Vertraut ihr einem Chirurgen mit Tourettsyndrom bei der OP?

vom 03.01.2012, 18:26 Uhr

Nicht jeder weiß, was sich dahinter verbirgt, wenn man von einem Menschen mit obszönen Gesten oder Worten belästigt wird. Es kann sich um das Tourettsyndrom handeln. Es handelt sich um eine neurologische Krankheit. Es sind Zwangshandlungen und Zwangsgedanken, die den so Erkrankten dazu veranlassen, obszöne Worte von sich zu geben, bellende, schreiende, grunzende oder quiekende Laute auszustossen. Eine Zwangshandlung ist es auch, andere Menschen kurz zu berühren, anzutippen. Tics sind unter anderem mit den Augen blinzeln, Hüpfen, Grimassen schneiden, mit den Schultern zucken, Husten und Laute imitieren. Es ist keine psychische Krankheit, wie schnell mal angenommen wird, sondern eine organische, wahrscheinlich eine Gleichgewichtsstörung zwischen Serotonin und Dopamin, oder anderen Hirnbotenstoffen. Eine eindeutige Diagnose zu stellen, dauert lange. Diese Krankheit finden wir auch bei einigen Prominenten in Deutschland und den USA: Musiker, Basketballstar, Chirurg, Pädagoge, Ingenieur.

Ein betroffener Student sagt, dass es besser ist, offen mit der Krankheit umzugehen. Wenn er während der Vorlesung plötzlich anfängt zu bellen, interessiert es niemanden. Dann geht es schnell vorbei. Ist aber jemand genervt, wenn er gezielt angemacht wird und regt sich auf, hält auch der Tic länger an, bis es der anderen Person gleichgültig wird. Auch dieser Student studiert Medizin, obwohl er mit Pädagogik angefangen hatte. Das wohl als Lehrer nicht gut geht.

Wie geht ihr damit um, wenn ihr wüsstet, dass ihr von einem Chirurgen operiert werden sollt, weil er der Beste auf seinem Gebiet ist, er aber ein Tourettsyndrom hat? Hättet ihr da Angst, dass während der Operation etwas passiert, wodurch seine Hand unruhig wird? Vielleicht ist es noch wissenswert, dass ein Tic mit etwas Übung einige Zeit unterdrückt werden kann, sich aber später umso schlimmer äußert. Ein Chirurg könnte es also tagsüber für Stunden schaffen, völlig beschwerdefrei seinen Beruf auszuüben und später erst seinen Tic bekommen. Hättet ihr Vertrauen zu ihm?

Ich habe gehört, dass mal eine Sendung lief in der gesagt wurde, dass die an Tourett erkrankten Personen sich die Schimpfwörter aussuchen, die ihnen die Eltern in der Kindheit verboten hatten und immer wieder verbieten mussten. Wenn man das weiß, müsste es bei Kindern, bei denen man annimmt, dass sie diese Krankheit haben im Anfangsstadium, ihnen andere Worte verbieten, um zu erreichen, dass sie später keine Schimpfwörter ausstoßen. Meint ihr, dass das möglich sein könnte? Auf der anderen Seite las ich aber auch, dass sie sich passende Worte aussuchen mit denen sie meinen, den anderen bis ins Innere zu treffen.

» Cid » Beiträge: 20027 » Talkpoints: -1,03 » Auszeichnung für 20000 Beiträge



Dieser Fakt kann schon erst einmal nicht so passieren, denn mit einer solchen Vorgeschichte wird man einen solchen Beruf nicht ausüben können. Wie soll das denn gehen? Man muss nämlich eine Anzahl von Operationen mit durchführen, um überhaupt einen Abschluss zu bekommen sprich OP Katalog. So könnte ja auch ein Rollstuhlfahrer einen solchen Beruf ausüben. Aber was soll das den in der Praxis für einen Sinn machen? Es müsste in jeden Fall noch eine zweite Person mit dazu eingesetzt werden.

