Kaufsucht ist eine psychische Erkrankung

vom 01.05.2009, 19:15 Uhr

Wawa666: Du hast wie viele andere Menschen einen geregelten Tagesablauf egal ob du nun arbeitest oder nicht. Ein Süchtiger hat hier leider nichts mehr nicht einmal im Ansatz, wenn du verstehst was ich meine. Der Alltag muss hier ganz neu erschaffen werden, d.h. es muss hier eine möglichst genaue Planung erarbeitet werden.

Ich sagte ja es ist eine psychische Erkrankung und der Süchtige hat ein total kaputtes Leben vor sich wenn er Hilfe sucht. Auch finanzielle Sachen spielen natürlich hierbei mit eine Rolle. Aber das würde hier das Thema sprengen, dazu mache ich ggf. einen anderen Thread.

Bei der Therapie ist auch entscheidend wie lange die Sucht schon vorhanden ist. Es gibt sehr viele Patienten die schon ca. 20 Jahre diese Sucht haben. Weil diese Sucht bleibt leider auch lange unerkannt und hier ruht die eigentliche Gefahr. Es kommt immer auf den Leidensweg und das Gesamtbild bzw. die Gesamtsituation des Betroffenen an.

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» karlchen66 » Beiträge: 3563 » Talkpoints: 51,03 » Auszeichnung für 3000 Beiträge



Woher willst du wissen, ob ich einen geregelten Tagesablauf habe? Ich habe keinen. Ich schlafe, wann ich will, ich esse, wann ich will. Das kann nachts um drei sein, während ich tagsüber zwischen acht und achtzehn Uhr schlafe. Das mache ich jeden Tag anders, wie es mir grade Spaß macht. Regelmäßig ist etwas Anderes. Allein drei Tage in der Woche muss ich zur Uni, da lege ich meinen Tag eben so, dass ich irgendwie wach bin, wenn ich denn gerade zum Unterricht muss. Aber das war es dann auch schon mit der "Geregeltheit". Und dennoch habe ich keinerlei Süchte.

Wobei ich nicht abstreiten will, dass ein geregelter Tagesablauf helfen kann, eine Sucht zu therapieren. Aber das ginge auch ohne einen Job, rein theoretisch gesehen. Und klar, wenn ein Kaufsüchtiger den gesamten Tag abgelenkt wäre, dann käme er nicht zum Kaufen. Das stimmt natürlich. Aber ob das ein Job oder ein sehr aufwändiges Hobby ist, das spielt für mich wohl keine Rolle.

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» Wawa666 » Beiträge: 7277 » Talkpoints: 23,61 » Auszeichnung für 7000 Beiträge


Ja genau diese Antwort habe ich so erwartet und sie ist nicht schlimm. Du hast aber deine Uni noch, aber der Süchtige hat in der Hinsicht nichts mehr. Selbst an die Einnahme von geregelten Mahlzeiten ist manchmal kein Zugang mehr. Eine totale Leere umgibt ihm und diese füllt nur noch die Kaufsucht selbst aus. Das kann sich so keiner vorstellen aber es ist die reine Realität. Sämtliche soziale Orientierungen sind weggebrochen oder erst gar nicht vorhanden gewesen.

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» karlchen66 » Beiträge: 3563 » Talkpoints: 51,03 » Auszeichnung für 3000 Beiträge



Wie gesagt, ich nehme auch keine Mahlzeiten geregelt zu mir, sondern esse immer dann was, wenn mir einfach danach ist. Übrigens meist zu wenig für einen Tag. Gesund ist es auch nicht, das ist mir klar, aber im Moment lebe ich recht gut so. Die Uni ist übrigens das, was mich an meinem Leben am meisten nervt, da sie nur Stress bedeutet. Also ist sie auch kein aufbauender Lebensinhalt, der irgendetwas erleichtern oder verschönern würde. Und meine einzige "soziale Orientierung", dreimal pro Woche zur Uni zu spazieren, ist ja nun auch nicht so ausschlaggebend in einem gesamten Alltag. Aber das geht zu weit vom eigentlichen Thema weg.

