Freegans - Das Leben vom Müll der anderen

vom 09.07.2007, 08:59 Uhr

"Freegans", so nennen sich einige US Amerikaner, die sich zum Vorbild genommen haben, kaum etwas neu zu kaufen - und von dem zu leben, was andere offensichtlich nicht mehr benötigen. Dazu werden Spermüllhalden am Straßenrand nach Fernsehern und noch gebrauchsfähigen Möbeln sowie Mülltonnen von Restaurants und Supermärkten nach allem Essbaren durchsucht. Teilweise hat man sich dem Trend auch schon angepasst und Supermärkte stellen abgelaufene Lebensmittel zum "Abholen" vor die Tür.

Was wie modernes Pennertum anmutet, ist in Amerika ein echter Trend, da die Motive der "Bewegung" vielfältig sind: da mischen sich Anarchisten bunt mit Friedensaktivisten und Umweltschützern.

Ob es sich dabei um eine echte Protestaktion im eigentlichen Sinne handelt, oder um einen Mischmasch aus wachsender Verelendung und Protest dagegen, bleibt zu hinterfragen...

» Midgaardslang » Beiträge: 4131 » Talkpoints: -14,08 » Auszeichnung für 4000 Beiträge



Ich finde Freegans eine gute Sache. Ich spreche aus Erfahrung denn ich hatte einige Jahre in einem Lebensmitteleinzelhandelsgeschäft gearbeitet. Unsere Geschäftsleitung hat uns damals angeordnet, übrigens aus guter Quelle weiß ich dass das heute auch nicht anders ist dass wir Joghurts beziehungsweise die gesamte Molkereiabteilung, einzige Ausnahme war die Frischmilch, zwei Tage vor Ablauf aus den Regalen rausnehmen mußten und entsorgen. Ein Beispiel ein Fruchtjoghurt hat das Mindesthaltbarkeitsdatum bis zum 03.03. wir mussten ihn bereits am 01.03. aus dem Regal rausnehmen und entsorgen. Als ich mal nachfragte was hier der Sinn sei von der ganzen Aktion bekam ich folgende Begründung. Ein Kunde kauft zum Beispiel heute ein Joghurt und legt ihn in den Kühlschrank, nach drei Tagen möchte er ihn aber erst essen und ärgert sich dass dieser Joghurt dann auch abgelaufen ist. Übrigens diese Regelung zur Handhabung mit Mindesthaltbarkeitsdaten wurde jetzt auch auf die SB verpackte Waren im Wurstbereich ausgebreitet. Man muss aber eins auch noch wissen, die Ware bei welcher das Mindesthaltbarkeitsdatum verstrichen ist, ist nicht kaputt oder verdorben. Mindesthaltbarkeitsdatum bedeutet dass was es auch heißt, mindestens haltbar bis. Dieses Mindesthaltbarkeitsdatum ist eine Empfehlung der Industrie, des Erzeugers beziehungsweise des Verpackers. Mindesthaltbarkeitsdatum ist kein Verderbsdatum. Bei der Festlegung der oben genannten Institutionen werden automatisch ein paar Tage zusätzlich "abgezogen" um sicherstellen zu können das die Ware auch mindestens bis zu diesem Tag haltbar ist. Wir hatten auch sehr viele Kunden, die sich an unseren Mülltonnen bedient haben. Wir dürften es nicht verschenken, oder billiger verkaufen.

» kojibroj » Beiträge: 259 » Talkpoints: 4,96 » Auszeichnung für 100 Beiträge


Hm, kann man es nicht den Tafeln "spenden"? Spenden kann man ja zusätzlich absetzen...

