Depressionen plagen Studenten in Deutschland

vom 19.09.2007, 20:13 Uhr

Laut Ansicht des Erfurter Sozialwissenschaftlers Professor Wolf Wagner sollen mehr als die Hälfte aller deutschen Studenten unter Depressionen und Minderwertigkeitsgefühlen leiden, wobei vor allem die Erstsemester von Versagensängsten getrieben sein sollen. Durch den als chaotisch empfundenen Alltag an der Uni seien viele verunsichert, wobei vor allem Geistes- und Sozialwissenschaftler dadurch verunsichert sein sollen, dass es ihnen an Orientierung und Erfolgskriterien fehle. So sei hier die Abbrecherquote mit 80 % teilweise enorm hoch. In naturwissenschaftlichen Fachgebieten klagen viele Studenten darüber, sich überfordert zu fühlen und Angst davor zu haben, vor ihren Professoren und Mitstudenten dumm zu wirken, weswegen auch öfters nicht nachgefragt wird, falls es Verständnisprobleme gibt.

Daraus resultiere nach Wagner wiederum eine verstärkte Lernblockade sowie eine wachsende Verunsicherung. Genau dokumentiert er dies in seinem Buch „Uni-Angst und Uni-Bluff heute“, womit er vielen Studenten die Angst vor und während des Studiums nehmen wolle und frustrierenden Erlebnissen vorbeugen möchte. Das Buch wurde 1977 von ihm als Hochschulassistent verfasst und erscheint nun wieder in einer aktualisierten Auflage, da laut Wagner viele Probleme immer noch die alten seien.

Wagner lobte indes die stattfindende Umstellung und Einrichtung von Bachelor und Masterstudiengängen, welche mehr Orientierung für viele Studenten gebracht hatten aber noch nicht konsequent genug wären, da jedes Fach weiterhin einzeln geprüft werde, statt eine Abschlussprüfung einzurichten, weswegen viele Studenten mehr Wissen und Stoff beherrschen müssten um für jede einzelne Prüfung gewappnet zu sein, was viele an den Rand der Erschöpfung führe.

Zudem kritisierte Wagner die vorherrschende Arroganz bei forschungsorientierten Professoren, da diese Lehrbuchtexte mehr in dem Sinne verfassen würden, um das Ansehen bei Kollegen zu erhöhen, aber nicht, um den Studenten damit hilfreich zu sein, was das Verständnis dieser erschwere. Dies wird hierzulande dadurch verstärkt, dass um die Forschung bemühte Professoren belohnt aber die die an der Lehre interessiert seien benachteiligt werden würden, da der höhere Zeitaufwand, um Studenten gut zu betreuen und um Frustrationserlebnissen dieser vorzubeugen nicht mit mehr Geld belohnt werden würde.

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» Subbotnik » Beiträge: 9308 » Talkpoints: -7,05 » Auszeichnung für 9000 Beiträge



Ich studiere an einer Fachhochschule und kann mich nicht über eine chaotischen Alltag beklagen. Allerdings kenne ich einige Leute, die an Universitäten studieren oder studiert haben und dort treffen diese Beschreibungen schon zu. Grade die Leute, die wie ich frisch von der Schule kommen, vermissen geregelte Abläufe und feste Stundenpläne.
Ein Freundin, die im Herbst in Hamburg an der Uni angefangen hat zu studieren, war nach zwei Wochen Studium schon so fertig mit den Nerven, dass sie ernsthaft darüber nachgedacht hat, das Studium hinzuschmeißen, weil nichts geklappt hat. Durch die Umstellung von Diplom auf Bachelor ist es für sie nicht möglich, alle Kurse zu belegen, die sie eigentlich belegen müsste, weil die nur parallel angeboten werden. Ihr wurde schon in der Einführungswoche gesagt, dass es eigentlich unmöglich ist, das Studium im vorgegebenen Zeitrahmen zu schaffen. Hilfe kann sie von niemandem erwarten, weil sie von einem Verantwortlichen zum nächsten geschickt wurde.
Eine Komillitonin hat auch zwei Semester an der Uni studiert und erzählt, dass es überhaupt nicht mit der Fachhochschule zu vergleichen ist. Man wird dort alleine gelassen und muss sich durchbeißen, sonst ist man verloren. Das sind zumindest ihre Erfahrungen. Bei uns sei die ganze Atmosphäre viel offener und herzlicher und fast jeder Professor und Dozent hat angeboten, dass er bei Problemen mit Rat zur Seite steht. Einige haben das Angebot schon in Anspruch genommen und haben festgestellt, dass die Profs zu ihrem Wort stehen.
Versagensängste gibt es bei uns Erstsemestern so weit ich weiß nicht, allerdings hat der eine oder andere doch ganz schön Bammel vor den ersten Klausuren. Das könnte aber auch daran liegen, dass bei den Leuten die Motivation zum Lernen fehlt...

» babyamy » Beiträge: 84 » Talkpoints: 0,18 »


Ja das stimmt, ist leider so. Ich denke insgesamt hat es da der Diplom Student aber schon immer noch eine Ecke einfacher gehabt. Viele meiner Freunde sind FH Studenten auf Diplom, haben am Semesteranfang (und auch im ersten Semester) ihren Stundenplan bekommen, einen festen Fahrplan wie ihr erstes Semester und auch eigentlich auch ihr ganzes Studium laufen wird. Die waren so sonderlich verzweifelt und gestreßt eigentlich nie. Nur halt das übliche, was man in der Prüfungszeit halt hat: Angst durch zufallen, Streß weil man noch viel lernen muss. Aber nichts von Dauer.

