Zerstritten in den Tod

vom 12.12.2008, 16:28 Uhr

miri78910 hat geschrieben:Fändet ihr es nicht auch blöd, zerstritten ins Grab zu wandern und zu sterben, bevor man sich mit allen vertragen hat und sich noch im Streit befindet?!

So eine Erfahrung musste ich vor ca.12 Jahren machen, als mein damaliger Verlobter tödlich verunglückte. Er war abends bei einer Betriebsfeier und ich sollte ihn abholen. Wir haben uns so dermasen im Auto gestritten, das ich ihn und seine Kollegen aus dem Auto rausgeworfen hatte. Ich bin dann ohne die 4 wieder nach Hause gefahren und war sehr wütend, weil er mir auch noch das Auto demoliert hatte.

Ein paar Stunden später, ich glaub morgens um 6 Uhr, klingelte es dann bei uns an der Haustür und die Polizei stand davor. Ich dachte eigentlich es ging um das zertretene Auto, denn das war ja von einem Bekannten, der nachts noch Anzeige gegen meinen Verlobten erstattet hatte. Aber nein, es sollte viel schlimmer kommen. Mein Verlobter hatte sich dann auch noch mit seinen Arbeitskollegen zerstritten und ist besoffen und im dunkeln alleine über die Strasse in Richtung Heimat gelaufen und dabei von einem Taxi überfahren worden.

Wir sind so also im Streit auseinandergegangen und ich habe Jahre dafür gebraucht, mit diesem schrecklichen Gefühl klar zu kommen. Vergessen kann man sowas wohl nie, aber man lernt damit umzugehen. Anfangs hatte ich mir immer Vorwürfe gemacht, das ich Schuld gewesen bin daran, aber nun denke ich, seine Arbeitskollegen hätten ihn nicht alleine gehen lassen dürfen. Sie wussten, wie er auf Korn reagiert.

Wir hatten damals immer ein Versöhnungslied von Fury in the slaugtherhouse und das habe ich ihm vor der Beerdigung in der Leichenhalle vorgesungen, in der Hoffnung er bekommt dort, wo er war was mit und alles ist gut. Ich bin damals sehr auf die schiefe Bahn geraten und mir war alles egal. Gott sei dank habe ich die Kurve noch gekriegt und lebe heute ein normales Leben. Dran denken muss ich aber auch heute noch oft und wenn das Lied im Radio gespielt wird muss ich mich ganz schön zusammenreissen.

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» EmskoppEL » Beiträge: 3423 » Talkpoints: 20,21 » Auszeichnung für 3000 Beiträge



Mir persönlich würde so etwas lange nachgehen. Ich bin aber auch nah am Wasser gebaut. Es war mir schon zu viel, dass ich meinem Opa versprochen habe, ich würde mit ihm ein Fotoalbum gestalten, mit Fotos seiner Familie, leider verstarb er kurz vor wir uns trafen. Das naivste Streitthema ist für mich sowieso das Erbe. Wenn sich meine Angehörigen einmal um das Erbe streiten und ich sollte das mitbekommen, hole ich sofort einen Notar, der fest hält, dass ich alles dem nächstbesten Waisenhaus spende.

Ich möchte also damit sagen: Streit vor dem Tod ist natürlich für beide Parteien nicht fein (nicht für den Sterbenden und nicht für die Angehörigen), aber es ist sehr wahrscheinlich für manche Menschen nicht vermeidbar. Daher müssen sie selber damit leben.

» nordseekrabbe » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »

Zuletzt geändert von Midgaardslang am 13.03.2009, 02:39, insgesamt 1-mal geändert. Zeige Beitragsversionen

Die Frage finde ich schwierig zu beantworten. Es ist natürlich schlimmer für den Hinterbliebenen, wenn jemand gestorben ist, von dem er sich nicht in Freundschaft verabschieden konnte, sondern auf den er gerade wütend oder sauer war und das beschäftigt einen sicherlich noch eine ganze Weile lang. Trotzdem finde ich es aber immer ziemlich doof und scheinheilig, wenn manche Leute meinen, sie müsste immer für Harmonie und Friede sorgen (der einfach womöglich nicht vorhanden ist, weil es Differenzen gibt und weil es einfach auch mal sein kann, dass man unterschiedlicher Meinung ist und da darf man auch stinkig und beleidigt sein!), sobald der Andere sich ihnen um über 100 km entfernt, in Urlaub fährt, in ein Flugzeug steigt oder so etwas ähnliches.

Ich mag so vorgeschobene Freundlichkeit einfach gar nicht, weil man oft merkt, dass sie nur da ist, weil der andere Angst hat, es könnte einem was zustoßen und da möchte er die Wogen nochmal glätten um sich später nichts vorwerfen zu müssen.

Aber was denn vorwerfen? Für den Tod muss man sich ja nicht verantwortlich fühlen, sondern man muss nur mit dem Gefühl klarkommen, dass jemand gestorben ist, mit dem man sich gegen Ende nicht so gut verstanden hat.

» Sippschaft » Beiträge: 7575 » Talkpoints: 1,14 » Auszeichnung für 7000 Beiträge



Ich habe vor 10 Jahren meine beste Freundin durch einen Autounfall verloren. Wir hatten uns auch vorher zerstritten und ewig nicht miteinander gesprochen. Erst einen knappen Monat vor ihrem Tod trafen wir uns durch Zufall in der Disco und wechselten erstmalig wieder ein paar Worte miteinander. Zum vereinbarten Treffen zur Aussprache kam es dann jedoch leider nicht mehr.

Leider verunglückte sie tödlich bei einem Verkehrsunfall. Ich war natürlich auf der Beerdigung und ihre Eltern waren dankbar, dass ich kam. Sie erzählten mir, dass sie mich vermisst hätten und meine Freundin auch. Das machte die Sache nicht besser, weil ich mir umso mehr Vorwürfe wegen meiner Sturheit machte. Immer wieder dachte ich in den letzten Jahren darüber nach, was ich falsch gemacht habe. Ich gehe sorgsamer mit meinen jetzigen Freunden um. Ich schrieb ein Gedicht für sie. Beim Schreiben dieses Gedichts wurde mir zum ersten Mal klar, dass ich sie nicht nur als Freundin liebte.

Jetzt, 10 Jahre danach, hatte ich Klassentreffen. Unsere ehemaligen Lehrer waren auch da. Meine Deutschlehrerin war damals ebenfalls gut befreundet mit meiner Freundin. Wir unterhielten uns lange. Sie erzählte mir, dass diese Liebe, die ich für meine Freundin empfunden habe auf Gegenseitigkeit beruhte. Das machte die ganze Angelegenheit für ein paar Wochen wieder ganz aktuell und ich grübelte erneut viel über uns nach. Jetzt weiß ich, dass wir uns liebten, es aber nicht besser verstanden, damit umzugehen. Durch unsere Angst löste sich unsere Freundschaft. Wir waren zu jung damals. Ich fühle mich jetzt besser, aber es hat sehr lange gebraucht.

Ich denke, man sollte so auseinander gehen, dass man sich keine Vorwürfe machen muss, nicht alles gesagt zu haben. Das wichtigste ist die Ehrlichkeit! Alles andere lässt sich nachher auch verarbeiten - nicht aber, wenn man weiß, dass man sich die ganze Zeit belogen hat. Das fällt schwer und man hat dadurch viel zu verarbeiten - das ist hart!

» charty20 » Beiträge: 63 » Talkpoints: 0,16 »



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