Verhasste Person gestorben - wie kondolieren?

vom 29.07.2010, 09:36 Uhr

Das liest sich jetzt vermutlich etwas komisch, aber die Situation ist folgende: Die Mutter einer Bekannten ist kürzlich verstorben, allerdings ist es so, dass die beiden so gut wie keinen Kontakt miteinander hatten und das aus gutem Grund. Besagte Frau hatte diverse Kinder von verschiedenen Vätern, von denen der ein oder andere auch einige Jahre hinter Gittern saß, unter anderem der Vater meiner Bekannten. Die übrigen Erzeuger haben sich auch nie um irgendetwas gekümmert, um die eigenen Kinder nicht und um die anderen schon gar nicht. Die Mutter hatte für ihre Kinder wohl auch nicht viel übrig, sondern war deutlich mehr an ihren wechselnden Männergeschichten interessiert.

Wirklich um die Kids gekümmert hat sich nur die Oma. Nachdem diese starb, sind die ältesten Geschwister zu Hause ausgezogen und zurück blieb nur meine Bekannte, die etliche Jahre jünger war. Mit 12 ist sie dann ebenfalls von zu Hause abgehauen und bei einer Freundin untergekrochen, was ihrer Mutter scheinbar knapp 2 Wochen nicht auffiel, weil sie auch selten daheim war. Als sie die Abwesenheit ihres jüngsten Kindes dann doch bemerkte und heraus fand, wo dieses sich aufhielt, war ihr das auch eigentlich herzlich egal, sie fragte nur, ob sie ihren Kram holen will oder der auf den Müll kann. Der Versuch der Kontaktaufnahme wurde eigentlich nie unternommen, auch zu Geburtstagen oder an Weihnachten passierte nichts. Zuletzt getroffen hat man sich vor einigen Monaten auf der Beerdigung eines gemeinsamen Verwandten, wo man einen Kaffee zusammen trank. Das war es dann aber auch. Nach wie vor war die Dame nicht an ihren Kindern oder gar an ihren Enkeln interessiert.

Nun ist diese Frau also überraschend gestorben und meine Bekannte ist wohl auch nicht sehr traurig. Sie hatte ja auch über 15 Jahre keinen Kontakt mehr zu ihr und betrachtete sie nicht im eigentlichen Sinne als ihre Mutter. Erfahren habe ich davon durch ihren Freund, sie selbst habe ich noch nicht gesehen. Der Freund sagte nun, dass meine Bekannte schon irgendwie betroffen war, weil ihre Mutter ja auch noch nicht alt war und man war ja auch irgendwie verwandt und so weiter, aber ernstliche Trauer kam nicht auf. Er hat auch mit ihr darüber gesprochen, sie kommt sich selbst etwas komisch vor, aber sie empfindet keinen Verlust.

Nächste Woche treffe ich sie auf einen Kaffee und weiß nun nicht so recht, wie ich damit umgehen soll. Es würde mir komisch vorkommen, ihr mein Beileid auszusprechen, weil sie es ja nach eigener Aussage nicht als Verlust betrachtet, aber ignorieren kann man diese Tatsache ja auch nicht. Wir sind aber auch nicht so eng befreundet, dass ich sie darauf ansprechen möchte, wie es ihr damit geht, das fände ich zu persönlich. Was also sage ich? Doch, dass es mir leid tut oder wie reagiere ich? Ich fühle mich damit in einer ziemlichen Zwickmühle, denn auch wenn schon Eltern von Freunden gestorben sind, was immer schwierig ist, war es doch noch nie so kompliziert.

» Sorcya » Beiträge: 2904 » Talkpoints: 0,01 » Auszeichnung für 2000 Beiträge



Hm, das ist wirklich eine schwierige Frage. Aber wenn ich mir jetzt vorstelle ich wäre in dieser Situation, ich würde sie schon ansprechen. Vielleicht nicht direkt mit dem Satz, dass es mir leid tut. Aber ich würde ihr zumindest sagen, dass ich davon weiß und sie fragen wie es ihr damit geht. Wenn es dir komisch vorkommt, ihr dein Beileid auszudrücken, würde ich das auch nicht machen. Versuch es auf eine andere Weise, indem du sie eben fragst wie es ihr damit geht.

Dazu musst du ja nicht sehr deutlich werden, du kannst ihr überlassen, ob sie dir etwas darüber erzählen möchte oder nicht. Wenn sich daraus ein Gespräch entwickelt, wäre es okay und wenn nicht, dann auch. Aber gar nichts sagen fände ich jetzt nicht den richtigen Weg. Denn sie beschäftigt sich damit und du weißt davon. Wenn sie weiß, dass du es weißt, wird sie sich vielleicht auch fragen, warum du nichts sagst. Dann kommt es wieder zu Missverständnissen. Um dem vorzubeugen, würde ich es einfach offen ansprechen.

