Ist die Demokratie noch zeitgemäß?

vom 15.12.2009, 11:50 Uhr

Was ich meine ist, ist es in der BRD, Frankreich, USA & Co. noch zeitgemäß von Demokratie zu sprechen oder eher von Oligarchie (Herrschaft Weniger)? Wie lassen sich sonst Personen wie Schäuble, Busch & Co. erklären?

Wann kommen wir überhaupt aus diesem Teufelskreis von Demokratie -> Diktatur > Oligarchie heraus? Gibt es denn keine Alternative? Sind wir als Menschheit noch nicht Reif für besseres? Wollen/müssen wir den stets ausgebeutet, unterdrückt und belogen werden? Oder ist es gar ein notwendiges Übel? Bin gespannt ob sich jemand dazu äußert.

» Pylos » Beiträge: 22 » Talkpoints: 0,14 »



Ich sehe das ähnlich wie du, die westliche Welt ist nicht wirklich demokratisch. Der moderne Demokratiebegriff beschäftigt sich aber in erster Linie mit der Achtung der Menschenrechte, die in der westlichen Welt zumindest (noch ?) relativ gut geschützt sind.

Ich fände direkte Demokratie durch Volksabstimmungen wie in Irland oder der Schweiz oder zumindest eine direkte Wahl des Bundeskanzlers / Bundespräsidenten (wie in den USA) auch wesentlich demokratischer als unser jetziges System wo wir alle 4 Jahre zu den Urnen schreiten und einer Partei die Stimme geben können, ohne auch nur sicher zu sein das die Partei die Politik die sie verspricht auch einhält (wie die SPD mit der Mehrwertsteuererhöhung 2005).

» TuDios » Beiträge: 1475 » Talkpoints: 4,83 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


Na zum Glück ist ja nicht jeder ein Stammtischredner wie Tudios, der immer wieder zentrale Elemente verwechselt und ausschlaggebende "Details" unter den Tisch fallen lässt.

Oder seit wann wird der US Präsident direkt gewählt? Oder was haben Volksabstimmungen mit direkter Demokratie zu tun? Die gibt es auch bei uns und anderswo wo es keine direkten Demokratien gibt. Und das Parteien nicht zu 100 % das umsetzen können was sie wollen hat etwas mit Realpolitik zu tun (ein Begriff den Du mal dringend nachschlagen solltest) und damit, dass man auch mit anderen koalieren und sich auf Kompromisse einigen muss.

Pylos hat geschrieben:Was ich meine ist, ist es in der BRD, Frankreich, USA & Co. noch zeitgemäß von Demokratie zu sprechen oder eher von Oligarchie (Herrschaft Weniger)? Wie lassen sich sonst Personen wie Schäuble, Busch & Co. erklären?

Die lassen sich damit erklären, dass sie von der Mehrheit gewählt worden sind bzw. dass die Mehrheit deren Partei gewählt hat, die vorher die Aufstellung dieses Kandidaten bekanntgegeben hat. Lesen würde vielen Wählern helfen, aber man kann halt nicht alles bzw. komplexe Sachverhalte in 10 Wörter auf ein Wahlplakat packen.

Und Oligarchie? Du weißt schon was damit gemeint ist und dass hier wesentliche Teile der Bevölkerung von der Wahl ausgeschlossen sind und nur Eliten das sagen hätten. Und meinst Du ernsthaft, dass ein Arbeitsloser der dumpf die FDP gewählt hat und ihm die Leistungen kürzen will zur sozialen oder geistigen Elite gehört? Oder zig andere Beispiele, wo man etwas gewählt hat, was den eigenen Interessen widerspricht aber halt tolle Sprüche im Wahlkampf gebracht hat? Das sollen die (elitären) Oligarchen sein?

