Komasaufen bald Hobby unter Jugendlichen?

vom 23.03.2011, 01:43 Uhr

Heute Abend nach meinem Fußballtraining war ich mit einem Vereinskollegen auf dem Bahnsteig, weil wir auf unsere gemeinsame Bahn gewartet haben. Auf dem gegenüber liegendem Bahnsteig haben wir eine Gruppe Jugendlicher beobachtet, welche an einem Dienstagabend wirklich sehr betrunken waren. Sie haben typisch laut gepöbelt und sich schlecht benommen. Man hat klar erkennen können, dass sie noch Schüler sind.

Es wird ja viel in den Medien über die "Saufkultur" der Jugendlichen berichtet. Da fängt es meist schon mit 13 Jahren an. Komasaufen scheint unter ihnen extrem beliebt zu sein, wahrscheinlich weil sie sich nicht über die Folgen bewusst sind. Doch warum treffe ich in Berlin mittlerweile schon mitten in der Woche auf besoffene Minderjährige? Kommt es euch inzwischen auch schon so vor, als ob das exzessive Trinken von Alkohol fast schon ein Hobby für die Kinder geworden ist? Oder war es vielleicht ein Einzelfall? Habt vielleicht auch schon ähnliche Erfahrungen damit gemacht?

» aris18 » Beiträge: 431 » Talkpoints: 1,68 » Auszeichnung für 100 Beiträge



Zunächst mal stimme ich TuDios absolut zu, dass es in einer Großstadt wie Berlin eben einfach wahrscheinlicher ist, alles mögliche zu sehen, weil es insgesamt mehr Menschen und auch mehr Möglichkeiten gibt.

Alkohol zu bekommen ist allerdings kaum ein Problem. Ich bin in Berlin aufgewachsen und wohne jetzt in einem winzig kleinen Dorf mitten in der Wüste in Israel. Der nächste Laden jeglicher Art ist eine halbe Stunde Fußmarsch entlang der Autobahn entfernt - die Jugendlichen betrinken sich trotzdem ab und an mal. Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg; dann wird eben bei verschiedenen Veranstaltungen und Feiern immer wieder eine Flasche Wein oder ein paar Dosen Bier mitgenommen und schon hat man ein nettes Sammelsurium.

Gleichzeitig möchte ich aber auch die von die postulierte Sicherheit, dass diese Jugendlichen "wirklich sehr betrunken" waren, in Frage stellen. Lautes und auffälliges Benehmen ist in meinen Augen noch kein Beweis für Trunkenheit. Ich zumindest wurde während meiner Schulzeit zum Beispiel in der Schule auch von Jugendlichen angepöbelt, die mit Sicherheit nicht betrunken waren, sondern sich eben in der Gruppe einfach nur toll und stark fühlten. Da braucht es keinen Alkohol, um solches Verhalten auszulösen. Wäre es zwei Uhr nachmittags und nicht am Abend gewesen und die Jugendlichen hätten sich exakt gleich verhalten, hättest du vielleicht angenommen, dass sie einfach unhöflich/unangenehm/schlecht erzogen/frech/zu laut aber nicht besoffen waren.

Was die Medien berichten, würde ich nicht unbedingt so ernst nehmen. Ich will damit nicht sagen, dass Jugendliche heute nicht insgesamt mehr trinken als die Generation ihrer Eltern; das ist vielleicht so, aber wahrscheinlich ist der Alkoholkonsum pro Kopf insgesamt seitdem deutlich angestiegen. Die Medien stürzen sich heutzutage auf jede Horrorgeschichte, was nicht unbedingt immer bedeutet, dass es davon statistisch gesehen mehr gibt - sie verkaufen sich nur besser.

