Droht in Deutschland die medizinische Unterversorgung?

vom 10.10.2007, 02:13 Uhr

Nachdem bereits in Ostdeutschland eine deutliche Unterversorgung droht kann das auch dem Westen drohen, wenn vorerst nur in ländlichen Regionen, so ein Bericht der KBV (Kassenärztlichen Bundesvereinigung) und der Bundesärztekammer laut einem Bericht des Focus. Vor allem in Niedersachsen, Westfalen oder Oberfranken sei dies in kurzer Zeit möglich, da dort jetzt schon viele praktizierende Ärzte fehlen.

Doch nicht nur Allgemeinmediziner scheinen bald Mangelware zu sein, sondern auch Augenärzte, Gynäkologen, Dermatologen und Neurologen – Patienten müssten, falls sie also einen Arzt bzw. Facharzt benötigen würden auf lange Sicht längere Wege in Kauf nehmen, da dieses Problem nicht nur Praxen, sondern auch Kliniken betrifft. So können 24 % der offenen Stellen im Westen und 55 % der Stellen im Osten nicht mehr mit benötigten Medizinern besetzt werden.

Doch wie kann man jetzt schon damit rechnen, dass bald ein teilweise bundesweiter Ärztemangel droht? Ganz einfach, durch die Abwanderung und die Stilllegung von Praxen von niedergelassenen Ärzten stieg das jetzige Durchschnittsalter der praktizierenden Ärzte von 46,6 Jahre auf 51,1 Jahre an. Zudem soll die Zahl der Hausärzte von derzeit 53.000 auf knapp 50.000 absinken, da viele deutsche Ärzte ins Ausland abwandern, da sie in anderen Ländern eine bessere Bezahlung erwarten könnten und nicht unter den schwierigen Bedingungen und bürokratischen Hürden in Deutschland arbeiten wollen. Außerdem sinkt die Zahl der Absolventen im medizinischen Bereich stetig.

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» Subbotnik » Beiträge: 9308 » Talkpoints: -7,05 » Auszeichnung für 9000 Beiträge



Meine Eltern wohnen in einem recht kleinen Kuhdorf in Süddeutschland und dort geht es mit der ärztlichen Versorgung noch. Allerdings vermute ich auch, dass es daran liegt, dass die Gegend da halt noch immer verhältnismäßig gut betucht ist. Im Umkreis von 5 Kilometern finden sie zumindest 2 Allgemeinärzte, 2 Gynäkologen, 1 Augenarzt und, ich meine, noch einen Hautarzt. Das geht also wirklich. Auch das nächste Krankenhaus , zwar mit unheimlich schlechtem Ruf, aber immerhin für Notfälle geeignet, findet sich schon nach 15 Kilometern.
Aber zum Beispiel hab ich auch einige Bekannte , die in ländlicheren Regionen wohnen und die wirklich zu ihrem Hausarzt mal 20 Kilometer weit fahren müssen. Das finde ich unvorstellbar für mich. Ich stelle mir vor, ich wäre krank und bräuchte eine Krankmeldung meines Arztes, ich hätte vielleicht nicht wirklich etwas Schlimmes, könnte aber nicht arbeiten gehen, hätte ein bisschen Fieber und eine Erkältung und wollte eigentlich den Tag nutzen, um mich zu erholen. Naja, da kann ich vor allem Mal eine größere Reise machen Richtung Arzt und bei dem dann noch am besten 2 Stunden warten (ist bei uns zumindest normal!)

» Sippschaft » Beiträge: 7575 » Talkpoints: 1,14 » Auszeichnung für 7000 Beiträge


Ja aber was erwartest du bitte von den Ärzten ? Das sie sich ins unlukrative Landleben nur aus Menschenfreundlichkeit hinsetzen und mit ihrem Buget nicht hinkommen ? Es ist statistisch erwiesen, auf dem Land braucht ein Patient 30 Minuten beim Arzt drinnen, denn die Oma muss ihre Geschichte noch aufs Ohr drücken ... in der Stadt behandelt ein Arzt einen Patienten mit dem selben in 10 Minuten - da diese nicht so Plaudertaschen sind. Entsprechend kann er mehr Abrechnen am Ende des Tages und hat mehr verdient. Denn irgendwie muss die Praxismiete, die Arzthelferinnen und das ganze Material auch bezahlt werden. Dazu die Wochenenddienste, die Hausbesuche sind häufiger auf dem Lande - alles was dort an Sprit verfahren wird muss der Arzt selbst aufbringen ...

