Immer weniger Gedanken an das Leben nach der Schule - warum?

vom 12.01.2015, 21:13 Uhr

Ich habe den Eindruck, dass viele junge Menschen sich kaum noch Gedanken darüber machen, was nach der Schule kommt. Macht man keine Ausbildung, studiert man eben, was man studiert wird dann eben spontan entschieden und so einen richtigen Plan scheint man einfach nicht mehr zu haben. Habt ihr das auch schon beobachtet und warum ist das so? Haben wir einfach zu viel Auswahl?

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge



War das "früher" denn so anders? Es kann schon sein, dass die Auswahl an Studiengängen und sonstigen Berufswahlmöglichkeiten noch nie so groß war wie heute, und dass das Überangebot manche Schulabgänger zumindest vorübergehend überfordert.

Andererseits ist es ja schon lange nicht mehr durchgehend der Fall, dass man einen Job lernt oder in einen Sektor einsteigt und dann bis zur Rente in diesem Metier, am Ende noch in ein und demselben Betrieb seine Brötchen verdient. Ich glaube auch nicht, dass die meisten jungen Leute vor ein oder zwei Generationen so detaillierte Pläne geschmiedet haben: Da ist man eben im väterlichen Betrieb eingestiegen oder hat geheiratet und sich von einem Kerl durchfüttern lassen.

Ich kann mir schon allein deswegen vorstellen, dass viele junge Leute erst mal "irgendwas mit BWL" oder etwas Naturwissenschaftliches studieren und sich erst im Laufe des Studiums überlegen, wo es jobmäßig denn genau hin gehen soll. Man kann ja heutzutage durchaus auch als Quereinsteiger Karriere machen oder doch lieber ein Café eröffnen oder sich als Yogalehrer selbstständig machen. Ich habe zudem den Eindruck, dass vielen jungen Leuten mittlerweile klar ist, dass die Jobs ihrer Eltern und Großeltern in der Form schon gar nicht mehr existieren und dass von ihnen im Berufsleben vor allem Flexibilität und die Fähigkeit, neue Informationen aufzunehmen und zu verarbeiten, verlangt wird.

Nicht jeder hat eben den Hang, sein Leben vom Abi bis zum Pflegeheim durch zu planen und den Plan dann auch durchzuziehen. Meistens kommt sowieso alles anders, als man denkt. Deswegen kann ich auch die Haltung nachvollziehen, erst mal unterschiedliche Dinge ausprobieren zu wollen. Eine lebenslange Jobgarantie gibt es sowieso nicht, also kann man sich ja erst mal ein bisschen orientieren und umschauen, solange die Kohle aus dem Elternhaus noch nicht zu versiegen droht.

» Gerbera » Beiträge: 11289 » Talkpoints: 41,52 » Auszeichnung für 11000 Beiträge


Ich denke das die Zeiten sich einfach geändert haben und die Auswahl viel größer ist, als früher. Früher sind ganz viele in die Fußstapfen ihrer Eltern getreten und da war eigentlich von klein auf klar, was das Kind werden wollte und sollte. Heute sind die Kinder in ihrer Entscheidung freier und niemand muss mehr das werden was die Eltern sind.

Außerdem haben viele früher über Kontakte eine Ausbildung bekommen. Mein Vater und alle anderen Kinder, deren Väter auf der Zeche gearbeitet haben, haben dort selbstverständlich auch einen Ausbildungsplatz bekommen. Da war egal, was im Zeugnis stand.

Heute haben die sehr guten Abiturienten die Qual der Wahl und die Hauptschüler haben keine Chance, da ist es egal, ob sie sich anstrengen oder nicht.

Außerdem werden die Kinder immer jünger. Durch G8 findet man durchaus 17jährige in den Unis. Früher waren die Schüler älter, hatten mehr Zeit zum abhängen und konnten erste Erfahrungen mit dem Leben sammeln. Heute besteht das Leben aus lernen. Da fehlt einfach auch eine gewisse Reife, um sich wirklich bewusst zu machen, was man denn möchte und was nicht.

