Bundestrojaner oder Stasimethoden?

vom 30.08.2007, 09:06 Uhr

Widersprüche über Widersprüche und niemand weiß, ob es jemals funktioniert...

Der "Bundestrojaner" ist fast einsatzbereit. So die Meldungen aus dem Innenministerium. Zitat: "bei Aufhebung des gegenwärtig verfügten Entwicklungsstopps unverzüglich abgeschlossen" sein. Es gebe schon "fertiggestellte Teilmodule". "

Was umso mehr verwundert, da Ende April eine Weiterentwicklung gestoppt wurde. Zuvor wurde mitgeteilt, dass die Machbarkeit und der Erfolg geprüft werden und es noch keine Einschätzung dazu gebe. Die Anfrage richtete die FDP an die Bundesregierung. Nun plant die FDP eine erneute Anfrage, Ergebnis offen.

Wenn der Trojaner nun doch fast fertig ist, dann hat die Bundesregierung das Projekt weiter verfolgt ohne das Parlament zu informieren, quasi ein "Geheimprojekt Schäuble".

Andererseits verblüffen widersprüchliche Aussagen zu dem Programm:

- Angeblich muss die Software für jeden Einsatz neu programmiert werden. In meinen Augen nur Augenwischerei, es gibt wohl keine logische Erklärung warum die Software für jeden Rechner neu programmiert werden sollte. So viele verschiedene Systeme sind auf PCs ja nun wirklich nicht vorhanden.

- Installation: BKA-Präsident Ziercke sagt im Stern-Interview, es sei möglich, "die Software online über das Internet auf den Computer aufzuspielen". Mag ja sein, aber wenn ich kritische Daten auf dem Rechner verwalte, dann gehe ich doch damit nicht online. Wer das macht ist selber schuld....

- Das Entdeckungrisiko sei gering, wird behauptet. Naja, wenn man es glauben mag. Inzwischen erkennt doch jeder Virenscanner und jede Firewall auch verschlüsselte Daten, die gesendet werden sollen und zudem sind Programmierer doch immer daran interessiert das Unmögliche möglich zu machen. Es wird nicht lange dauern und auch dieser Trojaner wird sofort entdeckt werden...

- Und jetzt das eigentlich Problem: ist der Einsatz überhaupt mit der Verfassung vereinbar? Es sollen private Bereiche ausgeschlossen werden. Das geht aber höchstens im Nachhinein, also man kann nicht vorab durch bestimmte Suchbegriffe Privates von Gefährlichem trennen. Lediglich bei der Verwendung vor Gericht kann darauf Rücksicht genommen werden.

Ist es mal wieder ein Fall von Steuerverschwendung? Ist der "Bundestrojaner" jemals einsetzbar und wird es jemals ein Ergebnis geben? Als ein Mittel der Abschreckung vielleicht, es reicht ja schon wenn man behauptet, dass es das Ding gibt. Vielleicht wird die Kommunikation der Zielgruppe damit etwas schwieriger, aber mehr wohl auch nicht.

» dokodo » Beiträge: 75 » Talkpoints: 3,08 »



Es wird wohl eine "never-ending-story".... Schäuble hat offiziell verkündet, dass die online-Durchsuchungen ohne richterlichen Beschluß erfolgen sollen. Wie er das durchsetzen will, kann ich mir zwar nicht vorstellen, aber das zeigt doch seine Auffasssung von einem Rechtsstatt klar und deutlich.

Ich bin wirklich entsetzt, dass selbst unsere Minister derart wenig Rücksicht auf unser Grundgesetz nehmen und versuchen, sich durch populistische Äußerungen so in den Vordergrund zu drängen und Handlungsfähigkeit dem Bürger vorgaukeln wollen. Es geht hier nicht um die angeblich 10 oder 20 online-Durchsuchungen bei ein paar Terrorverdächtigen, es geht hier inzwischen vielmehr um die Achtung des Grundgesetzes. Es darf keine Ausnahmen geben, einmal irgendwelche Ausnahmen eingeführt wird der Drang nach weiteren sicherlich gleich folgen und ein Ende ist dann nicht mehr absehbar.