Ehrlich gesagt, das würde auch fast niemand aus anderen Berufsgruppen machen sich für das unlukrativere Entscheiden, dass mit mehr Aufwand und Arbeit verbunden ist bei schlechterem Einkommen. Deswegen kann ich das sehr gut verstehen, solang das nicht mehr gefördert ist und es den Hausärzten immer schwerer gemacht wird von seiten der Krankenkassen würd ich mich auch nicht aufs Land setzen lassen, abseits der Zivilisation.

Gerade in Schweden werden sehr gerne Deutsche Ärzte genommen, bei einem viel besseren Gehalt mit festen Arbeitszeiten und keinen Bereitschaftsstunden die nicht bezahlt werden.

Es gibt für die älteren Patienten dann immer noch die Möglichkeit, in die Stadt zu ziehen wo es noch Ärzte gibt oder einen längeren Anfahrweg in auf zu nehmen. Denn wie gesagt, auf dem Land sind meistens nicht die "schwer kranken Patienten" beim Hausarzt zu finden, sondern Omas und Opas die daheim langweile haben und mal mit dem Doktor plaudern wollen und sich den Blutdruck messen lassen ... Sippschaft, man kann im übrigen auch anrufen für eine Krankmeldung, Rezepte oder Überweisungen und einen Angehörigen anrufen - man muss sich nicht selbst hinschleppen dafür und dafür werden auch viele Ärzte Verständnis haben. Aber "nur" wegen einer Grippe oder aktuer Arbeitsunlust zu meinen der Weg ist zu weit und so beschwerlich find ich falsch. Denn würde jeder einzelen mehr in seine Krankenversicherung einzahlen, und die Kassen dies an die Humanmedizinier weitergeben und noch einiges anderes vereinfachen würden auch wieder mehr junge Medizinier Allgemeinarzt auf dem Lande werden. Dazu sind aber die wenigsten bereit, typisch Deutschland - nur motzen wenn es jemanden persönlich betrifft und ansonsten gehts einem am Arsch vorbei ...

Liebe Grüße
Sorae

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» Sorae » Beiträge: 19435 » Talkpoints: 1,29 » Auszeichnung für 19000 Beiträge



Naja eben nicht. Bei meinen Eltern auf dem Land ist es so, dass man 2 Stunden wartet im Schnitt, das Wartezimmer ist voll von Leuten ud der Arzt nimmt sich pro Patient maximal 4 Minuten Zeit. Man kommt rein, er untersucht einen schnell, schreibt einem schnell ein Rezept, und dann noch sowas ähnliches wie 'viel trinken, viel schlafen...', gibt einem die Hand und man wird wieder raus geworfen und das wars. Das ist eben NICHT so, dass ein Arzt auf dem Land für die älteren Leute viel Zeit hat oder generell immer ein offenes Ohr für seine Patienten und die dort besser und liebevoller und intensiver betreut werden. Die werden genauso schnell angefertigt wie auch in der Stadt.

» Sippschaft » Beiträge: 7575 » Talkpoints: 1,14 » Auszeichnung für 7000 Beiträge



Wenn ein Arzt kaum noch Zeit hat, da er alle Patienten betreuen muss, winkt er diese schnell durch. Gerade wenn die Situation besteht, dass er mehr Leute "abfertigen" muss als er eigentlich kann, da weit und breit kein anderer Arzt da ist und alle zu ihm kommen.

Hausbesuche muss er auch noch absolvieren, da wird es schnell eng mit der Zeit. In der Regel "verbrauchen" ältere Menschen einfach mehr Zeit, dass habe ich auch im Zivildienst beobachtet - man ist selber im Streß da man sich auch um andere Patienten kümmern muss und da fängt da auf einmal jemand große Reden an. Da lernt man schnell Gespräche abzuwürgen um seine Arbeit noch zu schaffen, auch weil es im Gesundheitswesen so ist, dass immer weniger Personal immer mehr Menschen versorgen muss.

