Deutschland Geh-behindertengerecht

vom 20.10.2011, 08:45 Uhr

Oft sieht man in der Stadt, wie es sich mehrere Rollstuhlfahrer beim Aufsteigen bzw. Überwinden der Treppen schwer tun. Ich persönlich stelle mir dann oft die Frage: "Ist Deutschland Geh-behindertengerecht?". Ich wohne nähe Hannover in Niedersachsen und schon beim Anblick der Hauptstraße durch die Stadt die vollkommen mit Pflastersteinen bedeckt ist komme ich manchmal ins Grübeln. Wie ist es bei euch, wo ihr wohnt und findet ihr es in Deutschland bzw. dort wo ihr wohnt gerecht gegenüber Gehbehinderten?

Neulich kann man im Fernseher beobachten wie Werbung einer neuen Rollstuhlfahrer-Map (engl. für Karte) gemacht wird. Ich finde das eine super Idee! Sie ist seit neuerdings glaube ich auch als Applikation für das Android System verfügbar. Auf dieser Karte sollen Punkte eingezeichnet sein, die Geh-behindertengerecht bzw. ungerecht sind.

» eierkuchen123 » Beiträge: 7 » Talkpoints: 3,23 »



In unserem Städtchen gibt es eher wenig Treppen und in dem Dorf, in dem ich lebe (Teilgemeinde der Stadt) außer an der Turnhalle gar keine, diese lassen sich allerdings mit einem kleinen Umweg umfahren. Das größere Problem sehe ich eher innerhalb von Gebäuden, die nicht alle behindertengerecht gestaltet sind. In der Stadt gibt es ein paar Stufen zum Marienplatz hinauf, einem großen Platz mitten im Ort. Diese sind relativ niedrig, also für Gehbehinderte überwindbar, für Rollstuhlfahrer eher nicht, zumindest nicht ohne Hilfe. Da bei uns die Landschaft aber nicht platt ist und vieles an Hängen gebaut ist, sind Treppen manchmal einfach zu zu vermeiden. Auf den Marienplatz kommt man ebenfalls außen herum ohne Treppen, aber das ist ein eher größerer Umweg über eine relativ steile Nebenstraße. Nicht so schön, aber eben auch nicht anders zu machen. Im Großen und Ganzen ist unsere Stadt für Gehbehinderte aber zu handhaben.

» kerry3 » Beiträge: 892 » Talkpoints: 18,22 » Auszeichnung für 500 Beiträge


Schon ein hoher Bürgersteig oder auch eine einzige Stufe sind für Menschen in Rollstühlen ein Problem. Es gibt meiner Meinung nach keine einzige Stadt, die wirklich Behindertengerecht ist. Natürlich wird bei Neuanlagen von Straßen und Ampeln darauf geachtet, dass man auch mit Rollstuhl die andere Seite erreichen kann, aber bei alten Straßen ist dem nicht so. Auch viele Geschäfte sind ganz und gar nicht behindertengerecht. So muss man fast immer eine Stufe hochsteigen, um in ein Geschäft zu gelangen. Jemand mit Rollstuhl hat da schon Probleme und ist vielleicht sogar auf fremde Hilfe angewiesen.

Allerdings stellt sich auch die Frage, wie man es anders machen will. Würde man völlig behindertengerechte Städte anstreben, würde das enorme Kosten verursachen und nicht in jeder Stadt leben gleich viele Gehbehinderte Menschen. Ich denke also, dass das nicht möglich ist und auch nicht sinnvoll. Aber ich finde, wenn man irgendwo eine Straße neu macht oder ganz neu anlegt, sollte man auch an Gehbehinderte und Rollstuhlfahrer denken.