Das absolute Gegenteil ist doch der Fall: Es wird gewählt was der Mehrheit schmeckt ist, egal wie dumm das ist oder nicht. Würden hier wirtschaftliche, geistige oder andere Eliten ernsthaft die Wahl bestimmen können würde das Ergebnis ganz anders aussehen oder was will denn die Energiewirtschaft mit den Grünen und der SPD in der Regierung? Weniger Profite machen, weil man grad eh zuviel verdient? Oder Wirtschaftsliberale / Neoliberale mit der CDU, die hier jeden marktliberalen Vorstoß blockt?

Pylos hat geschrieben:Wann kommen wir überhaupt aus diesem Teufelskreis von Demokratie -> Diktatur > Oligarchie heraus? Gibt es denn keine Alternative?

Wo? In Russland? China? Indonesien oder welches Land meinst Du? Ernsthaft und ohne Polemik wohl keinen westlichen Staat ;).

Pylos hat geschrieben:Sind wir als Menschheit noch nicht Reif für besseres? Wollen/müssen wir den stets ausgebeutet, unterdrückt und belogen werden?

Wer dumm ist lässt sich eben belügen, ausbeuten, unterdrücken - solang bis eben auch der dümmste das selbst merkt und sich für eine Veränderung entscheidet: hierzulande eben mit dem Stimmchen bei einer anderen Partei und wo das nicht geht indem er sich für irgendeine Form des Protestes entscheidet.

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» Subbotnik » Beiträge: 9308 » Talkpoints: -7,05 » Auszeichnung für 9000 Beiträge



Man darf den Demokratiebegriff nicht ausschließlich im Bezug auf die große Ebene benutzen und praktisch nur den Bund sehen. Es ist ja nicht so, dass ausschließlich nur alle vier Jahre Wahlen anstehen würden.

Regional gilt es, sein Wahlrecht - aktiv wie passiv - auch wahr zu nehmen und eben bei den Kommunalwahlen mit zu bestimmen, wer welche Art von Politik machen soll. Es geht dann natürlich weniger um Abrüstung oder Steuersenkungen, sondern vielmehr um das Fällen von Bäumen und das Nutzen von Freiflächen.

Dann gibt es ja auch die Wahlen auf Landesebene. Hier weht schon eher ein Hauch der großen Politik. Schließlich wird damit die Zusammensetzung des Bundesrates definiert. Auch können zumindest auf Länderebene Weichen gestellt werden, welche dann den Bund mit betreffen.

Zu Letzt kommt dann die Wahl auf Bundesebene. Und hier ist es eben eine Frage der Organisation und Verwaltung, wie die einzelne Stimme zu gewichten ist. Übrigens ist es ja nicht so, dass in Ländern wie den USA das System perfekt ist. Man denke da nur an die Wahlmänner (und Wahlfrauen), welche gewählt werden, die dann ihrerseits weiter wählen. Oder auch das Beispiel der Schweiz: selbstverständlich gibt es dort eher Volksabstimmungen. Das lässt sich einfach so Organisieren, wie ein Bürgerentscheid in Nordrhein-Westfalen (fast 3x so viele Einwohner wie die Schweiz) oder Bayern bzw. Baden-Württemberg (jeweils fast 1,5x so viele Einwohner wie die Schweiz).

Es ist nicht die bessere Demokratie, sondern die jeweils verwaltbare Demokratie! Und der Ansatz, dass sich alle Fragen, die eine kleine Organisationseinheit für sich beantworten kann, auch auf der Ebene beantwortet werden und erst die nächst größeren Punkte an eben die nächste Organisationseinheit weiter gegeben werden.

Volksentscheiden stehe ich persönlich übrigens auch eher skeptisch gegenüber. Auch wenn es vielleicht überheblich klingt, fürchte ich mich vor so gefällten Entscheidungen, da in der breiten Masse eher Emotionen das Wahlergebnis beeinflussen würden, als langfristige Strategien. Klar ist aber auch, dass die Strategien im Moment von den Lobbys zu einzelnen Fragen vorgegeben werden. Was auch nicht immer im Sinne der einfachen Bevölkerung ist. Aber wie weit würde eine Abstimmung zur Einführung der Totalüberwachung sich im Schatten von bestimmten Ereignissen beeinflussen lassen? Da sehe ich nämlich schon eine echte Gefahr - für die Demokratie!

