Warum ist die zweite Fremdsprache auf dem Gymnasium Pflicht?

vom 07.02.2021, 05:41 Uhr

Inspiriert von diesem Beitrag, in dem es um die Sprache Französisch ging, habe ich mich gefragt, warum man auf dem Gymnasium überhaupt eine zweite Fremdsprache lernen muss. Ich habe damals schon ab der Grundschule Englisch gelernt und ich denke, es ist bei den meisten so, dass die erste Fremdsprache Englisch ist. Das braucht man ja tatsächlich oftmals. Im Studium war manche Literatur Englisch und ich musste meine Promotion auf Englisch schreiben, ich finde es aber auch ganz cool, englische Songtexte zu verstehen und wenn mit Menschen aus dem Ausland begegnen, kann man sich mit ihnen oft auf Englisch verständigen.

Aber für die zweite Fremdsprache hatte ich noch nie Verwendung. In meiner Schule konnte man zwischen Französisch und Russisch wählen. Ich hatte mich für Russisch entschieden und in der ersten Stunde hat die Lehrerin gefragt, warum wir Russisch gewählt haben und nahezu jeder hat geantwortet, weil er glaubt, dass es leichter als Französisch ist. Für die Sprache selbst hat sich keiner interessiert. Dann musste man noch wählen, ob man ein sprachliches oder naturwissenschaftliches Profil haben möchte und wer das sprachliche Profil gewählt hat, musste sogar noch eine dritte Fremdsprache (Latein) lernen. Ich hab daher das naturwissenschaftliche Profil gewählt. Ich hatte zwar keine Lust auf mehr Physik- und Chemieunterricht, aber noch weniger Lust hatte ich auf eine dritte Fremdsprache.

Bis heute habe ich Russisch nie gebraucht und ich kenne persönlich auch niemanden, der (außer Englisch) mal großartig Gebrauch von einer in der Schule gelernten Fremdsprache gemacht hat. Ihr merkt vielleicht schon, dass ich es nicht gut finde, in der Schule noch eine zweite Fremdsprache zu lernen. Ich habe mich durch den Russisch-Unterricht immer nur durchgequält und war froh, das Fach dann abwählen zu können. Für mich bringt das nichts. Ich wohne ja selbst an einer Landesgrenze, aber deswegen hätte ich nicht das Bedürfnis, die Sprache des anderen Landes zu lernen.

Wer sich für ein anderes Land interessiert, kann sich die Sprache ja selbst aneignen. Das für alle Schüler einer bestimmten Schulform zur Pflicht zu machen, obwohl 95% der Schüler das nie brauchen werden, halte ich schon für eine ziemliche Zeitverschwendung. Ich finde jede andere Sprache außer Englisch nicht nötig. Man kann sich beruflich im Ausland meistens über Englisch verständigen und für das Arbeiten in einem anderen Land reicht das schulische Wissen aus der zweiten Fremdsprache doch ohnehin nicht aus.

Was denkt ihr über die zweite Fremdsprache auf dem Gymnasium? Bereut ihr es, dass ihr noch eine zweite Sprache lernen musstet? Vielleicht habe ich auch einfach zu wenig Sinn für Sprachen und bin dem gegenüber deswegen negativ eingestellt, weil es mir keine Freude gemacht hat, mich mit Sprachen zu befassen. Hattet ihr in der Schule Freude daran und warum ist das eigentlich Pflicht, neben Englisch noch eine Sprache zu lernen?

» Zitronengras » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »



Ich war auf einem neusprachlich-humanistischem Gymnasium, weil es das einzige in unserer Nähe war. Ich wäre lieber auf ein naturwissenschaftliches gegangen. Ich hatte neben Englisch auch noch Französisch, Latein und Altgriechisch, wobei Englisch die einzige Sprache war, mit der ich nicht so zurechtgekommen bin.

Ich finde es richtig, dass man auf dem Gymnasium noch eine zweite Fremdsprache lernt. Gymnasien sollen eine umfassende Bildung vermitteln, unabhängig davon, ob man das später im Berufsleben braucht oder nicht. Da wäre mir nur Englisch zu wenig. Die Sprachen vermitteln nicht nur die Sprachkenntnisse, sondern auch ein Gefühl für andere Kulturen, das man im Geschichtsunterricht nicht unbedingt mitbekommt.

Mit mehreren Fremdsprachen lernt man die Unterschiedlichkeit von Kulturen und Mentalitäten kennen, was zur Toleranz beiträgt. Auch eine Drittsprache fände ich gut, aber erst in den höheren Klassen und vielleicht eher auf freiwilliger Basis.

» blümchen » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »


Ich finde die zweite Fremdsprache unsinnig. Wie viele Berufe gibt es denn, wo man unbedingt eine zweite Fremdsprache benötigt? Meine Tochter geht jetzt in die 11. Klasse vom beruflichen Gymnasium und muss sich auch mit Französisch befassen. Russisch gibt es da auch noch, aber ich habe selbst viele Jahre diese Sprache lernen müssen und sie ist wesentlich schwerer, da es komplett andere Buchstaben sind.

