Peinlich, als junger Mensch ein Hörgerät zu brauchen?

vom 10.09.2014, 14:12 Uhr

Ich habe nun schon über zehn Jahre ein Hörgerät, auch wenn ich noch recht jung bin. Ich habe seit meiner Geburt ein Problem mit einem Ohr und so war ich auch froh, dass ich irgendwann ein Hörgerät bekam und damit ansatzweise stereo hören kann. Es war für mich ein tolles Gefühl, weil ich die Erfahrung ja vorher gar nicht kannte, auf beiden Seiten gut hören zu können. Mir ist es auch egal, wenn andere Menschen es sehen, dass ich ein Hörgerät habe. Das passiert aber sowieso nur, wenn ich die Haare zusammengebunden habe, was nicht so oft der Fall ist.

Nun hatte ich vor einiger Zeit ein Gespräch mit einer Kundin, die bei mir Batterien für ihr Hörgerät kaufen wollte. Sie war auch noch jünger und wir kamen so ins Gespräch, als ich ihr sagte, dass ich ja auch ein Hörgerät habe. Daraufhin fragte sie mich, ob mir mein Hörgerät denn auch so peinlich sei. Ich war verwundert und konnte die Frage nur verneinen, weil ich nichts peinliches daran finden kann, wenn man ein Hörgerät braucht. Für mich ist es einfach ein Hilfsmittel, wie es zum Beispiel auch eine Brille für so viele Menschen ist.

Die Kundin konnte mir da nicht zustimmen und meinte, dass ja sehr viele Menschen eine Brille tragen und dass das nicht ungewöhnlich ist. Ein Hörgerät ist aber noch immer etwas ungewöhnlicheres, was nicht so viele Menschen brauchen. Das stimmt natürlich und außerdem meinte sie, dass sie bei anderen Menschen, die ihr Hörgerät sehen, immer denkt, dass sie denken, dass sie zu lange in der Disco war. Was andere Menschen denken, kann ich sowieso nicht ändern und so wäre es mir auch egal, wenn die Menschen so etwas denken.

Habt ihr vielleicht selber ein Hörgerät und das vielleicht auch schon in jungen Jahren? Wie fühlt ihr euch dabei? Ist es euch peinlich, ein Hörgerät zu benötigen? Wenn ja, warum ist es euch peinlich? Wenn ihr kein Hörgerät habt, wie würdet ihr euch fühlen, wenn ihr eines benötigen würdet? Wäre es euch dann peinlich, oder würdet ihr euch freuen, dass ihr wieder vernünftig hören könnt?

» Barbara Ann » Beiträge: 28945 » Talkpoints: 58,57 » Auszeichnung für 28000 Beiträge



Nicht jeder hat so ein Selbstbewusstsein, dass man mit so etwas auch gut umgehen. Ich selber habe kein Hörgerät, aber mein Cousin muss schon seit früher Kindheit eines tragen. Ich bin es also durchaus gewöhnt. Er ist damals auch locker damit umgegangen und hat sich auch gefreut etwas zu hören. In seiner Schule wurde er immer wieder darauf angesprochen und die Kinder wollten ihn auch öfters damit aufziehen, was er aber nicht zugelassen hat, da er sehr selbstbewusst ist.

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» Ramones » Beiträge: 47758 » Talkpoints: 8,52 » Auszeichnung für 47000 Beiträge


Ich glaube, dass es mir im ersten Moment schon peinlich wäre, also wenn ich die Diagnose bekomme, dass ich ein Hörgerät tragen muss. Auch wäre es mir peinlich, es meinen Freunden und meiner Familie erzählen zu müssen. Aber sobald ich mich daran gewöhnt habe, ein Hörgerät zu tragen, wäre es mir nicht mehr peinlich, denke ich.

