Arbeitslosigkeit - Das Konzept der NAIRU

vom 17.02.2009, 19:52 Uhr

Heute möchte ich euch mal etwas zum Thema Arbeitslosigkeit schreiben. Genauer soll es um das Konzept der NAIRU gehen, der Non-Accelerating Inflation rate of Unemployment, also zu Deutsch der „nicht-inflationsakzelerierenden Arbeitslosenquote“. Die deutsche Bezeichnung ist hier etwas weniger irreführend, da es im Kern um eine Arbeitslosenquote geht, auf die eine Volkswirtschaft auf lange Sicht ohne strukturelle Änderungen zu erfahren, bei konstanter Inflationsrate immer zurückpendelt.

Kurz möchte ich noch etwas zur Abgrenzung sagen. In der NAIRU ist nicht die Arbeitslosigkeit enthalten, die saisonalen oder konjunkturellen Schwankungen entspricht. Das heißt, sie erklärt nicht die Effekte durch Beschäftigungshochs im Sommer oder normale weltwirtschaftliche sinuskurvenartige Schwankungen. Sie erklärt das Niveau der Arbeitslosigkeit, dass darüber hinausgeht, nämlich durch Lohnnebenkosten, Dauer und Wahrscheinlichkeit der Arbeitslosigkeit, Macht der Gewerkschaften oder Arbeitgeber bei Lohnverhandlungen und damit die jeweiligen Verteilungsansprüche des Sozialprodukts bei Lohnverhandlungen.

NAIRU

Abgeleitet aus der modifizierten langfristigen Phillipskurve, stellt die NAIRU den Zusammenhang zwischen Inflation und Arbeitslosigkeit dar. Das Modell zeigt, dass sich bei Schwankungen der tatsächlichen Inflation gegenüber der erwarteten Inflation trotzdem wieder das „natürliche“ Niveau der Arbeitslosigkeit einstellt. Über Preis- und Lohnanpassungsmechanismen steigt lediglich die Inflation und ihre Erwartung an und die Beschäftigung kehrt auf das vorherige Niveau zurück.

Empirisch wurde dieses Phänomen für Europa belegt. Was jedoch zu beobachten war ist, dass sich der „natürliche“ Wert, zu dem die Arbeitslosigkeit wieder zurückkehrt, in den meisten Ländern in den letzten beiden Jahrzehnten eher gestiegen ist. Dies ist durch strukturpolitische Änderungen erklärbar, zum Beispiel erhöhter Arbeitnehmerschutz, Mindestlöhne und andere Lohnstarrheiten. Diese politischen Maßnahmen erhöhen die NAIRU dauerhaft.

Ein interessanter Fakt der NAIRU ist, dass ihre Höhe den Ausgang von Lohnverhandlungen (sowohl individueller als auch gemeinschaftlicher, also gewerkschaftlicher) beeinflusst. Sie ist sozusagen als ein beidseitiges „Drohpotenzial“ zu sehen. Ist sie hoch, so sinkt die Verhandlungsmacht der Arbeitnehmer, denn die Chance auf einen anderen Arbeitsplatz ist gering. Ist die NAIRU dagegen relativ niedrig, stehen die Chancen für den Arbeitnehmer besser. Eine andere Arbeitsstelle kann relativ leicht und schnell gefunden werden.

Dieses Drohpotenzial „Arbeitslosenquote“ fließt wie beschrieben auf beiden Verhandlungsseiten in die Berechnung des gewünschten Lohnabschlusses ein. Da eine Lohnverhandlung in den meisten Fällen aber nicht den Regeln eines perfekten Marktes bzw. einer perfekten Transaktion zwischen zwei Parteien entspricht, ist das Verhandlungsergebnis nicht immer effizient. Es kann sich zum Beispiel der Staat einmischen und auf die eine oder andere Seite regulierend einwirken. Ebenso spielt das öffentliche Interesse und öffentlicher Druck oft eine Rolle.

Aber auch einzelne Personen können das Verhandlungsergebnis beeinflussen: Die Vertreter von Gewerkschaften wollen ihren Job vermutlich behalten, also sind sie gezwungen, dass sie das Ergebnis der Verhandlungen vor ihren Vertretenen Mitgliedern rechtfertigen können. Das das gewünschte Ergebnis in der Regel unrealistisch hoch ist, wird durch einen angezettelten Streik signalisiert: Wir (die Vertreter) haben alles versucht, mehr war nicht zu erreichen. Dieses Ergebnis müsste theoretisch schon VORHER klar sein, ohne dass es zu einem (für beide Seiten) teuren Streik kommt. Schuld ist lediglich das psychologische Spiel innerhalb der Verhandlungsparteien. Auf Arbeitgeberseite ist das Spiel im Grunde genauso.

Zusammenfassung:

Gründe für eine Erhöhung der NAIRU sind

- Steigende Verteilungsansprüche von Lohnverhandlungsparteien
- Hystereseeffekte (bitte Nachfragen, falls ich das erklären soll!)
- Lohnstarrheiten und Mindestlöhne
- Ansteigende Lohnnebenkosten (und damit Veränderung der Verteilungsansprüche)


Falls es fragen gibt, versuche ich natürlich aufzuklären! Dies ist natürlich ein Artikel ohne Anspruch auf Richtigkeit oder Vollständigkeit.

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» Herr Lehmann » Beiträge: 558 » Talkpoints: 5,56 » Auszeichnung für 500 Beiträge



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