Pro und Contra Waldorfschule

vom 03.11.2007, 21:07 Uhr

Gegen den Besuch einer Waldorfschule spricht ganz klar, wenn sich die Schule selbst ausschließlich an den Lehren Steiners orientiert! Das wäre ein Grund, das eigene Kind eben nicht zu so einer Schule zu schicken. Aber das sollte sich von selbst verstehen und diese Schulen nehmen vermutlich auch keine Kinder, deren Eltern sich nicht als 100%ige Antrophosophen outen.

Dann gibt es aber Waldorfschulen, an denen wohl dieses keine Themen sind. Und hier sieht es eben ganz anders aus. Das ist tatsächlich überlegenswert, sofern man das eigene Kind als intelligent genug einschätzt, die gebotenen Möglichkeiten zu nutzen. Und sofern man bereit ist, Schulgeld zu zahlen. Denn die Schulen sind doch Privatschulen.

Anders als hier in manchen Postings angedeutet, gehören nämlich eher begabte bzw. klügere Kinder auf die Waldorfschulen, da hier das lernen nicht zum Selbstzweck verkommt! Den Kindern muss selbst einleuchten, warum sie was machen. Was eben nicht notwendig ist bzw. auch nicht gelehrt wird (wobei das auch auf staatlichen Schulen nicht gelehrt wird, sich aber ergibt) ist das "lernen auf den Punkt hin". Also bis zur Klausur den Stoff auswendig lernen (ein Verständnis dafür ist nicht notwendig!) und eine gute Note schreiben. Anschließend wird der Stoff vergessen.

Natürlich ist es schwierig, eine solche Einrichtung mit einer staatlichen Schule zu vergleichen. Die Inkompatibilität ist schlicht gegeben. Und wer seinem Kind nicht viel zutraut, sollte eben keine Waldorfschule anstreben. Denn hier kann es nach 13 Jahren passieren, dass das Kind ohne Abschluss da steht (vielleicht noch einen Waldorfabschluss, aber wo ist der für was anerkannt?). Ebenso muss man sich bewusst sein, das das Kind u.U. nach 13 Jahren (also mit ca. 19 Jahren) "nur" den Realschulabschluss hat. Allerdings in Verbindung mit vielen praktischen Erfahrungen. Aber in den Südländern (BW und BY) zeigt sich auch, dass innerhalb einer Waldorfklasse (immer mehr als 30 Schüler) die Quote der Abiturienten recht hoch ist. Und nun zu unterstellen, diese wären nicht auf der gleichen Stufe wie die normalen Gymnasiasten verstehe ich nicht, weil es ein Zentralabitur gibt und die Schüler eben doch das gleiche Wissen präsent haben müssen.

Vielleicht ist es einfach so, dass das Lernen aus Eigenmotivation (bei denen also, wo die Waldorfausbildung eben geklappt hat) die schulischen Defizite der Jahre vorher mehr als ausgleicht. Jedenfalls sehe ich die Waldorfschule schon als echte Alternative.

Das hier auch genannte Argument der fehlenden Realität halte ich übrigens für Realitätsfremd. Denn auch Kinder von Waldorfschulen haben doch wohl Kontakte außerhalb der Schule. Jedenfalls würde ich Kindern von staatlichen Schulen schon auch soviel zutrauen schenken, dass diese sich auch außerhalb der Klassengemeinschaft zurecht finden.

» derpunkt » Beiträge: 9898 » Talkpoints: 88,55 » Auszeichnung für 9000 Beiträge



@derpunkt: Diese Realitätfremdheit gibt es leider wirklich. ich war schon mehrfach bei Familien zu Hause zu Besuch, die ihre Kinder auf Waldorfschulen haben und auch zu hause nach genau dieser Philosophie leben. Das bedeutet nur Holzspielzeug für die Kinder (also kein Playmobil), keine Comics und kein Fernseher, außerdem naturnahes Essen, also Vollkornküche statt Fast Food. Das mit dem Essen und dass es keinen Fernseher gibt, finde ich jetzt gar nicht mal so schlecht, denn darauf kann man wirklich verzichten und gerade kleine Kinder brauchen den Fernseher ja nicht. Das Essen, klar, ist Gewöhnungssache, aber ohne Haribo und McDonalds kann man nunmal auch leben, besonders, wenn sie es halt sowieso nicht kennen.

Aber es gab dort halt auch keinen Computer. Und das ist nunmal ein ganz großes Manko. Außer in den Handwerksberufen und vielleicht noch Berufen wie Förster, Kindergärtnerin und ähnlichen, fallen mir keine Berufe ein, die noch ohne Computer und zumindest grundlegende Kenntnisse damit auskommen (und selbst in Handwerksbetrieben wird man die Buchführung und was sonst noch an Schriftkram anfällt, mit einem Computer machen).