Und was treibt Jugendliche dazu, sich zu betrinken? Zunächst mal überhaupt die Möglichkeit, das zu tun. Es sind viel mehr Läden, die Alkohol verkaufen, länger offen. Sehr viele Besitzer und Angestellte verkaufen auch an Jugendliche; zunächst mal, weil sie nicht immer wissen, dass es sich um Minderjährige handelt; dann, weil es manchmal auch wirklich keine sind, denn Jugendliche kennen auch ältere Geschwister, Nachbarn, Freunde, die sie zum Alkoholkauf vorschicken können; ein weiterer Grund ist, dass die Läden das Geld haben wollen, egal von wem; und letztlich könnte es auch eine Rolle spielen, dass viele aus Angst vor Schwierigkeiten einer Gruppe bereits pöbelnder Jugendliche nichts abschlagen wollen.

Abgesehen von der Tatsache, dass es relativ leicht ist Alkohol zu bekommen, betrinken sich Jugendliche, weil Alkohol von der Gesellschaft als spaßbringendes Genussmittel angepriesen wird. Nicht nur Werbung in der Werbung, auch in Filmen und Serien, Internetforen oder auch nur Erzählungen von Bekannten wird vermittelt, dass es insgesamt recht lustig/cool/sexy/aufregend ist, sich zu betrinken. Da soll man sich nicht wundern, wenn Jugendliche das gerne tun.

Und letztendlich zerfällt eben die traditionelle Familienstruktur. Immer mehr Jugendliche leben in Ein-Kind-Familien, mit nur einem Elternteil oder mit neuen Partnern der Eltern; Eltern arbeiten länger, haben weniger Zeit und weniger Bezug zu ihren Kindern, beschäftigen sich nicht mit deren Lebensinhalten, sodass die Kinder dann im Jugendalter wenig Zeit zu Hause mit der Familie verbringen. Außerhalb des Hauses gibt es aber für Jugendliche tatsächlich nicht so unendlich viel zu tun und da ist Alkohol eben eine einfache Lösung.

» channale » Beiträge: 1371 » Talkpoints: 37,37 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


Ich bin schon der Meinung, dass die Hemmungen geringer geworden sind und die eigene Grenze zu oft überschritten wird. Ich habe aber auch festgestellt, dass die Zahl der Alkoholkranken gestiegen ist. Man sieht viel häufiger Leute, die entweder am hellen Tag mit einer Bierflasche durch die Gegend laufen oder sich gerade wieder Nachschub kaufen.

Ich habe auch bemerkt, dass es teilweise während der Schulzeit Orte gibt, wo Schüler erst einmal ihr Bier zum Mittag trinken. Ich glaube nicht, dass man sich das früher trauen konnte. Da waren die Hemmungen viel größer. Entweder schaut heute eben niemand mehr hin oder die Meinung anderer ist den Schülern nicht mehr wichtig. Ich hätte mir das früher nie getraut. Mal ganz davon abgesehen, dass ich das nicht gut finde und auch nicht gefunden hätte.

Ich denke das hängt vielfach mit der heutigen Unzufriedenheit zusammen. Viele Jugendliche sind frustriert. Sie werden nicht genug gefordert oder nicht genug gefördert. Sie haebn zu viel Langeweile oder ihnen werden heute einfach nicht mehr die Werte beigebracht, die man früher ganz selbstverständlich von den Eltern und Lehrern vermittelt bekommen hat.

Ich denke, es ist ein gesellschaftliches Problem. Viele Jugendliche gehen heute zu weit. Sie beschimpfen fremde Menschen oder auch die eigenen Eltern in einer Art und Weise, die es früher nicht gab. Sie machen sich keine Gedanken über die Folgen ihres Handelns. Die Frage ist nur, wie man das ändern kann. Es gibt heute so viele soziale Projekte. Vieles wird versucht. Allein dass man der Meinung ist, man benötigt derartige soziale Projekte zeigt, wie schlimm es ist.

» floraikal » Beiträge: 1127 » Talkpoints: 2,05 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



Ich kann mich nicht erinnern, unter der Woche mal eine Gruppe besoffener Jugendlicher gesehen zu haben, obwohl das sicherlich keine Seltenheit ist. Ich wohne in einer Kleinstadt und bekomme deshalb natürlich nicht mit, wie die Zustände in einer Großstadt sind. Dennoch gab es schon immer Gruppen, die meinen, sich auf diesem Sektor besonders hervortun zu müssen.

