Genderwahn(sinn)

vom 16.03.2010, 22:24 Uhr

Es ist zwar schon eine Zeit lang her, aber ich bin einmal in den wunderbaren Genuss eines Genderseminares gekommen. Jeder, der Seminare für das Arbeitsmarktservice anbietet, muss regelmäßig solche Kurse besuchen, so kam auch ich dazu.

Bei Gender geht es um die Rolle der Frau beziehungsweise auch des Mannes, aber im sozialen Sinne. Der Begriff kommt aus dem Englischen und eine wirkliche Übersetzung gibt es meines Wissens nach nicht wirklich. Gender hat auch nichts mit Feminismus zu tun, sondern soweit ich das verstanden habe um die soziale Stellung der Frau im alltäglichen und eben auch im beruflichen Leben. In dem Kurs wurde zwar gemeint, es geht nicht nur um die Rolle der Frau sondern eben auch des Mannes, aber ich hatte trotzdem den Eindruck, dass die Vortragende eher einen Feminismusvortrag gehalten hat, aber bitte.

Auf jeden Fall hat sie gemeint, dass die Frau auch heute noch sehr häufig unterdrückt wird und das wird den Mädchen bereits in der Kindheit einsuggeriert. Sie nannte dann zahlreiche verschiedene Beispiele. Angefangen von Verkehrsschildern, wo nur Männer abgebildet sind, bis hin zu Wörtern, die keine weibliche Form haben, wie zum Beispiel das Wort Gast, wo es jedoch keine Gästin oder so ähnlich gibt. So wird laut diesem Vortrag die Psyche der Frau automatisch beeinflusst, weil sich schon kleine Mädchen unterdrückt fühlen, wenn sie nur Männer auf den Verkehrsschildern sehen. :lol:

Bei einigen Punkten mag sie sicherlich Recht haben, zum Beispiel, dass es noch immer unterschiedliche Gehälter für die gleiche Arbeit gibt. Das hat dann weiter zur Folge, dass die Frau oft dazu "gezwungen" ist, zu Hause wegen der Kinderbetreuung zu bleiben.

Es ging auch um die Schreibweise, wie man Schriftstücke am besten Verfassen soll beziehungsweise kann, damit die Frauen nicht diskriminiert werden, also ob man jetzt zum Beispiel "BürgerInnen" oder "Bürger und Bürgerinnen" oder so schreibt. Das ging sogar soweit, dass sie gemeint haben, dass es schon eine Diskrimination ist, wenn man die Form "Bürger und Bürgerinnen" nimmt, weil da eben zuerst die männliche Form genommen wird und dann erst die weibliche. :lol:

Was soll ich sagen? Das Seminar war teilweise schon so schräg, dass es schon wieder fast lustig und unterhaltsam war. :lol: Ich habe mich dort glaube ich nicht besonders beliebt gemacht, weil ich immer wieder Einwände gebracht habe, die so ganz und gar nicht nach dem Gendermotto waren! :roll: So habe ich zum Beispiel gemeint, dass ich gar nicht soviel gegen eine klassische Rollenaufteilung habe, weil ich, um ein Beispiel zu nennen, es persönlich gar nicht so gerne hätte, wenn mein Freund oder Mann in Karenz gehen würde und ich Arbeiten gehe. Ich hätte nichts dagegen, selber die Kinderbetreuung zu übernehmen. Wobei ich dazu sagen muss, dass ich es ehrlich ganz bewundernswert finde, wenn Männer in Karenz gehen und ich bin auch sehr dafür, dass dieser Bereich gefördert wird, nur wär es eben nichts für mich persönlich.

Als ich dann noch erwähnt habe, dass ich sogar gerne Koche und es mir dafür auch lieber ist, dass der Mann den Fernseher repariert wenn er mal kaputt ist hat sie mich glaube ich vollkommen bemitleidet und für geisteskrank erklärt! :lol:

Nun, die Vortragende war sicher ein extreme Genderbefürworterin, aber ich wollte euch einmal fragen, was ihr von diesem ganzen Genderwahn(sinn) haltet. Dabei interessieren mich natürlich die Meinungen sowohl von den Frauen als auch von den Männern! (Ein wenig hat der Kurs vielleicht doch gebracht, ist euch aufgefallen, dass ich gerade zuerst die Frau und dann den Mann erwähnt habe! :lol: ) Und wo kämen wir hin, wenn diese ganzen Genderratschläge komplett durchsetzen würden? Wären dann nicht die Männer die Unterdrückten? Dann würden ja sie immer an zweiter Stelle erwähnt werden! Ich bin schon gespannt, ob nur ich so konservativ bin und wie ihr das ganze seht!

