Fühlt ihr euch in eurem Tun und Handeln vollends frei?
Wenn man 18 wird, dann denkt man, dass sich die Welt für alles öffnet und dass man endlich tun und lassen kann, was man will. Kaum aber ist man 18, ist man schnell auf dem Boden der Tatsachen zurück und sieht, dass es doch nicht so ist, dass man in seinem Tun und Handeln doch nicht vollends frei entscheiden kann. Fühlt ihr euch in eurem Tun und Handeln vollends frei oder sehr ihr es wie ich, dass man auch wenn man noch so alt ist irgendwie immer in einer Art Zwangsjacke steckt, weil man eben nicht frei handeln und alles machen kann?
Habt ihr Beispiele dafür, worin man doch eingeschränkt ist und nicht frei handeln kann? Ich gebe in meinem Eingangsbeitrag hier extra keine Beispiele, damit offen bleibt, worin man beschränkt ist und nicht nur auf meine Beispiele eingegangen wird.
Ich glaube, dass ich mich in allererster Linie selbst in meiner Freiheit beschneide. Eigentlich ist mein ganzes Leben wie ein riesiger goldener Käfig aus Vernunft, in dem ein kleines Herzchen flattert und immer mal wieder den Ausbruch versucht. Was ich damit meine ist, dass ich mein Leben so lebe, wie ich glaube, dass es vernünftig ist und nicht so, wie ich es mir wünschen würde um vollends glücklich sein zu können. Das fängt beim Einkaufen an -bloß nichts Sinnloses kaufen und bloß nicht in den Dispo rutschen- und hört bei der Berufswahl auf. Ich habe studiert, habe momentan einen wirklich guten Job - aber hätte ich frei von Vernunft und nur nach dem Herzen entschieden, dann wäre ich heute ganz woanders.
Sicherlich kann man sich auch durch die Gesellschaft oder natürlich durch die Gesetze eingeschränkt fühlen, allerdings habe ich damit eher weniger Probleme, weil ich bisher nicht das Bedürfnis hatte, etwas zu tun, das sich damit nicht vereinbaren lässt. Insofern ist meine Zwangsjacke, wie du es nennst, ganz klar mein Kopf, der mich nicht frei sein lässt.
Grundsätzlich ist erst mal die Grenze der Welt dein Käfig, oder nicht? Aber ich gebe dir vollkommen Recht, so einfach ist das nicht. Du wirst immer beschränkt bleiben in deinem Tun und zwar nicht nur durch Gesetze. Man passt sich eben an und ich finde, dass schon die Gesellschaft ein gewisses Korsett anzieht. Wenn dir egal ist, was andere denken, hast du da schon mehr Spielraum, aber es gibt immer Grenzen.
Und noch was: zur Volljährigkeit gibt es nicht nur mehr Rechte, sondern auch Pflichten. Leichter wird es auf jeden Fall nicht. Und wenn du dann irgendwann Familie hast oder etwas in der Art, gibt es noch mehr Einschränkungen (das meine ich nicht nur negativ!). Du musst dann eben gleich für zwei oder drei denken. Aber dennoch, solange du zufrieden ist, musst du dir da keine Gedanken drum machen und dir damit das Leben schwer.
Niemand ist in seinem Tun und Handeln völlig frei. Daran hindern einen schon die natürlichen Bedürfnisse wie Essen, Atmen und Trinken. Aber es gibt gewiss spezielle Grade von Freiheit. Ich habe mich in meinem Leben unterschiedlich frei gefühlt. Immer wenn ich die Wahl zwischen vielen verschiedenen Möglichkeiten habe, fühle ich mich frei. Unfrei fühle ich mich, wenn ich in einer Position verharren,muss, die mir nicht passt. Im Moment bin ich relativ unfrei, weil ich in einer zu teuren Wohnung wohne, diese aber nicht verlassen kann, bis mein jüngster Sohn dieses Jahr sein Abitur gemacht hat. Bis dahin muss ich noch hier verharren.
Ich muss sagen, dass ich mich in meinem Tun und Handeln leider gar nicht frei fühle. Der größte Grund dafür sind meine Eltern. Obwohl ich nun zweiundzwanzig Jahre alt bin, behandeln mich meine Eltern immer noch wie ein kleines Kind. Ich darf weder laut Musik hören, noch Freunde mit nach Hause bringen, wenn ich Lust darauf habe. Außerdem reagieren meine Eltern ständig gereizt und sauer, wenn ich ihnen sage, dass ich über Nacht wegbleibe. Von daher entscheide ich mich manchmal dazu, lieber in der Nacht nach Hause zu kommen, bevor ich mir wieder Vorwürfe anhören muss. Genauso entscheide ich mich im Sommer auch oftmals für einen längeren Rock oder für flache Schuhe, wenn meine Mutter mich mit missbilligenden Blicken straft. Anstatt meine Mutter wieder einmal zu reizen und womöglich noch einen Streit hinauszuzögern, ziehe ich nicht das an, worauf ich wirklich Lust hätte.
