Der Schießbefehl an der ehem. innerdeutschen Grenze

vom 29.09.2010, 14:45 Uhr

Ich habe hier Ego-Shooter mit virtuellem Schießbefehl (DDR) einen Bericht zu einem Ego-Shooter geschrieben der von der ehemaligen innerdeutschen Grenze handelt. Für diejenigen die nicht so viel mit diesem Thema anfangen können ein paar Hinweise: Seit dem Bestehen der Berliner Mauer gab es dort mindestens 136 Tote, an der Ostsee starben bei Fluchtversuchen 190 Menschen und an der übrigen Grenze zur Bundesrepublik geschätzte 600 bis 800.

An der vordersten Grenzanlage wurden vorwiegend normale Wehrpflichtige eingesetzt die normalerweise auch erst am Tag ihrer Einberufung erfuhren dass sie zukünftig den Grenztruppen angehören. Es gab ein Wehrdienstgesetz in der DDR in welchem klar definiert wurde dass der Wehrdienst entweder bei der Nationalen Volksarmee, den Grenztruppen oder der Bereitschaftspolizei abzuleisten ist. Ein Wahlrecht gab es nicht, schon gar nicht für die Grundwehrdienstleistenden.

Die Existenz des oft geleugneten Schießbefehls ist heutzutage anerkannt und bewiesen, auch wenn er damals verklausuliert wurde. Vor jedem Wachdienst wurden die Soldaten vergattert und darauf eingeschworen. Er lautete sinngemäß dass gegen Grenzverletzungen vorgegangen werden muss und Grenzverletzer notfalls mit der Waffe zu stoppen sind. Laut Historikern wurden Grenzsoldaten die nicht auf Flüchtlinge schossen oder mit Absicht vorbei zielten mit Geldstrafen belegt oder degradiert. Ich möchte dazu anmerken dass es keine Bestrafung war vom Gefreiten zum Soldaten degradiert zu werden sondern eher das drohende Stasigefängnis.

Die nach der Wiedervereinigung vielfach durchgeführten Mauerschützenprozesse endeten fast ausschließlich mit Bewährungsstrafen, nur in drei besonders schwerwiegenden Fällen gab es auch eine Gefängnisstrafe.

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» hooker » Beiträge: 7217 » Talkpoints: 50,67 » Auszeichnung für 7000 Beiträge



Es war damals eben eine andere Zeit und vor allem ein anderes politisches System. Jeder ehemalige DDR Bürger wusste doch genau was passiert wenn man die Grenzanlagen unbefugt übertritt. Ich habe mit den Menschen kein Mitleid, denn man konnte auch ganz normal ausreisen aus der DDR.

Als ehemaliger Militärangehöriger hatte ich damals eine Eid geleistet und den musste ich dann auch befolgen. Die Sache hatte schon eine gewisse Logik. Wer den Eid nicht leisten wollte, konnte ja als sogenannter Bausoldat oder umgangssprachlich Spatensoldat gehen. Niemand wurde gezwungen die Staatsgrenze zu verletzen und die Grenzsoldaten zum Schießen zu zwingen. Hätte es niemand gemacht, hätte es auch keine Todesopfer gegeben.

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» karlchen66 » Beiträge: 3563 » Talkpoints: 51,03 » Auszeichnung für 3000 Beiträge


Wach mal auf Karlchen:

karlchen66 hat geschrieben:Ich habe mit den Menschen kein Mitleid, denn man konnte auch ganz normal ausreisen aus der DDR.

Natürlich gab es diese Möglichkeit, aber hast Du wirklich mal mit Menschen gesprochen oder zumindest Berichte von ihnen gehört (bitte kein RTL etc.) welche Hindernnisse wirklich zu überwinden waren, bevor man dann endlich ausreisen durfte? Scheinbar nicht. Ich habe solch eine Familie in meiner Verwandtschaft und glaube mir, das hat schon einige Jahre gedauert und war ein echter Spießerutenlauf als der Antrag auf Ausreise erst mal gestellt war! So von wegen einfach ausreisen war nicht. Dass dann schon einige Menschen aus der Verzweiflung heraus die Flucht wagten kann ich vollkommen verstehen.

Was die Bausoldaten angeht kenne ich mich nicht wirklich aus, kann mir aber vorstellen, dass das auch kein Zuckerschlecken war und man da auch ziemlich gegängelt wurde und in Kenntnis dieser Tatsache vielleicht doch lieber den Dienst an der Grenze geleistet hat.

» JotJot » Beiträge: 14058 » Talkpoints: 8,38 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



@JotJot
Wo habe ich denn geschrieben, dass es relativ einfach war, aber es gab schließlich die Möglichkeit. Hat auch einer Mitleid mit den Soldaten gehabt? Glaube ich nicht, denn die sind jetzt vorbestraft. Ich habe auch in der Verwandtschaft mehrere Personen, die damals eine Ausreise beantragt hatten. Es hat ungefähr 4 Jahre gedauert, aber auch das wusste man damals.