» derpunkt » Beiträge: 9898 » Talkpoints: 88,55 » Auszeichnung für 9000 Beiträge



Ja es regiert wen die Mehrheit will, aber danach nicht mehr zwangsläufig wie es die Mehrheit will, sondern teilweise auch gegen den strikten Willen der Bevölkerung obwohl keine dringende Notwendigkeit dazu besteht .

Oder Beispielhaft:
Steuererhöhungen können nötig sein und niemand zahlt gerne mehr. Sie müssen in der Regel gegen den Willen des Volkes beschlossen werden (außer sie betreffen nur eine Minderheit, Beispiel: Reichensteuer).

Die Onlineüberwachung ist aber definitiv nicht gegen den Willen des Volkes nötig. Würde das Volk die Bedrohung durch den Terrorismus als so groß empfinden wie die Regierung, sodass es eine nicht zielführende, freiheitbeschränkende, Regelung begrüßen würde, dann wäre das demokratisch. Aber so wie man es immer durchsetzen will sicherlich nicht.

Im Endeffekt haben wir 598 Oligarchen (Bundestagsabgeordnete) denen wir alle vier Jahre ein Mandat für ihre Herrschaft geben und 96 Oligarchen der 2. Reihe (Bundesratsmitglieder) die wir uns alle 5 Jahre aussuchen können. Danach ist es erstmal egal was das Volk will, es gibt auf Bundesebene einfach keine echte Einflussmöglichkeit (außer sich selbst wählen zu lassen, wobei das nichts bringt, weil man dann entweder an die Weisungen der Partei gebunden ist [ansonsten wird man nicht aufgestellt] oder aufgrund der Fünf - Prozent - Klausel gar keine Chance hat).

Wer Wahlversprechen macht, sollte dabei an die Realpolitik und nicht an die Wunschvorstellungen denken. Sie könnten ja sagen: Wenn wir es in den Verhandlungen mit XXX durchkriegen, wobei wir die Priorität auf die Stufe X setzen. Und wenn die SPD die Mehrwertsteuer noch stärker erhöht als von der CDU vorgeschlagen, dann ist es einfach nur Wahlbetrug, die SPD hätte zumindest die Möglichkeit gehabt nur die zwei Prozent mitzutragen.

Gut, der US - Präsident wird nicht direkt gewählt, aber direkter als hier (so ist der Präsident nicht zwangsläufig Vertreter der regierenden Fraktion).

Volksabstimmungen sind direkte Demokratie, gesetz dem Fall natürlich, dass die Ergebnisse der Volksabstimmungen entsprechende gesetzliche Konsequenzen haben. Und unsere Volksabstimmungen auf Länderebene sind kein besonders starkes Mittel für direkte Demokratie, weil die größte legislative Macht auf der Bundesebene liegt.

derpunkt hat geschrieben:Aber wie weit würde eine Abstimmung zur Einführung der Totalüberwachung sich im Schatten von bestimmten Ereignissen beeinflussen lassen? Da sehe ich nämlich schon eine echte Gefahr - für die Demokratie!

Dank Verfassungsgericht und Bundespräsident nicht allzu stark (keine verfassungsfeindlichen Gesetze). Es kann nichts Schlimmeres kommen als das was unsere Oligarchen auch so immer wieder diskutieren (mutmaßliche Terroristen erschießen o.Ä.). Die Frage ist also, ob es wahrscheinlicher ist, dass viele Millionen Menschen ins offene Messer der Totalüberwachung rennen oder 300 (Mehrheit im Bundestag). Für mich ist klar die kleinere Zahl die Wahrscheinlichere.

» TuDios » Beiträge: 1475 » Talkpoints: 4,83 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


TuDios hat geschrieben:sondern teilweise auch gegen den strikten Willen der Bevölkerung obwohl keine dringende Notwendigkeit dazu besteht.

