Kannibalismus in Notsituationen

vom 01.10.2008, 08:49 Uhr

Würdest du zum Kannibalen werden ?

Wenn es für mein Überleben notwendig wäre, aber auch nur von Toten.
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Ich hätte kein Problem damit und würde auch jemanden anders dazu töten.
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Ich kann mich nicht entscheiden, dafür müsste man in solch einer Situation gewesen sein.
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Abstimmungen insgesamt : 53

Wie wahrscheinlich fast alle Menschen in Deutschland war ich noch nie in der Situation, dass ich vor die Wahl gestellt war, entweder zu verhungern, oder mich vom Fleisch der Mitmenschen zu ernähren. Ich kann nur darüber spekulieren, wie ich mich in einer derartigen Situation verhalten würde.

Ich habe einen ausgeprägten Ekel vor Fleisch, spätestens seit dem Präparierkurs. Auch vorher empfand ich es als sehr unangenehm, einen (Tier-)Leichnam zu verspeisen, ein Schnitzel ist ja schließlich auch nichts anderes. Von diesem Standpunkt aus widerstrebt mir der Gedanke, zum Kannibalen zu werden.

Das Fleisch eines Menschen zu essen, der aufgrund der Strapazen ums Leben gekommen ist, halte ich moralisch nicht für bedenklich. Der Mensch ist tot und was übrig ist, ist nur sein Körper. Das, was den Menschen ausgemacht hat, sein Charakter, seine Wünsche, Ängste und Ziele, existiert nicht mehr. In Notsituationen finde ich es daher nicht unangemessen, sich vom Fleisch der Toten zu ernähren.

Menschen haben in der Regel, wie jedes andere Lebewesen auch, einen ausgeprägten Überlebenswillen. Ich denke, dass in einer solchen Situation sehr viel anerzogene Moral wegfällt und nun noch dieser Überlebenswille das eigene Handeln bestimmt. Natürlich würde ich persönlich mich lieber von Beeren oder sonstigen Dingen ernähren, die ich in der Natur finde, aber man kann sich die persönliche Notsituation, sofern sie je eintreten sollte, nicht aussuchen. Vielleicht gibt es wirklich keine andere Nahrungsquelle als das Muskelfleisch der Toten.

» Nachtflugzeug » Beiträge: 490 » Talkpoints: -1,97 » Auszeichnung für 100 Beiträge



Natürlich ist es schwer, das aus unserer Lage zu beurteilen. Wenn wir Hunger haben, gehen wir zum Kühlschrank und wenn der mal leer ist dann gehen wir einkaufen. Echten Hunger kennen wir nicht.

Dennoch kann ich dir Frage für mich mit einem klaren nein beantworten. Erstens ist Hunger etwas, das sich aushalten lässt. Solange genügend Flüssigkeit vorhanden ist, haben wir die Chance, mehrere Tage oder sogar Wochen zu überleben. Wir werden zwar schwächer, da uns viele wichtig Nährstoffe fehlen würden, aber man könnte überleben.

Zweitens ist es ja so, dass, egal ob auf einer Insel oder am Festland, man in der Natur immer auch Dinge findet, die sich essen lassen bzw. die man weiterverarbeiten kann und so etwas essbares bekommen kann. Und wenn es nur Nüsse und Beeren sind. Essen kann man auch das und überleben kann man davon sowieso.

Zudem, auf Inseln gibt es die Möglichkeit zu fischen, es gibt überall eine reichhaltige Flora, die einen ernährt. Ich denke nicht, dass es soweit kommen muss dass man seine Mitmenschen verspeist. Ich könnte das gar nicht. Ich mag auch so nur wenig Fleisch, Fisch ist mir etwas lieber, aber insgesamt gehört Fleisch für mich nicht zwingend auf den Speiseplan. Ab und zu ist es ok, aber ich komme gut ohne zurecht.

Daher ist der bloße Gedanke, Menschenfleisch essen zu müssen für mich unvorstellbar. Roh noch viel unvorstellbarer als in irgendeiner Form zubereitet. Ich würde es nicht schaffen, das zu essen. Ich weiß, das kann ich leicht sagen, da ich in keiner Notsituation bin, aber auch wenn, würde ich es nicht schaffen.

