Beim BAföG betrogen - und jetzt?

vom 22.11.2007, 21:14 Uhr

Dass das BAföG Amt in letzter Zeit genauer hinsieht, bedingt durch den Abgleich der Daten des Amtes für Ausbildungsförderung mit den des Bundesfinanzamtes, sollte jedem bekannt sein, wenn er seinen Bafög Antrag einreicht, doch was macht man, wenn man nicht so ganz ehrlich war und das Bafög Amt jetzt mit Rückforderungen kommt oder einen wegen Betruges anzeigen will, weil man als mutmaßlicher BAföG Betrüger gesehen wird?

Momentan ist die Lage alles andere als rosig: Seit 5 Jahren findet der Datenabgleich statt und mittlerweile wurden über 381,4 Millionen Euro von knapp 100.000 BAföG Empfängern zurückgefordert, von denen die Hälfte noch eine Anzeige wegen Betruges aufgebrummt bekamen, neben dem netten Brief mit der Forderung, den ganzen Betrag zurückzuzahlen.

Man sollte sich nicht darauf verlassen, nicht erwischt zu werden, denn der Datenabgleich findet immer noch statt, auch wenn er in der Öffentlichkeit und an den Unis kaum noch angesprochen wird. Derzeit rasseln die Behörden alle Anträge aus dem Jahr 2003 durch und prüfen zusammen mit dem Finanzamt, ob jemand Zinseinkünfte von mehr als 100 Euro im Jahr hatte oder einen Freistellungsauftrag hierfür bei seiner Bank einreichte, so lassen sich am einfachsten mögliche Vermögenswerte ermitteln.

Zudem wird bei BAföGlern, die im Antrag beim Einkommen einen Wert von 0 angegeben haben automatisch die Aufforderung zur Offenlegung des Vermögens versendet, dass gehört ganz einfach zum verwaltungsrechtlichen Teil des ganzen Verfahrens. Aber man sollte jetzt auch nicht panisch reagieren, auch wenn das ganze nicht gerade rosig klingt, denn das ganze hat auch Vorteile. Wie gesagt, die Aufforderung zur Offenlegung des Vermögens ist ein Bestandteil der verwaltungsrechtlichen Verfahrens, heißt: Verwaltungsrecht und Strafrecht sind 2 verschiedene Sachen und wer nicht ganz so ehrlich war, kann das Blatt hier noch ein wenig wenden und sollte den Gang zum Anwalt unbedingt wagen, um sich größeren Ärger zu ersparen. Diesen sollte man auch nicht auf die lange Bank schieben, damit der noch die Zeit hat, hier etwas zu machen.

Zudem sollte man auf keinen Fall ein Schuldeingeständnis, eine Selbstanzeige oder eine Aussage ohne juristischen Beistand oder vorherige Beratung machen. Denn Dinge die man einfach so dahinsagt und anders gesagt hätten können, schlagen im Nachhinein, wenn das Verfahren erst einmal läuft, gut zu Buche. Wie gesagt, man sollte hier die Hilfe eines Anwalts, der eine Rechtsberatung geben kann, nicht unterschätzen.

Aufforderung zur Offenlegung des Vermögens

Zuerst: ruhig bleiben. Danach: ruhig bleiben und ganz zum Schluss: weiterhin ruhig bleiben und erst einmal nachfragen, worauf sich die Ungereimtheiten begründen: Vielleicht haben die Großeltern oder die Eltern auf den eigenen Namen Geld angelegt, ohne dass man es direkt weiß, ein beliebter Trick um Steuern zu sparen, wenn man dem Kind pro forma Kapital überträgt und nicht unüblich. Natürlich wirkt es wenig glaubhaft, nichts davon gewusst zu haben, wenn man selbst als Erwachsener einen Freistellungsantrag unterschrieben und nun hat man das Problem, dem BAföG Amt darzulegen, warum man dieses Vermögen nicht mit angegeben hat.

Aber noch ist nicht aller Tage Abend, denn so ohne weiteres kann das BAföG Amt auch dies nicht als Grund nehmen um darauf eine Rückzahlung zu begründen oder eine Anzeige wegen Betruges zu stellen.

