30000 Tote durch Klinikkeime
Wer hat denn das Theater veranstaltet? Das war eine Minderheit. Die meisten waren nur genervt und fanden alles übertrieben. Und die arbeiten eben auch in Kliniken und Praxen, in denen nosokomiale Infektionen passieren. Hygienisches Arbeiten ist da oft trotz eigentlich bestehender Standards Glückssache.
Das ist aber nicht alles, das wäre zu einfach und unfair, es nur diesen Menschen in die Schuhe zu schieben. Da hätten wir nämlich erheblich größere strukturelle Probleme. Die Arbeitsverdichtung ist enorm. Halten Pflegekräfte auf Normalstationen alle Regeln zu 100 Prozent ein, schaffen sie das vorgegebene Arbeitspensum nicht. Wenn zwei Kräfte allein für über 30 Patienten zuständig sind und das auf 40 erweitert werden kann, ohne Grenzen zu unterschreiten, wie soll das gehen?
Dazu fehlen regelmäßige Schulungen auf allen Ebenen. Nicht nur Pflegekräfte sind da betroffen, auch die Ärzte, das Reinigungspersonal und der Transportdienst und andere Servicekräfte sind zu beachten. Dazu kommt der nächste Punkt: Es fehlt regelmäßig Material. Wie soll man hygienisch arbeiten, wenn die Mittel dazu fehlen? Aber mehr kosten darf Medizin halt auch nicht.
Ich sehe das Problem eher in der unverantwortlichen Einnahme von Antibiotika. Mittel, die früher erfolgreich zur Krankheitsbehandlung eingesetzt werden konnten, verlieren durch Resistenzbildung mehr und mehr an Wirksamkeit. Die nach zahlreichen Mutationen so entstandenen Keime kommen hauptsächlich dann in einer Umgebung vor, wo viel mit Antibiotika gearbeitet wird.
Würde der Umgang mit Antibiotika im Vorfeld von den Ärzten und Patienten bewusster gehandhabt, gäbe es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch Mittel, die gegen Krankenhauskeime eingesetzt werden könnten. Mein Hausarzt verschreibt mir deswegen keine Breitspektrumantibiotika, nur wenn ich kräftiger huste als sonst.
Vor ein paar Jahren kannte man hauptsächlich Pseudomonas, Enterobacter und Staphylokokken als Erreger im Krankenhausbereich. Heute spricht man von MRSA-Keimen, die hauptsächlich durch Staphylokokken gebildet werden.
Gerade bei "Beatmungspatienten" auf Intensivstationen kommt es auf die ins Extreme zu treibende Infektionsprophylaxe und -bekämpfung an. Das Personal dort wird auch regelmäßig durch Abklatschen der Kleidung etc. vom Hygienedienst kontrolliert. Jedenfalls wird schon alles unternommen, um dieses Problems Herr zu werden.
Die im Eingangspost zitierten Infektionszahlen sind auch in Relation zu der Patientenzahl und der Fluktuation zusehen. Auf der anderen Seite hat diese Feststellung auch die Diskussion über Ursachen und Wirkung und den Umgang mit Antibiotika und notwendige anderweitige Hygienemaßnahmen angestoßen.
Dass alles unternommen wird, um nosokomiale Infektionen zu vermeiden, stimmt einfach nicht. 57 Prozent der lebensbedrohlichen Sepsis-Fälle entstehen durch Infektionen im Krankenhaus. 43 Prozent der Patienten mit Sepsis versterben, beim septischen Schock sind es gleich 60 Prozent. Pneumonien sind auch gern genommen, um vorzeitig zu versterben.
Und einen großen Teil der Infektionen könnte man durch entsprechendes Arbeiten verhindern. Dann braucht man nämlich gar keine Antibiotika. Nur das funktioniert in der Realität nicht. Beispiele gefällig? Patientinnen mit starker Entwässerung und Bewegungseinschränkungen erhalten oft einen Katheter, weil das Personal für die Bettpfanne fehlt.
