Warum müssen alle Kinder zum Gymnasium?

vom 22.06.2018, 18:53 Uhr

Mein Sohn kommt bald in die vierte Klasse und die Eltern seiner Klassenkameraden arbeiten gerade Ferienlernpläne aus. Die Kinder sollen also in den Ferien den kompletten Stoff wiederholen und am Besten schon etwas vorlernen, denn schließlich geht es um die Empfehlung für die weiterführende Schule.

Ich kann das ehrlich nicht verstehen. Ich habe ein Kind auf dem Gymnasium und weiß, was Kinder dort leisten müssen und wie viele Kinder sich dort extrem schwertun, nur noch lernen und trotzdem nur Vierer bekommen. Mein Sohn ist ein eher wildes Kind, dass auch gerne mal den Kaspar macht und Schule absolut nicht ernst nimmt. Er ist echt clever und hat gute Noten, aber auf dem Gymnasium ist er meiner Meinung nach total falsch. Trotzdem bin ich mir sicher, dass er Abitur machen wird, nur halt nicht auf dem Gymnasium.

Als ich erzählte, er wird zur Gesamtschule gehen, wurde ich nur groß angeschaut. Niemand konnte mich verstehen, selbst die Mütter, deren Kinder ausschließlich Dreien auf dem Zeugnis haben, wollen ihre Kinder im nächsten Halbjahr pushen, damit es doch noch mit der Empfehlung klappt. Wieso müssen heute alle Kinder auf das Gymnasium gehen und warum nimmt man lieber in Kauf, dass das eigene Kind scheitert oder nur mit extrem hohen Aufwand und viel Druck einigermaßen mitkommt?

Würdet ihr ein chaotisches, unorganisiertes, wildes Kind, welches Schule absolut nicht Ernst nimmt und so wenig Energie wie möglich in die Schule steckt, auf ein Gymnasium geben, nur weil es gute Noten hat und eine Empfehlung ( die wird er nur wegen der Noten bekommen, nicht fürs Arbeitsverhalten) bekommt?

» JadeC » Beiträge: 677 » Talkpoints: 1,71 » Auszeichnung für 500 Beiträge



JadeC hat geschrieben:Trotzdem bin ich mir sicher, dass er Abitur machen wird, nur halt nicht auf dem Gymnasium.

Warum soll er denn nicht auf das Gymnasium, wenn du eh willst dass er Abitur macht? Auf der Gesamtschule muss er den Stoff doch bis zum Abitur genauso pauken wie auf dem Gymnasium. Genauso wie er theoretisch auch auf dem Gymnasium bis zur Kursstufe eine ruhige Kugel schieben kann und sich mit Vieren durchhangelt. Das interessiert doch am Ende niemanden, wenn die Noten in der Kursphase passen.

Abgesehen davon war es zumindest in meiner Schulzeit so, dass es immer leichter war vom Gymnasium wieder abzugehen, wenn man gemerkt hat, dass es doch nichts für das Kind ist als anders herum. Bei uns hat es damals niemand wirklich auf das Gymnasium geschafft, der später kam. Die sind dann alle nach 1 Jahr wieder abgegangen, weil die Anforderungen doch zu hoch waren und sie zuviel nachholen mussten.

Das kann natürlich an einer Gesamtschule heute anders aussehen. Aber wenn ich mein Kind eh zum Abitur bringen will, dann würde ich es doch gleich auf das Gymnasium schicken. Das ist doch auch für die Kinder einfacher, als darauf zu hoffen kurz vor Toresschluss die Anforderungen für das Abitur mit einem Leistungssprung zu schaffen.

Trotzdem denke ich aber auch, dass sicherlich nicht jedes Kind auf das Gymnasium gehen muss und dort hingehört. Es gibt einfach Kinder, die packen das nicht und die soll man dann auch nicht dazu zwingen.

» Klehmchen » Beiträge: 5487 » Talkpoints: 1.012,67 » Auszeichnung für 5000 Beiträge


Ich habe einige Lehrer in der Bekanntschaft und die bekommen so etwas natürlich auch mit und berichten dann schon mal von solchen Fällen, in denen die Eltern dann im vierten Schuljahr alles daran setzen, dass das Kind bloß die Empfehlung für das Gymnasium bekommt. Da wird dann in der Freizeit der Kinder fast nur gelernt, damit das möglich ist.

Dabei muss man dann aber auch bedenken, dass es auf dem Gymnasium nicht besser wird und die Kinder dort dann selbstständig arbeiten müssen und wahrscheinlich doch auch Nachhilfe brauchen, wenn sie diese schon im vierten Schuljahr brauchten, um das Pensum zu schaffen.