Das nennt man Regierungsauftrag - und wenn das Volk hier etwas blockieren will gibt es bei uns die Landtagswahlen sowie Verfassungsklagen und andere Mittel. In anderen Staaten genauso. Damit steht sogar Einzelpersonen ein Mittel zur Verfügung ganze Regierungsvorhaben zu Fall zu bringen.

TuDios hat geschrieben:Die Onlineüberwachung ist aber definitiv nicht gegen den Willen des Volkes nötig.

Na hör Dich mal um was die Mehrheit dazu sagt, denen man Onlineüberwachung noch erklären muss, weil sie gar nicht wissen was damit gemeint ist. Und denen ist so etwas egal! Nicht das ganze Volk ist im Internet präsent und auch hier ist nur ein kleiner Teil fundamental dagegen, denn das Volk sind nicht die paar Hanseln, die hier ständig meinen ihre 6000 - 7000 Stimmen bei Umfragen auf spiegelonline zu was-weiß-ich abgeben zu müssen. Übrig bleibt eine große Mehrheit mit der Meinung "Hab nichts zu verstecken" bis "Ist mir egal (weiß eh nicht was das ist)".

TuDios hat geschrieben:Im Endeffekt haben wir 598 Oligarchen (Bundestagsabgeordnete) denen wir alle vier Jahre ein Mandat für ihre Herrschaft geben und 96 Oligarchen der 2. Reihe (Bundesratsmitglieder) die wir uns alle 5 Jahre aussuchen können.

Wie gesagt: Stammtischredner mit Halbwissen! Mach Dich neben Realpolitik mal über das Wörtchen Oligarch schlau bevor Du Dich hier weiter kontinuierlich peinlich machst - ein Oligarch hat wirtschaftliche Macht, und die hat man nicht mit 2 Handwerksbetrieben, und zwar soviel, dass er damit weitestgehend die Politik in einem Land steuern kann. Im Bundestag gibt es maximal einen Oligarchen und das ist unser toller Freiherr von und zu Guttenberg - und selbst er und seine Familie haben nicht mal ansatzweise soviel Geld, Macht und wirtschaftlichen Einfluss dass sie großartig in der Politik bestimmen könnten

TuDios hat geschrieben:Danach ist es erstmal egal was das Volk will, es gibt auf Bundesebene einfach keine echte Einflussmöglichkeit (außer sich selbst wählen zu lassen, wobei das nichts bringt, weil man dann entweder an die Weisungen der Partei gebunden ist [ansonsten wird man nicht aufgestellt] oder aufgrund der Fünf - Prozent - Klausel gar keine Chance hat).

Man ist überhaupt nicht an Weisungen der Partei gebunden - man kann als Abgeordneter durchaus sein eigenes Ding durchziehen wie man in der Vergangenheit immer wieder gesehen hat. Ebenfalls hat man auf Bundesebene immernoch Möglichkeiten hier etwas zu verändern, schonmal was von den erwähnten Verfassungsklagen oder vom Petitionsausschuss gehört? Daneben gibt es genug Möglichkeiten seinem Abgeordneten vor Ort auf den Zahn zu fühlen wenn man nur will, usw. Man muss es halt nur wissen ;).

Und 5 % Klausel? Man muss über 5 % haben um als eigene Fraktion im Bundestag vertreten zu sein, man kann genauso gut in den Bundestag per Direktmandat gewählt werden und einen Sitz bekommen. Was denkst Du, wie es die PDS damals mit 2 Leuten in den Bundestag geschafft hat als sie weniger als 5 % bekam? Weil die CDU so scharf drauf war?

TuDios hat geschrieben:Wer Wahlversprechen macht, sollte dabei an die Realpolitik und nicht an die Wunschvorstellungen denken. Sie könnten ja sagen: Wenn wir es in den Verhandlungen mit XXX durchkriegen, wobei wir die Priorität auf die Stufe X setzen. Und wenn die SPD die Mehrwertsteuer noch stärker erhöht als von der CDU vorgeschlagen, dann ist es einfach nur Wahlbetrug, die SPD hätte zumindest die Möglichkeit gehabt nur die zwei Prozent mitzutragen.

