Kinder und Nationalsozialismus - wie darüber reden?

vom 10.02.2008, 02:37 Uhr

Kinder haben das Talent noch bevor sie es in der Schule lernen unangenehme Fragen zu stellen – und darunter fällt nicht nur das Thema Aufklärung sondern auch das Thema Hitler, Holocaust, Krieg und Nazis dank der medialen frühen Konfrontation. Doch wie soll man einem kleinen Kindern über so etwas reden, so dass sie es einerseits verstehen können, man ihnen nichts falsches erzählt oder man sie mit Bildern konfrontiert die noch nicht für sie geeignet sind? Sollte man das Kind bestrafen wenn es angeregt durch Filme oder Gespräche Nazi spielt?

Grundsätzlich sollte man darauf achten:
- auf die Fragen der Kinder einzugehen und sich daran orientieren, Vollständigkeit ist dabei eher zweitrangig. Man sollte jedoch nicht von sich aus dieses Thema anschneiden, sondern auf die Fragen der Kinder warten.
- das Thema nicht zu verdrängen, denn laut verschiedenen Untersuchungen haben auch kleine Kinder oft schon eine Vorstellung von dieser Zeit, meist durch Medien oder durch Gespräche von Erwachsenen die sie mitgehört haben. Durch ein Verdrängen leben die Kinder mit einer Art Halbwissen weiter, in welches sie sich sowohl negativ als auch positiv hineinsteigern könnten – die größte Gefahr ist, dass sich das aufgeschnappte Halbwissen verfestigt

Jedoch wie soll man das ganze in einfachen und kindgerechten Worten formulieren - denn für eine konkrete Schilderung ist es meist zu früh – und wie Kindern „Nazis erklären“?

Als populäre Ansätze von Pädagogen gelten, dass man den Kindern nahe bringen soll, das Nazis ein Symbol für Ausgrenzung, Verfolgung und Unterdrückung waren. Das ist zwar sehr simplifizierend, aber Kinder können das am ehesten im eigenen Umfeld „nachempfinden“ da Kinder noch einen stark ausgeprägten Sinn für Gerechtigkeit haben und oft selbst die Erfahrung gemacht haben von anderen Kindern ausgegrenzt oder unterdrückt worden zu sein. Daher finden Kinder Nazis schnell gemein wenn sie sie an eigenen Erfahrungen messen.

Hilfreich ist es laut Fritz Bauer Institut in Frankfurt/Main, ein Studienzentrum zur Geschichte des Holocaust, wenn man auf die Biographie eines Verfolgten zurückgreifen würde – jedoch eigne sich Anne Frank aufgrund ihres Todes hierfür nicht sondern eher Kinder, die diese Zeit überlebten wie Inge Auerbacher. Ausgehen davon kann man immernoch darauf hinweisen, dass viele es nicht geschafft haben.

Was auf keinen Fall für Kinder geeignet ist sind Bilder von Konzentrationslagern, Häftlingen oder Leichenbergen, man sollte ebenfalls davon Abstand Parallelen zwischen dem Zweiten Weltkrieg und aktuellen Ereignissen zu ziehen sondern Kindern deutlich machen, dass das ganze sehr weit zurückliegt. Es sollte betont werden, dass Deutschland sowohl vor der NS Zeit und danach ein anderes Deutschland war als während dieser Zeit um den Abstand zu verdeutlichen.

Was vor allem im Vordergrund steht ist, geduldig zu sein und sich in Geduld zu üben. Teilweise können die Fragen nur so hervorsprudeln, teilweise reicht den Kindern auch nur eine Antwort aus bis die nächste Frage mit zeitlichem Abstand kommt. Man sollte sein Kind nicht drängen steht dabei immer im Vordergrund, auch wenn man selbst gerade in Aufklärungslaune ist.

Welche weiteren Mittel und Wege es gibt, den Kindern einfühlsam und verständlich diesen Sachverhalt erklären zu können und was Eltern beachten sollten kann man auch direkt beim Fritz Bauer Institut unter der Nummer 069 / 79 83 22 40 anfordern.

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» Subbotnik » Beiträge: 9308 » Talkpoints: -7,05 » Auszeichnung für 9000 Beiträge



Unter der Adresse www.fritz-bauer-institut.de kann man sich auch im Internet informieren. Hier findet man auch ein Newsletter-Archiv mit Rezensionen, unter anderem auch aktuelle Kinder- und Jugendliteratur. Auch Bücher können ein Ansatz ein, um über das Thema Holocaust zu sprechen.