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» Vampirin » Beiträge: 5979 » Talkpoints: 30,32 » Auszeichnung für 5000 Beiträge



Ich denke nicht, dass es bei uns hier im Ort und auch in den Nachbarorten und Nachbardörfern ernsthafte Probleme für Rollstuhlfahrer und Menschen mit anderen Gehbehinderungen , die nicht im Rollstuhl sitzen, gibt. Zwar ist der Bordstein entlang der Gehwege schon erhöht, wie es ja auch ganz normal der Fall ist, aber er ist an jeder Hofauffahrt und auch jeder Straße abgesenkt, von daher sollte das ja eigentlich kein Problem darstellen. Und ansonsten haben wir hier auch eigentlich keine Treppen oder Stufen im Ort, am Dorfplatz ist der Gehweg sogar gar nicht erhöht.

Bei uns am Haus muss man eine Stufe überwinden, um in den Hausflur und somit zu den Wohnungen zu gelangen. Da wir auch schon ältere Mieter in unserem Haus wohnen hatten wurde an einer Seite extra eine Rollstuhlrampe errichtet. Die wurde gepflastert und reicht direkt an die eigentliche Stufe ran, sodass sie bündig abschließt. Unser Mietshaus ist also zumindest in untersten Ebene Rollstuhlgerecht.

Ein Problem sehe ich nur in den alten Gullideckeln mit den ziemlich großen Löchern oder auch in den kleinen, die einfach nur aus einem Gitter mit Schlitzen bestehen. Als ich einmal auf Krücken laufen musste und dann doch einen Spaziergang durch den Ort gemacht habe bin ich andauernd mit meinen Krücken in irgendeinem Gullideckel fest hängen geblieben, sodass ich auch nur ein einziges Mal einen solchen Ausflug auf Krücken gemacht habe. Aber dagegen wird wohl kaum etwas gemacht werden und wenn man das Problem kennt, dann kann man ja auch ein wenig darauf achten und passt an den Stellen mit den Gullideckeln einfach etwas besser auf als ich, damit man nicht auch stecken bleibt.

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» olisykes91 » Beiträge: 5370 » Talkpoints: 24,75 » Auszeichnung für 5000 Beiträge



Ich würde die Frage definitiv mit nein beantworten. Zwar wird sich viel Mühe gegeben, aber die Frage ist ob man Gehbehinderten im "normalen" Leben überhaupt gerecht werden kann (Entschuldigt bitte die Ausdrucksweise).

Ich glaube jedes große öffentliche Gebäude in Deutschland muss eine behinderten Toilette und einen Rollstuhlfahrerzugang besitzen, so zB. an unser Schule. Zwar sind beide Eingänge vorhanden, aber wie will ein Rollstuhlfahrer in das Obergeschoss kommen zum Unterricht? - unmöglich - !

Ich denke Deutschland ist noch nicht behindertengerecht genug gestaltet, gerade auch weil viele Systeme keinen Sinn machen. Letztens erst habe ich an einer Treppe das Schild gesehen: "Behindertentoilette hier lang". Also natürlich das Symbol. :D

» LuchaLibre17 » Beiträge: 14 » Talkpoints: 8,98 »


Berhindertengerechtheit ist definitiv wichtig. Denn sie verdienen es, wie alle anderen Menschen auch, so einfach es geht durch das alltägliche Leben zu kommen. Aber ist das in der Realität denn auch möglich? Ich wage zu zu bezweifeln, dass es überhaupt irgendeine Stadt in Deutschland gibt, die wirklich behindertengerecht ist.

In unserer kleinen Stadt existieren quasi in jedem öffentlichem Gebäude Fahrstühle und Toiletten für Gehbehinderte Menschen. Das ist auf jeden Fall wichtig. Aber sonst? Ich sehe wenige "Rampen", welche für Rollstuhlfahrer von Vorteil sind. Und in einigen Gebäuden sind noch gar keine Fahrstühle installiert oder der Eingang hat nur eine Treppe.

Eine komplett behindertengerechte Umgestaltung einer Stadt würde enorme Kosten verursachen. Und diese können in anderen Gebieten besser eingesetzt werden. Denn abgesenkte Bordsteine gibt es vor jedem Haus. Das ist nicht so gut wie eine "Rampe", aber überwindbar. Dementsprechend wird wie ich glaube nur so wenig wie möglich in eine behindertengerechte Umgestaltung gesteckt.