Auf dem beruflichen Gymnasium sind nur die Schüler von der zweiten Fremdsprache befreit, welche bis zur 10. Klasse schon zwei Fremdsprachen an der Oberschule hatten. Und wenn ich bedenke, dass meine Tochter, wie viele ihrer Mitschüler auch, einen Berufsweg vor sich haben, der gar keine Fremdsprache erforderlich macht, zeigt es sich immer wieder, dass viel am realen Leben vorbei unterrichtet wird.

» Punktedieb » Beiträge: 17970 » Talkpoints: 16,03 » Auszeichnung für 17000 Beiträge



Ich finde es deswegen gut, weil man letztendlich auch ein bisschen den Schülern gerecht werden muss, die dort sind. Es ist nun mal nicht jeder Schüler in jedem Fach gut und während dem einen Teil vielleicht Sprachen besser liegen, liegt dem anderen Teil das Wissenschaftliche eher. Da man ja aber nicht möchte, dass die Schüler dauerhaft einseitig Dinge lernen, muss man da schon einen guten Mix schaffen, auch damit mal ein schlechtes Dach ausgeglichen werden kann in den unteren Stufen.

Es kann ja nicht schaden noch eine Sprache mehr zu kennen und in Frankreich kann man beispielsweise auch tollen Urlaub machen und es da anwenden. Man muss es ja nicht immer alles für die Arbeit bauchen und selbst wenn man das alles nicht will, dann hat man sein Gehirn beansprucht und etwas gelernt, was gut ist. Ich finde aber das Sprachangebot sollte mehr als nur Russisch und Französisch sein.

Es gibt übrigens schon Kindergärten oder Grundschulen, bei denen eine Sprache erlernt werden kann. Das ist in dem Alter super leicht zu erlernen und sicherlich auch nicht so belastend. Vielleicht ist es auch eine Frage den richtigen Zeitpunkt zu treffen.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge



Punktedieb, wieso wird am realen leben vorbei unterrichtet? Du sollst doch auf dem Gymnasium genau nicht auf einen bestimmten Ausbildungsweg vorbereitet werden. Stattdessen gibt es einen vertiefende Allgemeinbildung und die Fähigkeiten, sich mit komplexen Problemstellungen auseinanderzusetzen, analytisch zu denken und zu abstrahieren.

Damit sollte dann vom Antrag auf Arbeitslosengeld 2 bis zum Jurastudium die Basis für jede Aufgabenstellung da sein. Man hat zwar nicht gelernt, wie es geht, aber dafür hat man gelernt, wie man herausfindet, wie es geht, und kann es eigenständig bewältigen. Vielseitiger ausgerüstet kann man doch gar nicht ins Leben gehen.

Außerdem hat selbst die Realschule, die nun wirklich auf das Berufsleben vorbereiten soll, zwei Fremdsprachen (zumindest in NRW). Und das ist auch gut so. Ob man die Sprache später braucht, das spielt doch keine Rolle. Das Sprachgefühl wird besser, die Kenntnisse in Deutsch steigen massiv und man hat Gelernt, wie man so etwas lernt. Dazu kommen Kenntnisse über andere Kulturen und andere Haltungen. Was soll daran falsch sein? Sollen lieber kleine, unkritische Arbeitsbienen ausgebildet werden, die Scheuklappen aufhaben, wenn es nicht um den zukünftigen Beruf geht?

» cooper75 » Beiträge: 13325 » Talkpoints: 497,57 » Auszeichnung für 13000 Beiträge


cooper75 hat geschrieben:Außerdem hat selbst die Realschule, die nun wirklich auf das Berufsleben vorbereiten soll, zwei Fremdsprachen (zumindest in NRW). Und das ist auch gut so. Ob man die Sprache später braucht, das spielt doch keine Rolle. Das Sprachgefühl wird besser, die Kenntnisse in Deutsch steigen massiv und man hat Gelernt, wie man so etwas lernt. Dazu kommen Kenntnisse über andere Kulturen und andere Haltungen. Was soll daran falsch sein? Sollen lieber kleine, unkritische Arbeitsbienen ausgebildet werden, die Scheuklappen aufhaben, wenn es nicht um den zukünftigen Beruf geht?

Wenn man genau schaut, was man später mal braucht, dann könnte man vieles weglassen. Wer hat je wieder Astronomie gebraucht und Gravitationskräfte oder Entfernungen im All berechnen müssen? Wer hat je wieder höhere Mathematik mit Integralrechnung benötigt? Oder wer hat je wieder nach der Schule Gedichte interpretiert? All das hat man trotzdem.

Bei der Sprache finde ich es aber nochmal etwas anderes. Denn die zu lernen ist schon sehr viel Aufwand. Du hast recht damit, dass man etwas über die andere Kultur lernt, aber so viel auch nicht. Wir hatten beispielsweise im Russischunterricht damals typisch russische Namen und Gerichte behandelt oder die Stalinzeit und den zweiten Weltkrieg. Da war aber nichts dabei, was man nicht auch anderswo hätte erfahren können.