Ich weiß ja nicht wie alt du bist, aber aus deinen anderen Beiträgen denke ich, dass die eine sehr lange Lebenserfahrung besitzt. Vielleicht hast du ja auch schon den Beginn des Mauerbaus miterlebt.

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» karlchen66 » Beiträge: 3563 » Talkpoints: 51,03 » Auszeichnung für 3000 Beiträge



@JotJot
Sorry, aber es war damals allgemein bekannt, was karlchen66 sagt: Unbefugter Grenzübertritt = u. U. tödlich! Das ist ja selbst heute noch nicht großartig anders, selbst in der EU nicht! Mit irgendeinem Mauertoten soll man Mitleid haben und das als Unrecht bezeichnen, mit einem der in Marokko oder in der Adria einen Schuss in den Rücken bekommt nicht und da ist es Recht?

Daher hab ich auch keinerlei Mitleid für die armen Mauertoten - es war ein bekanntes Risiko und alternativ konnte man auch so ausreisen. Natürlich hatte man dann Schikanen vor sich und je nachdem einen Spießrutenlauf. Wobei das auch wieder davon abhing, wie gut die Kontakte waren - die einen wurden halt ohne Ende schikaniert, die anderen hatten kaum Nachteile. Mein Vater war (und ist) selbst mit "Ausreisewilligen" befreundet gewesen, die einen guten Draht zur Stasi, zu ihrem Chef und sonstwohin hatten. Die wurden lediglich im Beruf abgestuft (auf einen schlechten Posten) und das war es dann. Klar, dass die nicht im Fernsehen andere volljammern, schließlich sind das keine sauberen Ausreiseopfer.

Auch wenn ich das Wort hasse, aber in diesem Fall ist es zutreffend: Was die Mauerprozesse angeht, handelt es sich um reine Siegerjustiz, die schon realitätsverzerrend ist und war.

Die Mauertoten im nachhinein als unschuldige Opfer hinzustellen hat was von denen, die heute Soldat werden wollen und auf einmal merken, dass in Afghanistan nicht nur Sonnenbaden angesagt ist.

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» Subbotnik » Beiträge: 9308 » Talkpoints: -7,05 » Auszeichnung für 9000 Beiträge


Subbotnik hat geschrieben:@JotJot
Sorry, aber es war damals allgemein bekannt, was karlchen66 sagt: Unbefugter Grenzübertritt = u. U. tödlich! Das ist ja selbst heute noch nicht großartig anders, selbst in der EU nicht! Mit irgendeinem Mauertoten soll man Mitleid haben und das als Unrecht bezeichnen, mit einem der in Marokko oder in der Adria einen Schuss in den Rücken bekommt nicht und da ist es Recht?

Schon klar, habe ich auch gar nicht anders behauptet. Andererseits ist es nun mal wirklich nicht einfach so gewesen, dann reise ich halt mal aus. Sollte man auch nicht vergessen. Ich habe lediglich gesagt, dass ich es schon verstehe, dass einigen das Risiko Grenzübertritt dann wohl geringer erschien.

» JotJot » Beiträge: 14058 » Talkpoints: 8,38 » Auszeichnung für 14000 Beiträge


Irgendwie ist das schon verkehrte Welt. Die Leute, die nicht in der DDR leben wollten und mehrere Jahre auf die Ausreise warten mussten, haben die bedauernswerten Grenzsoldaten verantwortungsloserweise in die Situation gebracht, sie erschießen zu müssen. Damit werden die Opfer zu Täter und die Täter zu Opfern. Ich würde mich jedenfalls von keinem System zum Mörder machen lassen und ich würde mich vor mir selbst nicht damit entlasten können, nur einem Befehl gehorcht zu haben. Die Wahl, daneben zu schießen, hat jeder gehabt. Dafür wäre keiner mit dem Tod bestraft worden.

Abgesehen davon, dass ein Staat, der seinen Bürgern keine Freizügigkeit gewährt, ein Unrechtsstaat ist, wird hier doch noch einiges weitere verschwiegen. Wer ausreißen wollte, wurde zunächst in seinem Betrieb von den Kadern bearbeitet und unter Druck gesetzt. Dann wurde er - wenn er sich als unbelehrbar erwies -, in unattraktive Jobs versetzt, für jede Panne in seinem Umfeld verantwortlich gemacht und entlassen. Wenn er dann arbeitslos war, dann konnte in der DDR auf § 249 des Strafgesetzbuches zurückgegriffen werden, der sogenanntes asoziales Verhalten, worunter auch Arbeitslosigkeit subsumiert werden konnte, mit bis zu 5 Jahren Knast bestraft werden.

Für die Kinder der Familien, die vier Jahre und länger auf die Ausreise warteten, war die Situation die Hölle, zumal sie in Schule und FDJ gegen eine republikfeindlichen Eltern aufgehetzt wurden.

Ich habe Anfang des Jahres im Potsdamer Archiv die Personalakten mehrerer Firmen durchgearbeitet und dabei besonders darauf geachtet, wie mit Ausreisewilligen verfahren wurde. Man musste schon sehr stark sein, um den mehrjährigen Psychoterror wegzustecken.

