Das Leben auf der Straße

vom 17.10.2010, 20:17 Uhr

Ich habe auch schon oft darüber nachgedacht, wie das Leben auf der Straße wohl sein mag. Eine Bekannte von mir hat als Teenager selbst über zwei Jahre auf der Straße gelebt, war dabei aber weit von dem üblichen Penner-Image entfernt. Sie ist zur Schule gegangen und hat zumindest einen recht guten Realschul-Abschluss gemacht, während sie auf der Straße und im Zelt gelebt hat. Ich bin aber grundsätzlich der Meinung, dass in Deutschland niemand auf der Straße leben muss.

Ich würde selbst auch gerne mal für ein paar Wochen auf der Straße leben. Das ist ein Wunsch, den ich schon seit mehreren Jahren mit mir herumschleppe und sicher auch mal umsetzen werde. Natürlich wäre das nicht mit dem Leben eines "richtigen" Obdachlosen zu vergleichen, da es für mich eine Grenzerfahrung wäre, ich aber dennoch jederzeit wieder in mein komfortables Leben zurückkehren könnte. Als interessante und zuweilen sicher auch erschreckende Selbsterfahrung fände ich das Ganze sehr ansprechend. Ich finde daher auch das Beispiel von blueberlin49 sehr spannend, in dem ein Arzt für einen Monat auf der Straße leben wollte - vielleicht haben die Leute aus dem medizinischen Bereich hierzu eine besondere Affinität.

Als Experiment ist so etwas sicher gut, vor allem auch, weil man die Sache jederzeit abbrechen kann. Ich habe auch schon häufiger in alten Industrieanlagen übernachtet. Das fand ich einfach spannend, auch wenn es dem richtigen Leben auf der Straße nicht wirklich nahe kommt. Nach einer Übernachtung auf dem Dach eines Abbruchgebäudes oder in einem Windenhaus sind wir einfach wieder ins Auto gestiegen, konnten uns zu hause duschen und dann schön brunchen gehen. Auf der Straße sieht das schon anders aus, gerade wenn man nicht nur für einen begrenzten Zeitraum obdachlos ist. Dauerhaft auf der Straße zu leben, käme für mich allerdings nicht in Frage. Es gibt genug Auffangnetze, so dass man wirklich nicht auf der Straße landen muss. Wer unfreiwillig auf der Straße lebt, tut das vor allem aus eigener Schuld heraus.

Obdachlos zu sein ist weiterhin ein Leben, denn das meiste von dem, was man hinter sich lässt, ist streng genommen überflüssiger Luxus. Ich liebe den Luxus, warmes und sauberes Wasser zum Baden nutzen zu können, ein Auto zu fahren, Essen aus dem Kühlschrank nehmen und auf dem Herd zubereiten zu können und abends in ein warmes Bett schlüpfen zu können. Das sind alles Dinge, die man aufgibt, wenn man auf die Straße geht. Im Grunde genommen braucht ein Mensch nicht viel, aber das meiste von dem, mit dem wir uns umgeben, ist aus dem Leben kaum noch wegzudenken. Wirklich wichtig sind nur die Dinge, die Menschen und ihre Vorfahren auch zu Beginn der Menschheit brauchten - Nahrung, ein Platz zum schlafen und ein soziales Umfeld. Diese Dinge kann es auch auf der Straße geben, alles andere ist Luxus - nur, dass wir ihn nicht mehr als solchen erkennen, sondern als Selbstverständlichkeit.

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» Cologneboy2009 » Beiträge: 14210 » Talkpoints: -1,06 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



Das Leben auf der Straße ist meiner Meinung nach in keiner Hinsicht besser als das "normale" Leben. Draußen hat man im Winter keine Wärme,im Sommer keinen Wasserhahn aus dem kaltes,frisches Wasser kommt. Ich höre oft in Berichten, dass Obdachlose sich damit rechtfertigen, dass man auf der Straße einfach frei sei und tuen und machen könne was man will. Falsche Aussage - selbst für Obdachlose gilt das deutsche Gesetz :roll:.
Obdachlosigkeit ist meist damit verbunden, dass man kaum oder auch kein Geld zur Verfügung stehen hat. Die Folge ist das "Schnorren" bei anderen Leuten. Für mich würde das selbst in der größten Notsituation nicht in Frage kommen. Hinzufügend kann man nicht einwandfrei hygienisch sein, wenn man auf der Straße lebt, man fängt sich leicht Krankheiten ein und in der Gesellschaft gehört man zu den unbeliebtesten Menschen überhaupt.
Ich sehe einfach nichts Positives dabei Obdachlos zu sein. Von daher würde ich mir das Leben als Obdachloser schlicht und einfach grausam vorstellen.