» JadeC » Beiträge: 677 » Talkpoints: 1,71 » Auszeichnung für 500 Beiträge



Wieso genau hast du denn den Eindruck, dass eine solche Entwicklung in den letzten Jahren stattgefunden hat? Überhaupt kann ich den negativen Beigeschmack deines Beitrags nicht so recht verstehen: Ist deiner Meinung nach ein Studium etwa keine Ausbildung? Mich würde es interessieren, ob du selbst einmal an einer Universität studiert hast bzw. jemand aus deinem engen Umfeld. Denn durch deine Schilderung bekomme ich den Eindruck, dass du ein Studium eher als Freizeitbeschäftigung und Trödelei betrachtest.

Ich bin selbst Student und die Realität sieht zumindest bei mir komplett gegenteilig aus. 50-60h an durchschnittlichem Aufwand pro Woche ist die Norm. Etwa die Hälfte der Zeit verbringe ich in der Uni während die andere Hälfte aus selbstständiger Arbeit besteht. Vor allem in der stressigen Prüfungszeit hockt man da mal 5 Tage hintereinander bis 2 Uhr morgens am Schreibtisch, damit es am nächsten Tag in der Früh wieder weitergehen kann. Dazu kommt noch die für Studenten typische chronische finanzielle Knappheit die auch immer wieder für Kopfzerbrechen sorgt.

Ich will jetzt nicht den Eindruck vermitteln, dass ich das Studieren furchtbar finde - im Gegenteil, es ist eine wundervolle Zeit die ich sehr genieße. Allerdings habe ich beim Lesen deines Beitrages den Eindruck gewonnen, dass du ein Studium als Zeitvertreib siehst als ob die steigende Anzahl an Studenten etwas mit der Faulheit junger Leute zu tun hätte. Nein - immer mehr Universitätsabsolventen sind angesichts des steigenden Bedarfs an hochqualifizierte Arbeitskräften gefragt. Ein hoher Anteil an Akademikern ist somit nicht nur Balsam für die Wirtschaft eines Landes, überhaupt ist ein hohes Bildungsniveau meiner Meinung nach ein erwünschter Zustand.

Natürlich ist bekannt, dass es gewisse "Massen-Studiengänge" gibt, die viel zu viel Zulauf finden und eine entsprechend schlechtere Situation auf dem Arbeitsmarkt erzeugen was die Jobsuche betrifft. Dies betrifft sehr oft auch die von dir angesprochenen Unentschlossenen, die noch nicht genau wissen, worin ihre Interessen liegen und welchen Beruf sie letztendlich einmal ausüben wollen. Wie ich finde ist es hier jedoch eindeutig vorzuziehen, wenn mit einem Ökonomiestudium begonnen wird, als mit einer Lehre zur Friseurin.

Auch wenn sich bei vielen herauskristallisiert, dass die erste Wahl nicht die optimale Wahl war, ist es doch großartig, dass man dann noch andere Studiengänge ausprobieren kann - oder einen Weg abseits der Universität einschlagen kann. Ein oder zwei verlorene Semester sind in Hinblick auf die gesamte Ausbildungszeit eines Akademikers ziemlich irrelevant. Somit finde ich dieses "Phänomen" keineswegs besorgniserregend und bin auch der Meinung, dass es hier keinen merkbaren Anstieg gegeben hat.

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» mendacium. » Beiträge: 750 » Talkpoints: 17,61 » Auszeichnung für 500 Beiträge



Wenn ich mich an meine eigene Schulzeit zurück erinnere, fällt mir dazu nur ein, dass ich keine Ahnung vom Leben hatte und dementsprechend auch nicht wusste, welcher Beruf zu mir passt. Zwar bekam man damals in der Schule Informationsmaterial, aber meiner Meinung nach waren diese Infos ganz schön weit von der Realität entfernt. Wir hatten damals ein Buch in die Hand gedrückt bekommen mit dem Satz: "Sucht euch aus diesem Buch einen Beruf aus, der euch interessiert und bewerbt euch dann darauf." Na großartig! Wir sollten dann noch eine Woche Praktikum absolvieren und das war es dann.