Benutzeravatar

» tournesol » Beiträge: 7750 » Talkpoints: 66,59 » Auszeichnung für 7000 Beiträge



Was ich noch dazu ergänzen wollte: Vielleicht schafft es bei der Gelegenheit auch jemand, mir den Unterschied zwischen Gender und Feminismus beizubringen. Ich sehe da nämlich keinen großen Unterschied und auch das habe ich in diesem Seminar erwähnt, aber irgendwie konnte es mir die Dame nicht begrifflich machen!

Benutzeravatar

» tournesol » Beiträge: 7750 » Talkpoints: 66,59 » Auszeichnung für 7000 Beiträge


Du hast schon Recht, dass es vielfach auch die Männer sind, die benachteiligt oder sogar unterdrückt werden. Es wird ja z.B auch oft davon gesprochen, dass Jungs in der Schule ins Hintertreffen geraten, weil Mädchen von den Lehrern insofern bevorzugt werden, als dass sie generell als aufmerksamer, fleißiger und braver eingeschätzt werden. Um nur mal ein Beispiel dessen zu nennen, was sonst noch in den Bereich der Genderforschung fällt.

Ich beschäftige mich gerade für meine mündliche Examensprüfung mit der Thematik der Geschlechterforschung und gewinne dabei auch den Eindruck, dass viele Leute, besonders Frauen, es übertreiben und Unterdrückung sehen, wo keine besteht. Vor allem ignorieren diese Leute dann auch ganz gerne mal die erwähnten Nachteile für Jungen und Männer oder deuten gar an, dass das ja auch langsam mal fair sei, immerhin hätten sie über Jahrhunderte die Oberhand gehabt.

Was mich daran besonders stört ist die Intoleranz, die du auch schon beschrieben hast. Für manche Frauen ist es eben die Erfüllung daheim zu sein und den Mann und die Kinder zu versorgen. War es früher nur bei Männern nicht gern gesehen und wurde allgemein als seltsam eingestuft, wenn er daheim blieb und die Kinder versorgte, stufen diese Leute eine bewußte Entscheidung für Hausfrau und Mutter sein nun auch bei Frauen als Fehlentscheidung ein. Wer freiwillig in Mutterschutz geht, vergibt ja ach so viele Chancen und wirft sein Leben weg, wird unbewußt dazu gezwungen und was man noch so alles an negativer Rückmeldung hört. Dass das auch im Vollbesitz der geistigen Kräfte als positiv erlebt werden kann, wird einfach mal von vornherein ausgeschlossen. Situationen, wie du sie schilderst sind da sicher nicht so ungewöhnlich. Was da gefordert wird grenzt für mich teilweise schon an eine Zwangsemanzipation und das nervt mich.

Kurz und gut: Genderforschung und Gleichberechtigungbestrebungen sind sicherlich interessant und sinnvoll. Aber das bedeutet dann eben neue Rechte und Pflichten für beide Seiten. Und sehr viele der Leute, die sich dafür stark machen, sind leider tatsächlich ziemliche "Emanzen", die im Wesentlichen nach Möglichkeiten suchen die Rechte der Männer zu beschneiden und die Frauen zu ihrem "Glück" zu zwingen. Dadurch fällt ein schlechtes Licht auf eine eigentlich positive Sache, niemand nimmt das mehr ernst und das finde ich schade.

» Sorcya » Beiträge: 2904 » Talkpoints: 0,01 » Auszeichnung für 2000 Beiträge



@ Sorcya: Ich finde du hast einiges sehr gut auf den Punkt gebracht. Danke auch für die pn, mit der Erklärung, dass es bei der Unterscheidung der Geschlechter um den "Sex" im biologischen Sinn und um den "Gender" im sozialen Sinn geht. Soweit hat das die Vortragende auch noch erklärt und ich hätte da eben auch einen Unterschied gesehen. Nur finde ich eben zahlreiche Beispiele die die Vortragende in ihrem Seminar genannt hat eben eher im feministischen Bereich angesiedelt und deswegen habe ich mich dann wohl irgendwann einmal nicht mehr ausgekannt.