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» Subbotnik » Beiträge: 9308 » Talkpoints: -7,05 » Auszeichnung für 9000 Beiträge


Klar, dem Arzt selbst mach ich da natürlich überhaupt keinen Vorwurf. Der ist sowieso schon den Tag von 7:30 bis 18 Uhr in der Praxis und muss danach noch Hausbesuche machen, der hat wirklich genug zu tun.
Wobei bei meinen Eltern in der Region eigentlich ausreichend Ärzte da sind und dennoch scheint es, als wären entweder wirklich die Leute zu häufig krank oder die Ärzte noch immer zu wenig. Das ist wirklich recht schwierig zu beurteilen, finde ich :/ Das ist ein ganz kleines Dorf mit nur 3000 Einwohnern und das hat im Ort selbst einen Arzt, aber die Dörfer drum herum haben jeweils auch einen eigenen Allgemeinarzt. Und 1 Arzt für 3000 Leute ist eigentlich ausreichend, oder? Trotzdem ist da Wartezimmer voll von morgens bis abends, wirklich egal zu welcher Zeit man kommt: Man wartet und wartet und wartet und länger als 3 Minuten war ich noch nie im Sprechzimmer.

» Sippschaft » Beiträge: 7575 » Talkpoints: 1,14 » Auszeichnung für 7000 Beiträge


Ich komme ursprünglich auch von einem Dorf mit nur einem Hausarzt für 6000 Leute aussenrum. Trotzdem nimmt er sich die Zeit für alle Omas die ihm das Ohr volllabern (für ihn ist das Selbstverständlich und Menschlich, dass Omas was erzählen und er zuhört), und macht draussen ohne große Umschweife währenddessen schon mal die Überweisungszettel und alles fertig. Inzwischen verzichtet er schon auf die Mittagspause und nimmt selbst dort die Patienten dran ! Öffnungszeiten sind auch von 7:00 Uhr bis um 18:30 Uhr inzwischen, und in den Stunden ist er maximal 15 Minuten weg (auf Toilette, eine Rauchen usw.) Sollten nach 18:30 Uhr noch Patienten sitzen, schickt er sie nicht weg sondern macht sie noch fertig. Dann ist es gut und gerne einmal 21 Uhr, und dann fangen die Hausbesuchen an (die sich bis Mitternacht ziehen). Keiner der Leute ist böse wenn er erst um Mitternacht kommt, die sind froh das überhaupt jemand gucken kommt ! Das geht soweit, dass er sogar schon Samstags eine Sondersprechstunde von 9:00 Uhr bis um 14:00 Uhr eingerichtet hat und immer noch nicht nachkommt. Jünger wird er auch nicht mehr, ist inzwischen 56 Jahre alt und seine beiden Kinder die ebenfalls Medizin Studiert haben praktizieren inzwischen im Ausland. Er meinte einmal, wäre er 20 Jahre jünger würde er auch ins Ausland gehen - und dass dann niemand mehr diese Landarztpraxis besetzt ist ihm auch klar. Alles was an andere Fachrichtungen überwiesen wird, geht meistens in die 20 km nahe Uniklinik. Dazu kann man noch sagen, wenn man bei ihm um 2 Uhr morgens anruft dann kommt er auch sofort und macht noch einen Hausbesuch, dies macht auch fast kein Hausarzt mehr heutzutage. Entsprechend hat er auch keine Zeit mehr für seine Familie, was vor ein paar Jahren zur Scheidung mit seiner Frau geführt hat ...

Das Thema hatte ich mit ihm auch schon, da er immer noch mein Hausarzt ist und dafür fahre ich auch gerne einmal die 60 km von Nürnberg aus hin da er fachlich einfach gut ist und für mich stellt das kein Problem dar. Auch mit starker Grippe und Rückenschmerzen geh ich dort noch hin, deswegen frag ich mich wieso manche daraus solch ein Drama machen, dass man nicht zum Arzt kommt wenn man 20 km fahren muss. Zum supermarkt fahren manche "Landeier" auch soweit, und da ist es auch kein Problem zumal man dahin öfters muss als zum Hausarzt.

Es sollen ja auch Belegpraxen in der Art wie die bereits vorhandenen Notfallpraxen (an Feiertagen) besetzt werden. Die sind dann halt nicht den ganzen Tag da, sondern nur von 9:00 bis 12:00 Uhr. Dass man dort etwas länger warten muss, sollte auch noch zu schaffen sein. Denn wie gesagt wurde, beim Hausarzt kann es auch mal etwas länger dauern und in Kliniken wartet man als normaler Patient bis zu 6 Stunden (leichte Notfälle bis zu 2 h) bis ein Arzt ein Blick drauf wirft.