Als ich mich dann beworben hatte, habe ich schnell zu spüren bekommen, dass ich keine Ahnung von der Realität hatte. Die Berufswelt ist komplett anders als die Schule und sich dort erst einmal einer Hierarchie unterzuordnen (und als Lehrling fängt man ja bekanntlich ganz unten an) war ziemlich ungewohnt. Von daher könnte ich mir vorstellen, dass dieser Eindruck einfach daher kommt, dass die jungen Leute heute gar nicht wissen, was auf sie zukommt. Hätte ich das gewusst, hätte ich mich definitiv anders drauf vorbereitet!

» YariXxX » Beiträge: 635 » Talkpoints: 21,58 » Auszeichnung für 500 Beiträge


Ich finde auch nicht unbedingt, dass die Jugendlichen heutzutage weniger darüber nachdenken wie es nach ihrer Schulzeit weiter geht, als es zu meiner Schulzeit der Fall war. Wenn ich von mir selber ausgehe, habe ich zur Schulzeit auch noch nicht gewusst, was ich einmal machen möchte. Eigentlich habe ich das noch nicht einmal kurz vor meinem Studium gewusst. Mir haben einfach die Informationen gefehlt, obwohl ich mich sehr darum bemüht habe. Ich wusste nicht, was es alles für spannende Berufe gibt. Klar, so das Alltägliche schon, aber sehr spezielle Berufe waren eher ein Fremdwort für mich.

Ich denke, dass es inzwischen nicht anders geworden ist. In dem Alter, in dem man sich entscheiden muss, was man einmal nach seiner Schulzeit machen muss, hat man einfach noch nicht so viel Erfahrung, um zu wissen, was es alles an Berufen und Möglichkeiten gibt. Das lernt man erst im Laufe des Lebens. Trotzdem muss man sich entscheiden. Tja und da ist das Problem oftmals begraben, obwohl ich auch sagen muss, dass ich schon auch das Gefühl habe, dass sich die Jugendlichen heutzutage weniger Gedanken über ihre Zukunft machen. Ihnen geht es gut und sie leben häufig nur von Tag zu Tag, ohne weiter nach vorne zu schauen.

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» Nettie » Beiträge: 7637 » Talkpoints: -2,59 » Auszeichnung für 7000 Beiträge


Gerbera hat geschrieben:Ich kann mir schon allein deswegen vorstellen, dass viele junge Leute erst mal "irgendwas mit BWL" oder etwas Naturwissenschaftliches studieren und sich erst im Laufe des Studiums überlegen, wo es jobmäßig denn genau hin gehen soll.

Den Eindruck habe ich ehrlich gesagt auch. Viele fangen mit dem Studium an und erst im Laufe des Studiums lernt man sich selbst und seine Ziele und Wünsche so weit kennen, dass man überhaupt weiß, in welche Richtung es gehen soll. Ich habe während meiner Studienzeit zwar nicht das Fach gewechselt, aber ich habe meine Spezialisierung und meinen Fokus geändert, da ich gemerkt habe, dass bestimmte Bereiche durch Praktika und dergleichen doch nichts für mich sind.

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» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge



Ich habe den Eindruck, dass heutzutage jeder Trottel studieren gehen kann, so lange kein Numerus Clausus gefragt ist. Da hat man keine Lust zu arbeiten, studiert man eben und liegt dem Staat auf der Tasche. Naja, es ist jedem das Seine, aber ich finde es denen gegenüber unfair, die wirklich schon wissen, was sie machen möchten, vielleicht nicht so gute Noten haben und dadurch dann keinen Studienplatz mehr bekommen.

Es ist natürlich nicht so einfach, gleich zu wissen, was man möchte, allerdings wäre ich dafür, dass es schon so ganz spezielle Psychotests bei den Aufnahmekriterien geben sollte, wo einfach heraus gefunden werden kann, ob die Person, die studiert, das wirklich möchte, oder ob das Studium einfach nur ein Lückenbüßer oder ein Zeitvertreib ist.

Es gibt so viele ewige Studenten, wie ich es eben bei uns erlebe, das gibt es in Deutschland sicher auch. Bei denen merkt man genau, dass sie das genießen, weil sie einfach immer sagen: Ich studiere eben. Es ist wirklich bei manchen ein Trauerspiel. Mir fällt so ein Trend bei der heutigen Jugend ebenfalls auf.

» nordseekrabbe » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »


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