:wall: - Und wenn das Leben ein Wunschkonzert wäre würde ich auf einer einsamen Insel leben mit 100 nymphomanischen Playmates. Und es wird ständig gesagt, dass dies und jenes versucht wird durchzubekommen und dass das was Wahlziel ist: Wenn der Wähler hier ständig meint ihm würde etwas versprochen werden ist er selbst Schuld, denn an fast jeder Aussage hängt immer eine "wenn / kann" Formulierung dran, denn auch Politiker können nicht in die Zukunft sehen.

Und dann hätte die SPD eben eine andere Massensteuer erhöht um die 1 % weniger auszugleichen. Wo ist der Unterschied? Wenn der Staat klamm ist muss das Geld nun einmal irgendwo herkommen, ob er nun 1 % mehr bei der Mehrwertsteuer oder 2 % mehr bei der Lohnsteuer verlangt ändert für viele nichts - mit dem kleinen Unterschied, dass man sich bei einer Konsumsteuer wenigstens noch aussuchen kann ob man diese zahlen will oder nicht.

TuDios hat geschrieben:Gut, der US - Präsident wird nicht direkt gewählt, aber direkter als hier (so ist der Präsident nicht zwangsläufig Vertreter der regierenden Fraktion).

Mal abgesehen davon, dass unser Präsident andere Kompetenzen hat und der Kanzler der eigentliche Machtfaktor ist, ist es genau das gleiche wie in den USA, nicht direkte oder weniger direkt - durch die Verhältniswahl statt Mehrweitswahl hat man hier sogar noch eine Gegenstimme, heißt: die eigene Wahlmeinung wird wenigstens noch in der Opposition (mangels Mehrheit) zugelassen, in den USA wird man der "Gewinnerseite" zugeschlagen!

Volksabstimmungen sind direkte Demokratie, gesetz dem Fall natürlich, dass die Ergebnisse der Volksabstimmungen entsprechende gesetzliche Konsequenzen haben.

Nein, Volksabstimmungen sind wie der Name schon sagt Volksabstimmungen, ganz egal ob diese weisungsgebunden sind oder nicht - so etwas gibt es auch in China! Und gibt es da etwa direkte Demokratie?

Egal, darum geht`s auch gar nicht und es nervt auch leidlich, hier immer das vermitteln zu müssen, was man eigentlich in der Schule schon gelernt hat.

Hier sehe ich es wie derpunkt und es ist ja auch immer wieder das gleiche: Direkte Demokratien sind nur in Kleinstaaten und Zwergstaaten umsetzbar wo sie im Grunde den Charme von Kommunalwahlen haben.

(Und: zudem die breite Öffentlichkeit deutlich besser politisch gebildet ist und ihr Urteilsvermögen weiter gefasst ist.) Dass direkte Demokratien wesentlich instabiler sind, egal ob nun gegen positive oder negative Tendenzen, zeigt auch das Schweizer Minarettverbot was nicht mit Argumenten durchgedrückt wurde sondern mit reiner Panikmache und geringer Wahlbeteiligung und jetzt den Schweizern auch national Bauchweh macht. Oder abgewandelt: Da kann man noch so gut monatelang gegen oder für etwas argumentieren, ein Anschlag am Bahnhof reicht oder ein Bild mit einer Prostituierten in der Tageszeitung und die Stimmung ist gedreht.

Mit dem Wahlvolk ist`s wie im Viehwagen: knallt man hinten ein Schwein ab drängt der Rest ohne Rücksicht auf Verluste in die gleiche Richtung - und so sollen Volksentscheide besser für die Demokratie sein? Der Faktor Sympathiewahl und Panikwahl ist jetzt schon stark in der Tagespolitik, siehe Bundestagswahl und zum Glück nicht noch stärker bzw. wird durch andere Faktoren noch ausreichend kompensiert.