Ich denke, es wird bei mir ähnlich sein wie mit meinem Asthmaspray. Ich habe zwei und muss das eine morgens und abends nehmen, das andere nur vor dem Sport. Erst war mir das peinlich und ich habe es manchmal auch deswegen nicht genommen. Inzwischen ist es aber normal für mich und es ist mir wichtiger, dass es mir gut geht, als schlechter Luft zu bekommen als normal. Dumme Kommentare gibt es natürlich trotzdem, aber mit denen kann ich inzwischen gut umgehen. :D

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» Fluffeltuch » Beiträge: 797 » Talkpoints: 3,85 » Auszeichnung für 500 Beiträge



Ich weiß nicht, was daran aus kopfgesteuerter Sicht peinlich sein soll. Aber letztlich ist die Kundin vielleicht noch so jung, dass sie noch in dem Alter ist, wo einem viele Nebensächlichkeiten peinlich sind? Es gibt ja auch Leute, denen eine Brille so peinlich ist, dass sie lieber Kontaktlinsen tragen, um ihre Schwäche zu verstecken.

Aber was soll denn peinlich sein? Wenn man jung ist und schlecht hört, ist das ja nicht unbedingt selbst verschuldet. Oft sind solche Hörschäden wie bei dir angeboren. Oder man hatte diverse Ohrinfektionen, die irgendwann den Apparat geschädigt haben, der fürs Hören verantwortlich ist. Ich kenne auch einen Mann, der in der Schulzeit krankheitsbendingt und durch Fehlbehandlung plötzlich das Gehör auf einer Seite verloren hat, weil das Ohr total ausgeräumt werden musste. Der hat auch lange damit gezögert, bis er sich getraut hat, ein Hörgerät zu tragen. Aber jetzt trägt er es mit Selbstbewusstsein.

Wenn ich an deiner Stelle wäre, würde ich der Kundin vielleicht zeigen, welche tollen Designs es mittlerweile gibt. So ein braunes, altmodisches Ding, das wirklich nach Omi aussieht, das muss ja heute keiner mehr tragen. Wenn man die Otoplastik nett gestalte, dann kann das ja sogar wie ein Schmuckstück aussehen. Klar zahlt das die Kasse nicht. Aber vielleicht kannst du ihr ja so etwas anbieten. Wenn man mit einem Hörgerät deutlich sichtbar ein Statement setzt, dann kommentieren vielleicht weniger Leute, als wenn man peinlich beschämt ist und es versucht, so unsichtbar wie möglich zu gestalten.

Natürlich ist es auch immer eine Frage der Finanzen, die man nicht immer hat, wenn man jung ist. Aber vielleicht kannst du ihr ja zeigen, was moderne Geräte mittlerweile können? Einige sind sogar ganz cool per Handyapp anzusteuern, was ich neulich gesehen habe. 'Andere haben sogar schon Bluetooth. Klar, das ist nichts neues für dich. Aber mit solchen Features werden sich vermutlich in Zukunft mehr junge Leute trauen, notwendige Hörgeräte zu nutzen. Und vielleicht kann sie sich ja jetzt schon auf die nächsten Geräte freuen, und was die dann alles können und das ganze etwas lockerer sehen. Hoffentlich ist sie ein wenig technikbegeistert, dass man sie so anstecken kann.

Ist sie denn die einzige Kundin in eurem Laden, die in etwa in diesem Alter ist? Ich kann mir vorstellen, dass das nicht so ist. Mittlerweile fallen mir auch immer mehr Kinder auf, die ein Hörgerät tragen und das quietschbunt ist. Ihr könntet vielleicht als Service einen Stammtisch (natürlich alkoholfrei) für junge Hörgeräteträger veranstalten und so arrangieren, dass sich junge Nutzer kennen lernen und gegenseitig austauschen. Dann fühlt sie sich vielleicht nicht so allein und kann mit anderen reden, wie die damit umgehen und wie die schlagfertig reagieren, wenn mal ein doofer Spruch zu kontern ist. Vielleicht hilft das. Und vielleicht ist das ja auch ein netter Wettbewerbsvorteil gegenüber der Konkurrenz, wenn eine junge Akustikerin so einen Service anbietet?