Es ist bei mir auch so, dass ich zum Beispiel kein Hasenfleisch essen kann. Ich besitze zwei niedliche Kaninchen und dann so ein Fleisch zu essen käme mir nicht in den Sinn. Ich hatte schon oft die Möglichkeit dazu und habe immer abgelehnt, da ich das einfach nicht kann.

Das selbe würde für Menschenfleisch gelten. Ich stehe doch jeden Tag mit Menschen in Kontakt. Ich habe einen großen Bezug zu ihnen. Wie kann ich das nur in Erwägung ziehen, einen Mitmenschen zu verspeisen? Egal wie groß die Not wäre, das könnte ich nicht.

Und jemanden zu töten um selbst zu überleben würde ich auch nicht schaffen. Das würde ich moralisch nicht schaffen und egal wie groß und drängend der Überlebenswille wäre, so eine Tat brächte ich nicht fertig. Das würde mir wohl für den Rest meines Lebens zu schaffen machen und irgendwann würde ich daran zerbrechen. Dafür bin ich nicht abgebrüht genug.

Ich denke, wäre ich mal in einer solch ausweglosen Situation, würde ich mich an die Natur halten. Ich würde versuchen so viel wie möglich aus der Flora zu bekommen und einfach so lange aushalten, bis Hilfe kommt. Ein anderes Menschenleben deswegen auszulöschen oder einen Mitmenschen aufzuessen wäre für mich schon rein Gewissenstechnisch nicht möglich. Vom Greuel- und Ekelfaktor mal ganz abgesehen. Es käme für mich nie in Frage und wenn ich vor der Wahl stünde könnte ich es auch nicht.

» steffi11191 » Beiträge: 1275 » Talkpoints: -2,88 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


Diese Dokumentation habe ich auch gesehen und war erstaunt, wie schnell ein Mensch zum Kannibalen werden kann. Natürlich ist das Überleben für uns Menschen das Wichtigste und wenn wir in Not sind möchte keiner von uns sterben. Da setzt glaube ich schon der Verstand mal aus. Natürlich ist die Vorstellung nicht gerade lecker, aber man weiß nie wie man in so einer Situation reagiert.

Ich komme ursprünglich aus Altenburg und dort geht seit dem Zweiten Weltkrieg die Geschichte herum, dass der damalige Fleischer Menschenfleisch verarbeitet und sogar verkauft hat. Er war wohl in der Nacht als Bomben fielen unterwegs und hat die Menschen eingesammelt. Für mich ist es eine richtig ekelhafte Vorstellung. Manche Leute erzählen auch das er mit verschiedenen Offizieren der Wehrmacht eine Abmachung hatte in der er von Ihnen tote Menschen bekam und er Ihnen dafür Geld gab und angeblich Schweinefleisch verkaufte. Natürlich war das kein Schweinefleisch, sondern auch Menschenfleisch.

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» berninicci » Beiträge: 357 » Talkpoints: -0,08 » Auszeichnung für 100 Beiträge



Wer weiß das schon, wie man in so einer Situation handelt? Ich war bisher glücklicherweise noch nie in so einer Lage und hoffe, dass ich es auch niemals sein werde. Doch wie kann ich jetzt etwas mit Bestimmtheit sagen, wenn ich gar nicht weiß, wie man sich in einer solchen Situation fühlt?

Ich kann nicht sagen, ob ich es machen würde, aber ich denke schon. Jemanden dafür umbringen erscheint mir auch recht hart, aber von einem Toten zu essen, ist denke ich noch in Ordnung, wenn es keinen anderen Ausweg gibt. Denn der Mensch ist in solchen Situationen nun mal nur noch auf das Überleben aus, wer weiß schon, zu was wir da alles bereit sind.

Wenn ich richtigen Hunger habe und gerade nichts essen kann, dann kann ich nur noch ans Essen denken und mir wird schlecht vor Hunger. Und was ist dieser Hunger im Vergleich zu fast Verhungern. Selbst in Momenten, wo ich richtig Hunger habe, bin ich noch nicht einmal nah daran, zu Verhungern. Doch wenn du wirklich fast stirbst, denke ich schon, dass du einfach alles essen würdest, Hauptsache irgendetwas. Auch Menschenfleisch. Und da geht es weniger darum, ob du jetzt die Ehre eines Toten verletzt. Das ist in so einem Moment völlig egal, denke ich. Hauptsache, du hast etwas zum Essen.

