Erfahrungen mit dem englischen Schulsystem

vom 21.03.2010, 12:04 Uhr

Im Augenblick beschäftige ich mich prüfungsbedingt mit dem Schulsystem in England, das sich ja trotz einiger Ähnlichkeiten in vieler Hinsicht deutlich von unserem unterscheidet. Für die Laien ein ganz kurzer Überblick:

In England gibt es die Primary School(Grundschule) und die Secondary School(Sekundarschule). Die Schulpflicht beginnt bereits mit fünf Jahren und die Grundschule umfasst sechs Schuljahre. Mit elf wechselt man auf eine weiterführende Schule. Es gibt zwar theoretisch noch das dreigliedrige Schulsystem, die meisten Schulen sind jedoch Gesamtschulen. Allerdings wird man, wie bei uns auch, in den Hauptfächern in Leistungsgruppen aufgeteilt, die den Gymniasial, Real- und Haupschulniveaus bei uns in etwa entsprechen. Dort absolviert man weitere fünf Schuljahre und legt am Ende seine GSCEs(General Certificate of Secondary Education), die in etwa dem Realschulabschluss entsprechen, ab. Schüler, die eine akademische Ausbildung anstreben hängen noch die zweijährige Sixth Form, die unserer Oberstufe ähnelt, an. Dort wählt man A-Levels(Leistungskurse) in denen man am Ende seine Prüfung für die Hochschulreife ablegt. Bei bestehen kann man anschließend studieren.

In den äußeren Rahmenbedingungen ähnelt das System unserem, allerdings sieht es im inneren völlig anders aus. Zunächst gibt es ein National Curriculum, ähnlich wie unsere Vergleichsprüfungen, die allmählich aufkommen für alle Jahrgänge. Darin sind bestimmte Inhalte und Fertigkeiten vorgesehen, die ein Schüler erwerben sollte. Wie dies umgesetzt wird, bleibt aber den Lehren überlassen. Dies geschieht aber nicht pro Schuljahr, sondern in den so genannten Key Stages, die immer zwei oder drei Schuljahre zusammenfassen. Die Klassen sind zwar altershomogen, sprich jeder Jahrgang wird getrennt unterrichtet und man spricht auch von Class1 usw., aber die Leistungsüberprüfungen beziehen sich eben auf mehrere Jahre die man Zeit hat die geforderten Skills zu erwerben. Sitzen bleiben kann man auch bei drastischem Nichterreichen der Ziele nicht, man bleibt immer in seinem ursprünglichen Jahrgang. Den Eltern wird zwar jedes Jahr detaillierte Rückmeldung über Fähigkeiten und Defizite ihrer Sprösslinge und Hinweise, wo Handlungsbedarf besteht, gegeben, aber die Schüler wandern eben immer weiter, auch bei großen Lücken.

Am Ende einer Key Stage, also im letzten Schuljahr, das dazu gehört, werden in den Hauptfächern(Englisch, Mathematik und Naturwissenschaften) standardisierte Tests gemacht, um einzustufen, wie weit der einzelne Schüler ist. Diese Leistungsniveaus werden in Altersstufen ausgedrückt, wobei jeder Schüler ungefähr sein tatsächliches Alter erreichen sollte. Erreicht z.B. ein Elfjähriger am Ende der sechsten Klasse das Leistungsalter 10, so ist das im Toleranzbereich, liegen seine Leistungen bei 9 oder darunter, hat er große Defizite in dem entsprechenden Bereich, erreicht er 13 oder mehr, ist er seinen Mitschülern ein gutes Stück voraus. Diese Einstufungen werden anhand von Werten vorgenommen, was die Schüler dieses Alters in den letzten Jahren im Durchschnitt wissen und können sollten.

Das ist jetzt natürlich nur ein sehr grober Überblick für die, die es nicht kennen, die es aber trotzdem interessiert. Mir geht es hier aber auch eigentlich darum, von Leuten, die zeitweise in England zur Schule gegangen sind, eigentlich aber hier in Deutschland leben, etwas über ihre Erfahrungen mit dem englischen Schulsystem zu hören. Ich selbst habe vier Monate lang in Cornwall gelebt und dort an einer Grundschule unterrichtet, habe also Einblicke in die Lehrerseite des National Curriculums gewinnen und Vergleiche mit unserer Arbeitsweise hier anstellen können. Mich interessiert aber auch die Sicht der Schüler darauf. Wie kamt ihr mit dieser Art der Beschulung klar, was hat euch im Vergleich zu unserem System besser oder schlechter gefallen und warum? Welche Methode würdet ihr vorziehen? Und natürlich, in welchem Jahrgang wart ihr?