Eine große Rolle spielt hier oft die Jugendarbeitslosigkeit und die damit verbundene Langeweile, aber das kann man natürlich nicht verallgemeinern. Einige machen vielleicht auch nur nach, was sie kennen bzw. jeden Tag vorgelebt bekommen ich denke da an Familien, in denen niemand erwerbstätig ist. aus welchen Gründen auch immer. Natürlich kann auch das genaue Gegenteil der Fall sein, beide Elternteile sind den lieben langen Tag außer haus weil berufstätig und die Kinder sind sich selbst überlassen. Es gibt in vielen Städten einfach zu wenige Anlaufstellen für Jugendliche in ihrer Freizeit. Aber natürlich sind auch nicht immer die bösen Gemeinden oder die fiesen Eltern schuld.

Die Gründe für vermehrten Alkoholgenuß im Kindes- oder Jugendaltzer sind vielfältig, und leider treten sie recht häufig zu Tage. Ob häufiger als noch vor 20 oder 30 Jahren kann ich nicht sagen, aber Fakt ist, daß es nicht wenige sind. Solange sie nur blau sind und ihren "Spaß" haben, betrifft es nur sie und noch deren Eltern, doch sobald gepöbelt wird oder es Übergriffe auf "normale" Passanten gibt, wenn Unbeteiligte behelligt werden, hört der "Spaß" auf, finde ich.

» Thaddäus » Beiträge: 1011 » Talkpoints: 22,78 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



Hallo,

ich habe bis vor kurzem auch noch in einer Großstadt gelebt und da war es eigentlich schon ein normaler Anblick, das man Jugendliche mit Alkohol in der Hand antraf und das noch nicht mal Wochentagsbedingt. Es war eigentlich ganz egal, nur ist mir aufgefallen, das es zum Wochenende noch extremer vorkam, als in der Woche.

Aber ich denke, das es daran liegt, das es in Großstädten eher diese Randgruppen gibt und auch der Gruppenzwang einfach höher is,t als auf einem kleinen Dorf, wo ich nun wohne. HIer ist das alles etwas anders gehandhabt und Jugendliche haben gar nicht so die Chance an alkoholische Getränke zu kommen. Ich selber trinke gar keinen Alkohol und finde es auch grausam, wenn sich Jugendliche ins Koma saufen müssen. Was haben sie denn davon? Nichts, aber sie lernen es nicht und finden es wohl auch noch cool. Ich würde sowas niemals unterstützen und auch wenn mich mal ein Jugendlicher fragt, ob ich alkoholische Sachen für ihn kaufen könnte, verneine ich das definitiv.

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» Chrissiger » Beiträge: 1296 » Talkpoints: -2,34 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


Nicht nur in Großstädten. Auch hier, im gemütlichen Viertel, fängt es langsam an, Tradition zu werden, sich während der Woche die Kante zu geben. Oftmals ist es sogar normal, wenn in der Schule jemand mit der Bierdose herum rennt. Wobei ich mir nicht immer genau sicher bin, ob sie sich wegen dem Bier und des Gruppenzwangs dümmlich verhalten...

» dalticous » Beiträge: 172 » Talkpoints: 9,30 » Auszeichnung für 100 Beiträge


Glaub mir, es ist auch in Österreich fast nicht anders. Die Schüler(innen) wollen ihrer "Trinkkultur" treu bleiben und viele haben fast jedes Wochenende einen Filmriss. Ich bin zwar auch in dem Alter, jedoch könnte ich mir nicht vorstellen, unter solchen Bedingungen auch noch die Schule abschließen zu können.

Auch wenn viele meiner Mitschüler glauben, dass sie nicht alkoholabhängig sind, täuschen sie sich hier. Mit dem Vorhaben, sich "richtig zuzuschütten" ins Wochenende zu starten, kann ja eigentlich gar nicht gut gehen, finde ich. Mittlerweile sind einige dabei, die auch unter der Woche "ihren Stress abbauen" wollen. Dies wird mitunter ein Grund sein, weshalb in der dritten Klasse einer BHS immer noch ein paar Schüler dabei sind, die es nicht schaffen.

