Multi-Jobber nehmen Arbeit suchenden Jobs weg?

vom 23.01.2011, 11:06 Uhr

Ich hatte neulich im Bekanntenkreis eine wirklich heftige Diskussion in der es darum ging, dass eine Bekannte schon seit über zwei Jahren händeringend einen Job sucht und nichts findet, was ihr wirklich gefallen würde, während andere Personen so genannte Multi-Jobber sind also mehr als einen Job haben. In der Regel sind das ein Job als Angestellter und dann wird in einer nebenberuflichen Selbstständigkeit noch zusätzlich gearbeitet.

Nun meinte also die suchende Person, dass die Personen mit mehreren Jobs ihr potentielle Jobs vor der Nase wegnehmen würden. Eine Einstellung, die die Multi-Jobber so nicht teilen können. Ein Problem ist, dass diese Jobs eben nicht regulär besetzt würden, es würde also gar keine sozialversicherungspflichtiger Arbeitsplatz entstehen, wenn diese Aufträge nicht an Nebenberufler vergeben würden. Ein weiteres Problem, das mit dem vorherigen verbunden ist: es handelt sich hier nur um ein kleines Nebeneinkommen, mit dem man eben nicht allein sein Auskommen sichern könnte. So müsste sie also auch ein (so verhasster) Multi-Jobber werden.

Nun kann sich auch die Mehrheit irren. Daher würde ich gern mal wissen, wie ihr hier darüber denkt. Nehmen Multi-Jobber potentielle Arbeitsplätze weg? Wieso tun sie das? Oder ist es eben doch nicht so und weswegen das.

» JotJot » Beiträge: 14058 » Talkpoints: 8,38 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



Indirekt sind auch die "Multi-Jobber" mit schuld an den fehlenden "sinnvollen" Arbeitsplätzen - aber nur dadurch, dass sie diese "Jobs" annehmen. Die eigentliche Schuld liegt hier bei den Arbeitgebern, die derartige "Jobs" ausschreiben bzw an der Gesetzgebung, die dafür sorgt, dass es für ein Unternehmen derzeit abgabentechnisch günstiger ist, 4-5 "Aushilfen" auf 400€-Basis einzustellen, als eine "Fachkraft".

Ebenso werden Arbeitsplätze durch solchen Humbug vernichtet wie "suche rüstigen Rentner für Gartenarbeit" - nichts gegen die Rentner, aber die bekommen Rente, und drei solche "Opas" kosten wieder einen Gärtner seinen Job - und das gilt auch analog für viele andere Branchen. Da wird bewusst unqualifiziertes "Aushilfspersonal" angestellt, weil es den Arbeitgeber weit billiger kommt, schon der ganzen Abgaben und Versicherungen wegen. Von der Schwarzarbeit, die da noch dazukommt, wollen wir mal gar nicht reden.

Konsequent könnte man die Arbeitslosigkeit dadurch bekämpfen, indem man solche "Aushilfsjobs", genau wie die 1-€-Sklaverei und die unbezahlte Überstunde, schlicht und einfach verbietet. Dazu noch Mindestlöhne, dann könnten die Leute auch wieder mit "normaler" Arbeit ihren Lebensunterhalt verdienen. Wenn mehr Arbeit anfällt, muss dann eben noch jemand eingestellt werden (ist ja nicht so, dass nicht genug Leute da wären), und ob das auch eingehalten wird, muss noch weit schärfer kontrolliert werden (auch dafür sind ja genug Leute da - sie müssen nur bezahlt werden).

Allerdings müssen die Löhne/Gehälter auch so angepasst werden, dass die "Multijobber" diesen Blödsinn gar nicht mehr nötig haben - also von ihrem einzelnen Job leben können, ohne irgendwelche weitere "Unterstützung".

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» fushicho » Beiträge: 371 » Talkpoints: 17,15 » Auszeichnung für 100 Beiträge


Nun wenn Firmen da meinetwegen einmal die Woche einen Auftrag rausgeben, der vielleicht zwei Stunden Arbeit bringt, wie will man da versicherungspflichtige Jobs daraus machen, wenn man diese Arbeiten nicht mehr als selbständige im Nebenberuf abgibt?

Einzig, das sich mancher Arbeitssuchende in die Selbständigkeit begibt, um diese Auftrage anzunehmen. Nur wird man keiner neuen Firma die Aufträge geben, wenn man mit dem aktuellen Auftragnehmer zufrieden ist. Dazu muss man auch sehen, das jemand in der Selbständigkeit nicht unbedingt Geld in die Sozialkassen bringt.