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» trüffelsucher » Beiträge: 12446 » Talkpoints: 3,92 » Auszeichnung für 12000 Beiträge



Ich denke ebenfalls, dass sich ein Hörgerät nicht wesentlich von einer Brille unterscheidet, auch wenn es weniger häufig auftritt. Auf den Gedanken, dass man als junger Mensch zu oft in der Disco gewesen ist, wäre ich nie gekommen. Inzwischen gibt es ja auch so unscheinbare Hörgeräte, dass man niemandem etwas davon erzählen muss.

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» ninjafan » Beiträge: 1455 » Talkpoints: -0,16 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


Letztlich ist ein Hörgerät ja auch nur ein Hilfsmittel, wie Du schon sagst. Mir selbst wäre es unangenehm, aber mir ist auch schon eine Brille unangenehm zu tragen. Zudem kommt es auch darauf an, wie sehr man das Hörgerät sieht, aber ich glaube, dass ist dann auch unter anderem wohl eine Kostenfrage? Ich habe mich letztens aber auch erst mit einem Mädchen unterhalten, welches eines getragen hatte und sie redete auch etwas komisch, woher das nun kam, kann ich nicht sagen, aber sie war mir sympathisch und man unterhielt sich halt miteinander.

Nach einiger Zeit fiel mir das Hörgerät auch gar nicht mehr so auf, obwohl es wirklich ein Riesending gewesen ist, was man ja auch nicht so häufig sieht. Es ist, denke ich, auch eine Gewöhnungssache, an sich albern, aber ich kann deine Kundin verstehen, dass sie sich dafür schämt, eines tragen zu müssen. Dabei fällt mir ein, dass ein Junge, mit dem ich öfters mal rede, auch eines hat. Bei dem ist mir das also gar nicht mal so präsent im Kopf geblieben. Vielleicht auch, weil ich mich daran gewöhnt habe und es bei ihm als normal ansehe, dass er es trägt, da gucke ich jedenfalls nicht mehr drauf, wenn ich mit ihm rede.

Ich selbst würde versuchen, ein möglichst wenig sichtbares zu bekommen, wenn es denn gehen würde. Aber ich kann mir nicht groß vorstellen, dass ich da so nachlässig wäre, wie mit einer Brille. Denn Hören ist für mich sehr wichtig, vielleicht auch, weil ich nicht so weit sehen kann.

» ygil » Beiträge: 2551 » Talkpoints: 37,52 » Auszeichnung für 2000 Beiträge


Es ist vor allem für einen Jugendlichen sicherlich nicht gerade toll, wenn man ein Hörgerät tragen muss. Aber es gibt definitiv schlimmere Dinge, die einem passieren können. Nach einer Zeit hat sich daran sowieso jeder gewöhnt und es fällt gar nicht mehr auf, im Prinzip also wie bei Brillenträgern. Frauen können zudem ihre Haare über das Hörgerät legen, sodass es auf den ersten Blick überhaupt nicht auffällt.

Mir wäre es jedenfalls nicht peinlich, denn wenn ich mit einem beeinträchtigtem Gehör geboren wurde, kann ich für mein Schicksal ja absolut nichts. Jeder Mensch ist eben anders und das sollte man akzeptieren. Ich würde mich in erster Linie vor allem darüber freuen, besser hören zu können und dieses Anliegen sollte unter allen Umständen einen höheren Stellenwert als das Aussehen einnehmen.

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» Synchro » Beiträge: 1641 » Talkpoints: 0,13 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



Ich benötige zum Glück noch kein Hörgerät. Da ich allerdings viel Musik mache und auch mit Kindern musiziere, muss ich auf mein Gehört achten. Wenn es mir zu laut wird, setzte ich Ohrstöpsel ein. Am Anfang fanden das die Kinder schon etwas lustig, aber ich habe ihnen erklärt warum ich diesen Gehörschutz trage.

Ich finde es auch nicht peinlich ein Hörgerät zu tragen. Mittlerweile gibt es so kleine Einsätze, die man fast gar nicht sieht. Und selbst wenn man sie sehen würde, fände ich es nicht schlimm. Zumindest ist das meine Meinung im Moment. Vielleicht ist es doch etwas anderes, ob man wirklich welche hat.