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» karlchen66 » Beiträge: 3563 » Talkpoints: 51,03 » Auszeichnung für 3000 Beiträge


Ich kann mir auch nicht vorstellen, das jemand der am Tourette- Syndrom leidet so einfach Chirurg werden darf. Ich habe schon einige Berichte über diese Krankheit gesehen, und alle Personen über die berichtet wurde, waren Frührentner, da sie nicht in der Lage waren zu arbeiten. So ein Tick kann vielleicht einige Minuten unterdrückt werden, aber bestimmt nicht über Stunden. Meistens sind die Menschen auch körperlich eingeschränkt wenn sie diese Ticks haben, weil der Körper sich auch verkrampft. und diese Menschen deswegen schon nicht arbeiten können.

Wie kommst du also auf die Frage ob man sich von so einem Menschen operieren lassen würde. Deine Frage ist also komplett überflüssig, denn ein an so einer Krankheit leidender Mensch würde nie eine Zulassung als Arzt bekommen weil es unverantwortlich wäre. Medikamentös können solche Menschen auch nicht behandelt werden, bis jetzt gibt es nur ein Medikament welches manchen Tourette-Patienten hilft, und das war Marihuana, welches die Patienten aber nicht von der Krankenkasse bezahlt bekommen, sondern sie in der Apotheke bestellen müssen und dann aus eigener Tasche bezahlen müssen, und das war auch nicht gerade billig, weil es extra für kranke Menschen angepflanzt wird.

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» Wennie4 » Beiträge: 1754 » Talkpoints: 6,72 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



Ein Operationsteam besteht immer aus mehreren Ärzten und OP-Schwestern. Das heißt, dass im Notfall – ich gehe jetzt mal von einem ganz normalen Fall aus, der immer mal passieren kann – stets ein anderer Arzt weiter operieren kann. Natürlich wird dieser Mediziner Operationen durchführen können, denn wenn er einen Tic hat, wird der nicht wie ein Schluckauf jederzeit über ihn herfallen. Ich schrieb ja, dass ein TS-Kranker in der Lage sein kann, dieses Syndrom zeitlich zu manipulieren. Wenn du allerdings der Meinung bist, ein Rollstuhlfahrer sei ihm gleichzusetzen, dann müsstest du erst einmal sagen, ob der auch in der Lage ist, seine Beine so zu beeinflussen, dass er zeitweise stehen kann. Wie das gehen soll, da bin ich überfragt.

Der Chirurg, von dem ich berichtete, ist Dr. Mortan Doran, Calgary, Kanada. Er führte tagsüber schwierige Operationen durch und abends wurde sein TS schlimmer. Mittlerweile operiert er nicht mehr, weil er älter geworden ist. Aber das TS ist besser geworden, was meistens im Alter der Fall ist. Einen Bericht über ihn schrieb ein berühmter Nervenarzt aus Amerika 1993 im GEO-Magazin, der außerdem Schriftsteller ist. Es handelt sich um Professor Dr. Sacks, der selbst vom TS betroffen ist.

» Cid » Beiträge: 20027 » Talkpoints: -1,03 » Auszeichnung für 20000 Beiträge



Also wenn ein Chirurg mit Tourette-Syndrom so schon ein sehr angesehener, als talentiert geltender, Operateur wäre, dann hätte er doch bewiesen, dass er trotz seiner Krankheit in seinem Beruf sehr gut arbeiten kann. Was spräche dann dagegen, sich von ihm operieren zu lassen? Zumal ja, wie auch schon geschrieben wurde, eine Operation von einem Team durchgeführt wird. Es könnte also notfalls noch eine andere Person übernehmen. Ich hätte daher keinerlei Bedenken, von einer Person mit Tourette-Syndrom operiert zu werden.

Die Sache mit den Schimpfworten ist mir aber, um ehrlich zu sein, noch immer sehr rätselhaft. Ich habe da schon öfters drüber nachgedacht, wieso es bei einigen Patienten ausgerechnet Schimpfwörter sind. Also, mal im Vergleich zu Tourette-Erkrankten, die einfach "nur" aufschreien, das gibt es ja auch. Ich weiß nämlich nicht so genau, ob ein Gehirn erst einmal überhaupt zwischen Schimpfwörtern und anderen Wörtern emotional unterscheiden kann. Möglich wäre es allerdings. Doch, das könnte plausibel sein, dass das Gehirn auf solche Wörter bei einem Anfall automatisch zurück greift, die im Gedächtnis als negativ konnotiert emotional abgespeichert sind.