Und das meine Deutschkenntnisse dadurch besser geworden wären, kann ich wirklich nicht sagen. Am Ende war es für mich viele Jahre wirklich Anstrengung und Pauken für sehr wenig Nutzen. Die Entfernungsberechnungen von Planeten aus dem Astronomieunterricht brauche ich genauso wenig, aber das waren mal ein paar Unterrichtsstunden und nicht mehrere Jahre.

» Zitronengras » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »

Zuletzt geändert von Mod am 07.02.2021, 20:25, insgesamt 1-mal geändert. Zeige Beitragsversionen

@cooper75: Das ist schon lange bekannt, dass in den Schulen am realen Leben vorbei unterrichtet wird. Es gibt auch Pädagogen, die seit Jahren für den fachübergreifenden Unterricht plädieren, weil es zum Beispiel zwischen Mathematik, Chemie und Physik auch viele Berührungspunkte gibt. Ebenso gibt es viele Themen, selbst beim Abitur, die man nie wieder brauchte. Selbst bei meiner damals geplanten beruflichen Laufbahn hätte ich Vektorrechnung nie wieder gebraucht.

Meine Tochter ist vor kurzen volljährig geworden und es ging dann um die Dinge, wie Girokonto und so. Ich habe ihr das alles zu Hause erklärt, um beim Banktermin dann Zeit zu sparen. Am Ende meinte sie, dass sind Dinge, die eigentlich ins Fach Wirtschaft-Haushalt-Technik gehören sollten. Das wird nämlich bis Ende Klasse 9 an der Oberschule in Sachsen gelehrt.

Und gerade beim beruflichen Gymnasium, wo die meisten Schüler schon ihre beruflichen Pläne haben, sollte der Unterricht auch in die Richtung ausgelegt werden. Was aber nicht der Fall ist, weil viel zu wenig differenziert wird.

» Punktedieb » Beiträge: 17970 » Talkpoints: 16,03 » Auszeichnung für 17000 Beiträge



Also ich finde eine zweite Fremdsprache schon wichtig, insbesondere wenn man im grenznahen Bereich wohnt. Ich hatte sogar mehrere Fremdsprachen und ich muss gestehen, dass ich sie zwar nicht auf beruflicher Ebene benötige, aber dass ich ohne sie manchmal recht aufgeschmissen war. Ich kann leider nicht sagen, wie es auf deutschen Gymnasien ausschaut, was ich jedoch mitbekommen habe, ist dass der Stoff deutlich einfacher als der Schulstoff, den ich mitgemacht habe, ist.

Ich war im Ausland auf einem Gymnasium und ich muss gestehen, dass dies damals eine echt gute Idee war. Es wurden aber nicht nur Fremdsprachen unterrichtet, sondern auch wie man Verträge abschließt, wie man Rechnungen erstellt, natürlich auch das Schreiben der klassischen Gedichtsanalysen, oder man bekam einen Einblick in rechtliche Belange, die ich unter Anderem zu 1:1 in Deutschland übernehmen konnte.

In meinem Job brauche ich das Zeug nicht mehr, aber es hat mir den Alltag erleichtert. Und aufgrund des recht strikten Unterrichtes benötige ich bis heute recht selten einen Taschenrechner für Berechnungen und komme dank der Mehrsprachigkeit auch mit komplexen fremdsprachigen Formularen wunderbar klar ohne großartig googlen zu müssen, was ich ehrlich gesagt heutzutage als sehr vorteilhaft empfinde. Und ich würde mir wünschen, dass meine Kinder die gleichen Vorteile mitbekommen wie ich sie auch irgendwie hatte.

» Wibbeldribbel » Beiträge: 12530 » Talkpoints: 71,65 » Auszeichnung für 12000 Beiträge


blümchen hat geschrieben:Ich war auf einem neusprachlich-humanistischem Gymnasium, weil es das einzige in unserer Nähe war. Ich wäre lieber auf ein naturwissenschaftliches gegangen.

Bei mir war es umgekehrt. Ich bin auf ein naturwissenschaftliches Gymnasium gegangen, weil es das einzige in der Nähe war, aber eigentlich wäre ich lieber auf ein humanistisches oder musisches Gymnasium gegangen. Sprachen haben mich schon immer interessiert, und ich fand es schade, dass wir nur zwei Sprachen gelernt haben. In meinem Fall hatte ich Unterricht in Englisch und Französisch (Spanisch oder andere Sprachen wurden leider nicht angeboten, die einzige Alternative wäre Latein gewesen).

Klar habe ich die Sprache nicht unmittelbar brauchen können, aber das trifft ja auf viele Lerninhalte zu, sofern man sich nicht beruflich damit beschäftigt. Aber genau das ist doch auch der Sinn einer guten Schulbildung, dass man sich mit einem breiten Spektrum an Wissen beschäftigt, um später eine breite Wissensbasis zu haben. Denn genaugenommen habe ich auch den Großteil meiner Kenntnisse in Chemie, Physik, Biologie, Geografie, Literatur, Kunst etc. nicht unmittelbar im Leben gebraucht, habe aber trotzdem aus diesem Wissen immer wieder schöpfen können.

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» lascar » Beiträge: 4404 » Talkpoints: 780,84 » Auszeichnung für 4000 Beiträge


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