» Kampffisch » Beiträge: 923 » Talkpoints: -0,81 » Auszeichnung für 500 Beiträge



Also ich glaube, ich bin einer der wenigen Menschen, die dem Spezieschauvinismus nicht aufgesessen sind. Was ich damit sagen will, ist dass ich zwischen Menschen und anderen Tieren (ja, der Mensch ist ein Tier und das wird jeder Biologe bestätigen, denn im phylogenetischen Baum des Lebens existiert die Kategorie Mensch nicht, sondern lediglich die Kategorie Tier, unter jener dann auch der Mensch zu finden ist als Unterart gewisser Affen!) nicht grundlegend unterscheide.

Es ist keine Frage, Menschen sind intelligenter als alle anderen Tiere auf dem Planeten, aber ich sehe nicht, wieso sie das grundsätzlich aufwertet, während andere Tiere offenbar eine geringere Daseinsberechtigung haben (Schweine, Fische, Rinder, Geflügel, was weiß ich). In anderen Kulturen werden Affen verspeist, und das, obwohl sie zu den intelligentesten Spezies auf dem Planeten zählen. Sicher, in westlichen Kulturen wird das nicht getan, eine rationale Begründung existiert dafür aber nicht.

Der langer Rede kurzer Sinn: Ich halte es für denkbar, Menschen zu essen, insbesondere unter solch extremen Bedingungen. Wenn dann noch jemand sogar explizit darum bittet bzw. sich offeriert, dann ist das völlig in Ordnung. Ich behaupte nicht, dass es davor nicht massenhaft Skrupel zu überwinden gilt, aber das ist, denke ich, verständlich und normal (und davon mal abgesehen vermutlich auch evolutionär bedingt).

» noparadigm » Beiträge: 51 » Talkpoints: 0,00 »


Also egal ob man nun den Menschen als Tier oder eben Mensch bezeichnet und ganz unabhängig davon, wie ich Menschen und Tiere bewerte, der nachfolgende Satz jagt mir doch einen Schauer über den Rücken.

Ich halte es für denkbar, Menschen zu essen (...) Wenn dan noch jemand sogar explizit darum bittet bzw. sich offeriert, dann ist das völlig in Ordnung

Ja, wir stammen von Tieren ab und wir haben keinesfalls eine bessere und überzeugendere Daseinsberechtigung als alles andere Leben hier auf unserem Planeten. Aber im Laufe der Zeit hat es sich eben so entwickelt, dass bei unserer Spezies Regeln entsanden sind, die uns das Zusammenleben erleichtern und die es ermöglichen sollen. Würden wir uns wie alle anderen Spezies verhalten, würde das bald in Chaos ausarten. Uns stehen so viele Hilfsmittel (Waffen) zur Verfügung dass wir uns bald alle gegenseitig geschlachtet hätten.

Da macht es schon Sinn, bei einer so ausdifferenzierten Spezies Gesetze und Normen zu haben, die gewisse Dinge einfach verbieten. Und dazu gehört Mord und Kannibalismus. Zu sagen, ich töte jemanden und verspeise ihn anschließend wenn er mich lieb darum bittet, verstößt gegen alles, was sich im Laufe der Zeit entwickelt hat. Die Spezies Mensch muss "gezähmt" werden, wir brauchen Regeln um nebeneinander leben zu können. Solch eine Denkweise, wie sie der oben zitierte Satz andeutet, ist in meinen Augen ein Rückschritt.

» steffi11191 » Beiträge: 1275 » Talkpoints: -2,88 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


Naja, vergiss nicht: Die Ausgangsfrage, wenn ich sie recht verstanden habe, war Kannibalismus in Extremsituationen. Auf diese Siuation habe ich mich zumindes bezogen. In der Frage wurden Dokumnetarfilme zitiert, in denen Menschen in Extremsituationen Kollegen gegessen haben, noch dazu welche, die ohnehin schon halb tot waren und teils sogar darum gebeten haben bzw. angeregt haben, dass man sie doch essen möge, damit die anderen Menschen überleben können.