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» Subbotnik » Beiträge: 9308 » Talkpoints: -7,05 » Auszeichnung für 9000 Beiträge


Rein pragmatisch gesehen ist es natürlich nicht immer sinnvoll das Volk abstimmen zu lassen, doch demokratischer ist es, dem Volk trotzdem die Möglichkeit dazu zu geben, auch wenn die Entscheidung mitunter schlechter ausfallen könnte. Das Volk wird das Verantwortungsbewusstsein bei der Entscheidungsfindung in politischen Fragen mit der Zeit finden.

Erststimmenmandate sind zwar möglich, aber es ist doch sehr unwahrscheinlich das eine kleine Partei ohne Medieninteresse auch nur eine Chance hat. Schon die unabhängigen Bürgermeisterkandidaten aus der Umgebung konnten trotz massiver Werbung kaum 2 Prozent auf sich vereinen. Bei der Erststimme wird meist ganz strategisch gewählt: Lieber CDU / CSU, SPD oder (je nach Region) Linke? DIe Leute rechnen einfach damit, dass Kandidaten von anderen Parteien keine Chance auf ein Direktmandat haben und geben einer der Parteien der sie Chancen ausrechnen ihre Stimme. Dieses Wahlverhalten wird übrigens auch in der Schule "gelehrt". Bei Zweitstimmenmandaten gibt es dann die Fünf - Prozent - Hürde die es nahezu unmöglich macht als Querdenker (da man ja in keiner etablierten Partei auf einem gutem Platz aufgestellt würde) ein Mandat zu erringen.

Und schon Dagmar Metzger (sogar nur Landtag) zeigt wie ein offenes Bekenntnis gegen eine Parteiweisung zum politischem Aus führt. In den etablierten Parteien ist kein Platz für Querdenker.

Und von Frau Elisabeth Winkelmeier-Becker (unsere Abgeordnete per Direktmandat; CDU) etwas zu erwarten halte ich für unwahrscheinlich. Als ich sie nach den Beweggründen für ihre Entscheidungen fragte (auf abgeordnetenwatch) wurde meine Frage (obwohl es garantiert nicht so war!) als Beleidigung abgestempelt und gelöscht. Auch nach mehrmaligem Wiederholen mit anderen Formulierungen bis es nicht mehr politisch korrekter ging. Andere Meinungen sind offenbar unerwünscht.

Und selbst wenn sie zumindest auf darauf eingehen würde, wäre es mir doch weitaus lieber direkt und ohne darum betteln und unsäglich viel Zeit (Essays zu Vorteilen anderer Entscheidungen) zu müssen um politischen Einfluss nehmen zu können.

Doch diesen Konflikt zwischen uns werden wir nicht lösen können, denn ich denke ideologisch und du pragmatisch und da die Ideologie die ich vertrete eigentlich die Maxime des Westens ist und deine Position ideologisch schwächer - wenn auch "sicherer" (ggü. Fehlentscheidungen usw.) - ist beginnst du mir ständig Unwissenheit vorzuwerfen. Mir ist wohl klar wie die ganzen Wahlverfahren funktionieren, doch leider scheinst du mich immer falsch zu verstehen. Ich setze in Deutschland den Bundeskanzler mit dem US - Präsidenten gleich und denke, dass man diesen direkt wählen können sollte schon alleine damit der "Kanzlerbonus", den eine Partei bei der Bundestagswahl (in Form von mehr Stimmen) erhält, wegfällt.

» TuDios » Beiträge: 1475 » Talkpoints: 4,83 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



TuDios hat geschrieben:Das Volk wird das Verantwortungsbewusstsein bei der Entscheidungsfindung in politischen Fragen mit der Zeit finden.

Warum sollte es das? Das Grundproblem ist immer wieder, dass man Massen leicht mit Emotionen kontrollieren kann, siehe Fußball WM und El Schäubles Überwachungsprojekte. Ist es ekstatisch kann man locker unbemerkt Gesetze durchwinken, die dann weniger auffallen. Oder wer kann sich noch an das erinnern, was da so im Bundestag neben der Wm abgelaufen ist? Waffenkäufe für die Bundeswehr, Neuverschuldung usw.

