Der Vorteil, an nichts Materiellem zu hängen
Ich hänge an nichts Materiellem, wie etwa bestimmten Möbelstücken, alten Unterlagen oder Kleidungsstücken. Das hat sich schon oft als Vorteil erwiesen. Als meine Schwägerin umzog, war das ein ziemlich umfangreiches und langwieriges Unterfangen, obwohl ihr Haushalt nur aus ihr und ihren Katzen besteht. Viele Sachen sind einfach von einem in den anderen Keller gewandert. Und viele der Kisten, die in die Wohnung einsortiert gehören, hat sie nach einem halben Jahr immer noch nicht ausgepackt. Sie kann einfach nichts wegwerfen.
Wir sind das ziemliche Gegenteil. Unsere Wohnung ist sehr übersichtlich, was viele Vorteile hat. Ich muss zum Beispiel nicht viel aufräumen und unsere vielen Umzüge waren auch nie besonders kompliziert. Sind euch auch materielle Dinge unwichtig? Welche Vorteile hat das? Wenn ich Single wäre, könnte ich mir sogar vorstellen, vor einem Umzug in eine entfernte Stadt den kompletten Hausrat inklusive Möbel zu verkaufen oder zu verschenken und mich in der neuen Stadt neu einzurichten. Das ist vielleicht sogar billiger als ein Möbelwagen. Wäre das für euch unvorstellbar?
Ich habe schon gerne ein paar Sachen um mich herum und möchte nicht jedes Mal einkaufen gehen möchte, wenn ich mal wieder eine Bastelidee für die Kinder habe oder was auch immer. Ich habe daher schon einige Dinge, aber ich sehe das nicht als sinnlos an, sondern wirklich als nützlich. Dennoch könnte man mir diese Dinge wegnehmen und ich könnte auch ohne den Kram leben.
Meine Ur Oma hat das alles mal super auf den Punkt gebracht. Sie hatte ewig die gleiche Küche und das mit einer Begründung, denn genug Geld hatte sie eigentlich für eine neue Küche. Sie meinte, dass man letztendlich am Ende seines Lebens nicht davon schwärmt, was man mal für eine tolle Küche hatte, sondern von Erinnerungen profitiert, von Reisen, die man gemacht hat und so sehe ich das auch. Ich kaufe nicht ständig neu, aber die Sachen, die ich habe weiß ich auch zu pflegen und zu schätzen. Ich bin also kein Messie, aber mag es schon, wenn es nicht ganz kahl um mich herum ist.
Ich finde es schon gewagt zu behaupten, an "nichts Materiellem" zu hängen, wenn damit alter Papierkram oder Klamotten gemeint sind. Mein IKEA-Regal im Nebenzimmer ist auch nicht mein kostbarster Besitz, aber meine ehemals relativ teure Vollholz-Wildbuche-Kommode würde ich nun nicht verramschen wollen, nur weil "Minimalismus" gerade schick ist.
Ich kenne nur wenige Menschen, die wirklich dem materiellen Kram abgeschworen haben, und das sind Ordensleute, die für jeden Einkauf über 20 Euro ihren Oberen um Zustimmung ersuchen müssen. Selbst die haben zwar Eigentum, wie Bücher, ihre Lieblingstasse und Gegenstände zum privaten Gebrauch. Aber dennoch ist ihr Alltag eher von Verzicht geprägt, und das möchte doch eigentlich keiner? Seine Steuerunterlagen von 2005 nicht zu horten ist schick, aber auch ziemlich einfach. Und wer es sich leisten kann, seinen gesamten Besitz zu verscherbeln und neu zu kaufen, bitte.
Aber die Idee, tatsächlich ohne etwas auszukommen, das man gerne möchte, und sich auch leisten kann, steht ja in direktem Widerspruch zur modernen Gesellschaft und wird deswegen nicht gerne gesehen und noch weniger praktiziert. Sonst würde die Schwester Viktoria nicht regelmäßig staunend gefragt, wie sie mit fünf Habits auskommt, und Pater Lazarus müsste sich nicht für seine Krankenkassenbrille rechtfertigen.
Ich kann mich problemlos von Dingen trennen, die für mich keinen Zweck mehr erfüllen. Ich hasse Staubfänger und habe wenige Dinge, die nur einen dekorativen Zweck erfüllen. Aber ich würde jetzt nicht behaupten, dass es überhaupt nichts materielles gibt, an dem ich hänge.
Ich würde mich auch nicht wohl fühlen in einem Haus, das völlig beliebig eingerichtet ist, weil ich vor dem Umzug halt alles verkauft habe und danach schnell Ersatz ran schaffen musste. Und natürlich hänge ich in gewisser Weise an einem Möbelstück, das ich lange gesucht habe und vielleicht noch selber restauriert habe.
