Kündigen, wenn der Frust überwiegt?
Ich ringe seit einiger Zeit mit mir, ob ich kündigen soll, obwohl ich aktuell noch nichts Neues in Aussicht habe. Ich arbeite seit mehreren Jahren in einer großen Organisation, die auf dem Papier viele Möglichkeiten bietet, aber in der Realität läuft es anders: Ich sitze fast ausschließlich im Homeoffice, habe kaum echte Teamarbeit, und die Kolleg*innen, mit denen die Zusammenarbeit wirklich gut war, sind längst weg.
Was bleibt, ist ein Arbeitsalltag, in dem man schnell übergangen wird, in dem Lob rar ist und Kritik manchmal mehr über die Person aussagt als über die Arbeit selbst. Wenn mal etwas gut läuft, wird es einem madig gemacht oder ins Lächerliche gezogen. Engagement scheint eher hinderlich als erwünscht zu sein. Rückhalt? Fehlanzeige. Anerkennung? Kaum vorhanden. Das Gehalt? Im Vergleich zu meiner langen Ausbildung und dem, was ich an Erfahrung und Kompetenz mitbringe, schlicht nicht angemessen, kein echter Return on Investment.
Ich habe über die Jahre viel runtergeschluckt, vieles relativiert, aber in letzter Zeit spüre ich, wie mein Selbstwertgefühl leidet. Es ist nicht mehr nur Frust, es ist Resignation. Und je länger ich bleibe, desto mehr habe ich das Gefühl, mich selbst zu verraten.
Tatsächlich habe ich noch nicht einmal aktiv nach etwas Neuem gesucht, vielleicht aus Erschöpfung, vielleicht aus der Hoffnung heraus, dass sich doch noch etwas ändert. Aber ich merke: Wenn ich jetzt keinen Schlussstrich ziehe, verliere ich etwas, das mir langfristig noch viel mehr fehlt als ein sicheres Gehalt, nämlich das Gefühl, für mich selbst einzustehen.
Ich habe eine lange Kündigungsfrist, was alles nicht einfacher macht. Und klar: Wenn ich kündige, wird es finanziell erst mal eng. Aber ich frage mich gerade ernsthaft, ob es nicht besser ist, den Gürtel vorübergehend enger zu schnallen, als mich selbst immer weiter auszubremsen. Ich glaube fast, davon würde ich mich schneller wieder erholen, als von noch mehr Jahren in diesem lähmenden Zustand.
Kennt jemand diese Gedanken? Hat jemand den Schritt schon mal gewagt, ohne etwas Neues zu haben? Und wie seid ihr damit umgegangen
Das ist in der Tat eine schwierige Situation. Das Problem ist ja, dass wenn man von alleine kündigt, ohne einen neuen Job in Aussicht zu haben, erst mal auch kein Arbeitslosengeld bekommt. Ich meine, gelesen zu haben, dass man eine dreimonatige Sperre bekommt und danach erst Arbeitslosengeld. Es gibt wohl Ausnahmen, sprich, wenn man aus gesundheitlichen Gründen kündigt. Oder wenn man Mobbing am Arbeitsplatz erlebt. Aber auch das muss man sicher irgendwie beweisen, könnte ich mir vorstellen.
Frust hatte ich auch schon in einigen Jobs, weshalb ich mir dann im aktuellen Job eine neue Stelle gesucht habe. Einmal hatte ich die Situation, dass es auch schon fast in die Richtung Mobbing ging, so dass ich mich krankschreiben lassen habe und mir in der Zeit quasi eine neue Stelle gesucht habe. Und Krankengeld ist immer noch etwas mehr, als Arbeitslosengeld.
Allerdings beneide ich Dich um die Möglichkeit, im Homeoffice arbeiten zu können. Das hatte ich auch mal zwei Jahre lang und ich fand es super. Der Kontakt zu den Kollegen hat mir nicht gefehlt, man hat ja regelmäßig telefoniert. Und das Arbeiten von zu Hause hat mir ein Gefühl der Selbstbestimmung gegeben. Klar habe ich für das Unternehmen gearbeitet, in dem ich angestellt war, aber irgendwie war es für mich ein besseres Gefühl, als jeden Tag ins Büro zu müssen.
Also wenn der Frust so stark ist, dass es Dir auch den Alltag und die Lebensfreude versaut, würde ich mir im aktuellen Job eine neue Stelle suchen, denn anderenfalls würde Dir ja das Geld fehlen, wenn Du kündigst, ohne einen neuen Job zu haben. Frust kann auf Dauer krank machen, ich habe es am eigenen Leib erfahren müssen.
Die allgemein im Raum stehende Frage ist ja, wie stark abhängig ist man im Berufsleben von der jeweiligen konjunkturellen Situation. Auf der einen Seite beklagt man von staatlicher Seite ständig eine zu hohe Zahl von Beschäftigungslosen, auf der anderen Seite fehlen angeblich Fachkräfte.
So einfach jetzt für sich eine Wunschvorstellung in die Tat umzusetzen, erfordert nicht nur ein hohes Maß an taktisch klugem Vorgehen bei der Arbeitssuche, andererseits, so sehe ich das, gibt es praktisch den idealen Job, wie er auch immer im Fernsehen von den "Jobbörsen" dargestellt wird in witzigen Sketchen, schlichtweg nicht.
Zumindest kann man auch auf der Arbeitgeberseite eine Fluktuation in den Bedingungen, die vielleicht am Anfang des Arbeitsverhältnisses vollumfänglich den persönlichen Wunschvorstellungen entsprachen, im Laufe der Zeit erwarten dürfen. Sprich: Hat man sich zum Jobwechsel entschlossen, kommt plötzlich dann die Riesenenttäuschung.
Ich sehe das jetzt ganz pragmatisch. Wenn schon ein Wechsel der Arbeitsstelle, dann zumindest zu einer, bei der ich mich unter anderem auf jeden Fall finanziell besser gestellt sehe, damit die Enttäuschung, falls es dann doch nicht so "das Gelbe vom Ei" sein sollte mit der neuen Stelle, dann nicht so groß ist.
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