wesentlich mehr Eltern auch den örtlichen Sportverein leisten mit allem was an Kosten mit dranhängt.

» Punktedieb » Beiträge: 17970 » Talkpoints: 16,03 » Auszeichnung für 17000 Beiträge


Die Möglichkeit, das Ganze mit Gutscheinen zu regeln, klang anfangs interessant für mich, denn schließlich bieten sie ja den Vorteil, dass sie von den Eltern nicht zweckentfremdet werden können und somit das Geld auch bei dem Ankommt, dem es zusteht: Dem Kind.

Doch wenn man bedenkt, dass der Bedarf an Kleidung, Nahrung, Spielsachen etc. sehr verschieden sind, einmal von Kind zu Kind, andererseits von Monat zu Monat, dann ist der Versuch der Gutscheinregelung für mich hinfällig. Mal braucht das Kind eben einen neuen Winteranorak oder sonstiges und das kostet einfach Geld. Dass gerade sozial schwächere Familien, die das Kindergeld, sollte es nicht benötigt werden hier stark benachteiligt werden, liegt eigentlich auf der Hand.

Genauso wäre es, für mich, undenkbar der Regierung unter Merkel Gutscheine für bestimmte Bereiche des Staatslebens zuzuteilen, deren Budget dann nicht überschritten werden dürften. Zweckentfremdung vermieden, aber zum Scheitern verdammt... :wink:

» d1lger » Beiträge: 116 » Talkpoints: 0,81 » Auszeichnung für 100 Beiträge



Ähnliche Themen

Weitere interessante Themen

^