Wie sollen Kinder, deren Eltern eine dermaßen starre und veraltete Lebenseinstellung haben, da von alleine lernen? Die sind zwar alle wirklich wunderbar sozial eingestellt (und ausgesprochen tolerant, es wird also nicht missioniert, wenn jemand zu Besuch ist, der nicht so lebt wie sie, das wird einfach akzeptiert), aber das ersetzt nunmal nicht entsprechende Kenntnisse in höherer Mathematik, in Sachen Computer und was ihnen sonst noch alles fehlt. Ein Arbeitgeber stellt nunmal keinen Arbeiter ein, weil der so nett ist, sondern entscheidet sich für den, der die besten Qualifikationen voweisen kann.

Sicherlich sind Waldorfschüler in Musik und Kunst weit gebildeter als Gymnasiasten. Nur ist das leider Wissen, was einem später im Berufsleben gar nichts nützt, sofern man halt nicht Musiklehrerin oder sonstetwas in der Richtung werden will. Und das ist es halt, was da einschränkt. Ein Kind, das ein Talent für Mathematik hat und gerne mit Computern arbeiten will, wird sich an einer Waldorfschule kaum wohlfühlen können.

Normale Schulen haben innerhalb weniger Jahre was Computer angeht stark aufgerüstet. Zu meiner wirklich noch nicht so sehr lange zurückliegenden Gymnasialzeit gab es in den unteren Klassen noch keinen regulären Computerunterricht, sondern nur eine Computer AG, die freiwillig war (wie Schach AG und Tischtennis AG halt, da gibt es ja immer mehrere Angebote). Inzwischen haben die Schulen den Computerunterricht ganz selbstverständlich mit drin. Die Waldorfschulen scheinen aber kaum mit der Zeit zu gehen.

» Morgaine » Beiträge: 2701 » Talkpoints: 9,09 » Auszeichnung für 2000 Beiträge


Naja, ich denke, dass die Waldorfschule ähnlich wie andere alternative Bildungszweige mit ihrer speziellen Pädagogik durchaus nicht schlecht ist. Wie hier schon geschrieben worden ist, die Kinder dürfen kreativ sein, dürfen vieles selbst entscheiden und sich somit frei entfalten. Das klingt ja alles erst einmal sehr gut, aber ich mache mir Sorgen um die Schüler von solchen Schulen, wenn sie dann ins wahre Leben treten und mit Dingen und Menschen konfrontiert werden, die sie bisher nicht kennen gelernt haben.

In unserer Gesellschaft ist Kreativität natürlich wichtig, aber hauptsächlich kommt es darauf an, sich anzupassen und möglichst wenig Ärger zu machen. Man soll hier einfach nur tun, was man zu tun hat und freie Denker, die alles ein wenig anders machen wollen, sind nicht sonderlich gern gesehen. Es gibt in den meisten Berufen klare Richtlinien und es gibt hohe Erwartungen an jeden Arbeiter. Was er darüber hinaus tut, ist seine Sache, aber er soll einfach seinen Job machen und das ist das, was der Arbeitgeber von ihm verlangt und ihm meistens vorgibt.

Das ist natürlich irgendwo schon sehr schade, weil dadurch viel an Individualität verloren geht, aber es herrschen nunmal bestimmte Qualitätstandards und nach denen muss gearbeitet werden, sonst fliegt man raus. An einer ganz normalen Schule kann man auch kreativ sein, wenn man Glück hat und die richtige Schule ausgesucht hat, aber man lernt in jedem Fall auch, wie man all diesen gesellschaftlichen Anforderungen gerecht werden kann. Man könnte es "Gleichschaltung" nennen, aber Rebellion nützt hier in diesem Fall nichts. Und ich bin mir bisher noch im Unklaren darüber, ob das ein Kind einer Waldorfschule, einer Maria Montessori Schule, einer Jena-Plan Schule, etc. wirklich auch alles so mitbekommt wie ein Schüler einer ganz normalen Schule.

Und fakt ist ja auch, dass besonders Waldorfschulen einen sehr schlechten Ruf in der Gesellschaft haben. Das erkennt man ja bereits an den vielen Witzen, die über diese Schulpädagogik gemacht werden. Auch Arbeitsgeber werden sich das 3 mal überlegen, ob sie jemanden aus der Waldorfschule oder doch lieber jemanden aus einer normalen Schule einstellen und das zum einen auf Grund der "freien Pädagogik" und zum anderen auf Grund der vielen Klischees. Ich würde mir demnach als Mutter sehr gut überlegen, ob ich mein Kind tatsächlich auf so eine Schule schicken möchte, weil man dem Kind damit auch viele Zukunftschancen nehmen kann.

» Mandragora » Beiträge: 1763 » Talkpoints: 0,49 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



@Morgaine
Dein Beispiel steht aber auch nicht für/gegen Waldorfschulen. Denn das muss dann eine der Antrophosophen-Familien gewese sein. Und da hätte ich schon bedenken. Aber nicht auf Grund der von Dir genannten Punkte, denn die sind sogar eigentlich eher Vorteilhaft.

