Schämt Ihr Euch für den Job eines Elternteiles?

vom 10.04.2009, 20:57 Uhr

Bei einem meiner Bekannten habe ich heute mitbekommen, dass er sich scheinbar sehr für den derzeitigen Job seiner Mutter schämt. Eigentlich hat sie bisher im Büro gearbeitet. Mitte letzten Jahres dann war absehbar, dass es in dieser Firma wohl bald Kurzarbeit und/oder Entlassungen geben wird und die Mutter hat sich nach einer anderen Arbeitsstelle umgesehen. Einen Job hat sie auch gefunden und zwar bei einem Lebensmittelhersteller, der sehr groß ist und immer wieder saisonal Leute beschäftigt.

So recht scheint meinem Bekannten das nicht zu sein, es scheint ihm regelrecht peinlich zu sein. Aber da es sich um einen sehr großen Arbeitgeber unserer Region handelt, kann er weder leugnen, dass seine Mutter dort arbeitet noch so tun, als wüsste er nichts davon. Aber wenn mein Bekannter gefragt wird, reagiert er ausweichend und wechselt auch sehr schnell das Thema. Ich habe schon zu ihm gesagt, dass es doch prima wäre, dass seine Mutter rechtzeitig einen neuen Job gefunden hat, denn im alten Betrieb wird nur noch mit Notbesatzung gearbeitet, viele wurden entlassen, etliche arbeiten Kurzarbeit 0 Stunden. Gerade jetzt herrscht im neuen Betrieb seiner Mutter aber Hochbetrieb - gegessen wird halt immer. Übrigens wird die Mutter im alten Betrieb sofort wieder genommen, wenn die Produktion wieder anläuft.

Nun wollte ich Euch fragen: ist Euch der Beruf Eurer Eltern peinlich, schämt Ihr Euch dafür? Wenn ja warum? Gibt es überhaupt einen Beruf, bei dem Ihr Euch schämen würdet, würden Eure Eltern ihn ausüben?

Meine Eltern haben schon diverse Jobs gehabt und bisher war mir keiner davon peinlich. Ich könnte mir auch keinen Beruf vorstellen, der mir peinlich wäre, mit Mitte 30 sollte das doch eigentlich normal sein. Für meinen Bekannten aber eben nicht.

» JotJot » Beiträge: 14058 » Talkpoints: 8,38 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



Ich kann das nicht nachvollziehen. Denn die Mutter deines Bekannten, steht ja nicht gerade an der Straße, um ihren Körper zu verkaufen. Das fände ich dann schon schlimm und auch peinlich. Aber ansonsten kann ich mir auch keinen Job vorstellen, für den man sich schämen müsste.

Meine Mutter arbeitet auch in einem Supermarkt und räumt dort Waren ein. Ich muss sagen, dass ich eher stolz darauf war, dass sie arbeiten geht. Denn als wir klein waren, war sie immer zu Hause und ist erst später wieder arbeiten gegangen. Und es war toll, wenn wir dann auch sagen konnten, dass unsere Mutter arbeiten ist.

Ich finde es nicht peinlich, wenn meine Mutter putzen gehen würde oder an einem Fließband arbeitet. Hauptsache ist doch, dass das Geld stimmt und der Job etwas Spaß macht. Ich bin auch schon putzen gegangen und es war mir überhaupt nicht peinlich. Die Arbeit hat eben auch Vorteile. Ich kann nicht verstehen, was deinem Bekannten am Job ihrer Mutter, peinlich sein könnte. Aber interessieren, würde es mich doch schon. Kannst du deinen Bekannten nicht mal fragen, was ihm denn peinlich daran ist?

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» Nelchen » Beiträge: 32238 » Talkpoints: -0,25 » Auszeichnung für 32000 Beiträge


Wenn jetzt mein Vater zu mir kommt und sagen würde, er hätte die Stelle als Hausmeister an meiner Schule beansprucht, wäre es mir die ersten Tage sicher extrem peinlich. Das hat aber weniger etwas damit zu tun, dass mein Vater Hausmeister ist, als viel mehr, dass ich ihn jeden Tag in der Schule antreffe. Ich denke, dass ist verständlich. Wobei ich aber sagen würde, dass ich mich nach ein paar Tagen oder Wochen auch dran gewöhnt hätte.