Gleiches gilt für andere Mammutprojekte: Als die Terrorangst im Nacken saß gab es kaum Ablehnung für irgendwelche Eingriffe in die Grundrechte oder Überwachungsphantasien. Gleiches bei den Steuern: "Ja wenn es hilft die Steuern für Firmen zu senken um meinen Arbeitsplatz zu retten...".

Der glaube daran ist Wunschdenken, denn der Mensch ist hier halt nur ein Herdentier, welches in Stresssituationen nicht rational, sondern emotional handelt - und das Volk ist keine homogene, sich entwickelnde Masse. Allein schon deswegen weil die mit einem größeren Erfahrungshorizont irgendwann wegsterben und die ohne nachrücken und alles immer wieder bei 0 anfängt.

TuDios hat geschrieben:Erststimmenmandate sind zwar möglich, aber es ist doch sehr unwahrscheinlich das eine kleine Partei ohne Medieninteresse auch nur eine Chance hat.

Erststimmen werden nicht für Parteien abgegeben sondern für Kandidaten! Man muss überhaupt keiner Partei angehören und hier gab es schon einige unabhängige Kandidaten, die es zumindest bis in den Landtag geschafft haben. Wer genug Geld hat, kann sich auch in den Bundestag einkaufen mit entsprechende viel Werbung, die normalerweise die Partei finanziert. Und viel ist wohl Ansichtssache ;), wie stark man sich hochkaufen kann hat man bei der DVU in Sachsen-Anhalt gesehen, die mit dem Geld ihres Finanziers so stark werben konnten, dass da jeder Haushalt mehr Prospekte und Kram von der DVU im Briefkasten hatte als von allen anderen zusammen.

Und Erststimme = Zweitstimme? Hm, ich habe per Briefwahl und viele aus meinem Freundeskreis halt vor Ort dieses Jahr z. B. gezielt für Thomas Oppermann bzw. gegen Hartwig Fischer gestimmt obwohl ich (wir) mit der SPD nichts am Hut habe(n) um der SPD statt der CDU das Mandat zu sichern (was auch mit knappen Vorsprung so gelang, ein gutes Beispiel für: "Jede Stimme zählt!"). Wäre die Wahl dieses Jahr nicht so knapp gewesen wäre auch hier die Erststimme an einen "schwachen" Kandidaten mit wenig Aussichten auf das Direktmandat gegangen.

TuDios hat geschrieben:Und schon Dagmar Metzger (sogar nur Landtag) zeigt wie ein offenes Bekenntnis gegen eine Parteiweisung zum politischem Aus führt. In den etablierten Parteien ist kein Platz für Querdenker.

Und Nahles wurde mal eben Generalsekretärin nach dem temporären Aus in der SPD und trotz massivem Widerstand ihrerseits gegen die alte Schicht. Das Querdenker keinen Platz haben lässt sich an zahlreichen anderen Beispielen widerlegen, egal um welche im Bundestag vertretenen Parteien es geht. Wer damals in der SPD gegen Schröder opponierte und zwischendurch auf der Bank saß sitzt nun mit an der Spitze, gleiches gilt für die Grünen, CDU usw. Oder Sahra Wagenknecht in der Linken: innerhalb der Partei stellt sie die absolute Minderheit dar und wird auch seit eh und je von der Führung bejammert was man mit der bloß im Boot hat - trotzdem hält sie sich oben, selbst auf schlechten Listenplätzen. Es kommt halt auch drauf an, was man selber aus sich macht, wenn man sich gegen den Mainstream in der Partei stellt.

Wenn halt fleißig auf Abgeordnetenwatch zensiert wird (was ich mir kaum vorstellen kann, da auch schon sehr provokante Fragen von mir auch durchkamen, halt haarscharf am Kodex ausgerichtet), würde ich zu Vorort Terminen gehen die jeder Abgeordnete regelmäßig im Programm hat. Da kann man meist sehr gut Druck machen mit Fragen und Fragestellungen, solange sie entsprechend formuliert sind - Recherchearbeit macht sich hier bezahlt.