Ich glaube solche Situationen sind in der Tat anders zu bewerten als das, was du jetzt letztendlich geschildert hast, nämlich Chaos, Mord und Totschlag im täglichen Leben. Davon habe ich nicht gesprochen. Wobei sogar in dem Fall Ausnahmen meiner Meinung nach zulässig sind. Man denke an diesen Kannibalen von Rothenburg. Wenn plausibel nachgewiesen werden kann (wie in seinem Fall geschehen), dass das "Opfer" tatsächlich kein Opfer war, sondern den Wunsch geäußert hat, dann sehe icvh darin kein Problem. Gesetze sind schön und gut, aber Gesetze nur der Gesetze wegen, ohne rationale Rechtfertigung, bzw. das gute alte "Das macht man einfach nicht"-Argument... finde ich nicht besonders sinnvoll.

Unterm Strich bleibt selbstverständnlich die Feststellung, dass Mord Mord ist und zurecht reglmementiert ist. Aber ich bin im Übrigen auch überzeugt für Sterbehilfe, von daher ist Kannibalismus (WOHL GEMERKT, entweder in eingangs geschilderten Extremsituationen oder in seltsamen Situationen wie in Rothenburg) letztendlich kaum etwas Anderes.

» noparadigm » Beiträge: 51 » Talkpoints: 0,00 »



Also ich kann es mir nicht vorstellen und bin mir da auch zu 99% sicher das ich es nicht machen würde. Erst recht nicht wenn ich die Person gut kannte. Ich könnte allgemein nie jemanden töten! Und bevor ich dann anfange Menschenfleisch zu essen würde ich etwas in der Natur versuchen. Ist dort nichts würde ich lieber versuchen selbst zu sterben als solche schlimmen Qualen ertragen zu müssen.

PS: Budda hatte sich mal eine Zeitlang nur durch 1 Reiskorn pro Tag ernährt. Das aber nur Mal so am Rande wie lang man ohne essen leben kann.

» The_K » Beiträge: 155 » Talkpoints: -19,95 » Auszeichnung für 100 Beiträge


Das ist so eine Frage, die man eigentlich überhaupt nicht beantworten kann, finde ich fast.

Solche Situationen kann man einfach nicht einschätzen, wenn man sie noch nie erlebt hat und ich kann auch gar nicht beurteilen, ob ich jemals einen Menschen essen würde. Ich kann es mir auf gar keinen Fall vorstellen. Wäre ja auch fast schlimm, wenn dem so wäre.

Aber ich habe keine Ahnung wie stark Hunger den Verstand beeinflussen kann und ob ich meinen Ekel zum Selbstschutz überwinden würde. Das kann ich nicht beurteilen, behaupte aber aus der Entfernung: Nein, ich denke, ich würde keinen Menschen essen, weder gegrillt noch roh.

» Sippschaft » Beiträge: 7575 » Talkpoints: 1,14 » Auszeichnung für 7000 Beiträge


Auch ich habe mal den Film "Überleben" gesehen und mich damals gefragt, ob ich es könnte.

Indem Film, der auf einer wahrer Begebenheit beruht, geht es darum, dass eine Rugby-Mannschaft in einem Flugzeug über ein Gebirgsplateau abstürzt. Sie warten auf Rettung, aber nachdem sie über ein Radio hören, dass nach einer Woche die Suche nach ihnen eingestellt wird, überlegen sie ihre Kameraden zu essen um zu überleben, einige geben im Sterben dann noch ausdrücklich ihre Einverständnis ab, sie essen zu dürfen. Nach zwei Monaten machen sich einige von ihnen auf dem Weg den Berg hinunter um Hilfe zu holen und schaffen es dann auch. Zurück in der Heimat müssen sie sich schwere Vorwürfe von der Öffentlichkeit und vor allem der Kirche anhören.

Ich würde den Kannibalismus nicht verurteilen, aber ich glaube in dieser Situation könnte ich es nicht, es waren ihre Freunde und Mannschaftskollegen. Wenn es sich um einen anonymen Toten handelt, könnte ich es mir schon eher vorstellen, aber nicht bei jemanden mit dem ich vorher geredet habe.

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» andreasblue » Beiträge: 264 » Talkpoints: -0,48 » Auszeichnung für 100 Beiträge


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