Du plädierst also dafür, dass ein Kaufsüchtiger einen geregelten Tagesablauf benötige, damit er vom Kaufen abkommt. Und du schreibst, dazu muss er eine Arbeit finden. Aber könnte ein geregelter Tagesablauf nicht auch anders geschaffen werden? Was ist denn mit einem Hobby, beispielsweise der Mitgliedschaft in einem Sportverein? Da hat man auch feste Termine. Oder was ist mit einer stationären Therapie? In psychiatrischen Krankenhäusern ist der Tag durchgeplant bis zum Gehtnichtmehr!

Übrigens, ich weiß, dass es ein totales Leeregefühl gibt. Als Depressiver erlebt man das manchmal. Man muss eben lernen, diese Leere irgendwie zu füllen. Anders, als durch das Kaufen, bespielsweise. Dazu sollten Therapien da sein, möglichst stationäre, wie ich schrieb. Arbeiten alleine lenkt vielleicht eine Weile ab, bringt aber doch auf Dauer auch nichts, wenn im Kopf noch der Drang, zu kaufen, da ist.

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» Wawa666 » Beiträge: 7277 » Talkpoints: 23,61 » Auszeichnung für 7000 Beiträge



Der geregelte Tagesablauf sollte die Arbeit und natürlich auch die Freizeit in einen harmonischen Einklang bringen. Der Betroffene soll sich ja wieder wohlfühlen können. In der ersten Zeit der Behandlung wird dem Betroffenen einen Betreuer zur Verfügung gestellt. Das wird in der Regel sehr gern genutzt, weil hier können noch einige Fehler im Verhalten direkt korrigiert werden.

Der geregelte Tagesablauf dient nicht in erster Linie zum Abkommen vom Kaufen. Das Kaufen muss umgelernt werden, aber dazu muss man erst einmal eine geregelte Basis schaffen. Der Süchtige oder später der ehemalige Süchtige muss sein Leben ja auch wieder selbst in die Hand nehmen. Dann werden auch wieder die täglichen Einkäufe zur Selbstverständlichkeit, ohne das sie gleich ein Rückfallrisiko bieten.

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» karlchen66 » Beiträge: 3563 » Talkpoints: 51,03 » Auszeichnung für 3000 Beiträge


Mich würde echt mal interessieren was für Kriterien erfüllt werden müssen um von einer Kaufsucht im medizinischen Sinne sprechen zu können. Ich meine aber seriöse und wissenschaftlich beziehungsweise medizinische Vorgaben und nicht so ein Pseudoquatsch der einem weismacht dass, wenn man zweimal am Tag an Sex und an Bier denkt man auch Sexsüchtig und Alkoholiker ist. Mal im Ernst, ich denke die Übergänge sind fließend. Wo ist das Kaufverhalten noch normal und ab wann wird es exzessiv und wo fängt die Sucht an? Wer will so etwas feststellen, die Betroffenen werden es in den wenigsten Fällen selbst bemerken?

Wie Wawa660 schon schrieb, Kaufen ist Ersatzbefriedigung und für die extremsten Fälle auch eine Sucht. Für was auch immer lassen wir mal dahingestellt, wichtig ist für mich das Wort Ersatz. Und Sucht hat sicherlich auch etwas mit Suchen zu tun. Also wieder einen Ersatz für etwas suchen. Das medizinische Gründe dahinterstecken müssen liegt für mich eigentlich auf der Hand und darum ist es auch nur logisch dass es als Krankheit anerkannt wird. Ob es nun wirklich immer Hand in Hand mit Depressionen geht glaube ich zwar nicht, könnte mir aber vorstellen dass es zumindest begünstigend wirkt. Auf jeden Fall ist die Krankheit behandelbar, langwierig und mit ungewissem Ausgang.