Wenn ich mich jetzt so zurück erinnere, früher an meiner alten Schule war mal ein Junge, der wurde immer von anderen gehänselt, weil sein Vater bei der Müllabfuhr arbeitet. Daran merkt man aber auch, wer geistig unterversorgt wurde. Ersten kann der Junge nichts dafür das sein Vater dort arbeitet, und zweitens was ist so schlimm daran? Einer muss den Job ja machen, Damit den Nachwuchs dann zum Gespött zu machen ist wirklich das letzte.

» Runtas » Beiträge: 157 » Talkpoints: 6,67 » Auszeichnung für 100 Beiträge



Ich denke auch, dass so etwa mit der Lebenserfahrung zu tun hat. Und ich fand es als Schüler auch nicht sonderlich toll, dass meine Eltern eine Zeit lang auch dort aßen, wo wir Schüler mittags verköstigt wurden. Hätte einer der Beiden dann auch noch an der Schule gearbeitet (egal in welcher Position) wäre mir das sicherlich auch peinlich gewesen. Einfach weil einer der Alten dann immer alles mitbekommt :?

Dass das Kind eines Müllfahrers gehänselt wurde, lag aber sicher auch an den anderen Eltern. Es ist ja auch heute noch so, dass Kinder schon mal zu hören bekommen, sie landeten als Müllmann, wenn sie nicht richtig lernen würden. Dabei wäre das gar nicht mal so tragisch, immerhin sind diese Jobs mittlerweile begehrt weil krisensicher. :wink:

@Nelchen: Lebensmittelproduzent nicht Supermarkt ist der Arbeitgeber der Mutter. Die Produkte, die dort verpackt oder auch produziert werden, findest Du inzwischen in den u. a. größten Discountern Deutschlands, und das ist nur ein Teil der Produktion.

» JotJot » Beiträge: 14058 » Talkpoints: 8,38 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



Ich kann mir keinen Job vorstellen, bis eben auf Prostitution, der mir bei meinen Eltern peinlich wäre. Ok, sie sind auch dem Arbeitsleben raus und geniessen ihren Ruhestand. Aber selbst da hat mein Vater einige Quellen, wo er Papier und Pappe holen kann, was er zu Geld macht und die Enkel aufs Sparbuch kriegen. Und ich denke sowas wäre einigen peinlich. Ich bin da stolz drauf, denn immerhin hatte mein Vater letztes Jahr schon das sterben geprobt.

Ich denke dein Bekannter hat arge Probleme mit seinen Selbstbewusstsein. Hey seine Mutter hat es geschafft ohne längere Arbeitslosigkei einen neuen Job zu bekommen. Was auch in der heutigen Zeit für junge Menschen schon nicht immer Möglich ist. Und was ist daran schlimm, wenn man irgendwo am Band arbeitet? Das hab ich auch schon gemacht und offen dazu gestanden. Und mich hat deswegen auch niemand schief angeschaut.

» Punktedieb » Beiträge: 17970 » Talkpoints: 16,03 » Auszeichnung für 17000 Beiträge


Ich habe mir diese Frage bis anhin nie gestellt, kann sie aber aufgrund einer anderen Überlegung, die mir sehr wichtig ist, innerhalb von Sekunden beantworten.

Was ist das Gegenteil von sich für etwas zu schämen? Man ist stolz auf etwas. Und worauf kann man stolz sein? Nach meiner Überzeugung kann man nur stolz sein auf etwas, dass man selbst geschaffen hat. Etwas das ich Kraft meiner Selbst erschaffen habe, das ich mit meinen Händen, meinem Geist, meinen Fähigkeiten kreiert habe. Ich kann nicht stolz sein auf etwas das meine Bekannten, meine Verwandten, meine Freunde oder mein Partner gemacht hat. Das ist dann jeweils seine/ihre Tat oder Verdienst. Es ist etwas worauf sie stolz sein können.

Ergo ist etwas, dass ich nicht gemacht habe nicht in meiner Verantwortung, also kann ich mich auch nicht dafür schämen. Es ist mir nicht peinlich. Es ist mir allenfalls unangenehm, da ich soziale Nachteile in Kauf nehmen muss, da gewisse Elemente der Gesellschaft nicht meine Einstellung haben. Nun gut. Aber da kann dann mein Vater oder wer auch immer der "Auslöser" war nichts dafür, da die Verantwortung für die "Hexenjagd" bei den "Jägern" liegt.