Liebe Grüße
Sorae

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» Sorae » Beiträge: 19435 » Talkpoints: 1,29 » Auszeichnung für 19000 Beiträge



Naja, dann KANN es sich das finanziell offenbar erlauben. Ich bin mir sicher, mein Arzt würde sich die Zeit auch nehmen, aber er hat sie eben nicht. Ihc sehe es doch,wenn ich dort bin. Bis nach 18 Uhr sitzt das Wartezimmer voll und das, obwohl so oder so keiner länger als 5 Minuten bei ihm drin ist. Das GEHT ja gar nicht, wenn er sie pro Person noch mehr Zeit nimmt. Wie du eben schon gesagt hast: Er muss ja noch Hausbesuche machen und schlafen.

Also es geht zeitlich einfach nicht. Bei deinem offenbar schon und das mag daran liegen, dass er weniger Patienten hat und sich für die dann mehr Zeit nehmen kann.

» Sippschaft » Beiträge: 7575 » Talkpoints: 1,14 » Auszeichnung für 7000 Beiträge


Das kam falsch rüber, auch das Wartezimmer dort ist Voll. Allerdings macht er zwischen den Patienten die er mit rein nimmt, immer den Schreibkram für die die nichts weiter als einen Stempel von ihm brauchen. Bei 6000 statt der bei dir 3000 Patienten dürfte das Wartezimmer also doppelt so voll sein, denn auf dem Land leben nunmal überdurchschnittlich viele alte Leute (junge ziehen wegen dem Job meistens in die Stadt)

Ob er es sich finanziell Leisten kann, das mag sein eine Wohnung bräuchte er theoretisch nicht mehr bei der Zeit die er in der Praxis sitzt. Und würde es sich so sehr lohnen, müsste er auch nicht 18 h am Tag mit den Patienten zusammen sitzen ... deswegen halte ich diese Behauptung erst einmal für falsch. Aber er ist ein "zu guter" Arzt und Mensch und schafft es nicht die Omas immer direkt abzuwimmeln. Klar lässt er sich nicht Stundenlang die ganzen Weltkriegsgeschichten erzählen aber ein paar Minuten hat er immer ein offenens Ohr. Das ganze liegt wohl mehr am Managment, ein Arzt der alles Stur nach Reihenfolge abarbeitet braucht länger als ein Arzt der zwischendrinne schon mal die Patienten wegschickt die nicht mehr brauchen als einen Überweisungsschein oder ein Rezept um ihr Medikamnet wieder von der Apotheke abholen zu können.

Im übrigen hat er nur eine Arzthelferin die das ganze schon einmal vorbereitet, und spart auch am Personal auf diese Art und weiße. Würd es finanziell besser gehen, würd er sich sicherlich auch mehr Helferinnen leisten die ihm einiges der Arbeit abnehmen. Denn Impfungen machen meistens die Helferinnen, aber zeitgleich an der Anmeldung und in der Patientenversorung zu arbeiten da stauen sich die Patienten auch auf und bringen das Wartezimmer zum explodieren.

Macht dein Hausarzt eigentlich die Patienten in seiner Pause oder nach Feierabend noch fertig, oder schickt er sie wieder heim ?

Liebe Grüße
Sorae

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» Sorae » Beiträge: 19435 » Talkpoints: 1,29 » Auszeichnung für 19000 Beiträge


Aber mein Arzt nimmer alle Patienten dran, die dran wollen. Wenn also am Tag 90 Patienten krank sind oder einen Termin bei ihm haben wollen, dann nimmt er die alle dran. Deshalb KANN es gar nicht sein, dass er sich für die Leute mehr zeit nehmen kann. Den Schreibkram muss er nach Feierabend machen oder eben am Wochenende.

Er könnte natürlich sagen, er nimmt pro Tag nur 30 Patienten, aber wie will er denn so leben und seine Familie versorgen? Dein Arzt ist finnaziell vielleicht gar nicht angewiesen auf seine Patienten bzw. deren Anzahl.

» Sippschaft » Beiträge: 7575 » Talkpoints: 1,14 » Auszeichnung für 7000 Beiträge


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