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» hooker » Beiträge: 7217 » Talkpoints: 50,67 » Auszeichnung für 7000 Beiträge


Ich denke, man kann die Sucht daran festmachen, dass die Person andauernd nur noch an das Kaufen denkt und depressive Folgen zeigt, wenn sie mal eine Weile nichts kaufen kann. Es sollte Entzugserscheinungen geben, wie bei anderen Süchten auch. Ebenfalls ist es ja ein Unterschied, ob jemand nur manchmal daran denkt, sich mal etwas kaufen zu wollen, oder ob eine Person an gar nichts Anderes mehr denken kann.

Außerdem soll es für Kaufsüchtige typisch sein, dass sie nicht mehr logisch nachdenken. Sie sehen es nicht ein, dass sie nichts kaufen können, wenn sie schon schlimm überschuldet sind. Ebenso sollen sie sehr oft Dinge kaufen, sie sie eigentlich gar nicht brauchen. Also beispielsweise Autozubehör, obwohl sie nicht einmal ein Auto haben. Es geht wohl darum, dass sie einfach Geld ausgeben und dafür etwas bekommen möchten, auch, wenn das für uns wahrscheinlich absolut unlogisch aussieht.

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» Wawa666 » Beiträge: 7277 » Talkpoints: 23,61 » Auszeichnung für 7000 Beiträge



Das hier zuletzt beschriebene zeichnet keinen echten Kaufsüchtigen aus. Man muss hier erst einmal klar die finanzielle Sache und der Besitz von diversen Waren abtrennen. So unglaubwürdig wie es klingt aber diese Sachen sind leider nicht Hauptmerkmale einer Kaufsucht. Selbstverständlich existieren sie und man muss auf sie eingehen keine Frage.

Der eigentliche Kaufvorgang ist das Hauptmerkmal einer Kaufsucht. Wenn beispielsweise der Postbote die bestellte Ware ins Haus bringt oder der Anruf bei einer Bestellhotline beim Versandhandel. Hierbei ist der Süchtige glücklich, denn er denkt hier bekommt er soziale Anerkennung. Diese soziale Anerkennung hat er sonst nicht, daher sucht er einen Ausgleich. Der Kauf bedeutet ihm sozialen Aufstieg, man schaut oder bewundert ihm und das gefällt ihm. Leider klappt dieses Gedankengerüst zu Beginn immer sehr gut.

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» karlchen66 » Beiträge: 3563 » Talkpoints: 51,03 » Auszeichnung für 3000 Beiträge


Ich muss zu diesem Thema noch ein Paar ergänzende Aussagen machen. Kaufsucht wird in Deutschland oder besser gesagt von den Krankenkassen nicht direkt als eine Suchtkrankheit anerkannt. Nur die psychischen Folgeerscheinungen werden nach dem ICD 10 als Krankheit definiert.

Daher muss von uns Suchtberatern noch mehr Öffentlichkeitsarbeit geleistet werden, damit das eigentliche Kaufverhalten noch mehr Beachtung geschenkt wird. Nur wenn man in diesem Bereich effektive Hilfe anbieten kann, wird man auch dauerhafte Erfolge in der gesamten Behandlung verzeichnen können. Es gibt schon sehr viele Angebote zur Hilfe beispielsweise Schuldnerberatungen etc. aber die können natürlich das Kernproblem nicht lösen wie auch.

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» karlchen66 » Beiträge: 3563 » Talkpoints: 51,03 » Auszeichnung für 3000 Beiträge


Meine Schwester war früher kaufsüchtig. Es waren zwar keine Luxusgegenstände und sie hatte schon Mitte des Monats keinen Pfennig mehr. Sie kaufte vorwiegend in billigen Läden ein, jedoch nur Unnötiges, was sie oftmals in der gleichen Wochen wieder verschenkte.

» KnechtAlfred » Beiträge: 24 » Talkpoints: 6,76 »


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