» Midgaardslang » Beiträge: 4131 » Talkpoints: -14,08 » Auszeichnung für 4000 Beiträge



Ja, grundsätzlich war das möglich an die Tafel abzugeben, aber die wollten es nie nehmen weil sie gemeint haben dass sie so viel Ware haben dass sie selber nicht mehr wissen wohin. Als Spende kann man das nicht absetzen, da man keine Spendenquittung bekommt. Die Tafeln machen das nicht so gern, weil sie genau wissen dass die Händler froh sind wenn jemand die Ware abnimmt, man spart die Entsorgungskosten und zweitens ist es auch ein Verwaltungsaufwand eine Spendenquittung zu schreiben. Die Tafeln haben es immer so begründet, wenn sie mal was genommen haben, z.B Schokolade (da gilt eine Frist von 4 Wochen Mindesthaltbarkeitsdatum, sonst Müll -firmentinterne Anweissung), stellten aber keine Spendenquittung aus, weil sie meinten sie wüssten auch nicht ob sie alles loswerden.

» kojibroj » Beiträge: 259 » Talkpoints: 4,96 » Auszeichnung für 100 Beiträge



Na das ist ja mal gut zu wissen - ich dachte immer, die Tafeln müßten ständig sammeln usw. weil sie sowenig Unterstützung erfahren würden. So kommt`s zumindest immer rüber. Naja, ich hab auch noch keinen Obdachlosen verhungern sehen - also nicht hierzulande :D.

» Midgaardslang » Beiträge: 4131 » Talkpoints: -14,08 » Auszeichnung für 4000 Beiträge


Da nun selbst Midgaardslang darauf eingegangen ist, traue ich mich nun auch noch mal was zum Thema "Die Tafel" zu posten, auch wenn es mir als OT ausgelegt werden könnte.

Ich möchte mal anzweifeln, ob das wirklich so ist, dass die Tafeln sich eigentlich vor Lebensmitteln nicht mehr retten können...? Ich finde es gut und wichtig, dass Supermärkte ihre "Reste" nicht einfach weg werfen, sondern Bedürftigen zur Verfügung stellen! Und ich habe auch den Eindruck - ohne das durch gesicherte Aussagen festigen zu können - dass die Tafeln da dankbare Abnehmer sind. Das sollte man nicht so einfach schlecht reden!

Ob man aus dieser Sache dann einen Trend machen muss, wie das hier im Eingangsposting beschrieben ist, halte ich dann noch für viel fragwürdiger! Das grenzt dann schon an so eine ekelhafte "Geiz-ist-geil"-Mentalität und die Leidtragenden sind die, die es sich wirklich nicht leisten können, Lebensmittel ganz regulär zu kaufen.
Natürlich leben wir heutzutage im Überfluss. Und wenn ich ehrlich bin, kaufe ich auch keinen Joghurt, bei dem ich sehe, dass er in zwei Tagen abläuft. Aber ob es der richtige Weg ist, einfach nur die Reste abzugreifen? Dann sollte man lieber bewusster einkaufen, dass man am Ende nicht so viel Lebensmittel weg schmeißt und den Betrag, den man dann durch dieses bewusste Einkaufen gespart hat, lieber karitativen Zwecken zukommen lassen!


Lieben Gruß
von der kruemelfrau :winki:

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» kruemelfrau » Beiträge: 825 » Talkpoints: 6,91 » Auszeichnung für 500 Beiträge


Ein Wort noch zu den Tafeln: Ich glaube es kommt drauf an von welcher Organisation die betrieben wird also wie gut die Beziehungen zum Einzelhandel sind und in welcher Stadt die Tafel ist. Das kann regional nämlich sehr unterschiedlich sein. In manchen Städten haben die wirklich genug und in manchen reicht es vorne und hinten nicht.

Und zu diesem neuen Trend aus den USA: Also generell halte ich es natürlich für sinnvoll nicht direkt immer alles wegzuwerfen also z.B. in Bezug auf Kleidung, Möbel oder Haushaltsgeräte. Die können nämlich unter Umständen andere Leute noch gut gebrauchen und man selber findet vlt auch auf dem Sperrmüll mal einen tollen Stuhl der noch recht robust ist.
Daraus aber so eine Art Lebensphilosophie zu machen halte ich für falsch. Bei Lebensmitteln z.B. würde ich nicht sparen um jeden Preis. Die Produkte die ich kaufe und dann auch esse sollen schon gewisse Qualität haben. (das heißt nciht dass man nur Markenprodukte kaufen soll. Oft sind die NoName Produkte von ALDI oder LIDL in Tests sogar besser)