Ich befasse mich gerade, wie schon gesagt, für eine Prüfung in Pädagogik mit dieser Thematik und mich würde neben all dem theoretischen Kram und den gesetzlichen Regelungen einfach mal interessieren, wie die Schüler das erleben. Vor allem solche, die eben auch das deutsche System kennen Wenn also hier im Forum jemand herumgeistert, der für ein Schuljahr oder vielleicht auch nur ein paar Monate dort zur Schule gegangen ist, würde ich mich freuen, wenn er oder sie seine/ihre Erfahrungen damit schildern mag.

» Sorcya » Beiträge: 2904 » Talkpoints: 0,01 » Auszeichnung für 2000 Beiträge



Ich selbst bin nicht in England zur Schule gegangen, da mir ein Auslandsjahr leider aufgrund von verschiedenen Gründen nicht möglich war. Jedoch habe ich in der Schule, genauer gesagt im Englischunterricht, auch Einblicke in das Schulsystem bekommen, jedoch nicht so ausführlich wie du es beschrieben hast.

Prinzipiell finde ich das von dir beschriebene Prinzip nicht schlecht. Ich selbst bin auch kein Gegner von Gesamtschulen und denke, dass es prinzipiell eine gute Sache ist, wenn die Schüler bis zur (hier) zehnten Klasse gemeinsam unterrichtet werden. Nicht jeder ist in der siebten Klasse schon so weit, dass er oder sie sagen kann, dass er oder sie Abitur machen möchte. Manche Leute sind sich in dem Alter noch nicht darüber bewusst, ob sie am Ende eine Ausbildung machen möchten oder studieren. Dementsprechend bleiben ihnen so die Möglichkeiten offen und sie können sich später entscheiden, ob sie weiter machen oder nicht. Dabei werden dann vor allem nicht ständig die Klassenverbände auseinandergerissen, vor allem wenn es darum geht, dass Schüler sich am Ende entscheiden nicht auf dem Gymnasium zu bleiben und dann auf einer neuen Schule erstmal klarkommen müssen.

Vor allem die allgemeinen Tests, die du beschrieben hast, finde ich aber gut. So bekommt man eine Orientierung darüber wo man steht. Vor allem dann, wenn die Tests einheitlich für alle Schüler sind, kann man genau schauen, wo noch Defizite sind und die Schüler gerecht bewerten und einteilen. Bei den normalen Benotungen ist dies teilweise nicht möglich - nur weil ein Schüler bei einem Lehrer mit einer 4 bewertet wurde, heißt es nicht automatisch, dass er in diesem Fach schlecht ist. Manche Lehrer und Schüler kommen nicht miteinander aus und gehen nicht miteinander konform, was den Unterrichtsstil angeht und bestimmte Schüler würden bei einem anderen Lehrer vielleicht besser abschneiden. Durch die einheitlichen Tests gäbe es die Möglichkeit, dass die Schüler neutral bewertet werden in ihrem derzeitigen Stand.

» Hufeisen » Beiträge: 6056 » Talkpoints: 0,00 » Auszeichnung für 6000 Beiträge


Ich kann nur Erfahrungen aus Schottland, Nordirland und Irland beisteuern. Zwar ähneln sich die Schulsysteme in Großbritannien, aber es sind schon vier verschiedene Systeme, die teilweise deutliche Unterschiede haben. In Schottland gibt es beispielsweise nur in Englisch und Mathematik einen landesweiten Lehrplan. In den anderen Fächern entscheidet jede Schule selbst über die Inhalte. Das macht Schulwechsel nicht einfacher. Auch gibt es andere Abschlüsse und Zertifikate als in den anderen drei Ländern.

» cooper75 » Beiträge: 13319 » Talkpoints: 496,77 » Auszeichnung für 13000 Beiträge



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