Abgesehen davon ist es für mich moralisch nicht haltbar Personen nach ihrer Beschäftigung zu beurteilen. Ich beurteile Leute nach ihrem moralischen und ethischen Verhalten. Dies lässt sich im Besonderen gut einschätzen wenn ich darauf achte, wie die Personen mit anderen Leuten umgehen, die nicht auf derselben "sozialen Stufe" stehen. Ein Beispiel. Wie geht die Person mit der Dame an der Supermarktkasse um? Behandelt er sie als Mensch? Höflich und korrekt? Oder nimmt er sie als Teil der Kasse war, als kleines Rädchen im Getriebe? Oder noch schlimmer, benutzt er sie als Fussabtreter, als Blitzableiter für seine Minderwertigkeitskomplexe? Das ist für mich dann die unterste Stufe. Und witzigerweise deckt sich nach meiner Erfahrung diese Stufe der arroganten und sozialfetischisten Mehrbesseren mit denen der "sozial Bessergestellten" ohne moralischen Hintergrund. Als Beispiel kann hier die moderne Finanzaristokratie gelten, wobei es natürlich auch hier Ausnahmen gibt.

Wichtig ist es also nicht was man arbeitet. Man muss das was man macht mit Anstand und Würde machen. Wie alles im Leben. Behandle alle Leute mit der Würde und dem Anstand den du wünscht, dass man ihn dir entgegenbringt, dann hast du den Anstand und die Würde auch verdient, unabhängig von der Beschäftigung.

» thisnamewasfree » Beiträge: 1102 » Talkpoints: 2,63 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


Eigentlich nicht, nein. Mein Vater ist selbstständig und darauf bin ich eigentlich stolz. Allerdings ist es bei meiner Mutter so, dass sie lange als Zimmermädchen gearbeitet hat und ich mich dafür meistens schon geschämt habe. Nicht einmal deshalb, weil sie jetzt diesen Beruf ausübt, denn ich hätte ja auch als Kind einfach sagen können, dass sie in einem Hotel arbeitet und es wäre sicherlich nicht 'minderwertig' angekommen. Allerdings ist es so, dass sie nur einen Hauptschulabschluss und überhaupt keine Ausbildung hat und mittlerweile einfach gar nicht mehr arbeitet.

Dafür zumindest schäme ich mich schon, weil sie an der Situation selbst schuld ist (sie hätte auch mit Mitte 30, nachdem ihre Kinder aus dem Gröbsten raus waren, noch einiges wieder aufholen können aber sie war immer zu faul dazu) und auch nicht bemüht ist, etwas daran zu ändern. Das ist mir schon peinlich.

» Sippschaft » Beiträge: 7575 » Talkpoints: 1,14 » Auszeichnung für 7000 Beiträge



thisnamewasfree hat geschrieben:Was ist das Gegenteil von sich für etwas zu schämen? Man ist stolz auf etwas. Und worauf kann man stolz sein? Nach meiner Überzeugung kann man nur stolz sein auf etwas, dass man selbst geschaffen hat. Etwas das ich Kraft meiner Selbst erschaffen habe, das ich mit meinen Händen, meinem Geist, meinen Fähigkeiten kreiert habe. Ich kann nicht stolz sein auf etwas das meine Bekannten, meine Verwandten, meine Freunde oder mein Partner gemacht hat. Das ist dann jeweils seine/ihre Tat oder Verdienst. Es ist etwas worauf sie stolz sein können.

Zwar Teile ich deine Überlegungen im Puncto Stolz auf jeden Fall (Nationalstolz konnte ich auch noch nie nachvollziehen, das mal am Rande), doch trotzdem gibt es für mich auch etwas wie zum Beispiel das berühmte "Fremdschämen", wo es mir schon peinlich ist, derselben Art anzugehören wie das andere Wesen dort. Das ist wohl auch eine Sache der Erziehung, wie das mit ethischem und moralischem Verstand eben so ist. Doch, ich kann auch Scham für andere gegenüber wieder anderen Leuten empfinden.

Übrigens, zu Beginn der aktuellen Wirtschaftskrise war es mir zeitweise wirklich beinahe peinlich, wenn ich gefragt wurde zu sagen, dass mein Vater Bänker ist. Uh, ein von den Bösen, von den Idioten die nicht mit Geld umgehen können aber so tun. Dass das aber eigentlich Quatsch ist, ist mir schon klar. Mein Vater macht seinen Job spitze (so weit ich es beurteilen kann) und hat selber mit der Finanzkrise echt herzlich wenig am Hut.