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» h4wX » Beiträge: 1875 » Talkpoints: 1,24 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


Ich denke, dass man diese Frage auf Deutschland bezogen mit Sicherheit nicht pauschal beantworten kann. Jede Stadt und jede Gemeinde ist eigentlich dazu verplfichtet, dass sie die Städte behindertengerecht und auch Rollstuhlgerecht ausbaut. So müssen beispielsweise bei Treppen auf öffentlichen Plätzen auch immer in der Nähe barrierefreie Rampen sein, damit man mit dem Rollstuhl diesen Höhenunterschied überwinden kann. Dasgleiche ist auch für offentliche Gebäude wie Rathäuser, Ämter etc. vorgesehen. Hier sehe ich allerdings an einigen Stellen noch Handlungsbedarf.

So gibt es in dem privaten Gymnasium, in dem ich einmal die Woche ein paar Stunden unterrichte, zwar einen Aufzug, aber um zu diesem Aufzug zu gelangen, muss man von Außen zunächst ins Hochparterre gelangen und das geht nur über mehrere Stufen, die man mit dem Rollstuhl z.B. mal nicht eben so überwinden kann. Ähnlich sieht es aus an meiner Hochschule: es gibt eine Behindertentoilette und im Prinzip sind bis auf einen Flur auch alle Räumlichkeiten mit einem Rollstuhl zu erreichen. Das Rektorat, der Kanzler, das Veranstaltungsbüro und die Öffentlichkeitsarbeit liegen allerdings in einem Flur, der nicht mit dem Rollstuhl erreichbar ist, da dieser Flur eine Zwischenetage ist, die von unten und von oben nur mit Treppen erreichbar ist.

Mein Empfinden ist es, dass gerade im Osten Deutschlands in den Städten noch so Einiges besser umsetzbar und nachzurüsten ist. Es kann auch falsch sein, aber ich denke, dass einfach in der ehemaligen DDR nicht so viel Wert auf behindertengerechten Baustil gelegt wurde. Mit Sicherheit kann man weder im Osten noch im Westen verlangen, dass jedes Wohnhaus für gehbehinderte Personen zugänglich ist, das wäre auch übertrieben, aber beispielweise gibt es hier ein dreistöckiges Ärztehaus, dass schon zu DDR-Zeiten bestand, und der Fahrstuhl aber erst nach der Wende eingebaut worden ist. Das ist dann schon irgendwie merkwürdig wie ich finde.

Dann gibt es ja seit bestimmt 20 Jahren in vielen Städten Deutschlands auch im öffentlichen Personennahverkehr deutliche Verbesserungen, was die Ausstattung für Gehbehinderte angeht. Dabei denke ich nun in erster Linie an die Niederflurbusse, die eine Rampe für Rollstühle haben, oder auch die doppelstöckigen Regionalzugwaggons der Deutschen Bahn. Dennoch gibt es aber auch noch Busse und Bahnen, die in Betrieb sind, wo man als Rollstuhlfahrer nicht wirklich hereinkommt oder eben nur mit Hilfe. Auch hier sehe ich noch Handlungsbedarf von Seiten der jeweiligen Betreiber.

Insgesamt würde ich sagen, dass man sich in Deutschland schon zu einem großen Teil bemüht, viele Dinge (geh-)behindertengerecht zu machen und auszustatten. Allerdings kann man sich da auch noch so einiges Positives von beispielsweise den skandinavischen Ländern abschauen, die da deutlich weiter sind als wir. Langer Rede, kurzer Sinn: wirklich beurteilen wie (geh-)behindertenfreundlich Deutschland ist, kann vermutlich sowieso nur jemand, der da tagtäglich mit konfrontiert wird, weil er zu dieser Gruppe gehört.

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» diezeuxis » Beiträge: 1207 » Talkpoints: 964,75 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



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