Conterganfilm - "Eine einzige Tablette"

vom 07.09.2007, 15:36 Uhr

Der umstrittene zweiteilige Film „Eine einzige Tablette“ über Contergan der vom WDR produziert wurde, darf nun nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes nach einer abgewiesen Klage des Herstellers Grünenthal und eines damals gegen Grünenthal klagenden Anwaltes, am 7. und 8. November ausgestrahlt werden. Jedoch ist noch kein abschließendes Urteil über die Verfassungsbeschwerde der Kläger gefällt worden.

Doch worum geht es eigentlich? Contergan war ein Schlafmittel, dass am 01.09.1957 von Grünenthal auf den Markt als Beruhigungs- und Schlafmittel für Schwangere eingeführt wurde tausende Frauen, die das Präparat einnahmen gebaren missgebildete Kinder mit Fehlbildungen oder Aplasien. Widukind Lenz, ein Arzt aus Hamburg, konnte später den Zusammenhang dieser Missbildungen mit der Einnahme von Contergan nachweisen, weswegen Grünenthal das Medikament am 27.11.1961 wieder vom Markt nahm.

Dies war mit einer der ersten Medikamentenskandale in der jungen BRD nicht nur weil schätzungsweise 1.600 bis 4.000 Kinder in Deutschland und schätzungsweise 10.000 Kinder weltweit durch das Medikament missgebildet worden seien, wovon die Hälfte bereits verstorben sein soll, sondern auch weil der Arzt Widukind Lenz den Konzern bereits am 16. November 1961 darüber ausführlich informiert habe, dem Konzern bereits Warnungen vorlagen und er darauf nicht reagierte, sondern erst am 27. November 1961 das Medikament vom Markt nahm, als am 26. November 1961 ein ausführlicher Bericht darüber in der „Welt am Sonntag“ erschien.

Doch das war noch nicht das Ende, denn 1968 wurde das Verfahren gegen Grünenthal wegen vorsätzlicher bzw. fahrlässiger Körperverletzung und fahrlässiger Tötung vor dem Landgericht Aachen eröffnet und nach einer Zahlung von 100 Millionen Mark an die geschädigten Eltern eingestellt und Grünenthal vor einem Schadensersatzanspruch in Milliardenhöhe bewahrt.

Aufsehen erregte das Verfahren deswegen, weil der Chemiekonzern Henkel sich in das juristische Nachspiel des Verfahrens einschaltete und verhindern wollte, dass ein Hersteller in Deutschland bei schädlichen und fehlerhaften Produkten und daraus resultierenden Schäden in Haftung genommen werden darf.

Genau über diesen Skandal handelt der Film, keine Dokumentation sondern ein Drama, „Eine einzige Tablette“. Einer der damaligen Eltern und Vertreter der Anklage klagte gegen die Ausstrahlung, da er sich in „ehrverletzenderweise“ dargestellt sah, sowie die Firma Grünenthal daraufhin wurde die Ausstrahlung des Films vom Landgericht Hamburg untersagt.

Dies wurde vom Oberlandesgericht Hamburg jedoch wieder aufgehoben, woraufhin der Anwalt und Grünenthal vor das Bundesverfassungsgericht zogen. Das Karlsruher Gericht sah dies ebenfalls nicht so ein Untersagen wäre ein schwerwiegender Eingriff in die Programmfreiheit des WDR gewesen, zudem sei am Ende des Films ausdrücklich auf den fiktionalen Charakter des Filmes hingewiesen worden. Somit handelt es sich also nicht um ein Dokumentarspiel, sondern um einen Spielfilm, der sich nur an historische Geschehen anlehne.

Der Ausstrahlungstermin, auch wenn der Film eher produziert wurde, wurde bewusst auf 2007 gelegt, praktisch zum 50. Jahrestag von Contergan.

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» Subbotnik » Beiträge: 9308 » Talkpoints: -7,05 » Auszeichnung für 9000 Beiträge



Es wurde übrigens auch gegen Schwangerschaftsübelkeit verschrieben.

Wenn ich richtig informiert bin, wäre der Sendetermin am 7. und 8. November jeweils 20:15 Uhr in der ARD. Da ich einige Conterganopfer persönlich kenne, bin ich sehr gespannt auf diesen Film.