Und selbst wenn es diese Menschen nicht gäbe, die mit einem Nebengewerbe solche Aufträge erledigen, dann würden die Auftraggeber niemanden dafür einstellen. Eventuell tät mal sein vorhandenes Personal umstrukturieren oder gar austauschen. Aber mit Sicherheit würde man da keinen neuen Arbeitsplatz schaffen.

» Punktedieb » Beiträge: 17970 » Talkpoints: 16,03 » Auszeichnung für 17000 Beiträge



Dann müssen die Betriebe eben gesetzlich dazu gezwungen werden. Dann wird eben mehr Personal eingestellt bei mehr Arbeitsaufkommen, weil die "Überstunde" eben nicht mehr erlaubt ist. Es wird sowieso schon viel zu viel für zu wenig Geld gearbeitet, und menschliche Arbeitskraft darf eben nicht mehr als "Einsparpotential" gelten.

Es mag vielleicht unlogisch klingen, aber dieser ungewollte Kreislauf kann nur durchbrochen werden, wenn im Prinzip für weniger Arbeit grundsätzlich mehr Geld gezahlt wird. Denn nur dann kann es auch wieder ausgegeben werden - die sich immer nur ihr (unverdientes) Geld oben abgreifen geben es doch nicht aus.

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» fushicho » Beiträge: 371 » Talkpoints: 17,15 » Auszeichnung für 100 Beiträge



Es kommt darauf an, welche Jobs diese Multijobber ausüben und was man selbst für eine Arbeit gern verrichten möchte bzw. wie flexibel man selbst ist. Grundsätzlich finde ich es schwierig, eine solche Aussage zu treffen und dahinter zu stehen. Vermutlich ist auch einiges an Frust dabei, da man als Arbeitssuchender mit jeder Absage frustrierter und vielleicht auch hoffnungsloser wird.

Meiner Meinung nach ist es schon so, dass Jobs, die nur wenige Stunden zur Erledigung benötigen, nicht zwangsläufig zu einem Entgelt führen, das sozialversicherungspflichtig wird. Der Arbeitgeber könnte dadran etwas drehen und wenden, aber auch Firmen müssen schauen, wie sie über die Runden kommen. Genügend Firmen schreiben nur rote Zahlen, die können sich dann nicht unbedingt Angestellte leisten, die Vollzeit arbeiten möchten.

Der angesprochene rüstige Rentner wird meist von privat gesucht. Auch Rentner sind froh, wenn sie sich etwas zum Lebensunterhalt dazu verdienen können und vielleicht auch, wenn sie etwas zu tun haben. Meistens handelt es sich dabei um kleinere Arbeiten, für die ein Gärtner auch nicht die Einnahmequelle wäre. Ich denke, da sollte man schon zwischen Umfang und Aufwendung einer Arbeit und deren Nutzen und Kosten unterscheiden. Zumal diese Leute einen Gärter sich nicht unbedingt leisten können.

Ich suche derzeit zu meinem Hauptjob ja auch eine Stelle. Mein Hauptjob wird von Kollegen teilweise auch nur als Nebeneinnahme ausgeführt. Es gibt auch nicht viele Leute, die gern frühmorgens aufstehen und bei Wind und Wetter nach draußen gehen. Ich sehe es ja immer wieder daran, dass mein Arbeitgeber verzweifelt nach Zeitungsboten sucht und es immer recht lang dauert, bis sie jemanden finden. So etwas würde ich bestimmt nicht als Wegnahme eines Jobs durch Multijobber sehen, da sich um diesen Job nun nicht gerissen wird.

Punktedieb's Einwurf, dass auch ein Verzicht von Multijobbern auf den Nebenjob nicht zwangsläufig zu neuen Stellen führt, kann ich absolut nachvollziehen und verstehen. Womöglich wird der Job dann gar nicht mehr ausgeführt, jemand anderes muss in der gleichen Arbeitszeit mehr leisten oder die Aufgabe wird auf mehrere Mitarbeiter aufgeteilt.

Auch das Überstunden-Argument, unbezahlte Überstunden werden gestrichen, kann ich als solches nicht nachvollziehen. Für die meisten Arbeitgeber findet ein Überstunden-Ausgleich durch Freizeit oder doch Entlohnung statt. Ich habe noch keinen Arbeitgeber gesehen, der seine Mitarbeiter unentgeltlich Überstunden machen lässt, einen Ausgleich gibt es immer. Wenn allerdings der Mitarbeiter auf freiwillige Basis Überstunden ableistet, ist es dessen eigene Verantwortung. So etwas kommt aber auch nicht oft vor, da es schon irgendwie eine Anerkennung gibt.