Vielleicht ist es ein Vorteil wenn man sich in einem IKEA Katalog wohl fühlen würde und keine persönlichen, einzigartigen Dinge braucht um sich zu Hause fühlen zu können, aber ob das wirklich günstiger kommt bezweifle ich. Du musst nämlich auch deine Zeit mit einrechnen, die für Verkauf und Wiederbeschaffung drauf geht.
Und du brauchst dann zwar für den Umzug keinen Möbelwagen, aber der neue Schrank wird in der Regel nicht kostenlos zu dir nach Hause geliefert. Und im Gegensatz zu dem einen Umzugswagen fallen diese Kosten jedes Mal an, beim neuen Bett, beim neuen Esstisch, bei der neuen Couch und so weiter.
Mir geht es eigentlich so ähnlich. Schon seit jeher bin ich vergleichsweise wenig an Materiellem interessiert bzw. habe nur wenig Lust, mir Dinge und Gegenstände anzuschaffen. Klar gibt es einiges, was man braucht, aber darüber hinaus kaufe ich nur selten etwas ein. Insbesondere an materiellen Statussymbolen (Autos, teures Mobiliar, etc.) bin ich nicht interessiert und es reizt mich auch nicht, mich damit zu beschäftigen.
Auch bei Wohnungseinrichtungen ist es mir nur selten wichtig, bestimmte Dinge zu besitzen. Ich glaube, ich würde mich auch in einer möblierten Wohnung wohlfühlen, wenn das Mobiliar ungefähr meinen Geschmack trifft. Eigentlich fände ich das sogar am angenehmsten, wenn man bei einem Umzug nur seine persönlichen Sachen mitnehmen müsste (Bücher, Unterlagen, Geschirr, etc.), aber das Mobiliar bleibt da.
In meinem Leben sind mir genau zwei Leute begegnet, denen ich glauben würde, an nichts Materiellem zu hängen. Das eine war eine Freundin, die zu nichts eine richtige Bindung aufbauen konnte und sowohl in ihrem Leben als auch in ihrer eigenen Wohnung immer komplett verloren war, die andere Person fing dank Alterstüdeligkeit plötzlich an, Dinge von emotionalem Wert wegzuwerfen. Alle anderen? Ne, sicher nicht.
Es muss ja nicht mal eine emotionale Aufladung von Gegenständen sein, man kann auch aus finanziellen Aspekten an Dingen hängen. Weil sie mal teuer waren. Weil eine Wiederbeschaffung unrentabel wäre. Die Vorstellung, einfach alles wegzuwerfen und zu verkaufen, um den Möbelwagen zu sparen, ist überraschend kurzsichtig gedacht. Kein Umzug ist so teuer wie eine komplette Neueinrichtung, selbst wenn einem das Kunststück gelingen sollte, im Vorfeld alles verkauft zu bekommen. Wer einmal einen Haushalte aufgelöst hat, weiß, was das für eine Heidenarbeit ist, vor allem, wenn sich noch Gegenstände von Wert in diesem Haus befinden. Verkaufen auf Kleinanzeigen ist eine besondere Form der Hölle.
Und dann noch der Aufwand, wieder bei absolut Null anzufangen, das ist doch Horror. Um wieder halbwegs auf Stand zu kommen, bräuchte es viele Monate, vielleicht sogar Jahre, von den immensen Kosten ganz zu schweigen. Und gebrauchte Sachen bei Kleinanzeigen zu kaufen, ist auch schwerer als gedacht. Man findet garantiert nicht gebraucht auf Anhieb das, was man halbwegs braucht, von den zwischenmenschlichen Scherereien, die einem dort begegnen gar nicht zu reden. Von Null anfangen lohnt sich nur für Leute, die nach Übersee auswandern, alles andere wäre ja der Wahnsinn.
Und sagtest du nicht mal, dass du gerne malst und noch Kleidung aus den letzten vier Jahrzehnten hast? Also hängst du ja doch irgendwie an den Dingen, sonst wäre der Schrank nicht mit Kleidung aus jedem Jahrzehnt voll. Wäre die Alternative wirklich, alles wegzuwerfen bei einem Umzug und sich für zweihundert Euro mit KiK Klamotten behelfsmäßig neu einzukleiden? Oder das Sofa im Sozialkaufhaus gebraucht zu kaufen und die teure Fissler Pfanne mit etwas vom Aldi Mittelgang zu ersetzen? Beim teuren Hobby wieder alles neu kaufen zu müssen? Das macht doch alles niemand.
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