» dokodo » Beiträge: 75 » Talkpoints: 3,08 »


Vor allem soll auch bei zunächst unverdächtigen Personen der Bundestrojaner eingesetzt werden, falls diese ihren Rechner im gleichen Netzwerk haben - so achtet man also die Privatsphäre.

Der Personenkreis, der vom Bundestrojaner, man hat es ja schon erwartet, erfasst werden soll ist auch in der neuen Regelung weiter ausgedehnt worden. Da hier Geheimdienst und Polizei Hand in Hand arbeiten, sei eine parlamentarische Kontrolle auch schwer möglich - man kann sich nur weiter freuen.

Außerdem soll der Trojaner auch andere Systeme ausspionieren: PDA, Blackberry und SmartPhones. Mal wieder eine "unerwartete" Ausweitung. Gespräche über Skype sollen übrigens ebenfalls überwacht werden.

Man muss hier noch einmal anmerken: Das Innenministerium ist ohne Wimpernzucken bereit, bestehende Gesetze und das Grundgesetz zu verletzen, obwohl der Bundesgerichtshof die Nutzung vorerst verboten hat. So gesehen ist der Verdacht, man baut hier eine neues "Ministerium für Staatssicherheit" oder eine Gestapo innerhalb des Innenministeriums auf, gar nicht soweit hergeholt, auch wenn man noch lange nicht an die Methoden dieser heranreicht.

Das jeweils individuelle Programmieren sei deswegen nötig, da man prüfen müsse, welches Betriebssystem, welcher Internetzugang und welcher Browser von den Verdächtigen genutzt werde. Die Idee dazu ist auch schon wieder sehr toll: Man soll Beamte "unbemerkt" in die Wohnung Verdächtiger einschleusen, welche die IT Systeme des Betroffenen analysieren sollen und den Trojaner darauf abstimmen - das Programm soll dann bei einer zweiten Begehung ebenfalls "unbemerkt" installiert werden. Noch ist offen, ob es sich bei so einer Begehung auch um einen Einbruch handeln könnte, also kommt zum Bruch des Grundgesetzes noch ein Hausfriedensbruch hinzu. Oder man möchte den Trojaner an eMails einer anderen Behörde anhängen.

Wie man Antivirensoftware austricksen möchte, hat man auch schon geplant - so will man den Trojaner vor dem Einsatz praktisch mit einem gespiegeltem System und aktueller Antivirensoftware prüfen, ob er entdeckt werden kann. Da man ihn nur selten nutzen möchte, sei das Entdeckungsrisiko ebenfalls sehr gering - laut Innenministerium. Die Suche möchte man auch im Vorfeld eingrenzen, damit der Trojaner nicht durch das Übertragen größerer Mengen an Daten auffällt.

Damit der BGH dieses Vorgehen nicht kritisieren kann, möchte man Kernbereiche unangetastet lassen und bestimmte Suchkritierien ausschließen, so die Suche nach
- bestimmten Dateinamen
- bestimmten Dateiendungen
- bestimmten Attributen (Zugriffsdaten usw.)
- bestimmte Schlüsselwörter
- bestimmte Verzeichnissen
- bestimmten Dateitypen

Was bestimmt ist und was nicht, ist natürlich, so denke ich, Interpretationssache der Behörde.

Wenn die Daten übrigens verschlüsselt übertragen wurden, soll der Trojaner sich anschließend selbst löschen.

Angeblich soll der Aufwand für solcherlei Aktionen sehr groß sein und der Masseneinsatz kostspielig sein - daher soll sich der Einsatz nur auf wenige Rechner und Personen beschränken. Wer`s glaubt!

Ich kann nur allen Raten:
Rüstet Euch! Informiert Euch! Sichert Euch ab! Baut ein dynamisches System auf um gegen Bedrohungen aus dem Internet, nicht nur gegen den Bundestrojaner, gewappnet zu sein!

» Midgaardslang » Beiträge: 4131 » Talkpoints: -14,08 » Auszeichnung für 4000 Beiträge



Das ist eine so schlimme Verletzung unseres Rechtsstaatssystems, dass mir da echt langsam Zweifel kommen, was Schäuble eigentlich will. Wie ich vorhin geschrieben habe, es geht gar nicht mehr um den Trojaner, inzwischen geht es um unser Grundgesetz!!!

» dokodo » Beiträge: 75 » Talkpoints: 3,08 »



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