So sehe ich im Fernsehen keine echte Bereicherung. Sofern man sich nicht von der Welt abschottet und z.B. ganz schnöde die Nachrichten aus der Zeitung erfährt. Ebenso finde ich den Verzicht auf Industrienahrung sehr nachahmenswert! Leider fehlt einem oft die Zeit (oder man nimmt sie sich nicht). Außerdem ist das Leben dann natürlich teurer. Der Verzicht auf Plastikspielzeug bzw. das Ersetzen von buntem Spielzeug ist sicher auch kein echter Verlust. Es soll wohl einfach die Fantasie der Kinder anregen. Gerader Playmobil gibt doch schon recht viel vor. Also darauf verzichten zu müssen ist jetzt auch nicht gerade schlimm. Außerdem gilt ja immer: die anderen Kinder haben schönere Spielsachen. ;)

Das mit dem Computer ist auch ein fragwürdiges Argument. Denn wenn der Computer vorhanden ist und dieser genutzt wird, um damit Counter Strike zu spielen, ist dessen Nutzen doch auch beschränkt. Außerdem - aber das weiß ich nicht sicher - gibt es bestimmt keine Waldorfschule in Deutschland mehr, die eben nicht auch über Computerräume verfügen. Nur haben die dort einen anderen Stellenwert.

Veraltet sind jedenfalls diese Punkt sicher nicht. Eher das Menschenbild. Die Einteilung in sog. Jahrsiebte, generelle Abkehr von der Schulmedizin und (viele) andere Punkte, die aber den Rahmen hier sprengen würden.

Morgaine hat geschrieben: Ein Arbeitgeber stellt nunmal keinen Arbeiter ein, weil der so nett ist, sondern entscheidet sich für den, der die besten Qualifikationen voweisen kann.

Das halte ich für ein Gerücht. Jedenfalls wird in einem größeren Unternehmen die Entscheidung max. nach "formaler" Qualifikation gefällt. Aber bei großen wie kleinen Unternehmen fällt das Urteil, wenn man der Meinung ist, dass der Bewerber ins Team passt. Weiß jetzt nicht, ob ein Waldorfschüler sich nicht besser und selbstbewusster verkaufen kann. Jedenfalls weiß ich, dass an Waldorfschulen jeder Schüler regelmäßig vor vielen Leuten sprechen/auftreten muss. An staatlichen Schulen hingegen gibt es schon Probleme, wenn einzelne vor der Klasse etwas vorzutragen haben. Das gibt es dann sogar an Unis! Hier fehlt offenbar was in der schulischen Ausbildung.

» derpunkt » Beiträge: 9898 » Talkpoints: 88,55 » Auszeichnung für 9000 Beiträge



@derpunkt: Natürlich muss ein Bewerber ins Team passen, das steht ja außer Frage. Aber kein Chef wird bei einem Bürojob jemanden einstellen, dem entscheidende Kenntnisse fehlen, weil er sie nie oder nicht in dem nötigen Umfang gelernt hat.

Es mag Zufall sein, aber die Waldorfschüler, die ich kenne (Teenager, aber auch Erwachsene, die auf einer Waldorfschule waren), haben eine miserable Rechtschreibung und nehmen das ganz locker, es gibt ja Wichtigeres. Leider hat bei denen aber Priorität, dass man mehrere Instrumente spielen kann, schön singen kann und weiß, wann man was pflanzen muss. Ich finde es zwar wirklich klasse, dass da den Kindern die Natur noch nahegebracht wird und sie lernen, wie der Weizen und der Mais usw. angebaut werden und wachsen (was auf normalen Schulen zwar durchgesprochen, aber nicht direkt gezeigt wird, da geht ja eigentlich keiner mit den Kindern aufs Feld), aber das ersetzt nunmal nicht all das, was ihnen fehlt.

Und es stimmt leider, dass die Waldorfschulen, bzw. ihre Schüler einen wirklich schlechten Ruf haben. Man unterstellt ihnen quasi schon, dass sie kein Mathe können, nicht wissen, wie man einen Computer bedient und Probleme mit der Rechtschreibung haben. Auch geht da einiges in den Esoterikbereich. Bei mir würden niemals Halbedelsteine auf der Fensterbank liegen, weil ich nicht dran glaube, dass man sich dann besser konzentrieren kann. Ich habe kein Problem damit, wenn jemand daran glaubt und ich habe auch kein Problem mit dieser anthroposophischen Lebensweise. Ich sehe aber, welche Kritik dagegen oft vorgebracht wird, welche Vorurteile herrschen. Und zumindest bei den Familien, die ich kennengelernt habe, beschränkte sich deren Weltbild wirklich auf ihr eigenes. Sie haben ihre eigene Lebensphilosophie, die dann auch genau so verfolgt wird. Dass es da auch viele positive Aspekte dran gibt, bestreite ich gar nicht, aber ich halte das in unserer Zeit für sehr arg einschränkend. Wir leben in einer schnellen Zeit, man muss flexibel sein, sich Veränderungen rasch anpassen können.

» Morgaine » Beiträge: 2701 » Talkpoints: 9,09 » Auszeichnung für 2000 Beiträge


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