Geiz ist nicht geil. Klar muss man mit seinem Haushaltsgeld wirtschaftlich umgehen aber das heißt ja nicht dass man nur noch von den Sachen anderer leben muss. Ich halte diesen Trend für bedenklich, so wie viele andere Trends die aus den USA kommen.
Aber Trends kommen und gehen, man sollte sich nicht immer allem anschließen nur weil es gerade "IN" ist sondern seine eigene Meinung und Ansichten haben.

» Jack R » Beiträge: 1229 » Talkpoints: 0,00 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



Wie gesagt, ich finde eher, daß sich das in den USA aus vielerlei Gründen so herausgebildet hat:
- zunehmende Pauperisierung und Verelendung der US Bevölkerung
- Konsumfeindlichkeit wegen Turbokapitalismus
- Konsumfeindlichkeit aufgrund des Platzens der Konsumblase (Stichwort: Raten & Repo)
- zu geringen Teilen vielleicht auch Solidarität, Idealismus usw.

Eine Geiz ist geil Mentaität gibt es da nicht wirklich, da dort "Prestige & Reputation" sehr wichtig sind. Man bekommt also eher Respekt (Puritanisches Erbe) gezollt und Anerkennung, wenn man demonstriert, WAS und WIEVIEL man hat - und nicht, daß es wenig gekostet hat und man es dort extra billig bekommen hat, das würde das ganze wieder entwerten.

» Midgaardslang » Beiträge: 4131 » Talkpoints: -14,08 » Auszeichnung für 4000 Beiträge


Hallo, ich arbeite selber bei uns in der Stadt bei der Tafel und mich erschrickt es immer wieder, was der Einzelhandel uns alles gibt und in welchen rauhen Maßen und Mengen. Die Kolleginnen (ich steh da alleine mit meiner Meinung) haben sich erst letztlich bei unserem hiesigen Einzelhandel beschwert, dass die Ware immer so "wenig durchgeschaut"/"gammelig" (siehe Obst und Gemüse) bei uns abgegeben wird. Mir hat es wirklich leid getan, als wir letztlich 200 Töpfe mit frischen Kräutern bekommen haben. Ungefähr 20 wurden mitgenommen, der Rest musste laut der Kolleginnen in die Biotanne. Ich hätte mich gefreut, wenn man die Kräuter vor irgendeinen Laden hätte setzen können mit einem Schild "bitte mitnehmen". Letztlich hatten wir ca. 40 Packungen "Graved Lachs".
Der MHD wäre morgen oder übermorgen fällig gewesen. Die Kolleginnen haben auch diesen weggeworfen. Ich selber würde mich freuen, wenn es mehr Freegans hier in Deutschland gäbe, bzw. die Einstellung zu mindest meiner Landsleute/Dorfleute in Bezug auf Lebensmittel und ihren Wert anders wäre.

» sleepy » Beiträge: 1 » Talkpoints: 0,63 »


Also wir haben in unserer WG auch einen (wenn auch neu gestrichenenen) Schuhschrank vom Sperrmüll stehen und sind damit sehr zufrieden, es ist aber auch Wahnsinn was manche Leute so auf den Müll schmeißen.

Mit eminem Kumpel haben wir neulich ein Ikeasofa auf dem Sperrmüll gefunden was mit Filzstift vollgemalt, ansonsten allerdings neuwertig war. Bei Ikea haben wir dann für 30 Euro einen neuen Bezug bestellt und hatten wenige Tage später ein Sofa im Wert von 250 Euro für die Freundin meines Freundes. Wir machen das öfter mal wenn Sperrmüll ist, einfach mal ein wenig rumzigeunern, macht mehr Spaß als mancher denken mag.

Timberwood

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» Timberwood » Beiträge: 867 » Talkpoints: 12,81 » Auszeichnung für 500 Beiträge


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