Dazu gibt es zum Beispiel ein Urteil des VG Göttingen (Az 2 A 144/06), das zwei Studentinnen Recht gab, die 2 Sparbücher nicht angegeben hatten und sich auf einmal mit dem Studentenwerk und eine Rückzahlungsforderung von 8.000 Euro konfrontiert sahen. Die Sparbücher wurden von der Oma auf ihren Namen angelegt, ein klassisches Hochzeitssparbuch, also welche die Enkel zur Hochzeit geschenkt bekommen sollten. Die Studentinnen wussten zwar davon, aber auch nicht wirklich, da die eine die Großmutter ansprach, wie viel Geld denn auf diesem vorhanden sei, da sie dies auf ihrem BAföG Antrag angeben musste, die Großmutter empfand diese Anfrage als sehr dreist und verstand dies so, dass die eigene Enkelin wohl nicht warten könne, bis sie unter der Erde ist und verweigerte weitere Auskünfte dazu. Der Vater der Studentin, alle 3 Generationen lebten unter einem Dach, bat sie daraufhin, das Thema sein zu lassen um den Hausfrieden zu bewahren, daraufhin unterließ die Studentin das Thema sowie ihre jüngere Schwester, aus Angst vor der gleichen Reaktion.

Für die Göttinger Richter durchaus nachvollziehbar, da trotz der unterschriebenen Freistellungsaufträge den Studentinnen weder sittlich noch moralisch zuzumuten sei, die eigene Oma vor Gericht zu zerren, um eine Auskunft über die Sparbücher zu erzwingen, dies wäre der einzige noch mögliche Weg gewesen, um die korrekten Angaben zu erhalten.

Die ist natürlich kein allgemein gültiger Fall, aber oft liegt das Vermögen auf Konten, von denen man gar nicht weiß, wie viel darauf gelagert ist und gerade die Eltern und die Großeltern die Anfrage nach diesen Vermögenswerten als Schnorrerei und Erbschleicherei empfinden und nicht als reine Anfrage um den BAföG Antrag richtig ausfüllen zu können.

Was tun bei einem Rückforderungsbescheid?

Wenn der Rückforderungsbescheid da ist, verringert sich die Auswahl der Möglichkeiten, entweder kann man beim BAföG Amt einen Antrag auf Stundung oder Ratenzahlung einreichen oder man entscheidet sich dafür, einen Widerspruch innerhalb der Monatsfrist einzulegen. Ach so, man kann nicht überall ein Widerspruchsverfahren in Anspruch nehmen, in manchen Bundesländern und in bestimmten teilen von Bayern wurde dies nämlich abgeschafft, daher muss man hier, wenn man widersprechen will, direkt klagen.
Ein Widerspruch oder eine Klage sollte nicht leichtfertig eingereicht werden und man sollte nicht darauf vertrauen, dass mal locker selbst schaffen zu können: Ab diesem Punkt sollte man unbedingt einen Anwalt zu Rate ziehen und diesen auch nur mit juristischem Beistand verfassen, denn mit einem Zahlungsbescheid wird auch automatisch Strafanzeige wegen Betruges bei der jeweiligen Staatsanwaltschaft gestellt! Ich kann es nicht oft genug betonen, wer vorher den Mut zum Betrug hatte, sollte jetzt auch den Gang zum Anwalt schaffen können, gerade angesichts der drohenden Konsequenzen!

Zwar bedeutet eine Strafanzeige nicht gleich eine Verurteilung, denn die Möglichkeit eines Freispruchs besteht immer oder dass das ganze bereits verjährt ist, denn Betrug verjährt nach 5 Jahren. Beispiel: Das BAföG Amt fordert gezahlte Mittel aus dem Bewilligungszeitraum Oktober 2001 bis September 2002 zurück, oder davor. Das BAföG wird, man weiß es ja, im Voraus gezahlt, wenn also die letzte BAföG Rate am / um den 01.09.2002 gezahlt wurde, ist der Betrug, wenn betrogen wurde, im Oktober 2007 verjährt, da kann sich das BAföG Amt drehen und wenden. ABER, wer sich jetzt schon glücklich schätzt, dem sei gesagt, dass es immer auf die letzte Zahlung des Bewilligungszeitraumes ankommt. Wer also beim BAföG Antrag im Jahre 2001 oder wann auch immer betrogen hat, muss auf die Verjährungsfrist von 5 Jahren noch einmal knapp ein Jahr draufschlagen - wichtig!

Was für Folgen kann ein mögliches Verfahren haben?

Tja, schwierige Frage und sehr fallabhängig, ich würde grob sagen keinerlei Konsequenzen bis hin zu Konsequenzen die einen richtig schlucken lassen und bestenfalls alles versauen können. Auf Mitleid würde ich nicht hoffen, „irgendwo“ ist man schließlich auch selbst Schuld.