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» Vampirin » Beiträge: 5979 » Talkpoints: 30,32 » Auszeichnung für 5000 Beiträge


Das sehe ich jetzt dann doch nicht als wirklich schwierige Frage an. Denn unabhängig davon, ob die Person von Deiner Bekannten gemocht wurde oder nicht war es die leibliche Mutter! Und eben als Person in dieser Funktion wäre es von Dir ein Zeichen von Anstand, hier tatsächlich Dein Beileid auszusprechen. Was nun Deine Bekannte damit macht bzw. es aufnimmt, entzieht sich Deinem Einfluss.

Im besten Fall schweigt sie dazu. Und im ungehaltenen Fall spricht sie aus, was Du befürchtest. Nämlich das ihr der Tod der Mutter egal ist. Du aber hättest auch in dem Fall nichts falsch gemacht! Und trotz der Vorgeschichte glaube ich übrigens nicht daran, dass es ihr wirklich völlig egal ist. Selbst wenn es nur dir Frage ist, ob der frühe Tot der Mutter irgendwie auf die eigene Lebenserwartung übertragen werden kann (was ja bei einem sich unterscheidenden Lebenswandel nicht anzunehmen ist).

» derpunkt » Beiträge: 9898 » Talkpoints: 88,55 » Auszeichnung für 9000 Beiträge



Ich hatte auch ein paar Jahre keinen Kontakt mit meiner Mutter und als sie verstorben ist, war ich ehrlich gesagt auch nicht so traurig, wie man es von einer Tochter erwarten würde. Als mir die Leute ihr Beileid ausgedrückt haben, habe ich das abgewunken. Denn ich muss sagen, dass ich es Heuchelei finde, wenn ich dann die bedrückte Tochter gespielt hätte.

Wenn du deine Bekannte triffst, dann kannst du im Gespräch sagen, dass es dir leid tut, dass die Mutter gestorben ist. Aber mehr würde ich da auch nicht sagen. Denn es ist geheuchelt, wenn man mehr sagt und auch noch bedrückt das Beileid ausdrückt. So wie du schreibst hat die Tochter ja anscheinend wirklich kein gutes Leben mit dieser Frau gehabt und nur weil sie tot ist ändert sich nichts daran und man sollte da auch bei der Wahrheit bleiben.

Ihr werdet bestimmt ins Gespräch kommen und da kann man das anschneiden und wenn sie dann abweisend reagiert, dann akzeptiere es und heuchel kein Mitleid vor. Die Bekannte von dir ist, wie du sagst, nicht sonderlich traurig. Also sollte man das akzeptieren und nur kurz anschneiden.

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» Diamante » Beiträge: 41749 » Talkpoints: -4,74 » Auszeichnung für 41000 Beiträge



Genauso sehe ich das auch. Kurz ansprechen, Beileid bekunden, und was folgt, kannst Du derzeit nicht voraus sagen. Vielleicht könnt Ihr Euch aber gerade durch das dann folgende Gespräch näher kommen, wenn Du überhaupt generell Interesse daran hättest. Schlimm finde ich es auch nur, wenn man sich verstellt oder das Gefühl hat sich verstellen zu müssen, damit einem die anderen akzeptieren.

» ygil » Beiträge: 2551 » Talkpoints: 37,52 » Auszeichnung für 2000 Beiträge


Ich würde sicherlich kein Beileid aussprechen, das ist geheuchelt. Auf jeden Fall würde ich die Situation kurz ansprechen und fragen wie es weitergeht und das wars dann auch schon. Sicherlich gehört die Kondolierung zur guten Kinderstube, aber wirklich nur da wo es auch angebracht ist. Dem Kind eines verstorbenen Pädophilen würde auch niemand reinen Herzens das Beileid ausdrücken.

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» hooker » Beiträge: 7217 » Talkpoints: 50,67 » Auszeichnung für 7000 Beiträge


hooker hat geschrieben:Ich würde sicherlich kein Beileid aussprechen, das ist geheuchelt.

Dass dies geheuchelt ist, würde ich in so einem Fall nicht sagen. Offenbar ist die Person, die hier das Beileid aussprechen soll, nicht weiter bekannt mit der Toten. Daher soll das Beileid dem Menschen gegenüber ausgedrückt werden, der hinterblieben ist. Und hier ist die Mutter eines Menschen verstorben, zu dem man irgendwie Kontakt hat.

Egal wie die Vorgeschichte auch sein mag, ist es dann eben nicht geheuchelt, eben dem Menschen sein Beileid auszudrücken. Egal wie sehr sich die auch abschotten mag, ist mit dem Menschen eben die Mutter gestorben. Spurlos geht das nicht an ihr vorüber!

Wenn sie aber definitiv keine Trauer spürt, dann wird sie dies auch sagen können. Mit der Beileidsbekundung macht man aber schlicht nichts falsch!

hooker hat geschrieben:Dem Kind eines verstorbenen Pädophilen würde auch niemand reinen Herzens das Beileid ausdrücken.