Frauen haben es einen Tick leichter als Männer. Bei Frauen helfen etwas längere Haare beim Verdecken der Hörgeräte. Dann sieht man wirklich gar nichts mehr.

» Youdid » Beiträge: 421 » Talkpoints: 4,87 » Auszeichnung für 100 Beiträge


Die moderne Technik hat ja glücklicherweise auch Hörgeräte hervorgebracht, die so klein sind, dass man sie kaum sieht, nur kann diese Modelle wohl nicht jeder tragen, aber da wird es sicher weitere Fortschritte geben. Ich denke eigentlich nicht, dass mir ein Hörgerät peinlich wäre, denn eigentlich sehe ich darin nichts großartig anderes als in einer Brille (die ich aber auch nicht brauche, von daher kann ich das vielleicht gar nicht richtig beurteilen). Ich tendiere aber eher dazu, dass ich kein Problem damit hätte und wenn andere Leute ein Problem damit hätten, dass ich ein Hörgerät trage, dann hätten sie es halt, die könnten mir dann einfach gestohlen bleiben.

Wie man sich damit fühlt, hängt aber auch immer davon ab, wie die Mitmenschen damit umgehen. Manchmal kann auch eine Brille als Anlass genommen werden, dass ein Kind oder ein Jugendlicher von seinen Mitmenschen so sehr gehänselt wird, dass er lieber halb blind durch die Gegend läuft, als seine Brille aufzusetzen. Mit einem Hörgerät kann es einem natürlich noch schlimmer gehen, aber im Erwachsenenalter wird sowas zum Glück besser, da man es irgendwann auch einfach kindisch findet, andere zu hänseln.

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» Jessy_86 » Beiträge: 5456 » Talkpoints: 0,18 » Auszeichnung für 5000 Beiträge


Gerade, wenn man mit einem Hörgerät aufwächst, hat man vermutlich einen anderen Umgang damit, als, wenn man es erst ab einem gewissen Alter bekommt und dann sogar noch mitten in der Pubertät steckt. So könnte man ja auch andere Erkrankungen als Peinlichkeit betrachten, die es anderen Hilfsmitteln bedarf. Man kann ja letztendlich froh sein, dass es explizit und generell solche Hilfsmittel gibt und man nicht noch mit einem anderen Gerät hantieren muss, bei denen es einfach auffälliger ist. Immerhin sind die Hörgeräte ja doch recht diskret und meines Wissens kommt es dazu, dass sie sich noch einmal individuell anpassen lassen und man somit auch ein gewisses Mitspracherecht, wenn man leider darauf angewiesen ist.

Sicherlich ist es als Kind recht einfach, ein anderes Kind auf dessen körperliche und dazu noch sichtbare Beeinträchtigung anzusprechen und es womöglich leider auch zu verspotten. Ich denke, wenn es immer wieder zu solchen Frotzeleien kommt, die nun einmal wehtun, kann ich es schon nachvollziehen, dass man dann nicht selbstbewusst mit umgehen kann und sich dadurch eine Art Scham entwickelt. Als Erwachsener mag es anders sein, aber selbst da ist man vor Anfeindung nicht gefeit.

Ich kann nicht sagen, wie ich mich fühlen würde, hätte ich ein Hörgerät und schon gar nicht kann ich mich in die Situation eines Kindes hineinversetzen, welches ein Hörgerät trägt. Vorstellen kann ich es mir schon, aber mehr eben auch nicht. Letztendlich kann man dem Kind nur helfend und unterstützend zur Seite stehen, und es merkt ja auch selbst, ob es Sinn macht, so etwas zu tragen. Hört es besser, kann ein Kind besser Kontakte knüpfen und verbal kommunizieren, trägt es keines, kann es unter Umständen solchem Spott aus dem Weg gehen. Aber wer weiß, ob es dann nicht andere "Schwachstellen" gebe, an denen sich die Spötter hochziehen.

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» *steph* » Beiträge: 18439 » Talkpoints: 38,79 » Auszeichnung für 18000 Beiträge


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