» RopiusK » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »



RopiusK hat geschrieben: Die Wahl, daneben zu schießen, hat jeder gehabt. Dafür wäre keiner mit dem Tod bestraft worden.

Weißt du überhaupt von was du hier sprichst? Ich war damals Militärangehöriger und man musste schon richtig schießen. Denn die Konsequenzen waren schon dementsprechend. Frage doch einfach einmal Leute, die in der Zeit bei der NVA waren. Und als Militärangehöriger musste man Befehle ausführen. Danach konnte man unter Umständen Kritik anmelden.

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» karlchen66 » Beiträge: 3563 » Talkpoints: 51,03 » Auszeichnung für 3000 Beiträge


Auf diesen Befehlsnotstand haben sich auch KZ-Wärter berufen. Und ich weiß sehr genau, wovon ich rede. Ganz abgesehen davon, dass jeder die Wahl gehabt hätte, gar nicht mit der Waffe zu dienen, ist die Entscheidung, einen Menschen zu töten, weil ein anderer es befiehlt, immer noch eine persönliche Entscheidung. Soviel ich weiß, sind treffsichere Schützen mit Urkunden, Sonderurlaub und ähnlichem belohnt worden.

Insofern glaube ich nicht, dass hier allzu viele Gewissensbisse oder die Angst, selbst Negativkonsequenzen zu erleben, eine Rolle gespielt hat, sondern die Bewährung durch Fangschuss als persönlicher Erfolg gefeiert wurde. Nur im nachhinein sieht man sich dann immer gerne als Opfer.

Und ich weiß, wovon ich rede. Mein Vater sollte damals in der DDR von einem Kollegen angeworben werden, für den Westen zu spionieren. Er hat das abgelehnt, weil er loyal war, aber er wollte auch kein Denunziant sein. Als der Kollege enttarnt wurde, legte der ein Schuldbekenntnis ab und erklärte, dass er meinen Vater anzuwerben versucht hatte. Daraufhin wurde mein Vater zum Verantwortlichen gestempelt, weil er seine Kollegen nicht denunziert hatte, und wir flüchteten. Da seine Dienststelle dem Verkehrsministerium der DDR angegliedert war, bestand nach der Flucht großes Interesse an seinem Wissen. Aber auch hier blieb er loyal und machte keine Angaben.

Man muss sich nicht zum Täter machen lassen. Diese Entscheidung trifft man letztlich immer selbst, auch wenn es natürlich einfacher ist, sich nach dem Karriereknick durch Wiedervereinigung und den daraus resultierenden Wertewechsel auf den Befehlsnotstand zu berufen.

» RopiusK » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »

Zuletzt geändert von Midgaardslang am 29.09.2010, 19:28, insgesamt 1-mal geändert. Zeige Beitragsversionen

RopiusK hat geschrieben:Auf diesen Befehlsnotstand haben sich auch KZ-Wärter berufen.

Blödsinn, darauf berufen sich nur die, die keine Ahnung haben! Einfach deswegen, weil es in der Wehrmacht und SS keinen einzigen nachgewiesenen Fall gab, in der Befehlsverweigerung (in diesem Fall Exekutionen usw.) bestraft wurden, wohl aber dokumentiert. Völlig anders sah es in der DDR aus.

RopiusK hat geschrieben:Soviel ich weiß, sind treffsichere Schützen mit Urkunden, Sonderurlaub und ähnlichem belohnt worden.

Ich frage mich, wo man solchen Unfug aufschnappt. Womöglich irgendwelche Storys, die man sich über 5 Ecken erzählt, aber keiner irgendwas belegen kann - wie immer bei urban legends.

RopiusK hat geschrieben:Wenn er dann arbeitslos war, dann konnte in der DDR auf § 249 des Strafgesetzbuches zurückgegriffen werden, der sogenanntes asoziales Verhalten, worunter auch Arbeitslosigkeit subsumiert werden konnte, mit bis zu 5 Jahren Knast bestraft werden.

Ahnungslosigkeit, die zweite! Es gab eine "Arbeitspflicht" (durch das Recht auf Arbeit, was mehr oder weniger auch die Pflicht dazu war), jedoch verdrehst Du hier die Tatsachen. Wenn man aus dem Betrieb geworfen wurde, dann nicht um jemand danach wegen "Asozialität" einzuknasten, sondern um einen Grund zu haben, ihn in "unliebsame" Jobs abzuschieben. Gerade in Betrieben, wo eine Degradierung der Art "nach unten versetzen" nicht möglich war. Zumindest nicht in diesem Maß, dass es eine echte Schikane wäre.

Aber auch das ist Unsinn - wie gesagt: Manche wurden schön durch die Mangel gedreht, aber haben nicht einmal ansatzweise ernsthafte Konsequenzen spüren müssen.

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» Subbotnik » Beiträge: 9308 » Talkpoints: -7,05 » Auszeichnung für 9000 Beiträge


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