TuDios hat geschrieben:da die Ideologie die ich vertrete eigentlich die Maxime des Westens ist

Das meinst Du ja nicht ernsthaft ernst, denn westliche Demokratien, siehe an den eigenen Regierungsformen sowie an den frisch aufgebauten sind an funktionieren, also "praktisch" ausgerichteten Demokratien interessiert also nicht an "soviel Demokratie wie möglich", sondern "soviel Demokratie wie nötig"! Deswegen gibt es in den USA auch keine ernsthaften Bestrebungen die Demokratie (hier) pluralistischer und "eurpäischer" zu gestalten (da Amerikaner von pluralistischen Demokratien wenig halten aufgrund unstabiler Mehrheitsverhältnisse), ganz zu schweigen von direkter Demokratie. Deine Meinung ist reiner Idealismus mit mangelndem Bezug zur Praxis, den Du versuchst mit Polemik zu untermauern - wenn es danach geht kann auch der Kommunismus funktionieren. Da Idealismus wenig mit der Realität zu tun hat sieht man schon daran. Ideale Systeme funktionieren nur in der Theorie, wo alle Bedingungen, die in der Praxis dagegen sprechen einfach angepasst werden können, deswegen findet man davon auch keines 1:1 in der Praxis funktionierend, sondern stets daran ausgerichtete. Und direkte Demokratien funktionieren nun einmal nicht in großen Staaten genausowenig wie andere Mittel um das Volk stärker einzubinden da hier einfach der Abstand Realpolitik / Volksmeinung immer größer wird je höher man ansetzt.

TuDios hat geschrieben:Ich setze in Deutschland den Bundeskanzler mit dem US - Präsidenten gleich und denke, dass man diesen direkt wählen können sollte schon alleine damit der "Kanzlerbonus", den eine Partei bei der Bundestagswahl (in Form von mehr Stimmen) erhält, wegfällt.

Was überhaupt nichts bringt: In den USA ist die Präsidentenwahl genauso mit der Partei verknüpft wie in Deutschland - es würde kein Präsident gewählt werden der sich nicht auf eine Mehrheit im Senat / Kongress stützen könnte genausowenig wie hier nie ein Kanzler gewählt werden würde der nicht der Gewinnerpartei angehören würde. Das kann man auch sehr gut in der Geschichte sehen, denn es gab nie einen Kanzler der beliebter als seine Partei war und umgekehrt. Er wäre also so oder so gewählt worden. In den USA ist es genauso, es würde kein demokratischer Präsident gewählt werden, wenn die Republikaner im Aufwind sind - und umgedreht.

Abgesehen davon wäre das sowieso Blödsinn, denn in dem Fall dass der Kanzler nicht der Partei mit den meisten Stimmen angehören würde hätte man einen Kanzler, der aufgrund einer fehlenden Unterstützung im Parlament handlungsunfähig wäre. Das hatte man schon in der Weimarer Republik mit genau diesem Ergebnis, als der Kanzler auch kleineren Parteien entstammte - aufgrund der fehlenden Unterstützung im Parlament war dieser ab 1929 einfach handlungsunfähig bzw. hing nur noch von der Gnade des Präsidenten ab um überhaupt politisch handeln zu können. Was denkst Du wohl, warum das heute anders ist? Genau um diesen Patt Zustand nicht entstehen zu lassen.

Und was heißt hier Unwissenheit vorwerfen? Das was Du hier raushaust ist oft nur Halbwissen, wo mal eben Definitionen, Begriffe, feste Abläufe usw. von Dir entweder entgegen der Realität umgedeutet oder so zurechtgebogen werden wie man es braucht damit es in die eigene Argumentation passt oder Angriffspunkte bietet für etwas das nicht der Realität entspricht! Ich kann auch Gott und die Welt als so und so darstellen, damit das was ich sage einen Sinn ergibt - dumm wird`s nur wenn es einer merkt ;). Putin wurde auch von höherer Stelle gern als "lupenreiner Demokrat" bezeichnet - deswegen ist er dann auch einer oder was?

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