Ab einer Freiheitsstrafe von 90 Tagen gilt man generell als vorbestraft, komme was wolle, darunter nicht. Wer also zu 89 Tagen Freiheitsstrafe verdonnert wird, hat noch einmal Glück gehabt, aber Richter runden gerne auf und mögen erfahrungsgemäß keine so krummen Zahlen. Man muss bei einer Strafe von unter 90 Tagen also keine Angst auf einen Eintrag im polizeilichen Führungszeugnis haben außer man wurde vorher schon einmal irgendwie bestraft, egal wie gering und sei es die wegen dem Kiffen auf dem Abiball und die 2 Sozialstunden die man dafür bekommen hat.

Aber auch ohne Vorstrafe kann es noch „amüsant“ werden, denn für manche Berufe, beispielsweise im Staatsdienst oder einer, der eine öffentliche Zulassung erfordert (Anwalt, Apotheker usw.) hat man dann vielleicht ein Problem, denn öffentliche Stellen, nicht alle, aber einige, können eine unbeschränkte Auskunft über die betreffende Person aus dem Bundeszentralregister verlangen und dann kommt alles auf den Tisch, übrigens auch die 2 Sozialstunden wegen Kiffens am Abiabend, auch wenn sonst nichts vorlag. Und manche Ämter sind schon sehr speziell, z. B. stellt das bayerische Kultusministerium keine Lehramtsanwärter eine, die eine Verurteilung von unter 90 Tagessätzen erhalten haben, also so gesehen keine Vorstrafe haben.

Gibt es Unterschiede bei den Verurteilungen?

Natürlich, warum haben wir sonst einen Föderalismus wo in jeder Ecke anders entschieden wird – in Süddeutschland wird beispielsweise am härtesten geurteilt. Das OLG Bayern entschied beispielsweise, dass Betrug beim BAföG nicht nur eine Ordnungswidrigkeit darstellt, sondern darüber hinausgeht (Az 1 St RR 129/04), was mehr oder weniger bindend für die unteren Instanzen ist.

Im liberaleren Norden kommt man fast immer besser weg, je nördlicher je besser kann man fast sagen aber nicht jeder Richter und Staatsanwalt richtet seinen Urteilsspruch und seine Forderungen nach dem aus was er grad gegessen hat, was man manchmal meinen könnte, wenn man sich die Differenzen bei Urteilen ansieht. In Rheinland-Pfalz beispielsweise wurde deswegen ein Sanktionsrahmen der Generalstaatsanwaltschaften beschlossen, damit es eine einigermaßen einheitliche Rechtssprechung und geringe Unterschiede bei den Urteilen gibt.

Ist ein Anwalt teuer, kann man sich einen leisten?

Frech würde ich jetzt antworten, wer betrogen hat, hat auch Geld für den Anwalt übrig. Aber um sachlich zu bleiben: Das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - kurz RVG - regelt bundesweit einheitlich die Honorare und ist im Internet einsehbar, da kann man also die Kosten im speziellen recherchieren außer man unterschreibt einen frei ausgehandelten Honorarvertrag, der einen teurer oder billiger wegkommen lässt. Angesichts der Konsequenzen sollten man aber nicht zum Pfennigfuchser beim Anwalt mutieren, ist auch keine echte Motivation für ihn. Gewerkschaftsmitglieder können, wenn die Voraussetzungen stimmen (z.B. 3monatige Mitgliedschaft), auch einen Rechtsschutz durch die Gewerkschaft erhalten, das würde die Kosten vielleicht noch minimieren.

Benutzeravatar

» Subbotnik » Beiträge: 9308 » Talkpoints: -7,05 » Auszeichnung für 9000 Beiträge



Ich kann ehrlich gesagt so gar nicht nachvollziehen, wie man so dumm und naiv sein kann, davon auszugehen, dass sich das Finanzamt und das Bafögamt nicht untereinander austauschen. Schon als ich damals Bafög bezogen habe, war mir das sonnenklar. Ich musste damals sogar Kopien von den Kontoauszügen einreichen und auch Kopien von der Einkommensteuererklärung meiner Eltern, was alles überprüft worden ist. Also "aus Versehen" betrügt keiner, daher habe ich mit solchen "dummen" Menschen auch kein Mitleid. Es ist doch klar, dass das früher oder später raus kommt.

Benutzeravatar

» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge


Ähnliche Themen

Weitere interessante Themen

^