Die Aussage, dass aber gezielt Schimpfwörter gewählt würden, um das damit angesprochene Gegenüber besonders heftig zu verletzen, würde hingegen ein ganz anderes Bild auf die Krankheit werfen, finde ich zumindest. Dann ginge ja nämlich diese Unkontrolliertheit und Willkürlichkeit des Schimpfwortgebrauchs verloren. Es wäre dann ja ein gezieltes Beschimpfen, das quasi nur nicht unterdrückt wird. Denn Menschen würde dann also bloß die Fähigkeit fehlen, ihren Zorn zu kontrollieren. Das ist ja nun doch etwas ganz Anderes. Außerdem äußern Tourette-Erkrankte Schimpfwörter, wenn sie denn überhaupt Schimpfwörter rufen, nicht immer nur gegenüber anderen Personen aus, sondern auch in Situationen, bei denen niemand direkt angesprochen wird. Da kann dann ja niemand genau seinem wunden Punkt entsprechend beschimpft werden. Daher meine ich, passt diese Theorie doch irgendwie keineswegs.

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» Wawa666 » Beiträge: 7277 » Talkpoints: 23,61 » Auszeichnung für 7000 Beiträge


Da Tourette kein rein körperliches Problem ist, warum sollte ein Mensch mit der Erkrankung oder nennen wir es Beeinträchtigung, keinen Beruf erlernen können, der körperliches Geschick erfordert? Tourette heißt ja nicht das man dumm ist. Tourette heißt auch nicht zwingend, dass man körperlich beeinträchtigt ist. Die aufgezählten Tics können, müssen aber nicht auftreten.

Ein Studium der Medizin erfordert einiges an Leistung. Nicht nur ein geistiger Leistung, auch an körperlicher Leistung. Genauso müssen praktische Ausbildungsphasen durch laufen werden, die noch dazu bewertet werden. Wenn nicht ein Minimum an Leistung erbracht werden kann, besteht ein Arzt seine praktische Ausbildung gar nicht und wird auch nie als praktizierender Arzt arbeiten können.

Wenn ich eine Operation bräuchte und mich würde jemand operieren, der sein Fach eindeutig sehr gut versteht, aber halt dazu neigt mich während der Operation mit Schimpfworten zu betiteln, kann mir das egal sein, weil ich es wahrscheinlich eh nicht aktiv mitbekommen würde. Und so lange er seinen Job gut macht, kann ich damit leben. Macht er ihn nicht gut, ist es fraglich, ob ich dann noch lebe.

Davon mal abgesehen, heute sind viele behinderte Menschen ins Berufsleben integriert. Oftmals sicherlich auch, um die Schwerbehindertenquote zu erfüllen. Menschen die eine Behinderung haben, die Hilfsmittel erfordert, die bekommen diese auch im Arbeitsalltag zur Verfügung gestellt. Die Technik auch in einem Operationssaal ist nicht mehr nur noch auf die Hände fixiert. Auch hier helfen mittlerweile schon diverse technische "Spielereien" die Arbeit des Operationsteams zu unterstützen. Sollte es wirklich während einer Operation überraschend zu Komplikationen kommen, wird mit Sicherheit gehandelt werden. Auch bei gesunden Operateuren kann es zu überraschenden Komplikationen kommen.

» XL » Beiträge: 680 » Talkpoints: -0,02 » Auszeichnung für 500 Beiträge


Nein, wenn ich das mitbekommen würde dann würde ich eine Operation durch diesen Arzt ablehnen. Gerade das Tourette-Syndrom ist durch den Betroffenen oft auch nicht durch Medikamente kontrollierbar und es äußerst sich nun einmal meistens durch unkontrollierte Körperbewegungen. Die Beschimpfungen könnte ich ja übergehen wenn der Arzt unter diesem Symptom leiden würde, aber meistens tritt das ja nie alleine auf. Ich denke auch dass ein Arzt im OP nicht mehr tragbar ist und auch durch die Klinikleitung dort nicht mehr eingesetzt werden dürfte.

Das mit dem speziellen Aussuchen der Schimpfwörter habe ich noch nie gehört, möglich kann es aber durchaus sein. Allerdings passt es dann nicht mit der These dass es sich um keine psychische Erkrankung handelt.

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» hooker » Beiträge: 7217 » Talkpoints: 50,67 » Auszeichnung für 7000 Beiträge



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