Warum wird bei Gericht das Opfer benachteiligt?
Ich weiß, dass sich der Titel ein bisschen komisch anhört und man den Titel auch falsch verstehen kann. Allerdings wusste ich nicht, wie ich es sonst schreiben sollte und deswegen werde ich es jetzt ein bisschen genauer schreiben.
Ich habe mir vor zwei Tagen die Sendung "Verklag mich doch!" angeguckt. Und es ging darum, dass ein Mädchen gesagt hat, dass sie von ihren Fahrlehrer sexuell belästigt wurde und sogar geschlagen wurde. Das ist alles während einer Fahrstunde passiert und das Mädchen hatte auch keine Zeugin. Allerdings hat sie dann erfahren, dass noch ein zwei Mädchen das Gleiche behauptet und sie wollte mit ihr dann eine Anzeige machen. Allerdings hat sich das zweite Mädchen gefürchtet, weil sie als erstes den Führerschein machen wollte.
Es war dann so, dass es nicht genügend Beweise gab, sondern nur die Aussagen der beiden Menschen. Schlussendlich wurde der Angeklagte freigesprochen und das ist es, was mich ein bisschen nervt. Warum wird in so einer Situation der Angeklagte einfach freigesprochen. Ich meine, dass Opfer sagt schließlich, dass sie sexuell belästigt wurde und wenn dieser Mann immer noch frei rumläuft, hat man als Opfer doch große Angst. Und das meine ich halt mit Benachteiligung.
Warum ist das bei Gericht so, dass bei Aussage gegen Aussage das Opfer benachteiligt wird? Nur weil man keinen Zeugen oder so hat? Schließlich weiß man nicht, wer von den beiden Seiten lügt!
Gerade in Fällen von Missbrauch und Gewalt kann ich verstehen, warum man fragt, wie das möglich sein kann. Andersherum sollte man sich aber fragen: "was ist, wenn das "Opfer" lügt?". In dem Fall, den du geschildert hast, mag das vielleicht nicht so sein, aber es gibt durchaus solche Fälle. In Deutschland ist es nun einmal so, dass die Schuld erst bewiesen werden kann, wenn Beweise vorliegen, oder eben wenn die Zeugenaussagen deutlich genug sind. In dem Fall sagt eine Person genau das Gegenteil der Anderen. Das Gericht darf ja keine Mutmaßungen anstellen, wer denn nun die Wahrheit sagt oder eine Vorverurteilung an den Tag legen. Wie sollte man dann einen Verdächtigen verurteilen, wenn eben nicht klar ist, wer von beiden lügt? Glaubt man dem Verdächtigen benachteiligt man das Opfer. Glaubt man dem Opfer, benachteiligt man den Verdächtigen.
Wenn die Schuld eines Verdächtigen letztlich nicht beweisen kann, gilt er als unschuldig vor Gericht. Man kann ja den Verdächtigen nicht verurteilen, wenn keine Beweise vorliegen. Könnte man das, würde sicherlich eine große Zahl Unschuldiger verurteilt werden. Anschuldigungen werden ja nicht nur getätigt, weil sich die Situation tatsächlich wie geschildert zugetragen hat. Es gibt tatsächlich auch Frauen, die Männer bewusst fälschlich der Vergewaltigung bezichtigen. Wäre es da gut, wenn der Mann direkt verurteilt oder sonstwie bestraft werden würde? Auch in diesem Fall wüsste der Richter nicht, wer die Wahrheit sagt. In diesem Fall ist der Verdächtige deutlich benachteiligt, das Opfer nicht. Wenn es so wie bei dir geschildert abläuft, ist das Opfer rein juristisch nicht benachteiligt, auch der Täter nicht. Das Opfer ist aber psychisch beeinträchtigt. Das ist eine andere Sache.
Eine andere Frage wäre ja hier "Was sollte in solchen Fällen geschehen?". Der Verdächtige wird nicht bestraft, auch das Opfer nicht. Würde der Verdächtige bestraft, obwohl seine Schuld nicht bewiesen werden kann, würde er benachteiligt. Es heißt ja "Im Zweifel für den Angeklagten". Nur, weil mich jemand beschuldigt, etwas Böses getan zu haben, muss das nicht stimmen. Warum sollte ich davon Nachteile haben? Wird die Schuld nicht bewiesen, wird der Verdächtige wie ein Unschuldiger behandelt. Das finde ich auch gut so, auch, wenn es manches Mal moralisch unverständlich ist. Aber es bewahrt doch Viele davor, fälschlicherweise bestraft zu werden.
Ehrlich gesagt finde ich es fast gut, dass es Beweise geben muss. Du musst dir das mal anders herum vorstellen: wenn es so einfach ist, jemanden zu beschuldigen und der kommt dann sofort hinter Gittern: dann könnte jeder, der sich rächen will einfach irgendwas behaupten und ich kann mir gut vorstellen, dass das eben oft missbraucht wird. Nicht umsonst hält man sich daran: im Zweifel für den Angeklagten.
Das soll noch lange nicht heißen, dass ich es gut finde, wenn jemand frei gesprochen wird, der tatsächlich etwas getan hat. Um Gottes Willen! Solche Menschen gehören selbstverständlich auch bestraft. Sicherlich ist es schade, dass man hier erst Beweise braucht. Und sexuelle Belästigung ist definitiv für das Opfer etwas schlimmes, aber dann braucht man eben wirklich mehrere Personen, die das bezeugen können und am besten noch Menschen, die das gesehen haben. Leider ist das so.
Grundsätzlich ist es richtig und vernünftig, wenn Beweise mit vorgebracht werden können oder es bezeugt werden kann, wobei immer die Frage im Raum steh, wie vertrauenswürdig ein Zeuge sein kann. Sicherlich mag jeder, der den Kopf schüttelt, Recht damit haben, zumindest moralisch betrachtet, andererseits ist es aber auch so, dass man eindeutige Beweise vorlegen sollte oder auch seine Aussage vereidigt. Jemand, der eine Aussage tätigt, sollte diese auch nachweisen können oder in diesem Fall anhand von eventuellen DNA-Spuren belegen können. Ist es nicht gegeben, kann man eben dem Opfer zwar glauben, aber es entbehrt jeder rechtlichen Grundlage. Nicht umsonst heißt es auch, dass jeder so lange unschuldig ist, bis die Schuld bewiesen wurde.
Ich finde es auch sehr heikel, gerade, wenn es um (sexuellen) Missbrauch geht, aber andererseits weiß man auch, dass es nicht gerade wenige Leute gibt, die aus welchen Gründen auch immer irgendwelche unwahren Behauptungen aufstellen. Somit entsteht eine Verleumdung, ein Rufmord, der zu Konsequenzen führen kann, obwohl der vermeintliche Täter nichts getan hat. Ich möchte damit nun nicht sagen, dass man solche Vorwürfe nicht ernst nehmen soll, um Gottes Willen, aber es wird schwer werden, diese immer so nachzuweisen.
Steht eine Aussage gegen eine Aussage, kann eben die (Un)Schuld nicht eindeutig nachgewiesen werden. So kam vermutlich in dem Fall die oben beschriebene Unschuldsvermutung auf.
petertreter hat geschrieben:Warum ist das bei Gericht so, dass bei Aussage gegen Aussage das Opfer benachteiligt wird? Nur weil man keinen Zeugen oder so hat? Schließlich weiß man nicht, wer von den beiden Seiten lügt