Ich möchte zwar nicht konservativ sein und nie auf Bälle oder in Diskotheken gehen, jedoch schränke ich mich stark ein und gehe nicht mehr als zwei Wochenenden hintereinander fort. Man kann nur hoffen, dass sich die Lage verbessert, indem man wenigstens nicht die betrunkenen Jugendlichen auch noch auf dem Bahnhof lässt.

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» _Stefan_ » Beiträge: 374 » Talkpoints: 0,01 » Auszeichnung für 100 Beiträge



Ich empfinde dieses Thema, seitdem es so groß diskutiert wird, als überbewertet. Natürlich ist es nicht in Ordnung, wenn Minderjährige sich zulaufen lassen. Aber um explizit deine Beobachtung beurteilen zu können, müsste man erstmal wissen, wie oft diese Jugendlichen Alkohol konsumieren. Es ist wahrscheinlich, dass es oft vorkommt, ebenso kann es aber sein, dass dies eher ein Ausnahmefall war. Die, die sich über betrunkene Kinder und Jugendliche so empören, würde ich gerne mal fragen, ob sie denn auch eingreifen, wenn sie so etwas mitbekommen.

» TheBigPink » Beiträge: 93 » Talkpoints: 39,29 »


_Stefan_ hat geschrieben:Man kann nur hoffen, dass sich die Lage verbessert, indem man wenigstens nicht die betrunkenen Jugendlichen auch noch auf dem Bahnhof lässt.


Und was passiert dann? Dann liegen sie besoffen auf der Straße oder was? Meiner Meinung nach ist es immer besser, Jugendliche ihre Eskapaden an Orten ausüben zu lassen, an denen es irgendeine Form von Betreuung gibt, weil dadurch erstens die Hemmschwelle steigt und zweitens im Ernstfall eben noch jemand bemerken kann, dass jetzt Hilfe benötigt wird.

Natürlich ist ein Bahnhof nicht der optimale Ort, aber lieber auf einem öffentlichen Bahnsteig als in einer dunklen Häuserecke, wo's keiner mitbekommt. Sicher ist es leicht, zu sagen, man möchte davon gar nichts wissen, aber man könnte sich auch mal wieder ins Gedächtnis rufen, dass es sich hier um Minderjährige handelt und dass es so etwas wie soziale Verantwortung gibt...

» channale » Beiträge: 1371 » Talkpoints: 37,37 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


Ich denke, dass man durch die ständige Präsenz dieses Themas in den Medien den Eindruck hat, dass diese ganze Entwicklung furchtbar dramatisch ist, obwohl es sich wohl mehr oder weniger um Einzelfälle handelt. Vielleicht geht die Hemmschwelle beim Alkoholtrinken die eigene "Grenze" zu überschreiten allgemein unter den Jugendlichen zurück, dafür war der Konsum von "Marihuana" früher viel höher.

Fernsehen und mediale Berichterstattung muss sich eben dem, durch den demographischen Wandel in Deutschland, immer älter- werdenden Publikum anpassen. Deshalb werden die typischen "Die Jugend von heute..."- Themen immer wieder neu aufgekocht. "Das hätte es bei uns nicht gegeben." Viele alte Menschen sind verbitterte Zyniker, denen es Spaß macht über die Jugend zu schimpfen.

Durch die vermehrte mediale Aufmerksamkeit und das polemisieren der Medien bei diesem Thema ("Komasaufen", "Kampftrinken") erwecken den Eindruck, dass es hier um ein generelles Problem unserer Gesellschaft geht. Möglicherweise ist es das auch, aber eine derartige Panikmache halte ich für absolut unangebracht. Ähnliches kann man übrigens auch bei der immer wieder entfachten Diskussion über "Killerspiele" und die "Berichterstattung" darüber in den Medien beobachten.

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» daaldi91 » Beiträge: 389 » Talkpoints: 0,21 » Auszeichnung für 100 Beiträge


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