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» *steph* » Beiträge: 18439 » Talkpoints: 38,79 » Auszeichnung für 18000 Beiträge


Dann kennst du dich aber nicht so wirklich in der Realität aus, steph - es gibt ziemlich viele Arbeitnehmer, die - sicherlich zähneknirschend, aber vermutlich aus Angst um ihren Job - eben solche Überstunden schieben. Ich habe es auf einer Arbeitsstelle erlebt, da hat ein Kollege nach Feierabend manche Tage noch an die 5 Stunden länger am Schreibtisch gesessen, und dafür hat er genau nichts "extra" bekommen. Wieso er das gemacht hat? Falsches Pflichtbewusstsein und kein Arsch in der Hose.

Als mein Chef mich mal angemeckert hatte, wieso ein Auftrag noch nicht fertig war, bin ich am nächsten Tag zu ihm ins Büro, hab ihm 5 Ordner auf den Tisch gelegt und ihn aufgefordert, die 2 auszusuchen, die ich an dem Tag machen soll. Alle waren "wichtig", und auf "Termin", aber meine Schuld war es nicht dass sie noch nicht fertig waren. Als er sagte "bleibste eben länger", hab ich gesagt "wenn du mehr zahlst" - wollte er nicht, also hab ich ihm gesagt er kann sich für die anderen drei was einfallen lassen. Komisch, auf einmal ging das.

Leider trauen sich heutzutage immer weniger Arbeitnehmer, sich gegen derartige Unverschämtheiten zu wehren. Mehr Arbeit muss auch mehr Geld bedeuten, sonst läuft da irgendetwas falsch. Und - was nützt es dir, "Überstunden abzufeiern", wenn du kein Geld hast, um dir in diesem "Urlaub" was zu leisten? Statt dessen werden unverdauliche Kröten geschluckt, weil die Leute Angst haben, diesen Job zu verlieren - ich habe meinen nicht verloren, obwohl meinem Chef die Aktion sicher nicht gerade gefallen hat, aber vielleicht ist er da ja mal "wach geworden".

Dass dein Chef händeringend sucht, kann ich mir im übrigen nur dahingehend erklären, dass er offenbar nicht bereit ist, angemessene Löhne zu zahlen, und immer nur hofft, irgendwelche Leute zu finden, denen ein "Niedriglohn" reicht. Und solange irgendjemand bereit ist, sich ausnutzen zu lassen, wird es reichlich schwer, dieses korrupte System endlich zu kippen.

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» fushicho » Beiträge: 371 » Talkpoints: 17,15 » Auszeichnung für 100 Beiträge


Na ja, fushicho - sagen wir mal so, dass ich bislang nur Arbeitgeber hatte und kannte, die auch Rücksicht auf die Mitarbeiter genommen haben und schon geschaut haben, dass es ihnen gut geht. Es war auch vorgeschrieben, daran hat man sich gehalten.

Falsches Pflichtbewußtsein und Angst sind wirklich gefährlich für einen Betrieb. Ich käme auch nie auf die Idee, länger als nötig und vor allem ohne Ausgleich Überstunden zu machen. Allerdings hatte ich auch keine Situationen gehabt, bei dem etwas termingerecht abgegeben werden musste oder wann und dann ein Auftrag fertig sein sollte. So etwas gibt es in meinem Ausbildungsberuf einfach nicht.

Was wäre denn ein gerechter Lohn, wenn jemand Zeitungen austrägt und vielleicht nur 1 bis 2 Stunden unterwegs ist? Wenn es hochkommt und es sind noch Sonderzustellungen zu machen, kommst Du auf 15 Stunden. 15 Stunden in sonstigen Betrieben pro Woche werden nicht viel besser bezahlt, als das, was ein Zeitungsbote bekommt. Dazu wird aufgerechnet, wieviele Zeitungen es letztendlich sind und wie groß das Zustellungsgebiet ist. es gibt genügend Berufe, bei denen eine Unterbezahlung stattfindet und die es wirklich verdienen, mehr zu behalten. Ich will mich auch gar nicht beschweren oder ausheulen, weil ich es mir seinerzeit so ausgesucht habe. Doch liegt es nicht nur an der Bezahlung, dass händeringend nach neuen Zeitungszustellern gesucht wird, sondern wirklich auch an den Umständen, die dieser Job mit sich bringt.

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» *steph* » Beiträge: 18439 » Talkpoints: 38,79 » Auszeichnung für 18000 Beiträge



Klar nehmen Multi-Jobber Arbeitsplätze vom Markt, da sie nun mal mehr als nur einen Job haben. Im Normalfall sollte es für eine Person genau einen Job geben. Das Problem ist nur das heutzutage viele nicht mehr von ihrem einem Job leben können. Somit kommt es ja erst zum Phänomen der Multi-Jobber.
Ich denke aber nicht das man sie dafür verurteilen sollte. Diese Leute haben keine andere Wahl als mehrere Jobs anzunehmen, weil sie mit nur einem Job ihre Familie nicht ernähren könnten.