Das alles finde ich nicht so wirklich sinnvoll und somit finde ich einfach nicht, dass alle Kinder zum Gymnasium müssen. Ich selber war auch auf der Realschule und das war genau die richtige Schule für mich, auch wenn ich mit meiner Empfehlung sogar zum Gymnasium hätte gehen können. Da muss man einfach schauen und als Eltern auch ehrlich danach entscheiden, was für die Kinder am besten ist.

» Barbara Ann » Beiträge: 28933 » Talkpoints: 56,80 » Auszeichnung für 28000 Beiträge



Ich verstehe ehrlich gesagt Klehmchens Argumentation nicht. Da wird ja fast so getan als ob das Gymnasium die einzige Chance wäre, das Abitur zu schaffen. Ich kenne auch genug Menschen, die das Abitur auf dem Berufskolleg gemacht haben und die sind hinterher auch studieren gegangen.

Ansonsten gibt es noch die Möglichkeit (neben Abendschule etc.) mit entsprechender Ausbildung und Berufserfahrung zum Studium zugelassen zu werden. Da gibt es mittlerweile auch genug Möglichkeiten. Also ich würde das Kind nicht auf das Gymnasium schicken und es dann unter Druck setzen. Ich sehe da eher die Gefahr, dass der Spaß am Lernen flöten geht und das ist kontraproduktiv.

Ich selbst war nach der Grundschule nicht auf dem Gymnasium und habe trotzdem anschließend das Abi nach der 10. Klasse gemacht und habe mittlerweile erfolgreich an zwei Universitäten studiert und bin damit Akademikerin. Also nur weil das Kind nicht direkt aufs Gymnasium kommt ist doch nicht direkt die ganze Zukunft des Kindes versaut. So eine Denkweise kann ich nicht nachvollziehen.

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» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge



Täubchen hat geschrieben:Ich verstehe ehrlich gesagt Klehmchens Argumentation nicht. Da wird ja fast so getan als ob das Gymnasium die einzige Chance wäre, das Abitur zu schaffen.

Das habe ich mit keinem Wort gesagt. Ich habe lediglich gesagt, dass es der einfachste Weg zum Abitur ist. Am Ende müssen doch eh alle den gleichen Stoff lernen. Die Frage ist doch nur wie man den Stoff verteilt. Also von der. 5.Klasse bis zum Ende der 10. Klasse weniger machen und dann in der Kursstufe viel mehr machen müssen, um den Anschluss zu schaffen oder ob man einfach den Stoff gleich auf die 8 Jahre Gymnasium verteilt. Ich persönlich halte mehr davon, den Stoff zu verteilen und halt jedes Jahr ein bisschen mehr zu machen als zum Beispiel auf der Realschule und dafür eben am Ende nicht so klotzen zu müssen, als anders herum.

Wenn es leichter wäre, erst in der Realschule eine ruhige Kugel zu schieben und dann mal eben das Abitur schnell hinterherzuschießen, dann würde es ja der Großteil der Abiturienten so machen. Ist es aber nun mal eben nicht. Ich halte den Weg erst Realschule und dann Abitur nachmachen, so wie bei dir, für einen Weg der nur für ausgesuchte Schüler funktioniert. Für Schüler, die eben auch von sich aus bereit sind mal mehr zu machen, wenn es sein muss. Es gibt aber eben genug gute Schüler, die sich über Jahre dem niedrigen Niveau der Realschule anpassen und dann trotz eigentlich guter Voraussetzungen es nicht mehr zum Abitur schaffen oder eben ein Abitur mit Ach und Krach.

Zumal ich auch nie behauptet habe, dass man die Zukunft eines Kindes ohne Abitur versaut. Das ist ja nun hanebüchen. Natürlich muss man grundsätzlich sagen, dass mehr Investition in die Ausbildung eines Kindes zu einer höheren Wahrscheinlichkeit beim beruflichen Erfolg führt. Da gibt es unzählige Studien, die das belegen. Das heißt aber eben im Umkehrschluss nicht, dass aus jemanden, der sich zum Abitur quält und einen schlechten Studienabschluss dann macht, ein Topmanager wird. Es gibt eben auch Menschen, die haben nun mal ihre Stärken nicht in der Theorie und die bauen mit einem Realschulabschluss ein florierendes Unternehmen auf. Man muss halt die Stärken seines Kindes kennen und diese fördern. Und wenn die eben im praktischen Bereich liegen, dann sollte man lieber diese Fertigkeiten fördern, statt ein Kind zum Abitur zu peitschen.

» Klehmchen » Beiträge: 5487 » Talkpoints: 1.012,67 » Auszeichnung für 5000 Beiträge


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