Um von meinen Eltern unabhängiger zu werden, habe ich mir eine WG gesucht. Leider kam ich ziemlich schnell auf den Boden der Tatsachen, da ich schnell merkte, dass ich mich in einer WG auch nicht frei fühle. Ich kann ebenfalls nicht laut Musik hören und am Abend muss man leise sein, wenn die anderen schlafen wollen. Auch muss ich dann aufräumen, wenn ich Dreck gemacht habe und nicht dann, wenn ich es will. Von daher ist eine WG leider auch keine richtige Lösung für mich. Und für eine eigene Wohnung reicht mein Geld ganz einfach nicht.
Abgesehen von meinen Eltern und meinen Mitbewohnern fühle ich mich auch von mir selbst eingeschränkt. Ständig zwinge ich mich dazu, zu lernen, zu arbeiten und zu tun. Zeit für mich allein gönne ich mir so gut wie nie. Das finde ich eigentlich sehr schade, wobei ich denke, dass es einfach nicht anders geht. Es wäre mir auch einfach zu riskant, mir einfach die Zeit zu nehmen, um mein Leben so richtig genießen zu können. Ich hätte Angst, im Studium zu versagen, weil ich nicht genügend gelernt habe. Von daher setze ich mir auch weiterhin regelmäßig selbst strenge Grenzen.
Nein, natürlich nicht, das ist niemand, der nicht gerade in einer Blockhütte in Alaska lebt und sein Essen selber jagt. Und selbst der darf das Feuer nicht ausgehen lassen und muss regelmäßig Wasser holen. Ich halte die Vorstellung, dass jemand wirklich völlig frei und unabhängig von anderen Menschen lebt, für eine reine Illusion.
Als Bewohnerin der westlichen Welt genieße ich natürlich mehr Freiheiten als die meisten Menschen, gerade wenn man sich die Frauen anschaut. Ich kann arbeiten, was und wo ich will, meinen Wohnort und meinen Familienstand frei wählen, Auto fahren, alleine reisen und meinen Horizont mit allen möglichen Medien so weit erweitern, wie es nur geht. All dies ist mitnichten selbstverständlich.
Aber mit diesen Freiheiten kommen eben auch Verpflichtungen. Natürlich könnte ich mich von meiner Familie lossagen und die Welt bereisen, bis mir das Geld ausgeht. Oder ich könnte mir einen Bauwagen kaufen, meinen Job kündigen und meinen Lebensunterhalt mit Pfandsammeln bestreiten. Aber selbst dann bin ich noch von anderen Menschen abhängig. Schließlich muss jemand das Flugzeug nach Neuseeland auch fliegen bzw. die Flaschen kaufen. Und spätestens wenn ich alt und/oder krank werde, ist es mit der Illusion der Freiheit und Unabhängigkeit ohnehin vorbei.
Das ist ein interessantes Thema, welches auch oftmals sehr kontrovers diskutiert wird. Meine Lebensgefährtin ist Lehrerin und hat, was die Arbeitszeiten betrifft, ein wirklich gutes Arbeitsleben und wird recht gut dafür bezahlt. Wenn ich mit ihr darüber rede, dass es andere nicht so gut haben, beispielsweise Jemand der als Bauzeichner in einem Architekturbüro arbeitet, wo er der Willkür des Chefs ausgeliefert ist und Arbeitnehmerrechte mit Füssen getreten werden, so kontert sie immer damit, dass ja jeder die Freiheit besitzt, sich seinen Beruf selber auszusuchen. Ich sehe das nicht so wie sie, und deshalb gibt es oftmals heftige Kontroversen.
Ich weiß natürlich, dass man mit Fleiß und Willen sich aus den widrigsten Verhältnissen hochkämpfen kann. Aber es gibt Umstände, da ist man eben nicht frei in seinem Handeln. Was ist denn, wenn eine Frau alleinerziehende Mutter ist? Kann sie dann so einfach mal umschulen oder anfangen zu studieren? Oder wenn man Jemanden pflegen muss. Oder haben die verhungernden Kinder in Afrika eine andere Wahl als von einem Tag zum nächsten dahinzuvegetieren? Manchmal sind die Zwänge hausgemacht.