Das ist ein unnötiges Infektionsrisiko, das häufig Komplikationen nach sich zieht. Oft wird aus Zeitmangel, Materialmangel und Wissensmangel nicht entsprechend fachlich gearbeitet. Und in der ambulanten Pflege und in Pflegeheimen wird das Material so knapp verordnet, dass korrektes Arbeiten gar nicht möglich ist. Der Arzt verweist aber nur auf das Budget.
Hygieneabteilungen großer Krankenhauskonzerne machen Abklatschproben und geben in gleichem Atemzug Betten in Isolierzimmern frei, obwohl die Labor Ergebnisse noch gar nicht da sind. Das führt regelmäßig zu Keimverschleppungen. Gleichzeitig wird weggeschaut, wenn Personal mit Kunstnägeln, Schmuck, Uhren, langen Ärmeln und Strickjacken verschleppen.
Niemand kümmert sich, wenn die Messung der Vitalwerte, Blutzucker oder EKGs einfach Zimmer für Zimmer abgearbeitet werden und einfach die Isolationszimmer einfach mitgenommen werden. Desinfektion ist dann leider Fehlanzeige.
Aus eigener Beobachtung im Krankenhaus als Besucherin oder Patientin kann ich auch nur müde schmunzeln oder besser resigniert die Augen rollen, wenn ich höre, dass das Personal sich bemüht. Nun ja. Da habe ich anderes beobachtet. Irgendwann hatte ich mal auf einer internistischen Station am Ende des Flures gesessen und das Treiben beobachtet. Einfach total erschreckend. Desinfektion? Hat doch keine Sau Bock drauf.
Niemand, wirklich niemand, weder die Ärzte noch die Pfleger, haben die Desinfektionsständer vor den Türen benutzt, jeder wanderte munter von Zimmer zu Zimmer, ohne auf irgendetwas zu achten. Die Schwestern hingegen konnten mit zentimerlangen Gelnägeln auftrumpfen, einfach ekelhaft. Eine befreundete Krankenschwester, die auch mal in dieser riesigen Uni arbeitete, erzählte mir später, dass die Hälfte dort Gelnägel trägt und es einfach niemanden interessiert. Ein Mädel mit der ich zur Schule ging, hat sich gar nicht erst in einem anderen Haus, wo sie die Zustände aus eigener Berufstätigkeit kannte operieren lassen, weil sie, Zitat, doch nicht verrückt sei.
Und die Flure auf einer Privatstation waren sogar mit Teppich verlegt. Dass so etwas überhaupt erlaubt ist, wundert mich. Ich habe selbst mehrfach gesehen, wie eine Schwester mehreren Patienten den Blutzucker hintereinander maß, ohne Handschuhe und ohne Zwischendesinfektion. Als ich das anprangerte, war aber die Hölle los und ich die Böse. Das hätte so schon alles seine Richtigkeit, Handschuhe oder Desinfektion gäbe es nur bei äußerlich ungepflegten Patienten.
Der Hausarzt meiner Freundin hat dem Vater mit Lungenentzündung und über achtzig Jahren geraten, trotz der erheblichen Krankheit besser nicht ins Krankenhaus zu gehen wegen der dortigen Keimbelastung. Das sagt doch schon alles, oder? Mein persönliches Lieblingserlebnis war, als mein alter Hausarzt vor zwanzig Jahren auf einem Tage vorher vereiterten Kratzer durch meinen Kater rumdrückte und die trockene, abgefallene Kruste durchs Zimmer auf den Boden schnipste. Keine Übertreibung, das ist wirklich passiert, und der Mann hatte Jahrzehnte zuvor selbst auf einer Intensivstation gearbeitet. Ne, ich habe da wirklich keinerlei Vertrauen mehr, nachdem was ich alles gesehen habe.
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