Ebenso werden Arbeitsplätze durch solchen Humbug vernichtet wie "suche rüstigen Rentner für Gartenarbeit" - nichts gegen die Rentner, aber die bekommen Rente, und drei solche "Opas" kosten wieder einen Gärtner seinen Job - und das gilt auch analog für viele andere Branchen. Da wird bewusst unqualifiziertes "Aushilfspersonal" angestellt, weil es den Arbeitgeber weit billiger kommt, schon der ganzen Abgaben und Versicherungen wegen. Von der Schwarzarbeit, die da noch dazukommt, wollen wir mal gar nicht reden.

Nun ich bin ja kein Rentner sonder Schüler und mache eben genau das. Ich Pflege den Garten von anderen Leuten gegen einen für beide Seiten angemessenen Stundenlohn. Auf der einen Seite nehme ich richtigen Gärtnern ihren Job weg und auf der anderen Seite eben nicht. Manche Leute bei denen ich arbeite hätten nie das Geld einen richtigen Gärtner für 15 Euro die Stunde zu engagieren. Sie würden die Arbeit also eher selber mache. Somit dringe ich in eine Lücke vor, in der ich nicht jemandem Schade sondern nütze.

Wenn ich allerdings für eine Familie in einem nobel Viertel arbeite, dann denke ich mir das sie lediglich zu geizig sind einen richtigen Gärtner zu leisten. Würde ich das nicht machen müsste es also ein Gärtner machen. Ich nehme also Jobs weg. Jetzt habe ich nur ein mäßig schlechtes Gewissen dabei, weil ich das Geld ja auch brauche.

» 1337 » Beiträge: 692 » Talkpoints: 7,29 » Auszeichnung für 500 Beiträge


1337 hat geschrieben: Das Problem ist nur das heutzutage viele nicht mehr von ihrem einem Job leben können. Somit kommt es ja erst zum Phänomen der Multi-Jobber. Ich denke aber nicht das man sie dafür verurteilen sollte. Diese Leute haben keine andere Wahl als mehrere Jobs anzunehmen, weil sie mit nur einem Job ihre Familie nicht ernähren könnten.

Und genau das ist der Denkfehler. Ein Job muss gut genug bezahlt sein, um davon leben zu können, auch mit Familie. Ist er das nicht, ist der Job zu kündigen und durch Bezug von Staatsleistungen dem Staat klarzumachen, dass es so nicht weitergeht, und den Arbeitgebern das Signal zu setzen, dass für so einen Hungerlohn eben keiner arbeitet. Solange das aber doch noch einer tut, funktioniert das nicht. Also müssen die Leute endlich lernen, sich nicht mehr abzocken und ausnutzen zu lassen. Du lebst nicht, um zu arbeiten, du arbeitest, um zu leben. Wer das nicht versteht, ist dadurch auch mit schuld an der derzeit katastrophalen Lage am Arbeitsmarkt.

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» fushicho » Beiträge: 371 » Talkpoints: 17,15 » Auszeichnung für 100 Beiträge


fushicho hat geschrieben:Ist er das nicht, ist der Job zu kündigen und durch Bezug von Staatsleistungen dem Staat klarzumachen, daß es so nicht weitergeht, und den Arbeitgebern das Signal zu setzen, daß für so einen Hungerlohn eben keiner arbeitet.

So eine ähnliche Diskussion hatten wir schon mal bezüglich der Höhe von Löhnen. Und sicher wäre das der richtigere Weg. Andererseits muss man sich ja auch ziemlich erniedrigen, um einen Antrag bewilligt zu bekommen. Ich habe in meinem Leben bisher einmal Wohngeld beantragt. Schon allein die bösen Unterstellungen möchte ich nicht noch einmal hören (auch wenn man dagegen vorgehen kann), aber auch die Tatsache, dass ich sechs Monate auf die Bewilligung warten musste ist nicht gerade ermutigend.

Aber eigentlich muss ich hier auch mal noch einen Irrtum aufklären: nicht immer sind Multi-Jobber solche, die mit einem Gehalt nicht leben können. Es gibt auch solche Menschen, die mit ihrem ersten Gehalt durchaus leben könnten, aus anderen Gründen aber noch einen weiteren Job annehmen. Was ist denn mit diesen Personen?

» JotJot » Beiträge: 14058 » Talkpoints: 8,38 » Auszeichnung für 14000 Beiträge


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