Ja. Und dann gibts halt noch uns Magisterstudenten, wobei ich jetzt auch auf Bachelor gewechselt hab. Heißt zwar anders aber letztendlich hat sich nicht wirklich was verändert. Man wird bei uns in die Uni im ersten Semester geworfen und ist sofort komplett auf sich allein gestellt. Plötzlich muss man eigene Studenpläne sich zusammen stellen ohne so richtig zu wissen was und wie und erst recht nicht warum. Natürlich stehen dann den Erstsemestern die erste zeigt studentische Mentoren zur Seite aber die haben daneben ja auch noch ein Studium und nur wenig Zeit wirklich jede Frage 50zig Mal zu beantworten (da ich den Job jedes Jahr mache weiß ich das leider aus Erfahrung) Auf jeden Fall wundert es mich kaum das dabei die Studienabbrecherquote recht hoch ist.

Aber auch später wirds letztendlich nicht besser. Jeder Professor glaubt das sein Seminar das wichtigste ist und das man doch bitte 100% nur dafür geben soll. Kann nicht klappen. Wenn ich so darüber nachdenke. Ich denke bei uns im Fach (Ur- und Frühgeschichte. Offiziell Geisteswissenschaft aber doch schon eher eine richtige) ist die Abbrecherquote sogar noch höher als 80%. Wir hatten zum neuen Semester im Oktober 45 Erstis wenn ich mich recht erinnere. Wenn man bedenkt das unser ganzes Institut nur 150 Studenten hat sind das also Unmengen. Davon sind im Augenblick vielleicht noch regelmäßig 25 da. Klingt viel. Ja. Aber ich glaube nicht das nach den Semesterferien noch mehr als 10 wieder kommen. Und mit den Semestern dünnt das immer mehr aus, das vielleicht 2 oder max 3 der 45 die irgendwann mal angefangen haben auch ihren Abschluß gemacht haben.

Ich glaub im übrigen auch das die Depressionen jetzt mit den neuen Bachelorstudiengängen eher zu nehmen könnte. Die Anforderungen sind noch extremer geworden, wenn man alles in den 6 eigentlich angedachten Semestern machen will muss man von Anfangan 100% geben, Freizeit ist dann nur noch ein Fremdwort, SemesterFERIEN gibt es nicht mehr. Ist schon wirklich extrem. Man hat, zumindest bei uns, den Stoff für acht Semester in die Zeit von 6 Semester gepackt, nur das man jetzt, so ganz nebenbei, auch noch eine 50 Seiten umfassende Bachelorarbeit schreiben muss. Glaube nicht das das besser ist als früher. Zumindest in der Hinsicht nicht.

» Sophrosynae » Beiträge: 168 » Talkpoints: 0,14 » Auszeichnung für 100 Beiträge



Hallo,

es sind ziemlich viele Gruppen, die sehr leicht an Depressionen erkranken können oder wo sich das Krankheitsbild verschlimmert. Meiner Meinung nach kann man so etwas nicht mehr an einer einzelnen Gruppe festmachen.

Dass jedoch auch Studenten davon betroffen sind, wundert mich nicht wirklich. Wie schon beschrieben, leiden Studenten durchaus an Minderwertigkeitsgefühlen und dass sie ihr Studium nicht schaffen. Vielleicht machen sie sich selbst diesen Druck, vielleicht erleben sie den Druck aber auch von aussen.
Auch das Verhalten der Professoren verwundert mich ein wenig. Aber wenn man nur streng nach Lehrplan verfährt, sich ans Lehrbuch hält und dabei die Studenten auf der Strecke lässt - das geht eben nicht wirklich gut.

Hängen denn die Abberecherquoten unbedingt mit depressiven Studenten zusammen oder kann es auchsein, dass mancher Student eben herausfindet, dass das Studienfach einfach falsch gewählt war? Möglich ist auch der fehlende Praxisbezug. Allein jedoch würde ich die Abbrecherquote nicht an Depressionen festmachen.

LG Steph

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» *steph* » Beiträge: 18439 » Talkpoints: 38,79 » Auszeichnung für 18000 Beiträge



Ich denke schon das Depressionen zumindest bei 30 - 40 Prozent ein Grund sein kann für einen Studenten sein Studium abzubrechen. (Also die Prozentzahl abhängig von denen die eh abbrechen)

Ich komme jetzt im Augenblick gerade wieder frisch in der Uni. Durch meinen Fächerwechsel muss ich jetzt im siebten Semester noch eine Verantstaltung für Erstsemester besuchen. Für mich ist der Stoff natürlich einfach, wäre auch schlimm wenn nicht. Aber für die Erstsemester die dadrin saßen? Man konnte vielen von ihnen quasi von Minute zu Minute ansehen wie verzweifelter sie wurden. Der Professor, bestimmt eigentlich ein wirklich fähiger Mensch, hat Dinge vorausgesetzt, die sie wissen müssen, auch in der Klausur, die man so eigentlich nicht erwarten kann. Es ging in dem Fall um lateinische Prosa Texte. Selbst für die Erstsemester die schon mal in der Schule Latein hatten dürfte das zu viel gewesen sein. Da würde mich auch nicht wundern wenn man das Selbstzweifel bekommt und in Depressionen fällt (weil man sich einbildet man schafft das nicht oder wie auch immer)

Ich denke aber auch das das Problem, dass Professoren nicht auf ihre Studenten eingehen bzw. es auch nicht nach mehrmaligen Bitten tun, daran liegt das im Normalfall das eigene Studienleben schon mehr als 20, manchmal 40 Jahre zurück liegt. Da fängt man glaube einfach irgendwann an zu glauben das manche Sachen allgemein gewusst werden obwohl es eigentlich sehr spezielles Wissen ist.

» Sophrosynae » Beiträge: 168 » Talkpoints: 0,14 » Auszeichnung für 100 Beiträge


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