Wenn man sich die Bürde auflastet zum Beispiel, sich ein Haus zu bauen und dadurch erst einmal Jahrzehnte verschuldet ist. Man gibt dann seine Freiheit auf und ist einem potentiell schlechten Arbeitgeber ausgeliefert, weil eine Kündigung den Verlust dessen bedeutet, was man sich aufgelastet hat. Also Freiheit und Unabhängigkeit: Prinzipiell ja, aber praktisch kaum zu erreichen.
Ich bin ebenfalls nicht vollends frei. Denn zum einen muss ich arbeiten gehen damit ich auch etwas zum wohnen und zum fressen habe und kann nicht den ganzen Tag das machen was ich gerne würde, da es eben nicht finanziell vergütet wird. Zum anderen habe ich selbst an mich auch gewisse Ansprüche und Erwartungen wie andere Menschen auch.
So kann ich nicht sagen, dass ich im Bett liegen bleiben will und weiter schlafen wenn morgens um 3:30 Uhr mein Kind vor mir steht und Frühstück fordert. Da wird von mir erwartet, dass ich aufstehe und das auch mache. Im Zweifel mit Nachdruck mit hüpfen im Bett, bis ich aufstehe und somit ist das auch nicht mein Wille, sondern das ganze wurde mir aufgezwungen von einer anderen Person.
So kann man das durch das komplette eigene Leben ziehen. Autofahren kann ich auch nicht wie ich will, dazu herrschen Verkehrsregeln und Gesetze. Ich kann nicht jemanden der mir auf den Keks geht die Waffe an die Stirn setzen und abdrücken, da ich auch in dieser Hinsicht beschnitten worden bin in meiner Freiheit und meiner Handlungsweise die ich gerne machen würde. Nimmt man das nun alles zusammen, dann ist niemand von uns frei - jedenfalls so lange nicht, solange er Bestandteil einer Gesellschaft ist oder sich oder einer anderen Person gegenüber Verpflichtungen hat Lebt man alleine in Alaska auf seiner Eisscholle auch dann ist man nicht wirklich frei, denn auch dann muss man Eisbären jagen für eine warme Jacke und Fisch angeln zum fressen.
Gerbera hat geschrieben:Ich halte die Vorstellung, dass jemand wirklich völlig frei und unabhängig von anderen Menschen lebt, für eine reine Illusion.
Der Ansicht bin ich offen gestanden auch. Irgendetwas ist doch immer, selbst wenn man alleine leben sollte und für sich selbst verantwortlich ist und (theoretisch) tun und lassen kann was man möchte. Sogar wenn man alleine lebt, muss man Rücksicht nehmen und bestimmte Regeln befolgen und kann nicht alles machen was man möchte, weil es sonst Stress mit den unmittelbaren Nachbarn gibt. Diese Regeln stehen zwar in keinem Gesetzesbuch und sind quasi ungeschriebene Gesetze, aber sie sind notwendig, damit das soziale Miteinander funktioniert. Ich glaube die alte Dame direkt unter mir würde ziemlich auf die Barrikaden gehen, wenn ich auf die Idee käme, mitten in der Nacht eine Party zu schmeißen oder einen lauten Karaoke-Abend veranstalten würde.
Auch wenn man keine Verantwortung für andere Menschen übernehmen muss (Kinder etc.) kann man nicht machen was man will. Wenn meine Chefin sagt, dass diese oder jene Aufgabe bis zum Stichtag X fertig sein muss, aus welchen Gründen auch immer, dann muss ich zusehen, das ist ja wohl logisch. Schließlich ist das mein Job und ich werde damit bezahlt und wenn ich dafür Überstunden machen muss und weniger Freizeit habe, gefällt mir das auch nicht, aber ich bin nunmal abhängig von meinem Job, da ich nicht auf Staatskosten leben möchte und für mich selbst sorgen möchte.
Als Schüler oder Student ist es ähnlich, man muss sich für Klausuren vorbereiten, Präsentationen, Hausarbeiten und kann nicht immer machen, wonach einem ist. Oder zeigst du dem Dozenten den Stinkefinger und streckst die Zunge heraus, wenn er eine Aufgabe bis zum Tag X fertig haben will und du hast aber "besseres" zu tun?
Aber selbst wenn man diese Aspekte alle ausklammert, bin ich immer noch nicht komplett frei in meinem Tun und Handeln. Es kommt oft vor, dass ich gerade in mein Hobby vertieft bin und nichts lieber täte, dann aber feststellen muss, dass mein Magen knurrt oder ich andere Grundbedürfnisse wie Schlafen habe, die erfüllt werden müssen. Daher finde ich es ziemlich albern, sich der Illusion hinzugeben, dass man überhaupt auch nur ansatzweise frei in seinem Handeln sein könnte.
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