Auch die Arbeit meiner Mutter ist mir kein Stück peinlich. Sie arbeitet bei einer Versicherung, obwohl sie in diesem Bereich nicht gelernt hat wurde sie dort damals so angelernt dass sie gleichrangig mit anderen Festangestellten ist, und darauf kann sie auf jeden Fall stolz sein. Mittlerweile hat sie pro forma sogar die schulische Ausbildung und Prüfung zur Versicherungskauffrau gemacht, undzwar gleichzeitig neben dem Beruf. Da kann sie meiner Meinung nach in ihrem Alter auch mehr als stolz drauf sein.

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» Taline » Beiträge: 3594 » Talkpoints: 0,75 » Auszeichnung für 3000 Beiträge


Ich würde mich mittlerweile für keinen Beruf meiner Eltern mehr schämen. Als ich noch jünger war, wäre es mir mit Sicherheit peinlich gewesen, wenn meine Eltern Lehrer gewesen wären oder wie oben schon gesagt, Hausmeister an meiner Schule. Wenn meine Mutter Prostituierte gewesen wäre, hätte ich mich mit Sicherheit auch geschämt, aber normalerweise hängen das Mütter in diesem Berufszweig ja sowieso nicht an die große Glocke. Heutzutage wäre mir aber selbst das ziemlich egal (natürlich vorausgesetzt, dass die Mutter selbst mit dem Beruf zurecht kommt). Natürlich würde ich das nicht jedem sagen, weil sowas eben nicht jeder mit Fassung tragen kann.

Ich denke, kein arbeitender Mensch muss sich für seinen Beruf schämen und keinem Kind muss der Beruf seiner Eltern peinlich sein. Das einzige, was mir richtig peinlich wäre, wären aus Faulheit arbeitslose Eltern. Ich frage mich, was so schlimm an einer Fabrikarbeiterin, einem Zimmermädchen oder einem Müllfahrer sein soll. Bei Prostitution kann ich die Aufregung noch nachvollziehen, aber für eine putzende Mutter schämt sich doch nur ein Kind, das nur mit Anwälten und Ärzten verkehrt.

Wenn ich mich so in meinem Bekanntenkreis umsehe, haben die allerwenigsten "Akademiker-Eltern". Vielleicht hängt meine Sichtweise auch damit zusammen. Es kann gut sein, dass jemand, der nur mit Leuten befreundet ist, deren Eltern absolute Top-Jobs haben, ungern zugibt, dass seine Mutter in einer Fabrik arbeitet. Da sollte man aber ab einem gewissen Alter drüber stehen. Ich finde es echt sehr schade, dass JotJots Bekannter sich gewissermaßen dafür schämt, dass seine Mutter eine fleißige Frau ist, die auch mal "unter ihrer Ausbildung" arbeitet anstatt sich hinzusetzen und auf ihren Rausschmiss zu warten.

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» Studia » Beiträge: 1182 » Talkpoints: 2,44 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


Ich finde es heftig, wenn die Kinder den Beruf der Eltern peinlich finden oder sich gar dafür schämen. Egal, wie groß die Kinder sind, man sollte ihnen beibringen, dass jede Arbeit ehrenhaft ist und man durch diese Arbeit auch den Kindern was bieten kann.

Und wenn du hier in die Runde fragst, sind hier ja alle mehr oder weniger Erwachsene Menschen zugange, die man fragt, ob man sich für den Beruf der Eltern schämt und wenn hier wirklich einer ist, der sich für den Beruf der Eltern schämt, der sollte sich selber schämen. Denn die Arbeit der Eltern hat bisher den Kindern das ermöglicht, was sie über Jahre bekommen haben.

Ich denke, dass man sich für keinen Beruf schämen muss und für keine Arbeit. Jede Arbeit ist etwas, was anerkannt werden soll. Denn jemand, der dies nicht anerkennt, der soll es besser machen und einen besseren Beruf erlernen und ausüben, was in der heutigen Zeit gar nicht mal so einfach ist.

Ich habe mich nie für das geschämt, was meine Eltern gearbeitet haben und wenn es "nur" Putzfrau gewesen ist, was meine Mutter lange Zeit gemacht hat . Ich selber habe lange Jahre "nur" geputzt und ich denke nicht, dass auch nur eins meiner Kinder sich dafür geschämt hat. Schließlich haben sie auch dadurch einiges mehr bekommen, als sie bekommen hätten, wenn ich diesen Job nicht gemacht hätte.

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» Diamante » Beiträge: 41749 » Talkpoints: -4,74 » Auszeichnung für 41000 Beiträge


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