» JotJot » Beiträge: 14058 » Talkpoints: 8,38 » Auszeichnung für 14000 Beiträge


Meinen Kindern hat es geholfen, sich konkret vorzustellen, wie willkürlich die Nazis bestimmt haben, wer lebenswert war und wer nicht, anhand von Beispielen, die ich aus unserem Verwandten- bzw. Bekanntenkreis gab. Dies hat vor allem die sinnlose Willkür gezeigt, mit der dort über Leben bestimmt wurde. Außerdem zeigte es meinen Kindern, welch Einschnitte das mit sich gebracht haben muss im Bekanntenkreis und wie blind man sein musste (gewollt), um die Lücken nicht zu sehen.

Ab 6 Jahren empfehle ich durchaus auch ehrlich, aber nicht traumatisierend über KZs zu sprechen und darüber, was für ein Unsinn die Züchtung eines "perfekten arischen Menschen" ist. Auch die Einschränkungen und die schwindende Meinungsfreiheit kann man gut an Beispielen belegen, und vor allem auch daran, dass Kinder eben nicht alles erzählen durften, aber durchaus als Spitzel missbraucht wurden. Gewlt und Einschüchterung liegen meist auch im Rahmen des Vermittelbaren.

Meine Kinder kennen allerdings viele auch unangenehme Wahrheiten, denn ich scheue niemals vor der Beantwortung einer auch noch so für mich unbequemen oder unangenehmen Frage zurück. Das ist m.E. die Grundvoraussetzung für solch ein Thema, die Kinder müssen schon komplexere Themen und Antworten händeln können.

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» Karen 1 » Beiträge: 1344 » Talkpoints: 0,40 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



Dazu kann ich mal von einem Gesprächsverlauf bei uns zu Hause erzählen, der auch über dieses Thema ging.

Meine Jungs kamen im Alter von 7,5 Jahren mit den ersten Fragen an. Hintergrund war, dass ein Mitschüler einen anderen als Dreckstürken beschimpft hat, den man vergasen sollte. Die Jungs wollten nun natürlich wissen, was vergasen überhaupt ist und warum der Mitschüler so etwas sagt. Der andere Junge hat nämlich angefangen zu weinen.

Ich habe behutsam versucht ihnen zu erklären, dass es vor langer Zeit mal einen Man namens Hitler gab, der geglaubt hat, dass andere Menschen schlechter sind als er. Da hat er sich eben bestimmte Gruppen herausgegriffen, zum Beispiel Ausländer oder behinderte Menschen und hat diese Menschen umbringen lassen - einfach nur weil er es so wollte. Und die Leute die ihm dabei geholfen haben nannte man Nazis.

Die Kinder waren ziemlich geschockt, weil sie auch mit ausländischen Mitschülern befreundet sind. Sie haben gesagt, dass sie so einen Mann doof finden und ob es solche Leute jetzt auch noch gibt. Ich habe erklärt dass es Leute gibt die heute noch das gleiche glauben wie Hitler damals, dass aber heute nicht mehr Leute einfach so umgebracht werden dürfen.

Von meinem Sohn kam der Einwand, dass aber behinderte Menschen nicht so schlau sind und dass es doch besser sein könnte wenn es nur noch schlaue Menschen auf der Welt gibt. Da habe ich dann ausholen müssen und etwas über die verschiedenen Behinderungen erzählen und dass auch ein "dummer" Mensch sehr lieb sein kann. Nun ist ihm wieder eingefallen, dass seine geliebte kleine Cousine blind ist und er nicht will, dass jemand sie umbringt. Und sein bester Freund ist schlecht in der Schule und er mag ihn trotzdem.

Kinder haben für so etwas noch feinere Antennen als Erwachsene und auch nicht so viele Vorurteile, wenn sie nicht von jemandem in die falsche Richtung gelenkt werden wie offensichtlich der Mitschüler. Übrigens spielen die Jungs nicht mehr mit ihm, weil er gesagt hat, dass man ihren anderen Freund umbringen soll. Das nehmen sie ihm heute nach einem halben Jahr immer noch übel.

» Nicky14 » Beiträge: 743 » Talkpoints: 0,09 » Auszeichnung für 500 Beiträge



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