Ein paar Infos zu diesem Film gibt es hier: WDR

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» Deli » Beiträge: 918 » Talkpoints: 6,24 » Auszeichnung für 500 Beiträge


Der Film hat übrigens nach über 50. Jahren etwas bewirkt, was wohl nur die wenigsten erwartet hätten – nach dem ARD Themenabend zum Thema Contergan & Grünenthal ist der Pharmakonzern den Contergan Geschädigten wieder etwas entgegengekommen und wandte sich in einem Brief an Christian Knabe, einen Betroffenen, um sich mit ihm zu treffen. Knabe freut sich sehr über diese Geste seitens Grünenthal, vor allem da er in der Sendung „hart aber fair“ den Wunsch äußerte, dass sich viele Betroffene gerne mit der Spitze von Grünenthal treffen würden. In der Sendung brachte Knabe vor, dass er auf einen Brief von ihm an Wirtz, Enkel des Gründers von Grünenthal, der ihm jetzt antwortete, leider keine Antwort erhalten habe – umso einfühlsamer sei die gewesen, die er jetzt erhalten habe. Wirtz wolle sich mit Knabe nicht öffentlich, sondern privat treffen – zudem wolle Wirtz auch mit Bundesverband Contergangeschädigter Kontakt aufnehmen. Wirtz strebt ein Treffen ohne die Medien an.

Dieser bzw. dessen Vorsitzende Margit Hudelmaier konnte die Freude Knabes jedoch nicht teilen, da das ganze eher skeptisch sieht. Einerseits habe sie noch keinen Brief erhalten, andererseits meint sie: "Ich teile die Euphorie nicht, wenn Herr Wirtz glaubt, er schreibe einen Brief und das war's.", vor allem da Wirtz erst nach der Ausstrahlung und durch das aufgekommene öffentliche Interesse Bemühungen um einen Kontakt zu Geschädigten zeigte, trotzdem sei man „prinzipiell gesprächsbereit“, auch wenn man ein Treffen nur für sinnvoll erachtet, wenn Wirtz den Betroffenen eine Offerte anbieten könne, welche über die bisherige Haltung Grünenthals hinausgehe – z. B. eine, welche die finanziellen Forderungen des Verbandes berücksichtige. Derzeit gebe es laut Wirtz jedoch keine Überlegungen hinsichtlich einer möglichen Berücksichtigung der finanziellen Forderungen des Vereins oder Geschädigter – er habe jedoch Respekt vor den Geschädigten und sagte, es täte ihm „furchtbar leid, was ihnen passiert ist."

Trotzdem betrachtet man das Bemühen Grünenthals allgemein als einen positiven Schritt, da es in den letzten 50. Jahren kein Treffen zwischen dem Hersteller von Contergan und Geschädigten gab – oder eine Entschuldigung oder ein Schuldeingeständnis. Gesundheitsministerin Ulla Schmidt regte übrigens ebenfalls zu einem Treffen zwischen Contergangeschädigten und Grünenthal an.

Laut verschiedenen Medienberichten ist die Zurückhaltung Grünenthals in der Frage der finanziellen Entschädigung vor allem durch die internationale, nicht nur durch die nationale bedingt, da momentan auch in anderen Ländern die Forderung nach Entschädigungen wachsen. Contergan Lizenznehmer bzw. deren Nachfolgefirmen wie Diageo zahlten deswegen bereits über 100 Millionen Euro an Betroffene, da der öffentliche Druck, der auch einen Aufruf zum Produktboykott beinhaltete, gewaltig war. Wirtz sieht das als Erpressung an, der man widerstehen werde.

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» Subbotnik » Beiträge: 9308 » Talkpoints: -7,05 » Auszeichnung für 9000 Beiträge



Den ersten Teil hab ich mir angeschaut,den 2. leider verpasst, ärgert mich jetzt noch!

» Stumpy » Beiträge: 837 » Talkpoints: 6,38 » Auszeichnung für 500 Beiträge



Oh nö .. habe den Film auch gesehen und zwar beide Teile. Aber was nützt es jetzt noch einen Film über Contergangeschädigte auszustrahlen? Das Ganze ist ja schon längst vom Tisch. Womöglich ist es aber eine gelungene Dokumentation.