» aris18 » Beiträge: 431 » Talkpoints: 1,68 » Auszeichnung für 100 Beiträge


Im Sommer stelle ich mir das Leben auf der Straße durchaus noch erträglich vor: Man kann sich in Flüssen oder Brunnen waschen ohne dabei fast zu erfrieren - man muss generell nicht frieren. Die Menschen haben bessere Laune und geben eher etwas Geld. Wenn man schläft muss man sich nicht darum sorgen, ob man am nächsten Tag noch aufwacht.

Im Winter jedoch stelle ich es mir grausam vor und ich gaube nicht, dass ich einen Winter als Obdachloser überleben würde, wenn es wirklich harte Nächste gibt (wie letztes Jahr in der Märznacht bei -27 Grad). Auf jeden Fall würde ich dem Alkoholismus verfallen.

Generell dürfte es nicht das größte Problem sein, etwas Nahrung aufzutreiben, wenn man die Verkäufer auf den Marktplätzen oder bei Supermärkten und Bäckereien fragt, dann kann man sicher etwas bekommen. Auch Privatpersonen werden wohl lieber etwas zu Essen als Geld abgeben.
Zudem kann man immer noch klauen, wirklich etwas zu befürchten hat man ja nicht. Ohne Bankkonto und pfändbares Einkommen ist eine Geldstrafe ausgeschlossen und ins Gefängnis zu gehen ist ja keine echte Strafe. Abgesehen davon ist es relativ einfach im Supermarkt etwas zu stehlen, ohne dass es Jemand bemerkt. Habe das als ich 13 oder 14 war dauernd gemacht und wurde nie erwischt. Soll jetzt keine Aufforderung zum Diebstahl sein ;)
Auch Schwarzfahren ist damit kein Problem mehr.

Trotzdem ist es ein grausames Leben, dessen Vorzüge (Sorglosigkeit im Bezug auf das Gesetz, viel sozialer Kontakt) sehr krass durch das Leiden überwogen werden.

» TuDios » Beiträge: 1475 » Talkpoints: 4,83 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



Obdachlos- tiefer geht es eigentlich gar nicht mehr, oder? Diese Menschen haben wirklich alles verloren. Ich stelle mir das Leben auf der Straße sehr schwer vor, und ich kann nicht begreifen, wieso diese Menschen nicht ihren Stolz vergessen und Hartz IV in Anspruch nehmen. Dadurch, dass sie auf der Straße leben, nehmen sie sich ja auch die Chance auf zukünftige Jobangebote. Denn wer nicht einmal genug zu essen hat, wird wohl kaum so gepflegt und sauber zum Bewerbungsgespräch erscheinen können, wie es der Betrieb sich wünscht.

Nicht zu unterschätzen ist wohl auch die Gefahr, der sich die Obdachlosen täglich aussetzen. Immer öfter gibt es Meldungen von Überfällen und sinnloen Morden an Obdachlosen. Wenn man abends einschläft, kann man nie wissen, ob sein kleiner Besitz auch am nächsten Morgen noch da sein wird. Frauen leben außerdem in der Gefahr, vergewaltigt zu werden. Nachts unter irgendeiner Brücke hört dich kein Mensch.

Es muss aber auch psychisch sehr belastend sein. Wo immer du hingehst, siehst du glückliche Menschen mit genug Geld und ausreichend Kleidung und einem Dach über dem Kopf. Tagsüber kann es vielleicht ganz lustig sein, aber abends, wenn alle anderen nach Hause zurückkehren und du nicht weißt, wo du hinsollst, ist es einfach nur einsam und traurig. Ich würde mir ständig als Versager vorkommen, als jemand, der sein Leben nicht in den Griff bekommen hat. Und als junger Mensch erscheint einem das Leben auf der Straße vielleicht abenteuerlich, aber wenn man alt wird, ist es einfach nur anstrengend und kalt und schrecklich. Dann hat man nur noch die Wahl, in eines dieser überfüllten Obdachlosenheime zu gehen.

» <green day> » Beiträge: 403 » Talkpoints: 40,56 » Auszeichnung für 100 Beiträge



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