Das wäre traurig. Mit dem Beileid drückt man sein Beileid mit den Hinterbliebenen aus! Und selbst ein solches Kind wird um seinen Vater trauern dürfen! Und wenn man dieser trauernden Person nahe steht, dann trauert man mit ihr!

Es ist eher zusätzlich traurig, wenn man so annehmen muss, dass es Menschen gibt, denen man den Tod wünscht. Und hier könnte ich mir so eine Situation nur im Extremfall eines Krieges oder aber in der konkreten Situation eines Angriffs vorstellen. Wobei hier auch der Tod nicht gewünscht sondern nur in Kauf genommen werden sollte.

» derpunkt » Beiträge: 9898 » Talkpoints: 88,55 » Auszeichnung für 9000 Beiträge



Hallo!

Ich denke auch, dass du erstmal das Treffen mit deiner Freundin auf dich zukommen lassen solltest. Vielleicht spricht sie das Thema ja von sich aus an und ansonsten kannst du ihr ja einfach sagen, dass es dir Leid tut, dass ihre Mutter gestorben ist. Mehr würde ich dann auch nicht sagen, es sei denn, dass deine Freundin darüber reden möchte.

Es war immerhin ihre Mutter und ich denke, dass es sie in gewisser Weise schon berührt. Ich denke, dass man schon sehr kalt sein muss, damit es einem als Tochter gar nichts ausmacht. Sicherlich wird sie sich auch ihre Gedanken dazu machen.

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» Nelchen » Beiträge: 32238 » Talkpoints: -0,25 » Auszeichnung für 32000 Beiträge


Als kleines Mädchen war meine Bekannte wohl todunglücklich und konnte nicht verstehen, warum ihre Mama sie nicht lieb hat. Als junges Mädchen war sie sehr wütend und hegte wohl sogar Hassgefühle gegenüber ihrer Mutter für all den Kummer, den sie ihr bereitet hat. Aber inzwischen hat sie wohl mit der Sache abgeschlossen und es ist ihr gleichgültig. Sie betrachtet die Mama ihrer besten Freundin, die sie damals aufgenommen hatte als eine Art Ersatzmama, ihre biologische Mutter war für sie nicht mehr als das: Ihre biologische Erzeugerin.

Das kann man nun natürlich als kalt betrachten, wenn man beim Tod einer solchen Person nicht trauert, aber ich finde es eigentlich recht nachvollziehbar. Außer sie in die Welt zu setzen hat die Frau ja nichts für sie getan. Im Gegenteil, sie hat ihr viel Leid zugefügt. Ich habe die Geschichte hier nur grob geschildert, es gäbe da noch etliches mehr zu berichten, was zwischen den beiden vorgefallen ist. Wir sind auch nicht allzu eng befreundet, meine Bekannte geht zwar recht offen mit ihrer Kindheit um, aber es gibt da sicherlich noch mehr Leichen im Keller, als die, die ich so kenne. Alles in allem hätte diese Frau eigentlich keinerlei Zuneigung verdient, allerhöchstens Mitleid. Und wenn ihr das wirklich nicht zu Herzen geht, warum soll sie so tun als ob? Weil sich das für eine Tochter so gehört? Das würde ich auch als Heuchelei empfinden.

Aber diese Situation macht es eben auch für mich schwierig, damit umzugehen. Aber ich denke, ich werde es machen wir angeraten, ihr sagen, dass es mir Leid tut und schauen, wie sie darauf reagiert. Sucht sie Trost bekommt sie ihn natürlich. Winkt sie ab, soll mir das auch Recht sein.

» Sorcya » Beiträge: 2904 » Talkpoints: 0,01 » Auszeichnung für 2000 Beiträge


Man kondoliert ja immerhin den Angehörigen eines Verstorbenen und nicht unbedingt dem Verstorbenen. Daher würde ich auf jeden Fall nicht darüber grübeln, wie ich denn nun zu der verstorbenen Person stand (wenn ich es richtig verstanden habe, gab es da gar keine Berührungspunkte) sondern erst mal wie ich zu der hinterbliebenen Person stehe. Und da scheint ja schon ein eher freundschaftliches Verhältnis zu existieren.

In einem solchen Fall würde ich dann schon dazu tendieren zu kondolieren. Allerdings ist in diesem Fall das schlechte Verhältnis Hinterbliebener - Verstorbener so ein Unsicherheitsfaktor. Da kann man dann entweder nur warten bis das Gespräch auf dieses Thema kommt. Das finde ich aber keine so gute Lösung, da dann doch immer eine unsichtbare Spannung in der Luft liegt. In einem ähnlichen Fall vor Jahren habe ich mich entschieden, der Hinterbliebenen zu sagen, dass ich von dem Versterben ihres Vaters gehört habe, allerdings nicht wüsste, wie ich darauf reagieren solle, da ich von der Hassliebe der Beiden wusste. Da war dann das Eis gebrochen und wir konnten ganz normal weiter erzählen.

» JotJot » Beiträge: 14058 » Talkpoints: 8,38 » Auszeichnung für 14000 Beiträge


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