Mich persönlich hat der Film aber nicht besonders interessiert. Es lief halt zu dem Zeitpunkt halt nix anderes im Fernsehen. Nicht desto trotz finde ich die Schädigungen schon hart, sowohl für die Kinder als auch für die Eltern.

» mishamc » Beiträge: 57 » Talkpoints: 0,14 »


Das Problem ist eben noch nicht "vom Tisch", da Grünenthal und die Geschädigten sich immernoch mit den Folgen herumschlagen, nicht nur in Deutschland sondern auch in anderen Ländern.

Siehe:

Subbotnik hat geschrieben:da momentan auch in anderen Ländern die Forderung nach Entschädigungen wachsen. Contergan Lizenznehmer bzw. deren Nachfolgefirmen wie Diageo zahlten deswegen bereits über 100 Millionen Euro an Betroffene, da der öffentliche Druck, der auch einen Aufruf zum Produktboykott beinhaltete, gewaltig war. Wirtz sieht das als Erpressung an, der man widerstehen werde.

» KrashKidd » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »

Zuletzt geändert von Gio am 06.08.2014, 19:33, insgesamt 1-mal geändert. Zeige Beitragsversionen

Ich habe den Film leider nicht gesehen, ich glaube, zu der Zeit war ich nicht da, aber ich habe letztens auf RTL eine ziemlich gute Reportage über einen Contergan-geschädigten Anwalt gesehen. Und der hat sich auch für andere Contergan-Geschädigte eingesetzt und für deinen einen eine halbwegs vertretbare Pflegestufe herausgeschlagen.

Das Schlimme ist ja, dass diese Menschen bei den einfachsten Handlungen im Alltag Hilfe brauchen und sei es nur die Hose herunter und wieder hoch zu ziehen beim Toilettengang. Wenn man dann keine Familienangehörigen hat, die einem dabei helfen, ist das fast nicht machbar und deshalb leiden viele Contergan-Geschädigte auch unter massiven Depressionen. Wirklich schlimm fand ich auch, dass von den damals geborenen nur noch die Hälfte lebt wegen sehr hoher Selbstmordraten.

Und die, die jetzt noch leben haben massive Probleme mit dem Rücken und den Gelenken, weil sie ja den Rücken ständig sehr unphysiologisch belasten müssen, um mit den Armresten etwas greifen zu können. Viele Menschen, die früher viele Griffe mit den Füßen machen konnten, können das jetzt auch nicht mehr, weil die Gelenke das auf Dauer nicht mitmachen. Also alles in allem hat mich diese Reportage schon sehr ergriffen und ich kann nur hoffen, dass die Arzneimittelforschung in Zukunft nicht noch mal so grob fahrlässig schludert!

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» Grooovegirl » Beiträge: 3409 » Talkpoints: 11,54 » Auszeichnung für 3000 Beiträge



Ich weiß, dass dieses Thema schon etwas älter ist, aber trotzdem möchte ich kurz meine Meinung zu dem Film kundtun. Genauer gesagt nicht meine Meinung, sondern die Meinung meiner Mutter. Diese ist selber Contergang geschädigt und hat sich somit in ihrem Leben zwangsläufig viel mit der "Pille" und der Firma Grünenthal beschäftigt. Sie fand den Film an vielen Stellen überspitzt und manche Darstellungen waren ihrer Meinung nach einfach falsch. Genauer kann ich mich allerdings nicht mehr erinnern.

Ich bin nach wie vor der Meinung, dass mit Menschen, die Contergangeschädigt sind mit einem sehr großen Respekt umgegangen werden muss. Wie diese, wie meine Mutter auch, ihr Leben meistern ist einfach bewundernswert. Das wurde durch den Film zum Glück auch verstärkt.

Bei solchen heiklen Themen bitte ich einfach darum, dass etwas kritisch mit solchen Dokumentationen umgegangen wird, da man sich auch da nicht immer auf einen 100%igen Wahrheitsgehalt verlassen kann.

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» hsvrules999 » Beiträge: 355 » Talkpoints: 0,24 » Auszeichnung für 100 Beiträge


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