Ich sehe es eigentlich genauso wie du, dass viele Ansätze zu befürworten sind, jedoch muss man dann eben auch wirklich respektieren, wenn jemand nichts gegen die klassische Rollenverteilung hat und diesen Standpunkt, den ich habe, konnte die Vortragende bis zum Schluss nicht verstehen. Sie hat dann nur gemeint, dass ich ein sehr gutes Beispiel einer unterdrückten Frau bin. :lol:

Ich bin ebenso wie du der Meinung, dass es wohl auch viele Frauen gibt, die mit viel Engagement um ihre Rechte und um Gleichberechtigung kämpfen und wenn es dann aber um etwas typisch Männliches geht, soll das dann aber weiterhin der Mann machen. Wobei, wenn ich mir das jetzt so überlege, wär das ja gar nicht so schlecht, so haben wir Frauen dann alle Rosinen aus dem Kuchen herausgepickt und den Männern bleibt alles Unangenehme! :lol:

Benutzeravatar

» tournesol » Beiträge: 7750 » Talkpoints: 66,59 » Auszeichnung für 7000 Beiträge



Dein Bericht vom Workshop sowie Deine Sicht der Dinge lassen die Sache wirklich und verständlich lächerlich und weltfremd wirken. Das Du mit Deiner Lebenserfahrung die Sichtweise der Vortragenden nicht teilst und ihr sogar Gegenbeispiele aus Deinem Leben mitteilst, sollte so ein Seminar letztlich auch beleben. Besser als still in sich hinein zu lachen und nichts dazu zu sagen.

Leider glaube ich aber fast, dass Dir viele Grundlagen fehlen, um hierüber so urteilen zu können. Damit will ich mir selbst nicht das Wissen zusprechen. Aber so witzig und/oder schockierend die Ausführungen für Dich auch waren, so ernst kann man sie nehmen. Denn allein die Geschichte der Bezeichnungen spricht hier Bände. Das Beispiel mit Bürger und Bürgerinnen ist nur eines von vielen. Und wenn Du mutig bist, könntest Du - um zu sehen wie tief und früh diese Konditionierung sitzt - in einer Schulklasse von z.B. Fünftklässlern Anweisungen an die ganze Klasse geben. Mit dem Satz: Alle Schüler gehen bitte zum Musikraum. wirst Du mit ziemlicher Sicherheit erreichen, dass alle Kinder der Anweisung folgen. Wohingegen Alle Schülerinnen gehen bitte zum Musikraum. Du tatsächlich damit rechnen kannst, dass nur die Mädchen gehen. Und wenn Du nun damit kommst, dass auch die Jungen gemeint waren, kommt es zu verständnislosen Blicken wenn nicht sogar zur Empörung. Ein Junge will nicht unter Schülerinnen als Sammelbegriff. Aber das setzt sich dann auch bei Studenten fort und sogar bei eher einfach gestrickten Bürgern, die sich an Bürgerinnen stören würden.

Es geht also um die Konditionierung von Klein auf, und da spielt es sehr wohl eine Rolle, dass bei Fußgängerwegen das Schild eine symbolisierte Frau mit kleinem Kind darstellt. Und so wenig gern Du das auch hast: so was prägt und sorgt dafür, dass Menschen es für selbstverständlich halten, wenn der zehnjährige Sohn den neune Computer anschließt und den Videorekorder programmiert - aber man so was der Tochter gar nicht erst anträgt! Wieso sollten Kinder dann später sich nicht in der aufgedrückten Rolle wohl fühlen, die für sie normal ist? Wie kommst Du denn eigentlich darauf, dass Dein Mann nicht gerne kochen würde? Und wenn er es nicht gerne macht, wie kommt es dazu?

Jetzt sich zu mokieren, dass eine stärkere Förderung von Frauen zu Nachteilen bei Jungen führt, ist übrigens der lächerliche Anteil an der Diskussion. Wo bitte wirken sich diese (unterstellten) Nachteile aktuell aus und was sind die Anzeichen dafür, dass dies später Auswirkungen haben könnte? Nach wie vor leben wir das klassische Rollenmodell. Frauen verlieren beim Gehalt, in Sachen Karriere, bekommen technische Unsachkenntnis unterstellt und sind gesellschaftlich immer noch nur Beiwerk des Mannes.

Ich denke, es wird noch einige Jahrzehnt dauern, bevor man sich ernsthaft Gedanken über die Benachteiligung von Jungen und Männern machen muss.

» derpunkt » Beiträge: 9898 » Talkpoints: 88,55 » Auszeichnung für 9000 Beiträge


Ich sehe in der Regelung für den Wehrdienst eine Benachteiligung der Männer. Versteht mich nicht falsch, ich finde es generell sinnvoll, dem Staat ein Jahr zu schenken und etwas Hilfreiches zu tun(Wobei ich da einen allgemein verpflichtenden Zivildienst und die Bundeswehr als Ersatzdienst, anstatt wie jetzt umgekehrt, vorziehen würde, aber das ist eine andere Debatte.). Ich finde es nur nicht gerecht, dass Männer den leisten müssen, es den Frauen aber selbst überlassen bleibt, ob sie Lust dazu haben oder nicht.

Als diese geschaffen wurde, wurden die Frauen mit der Begründung davon befreit, dass sie bereits durch ihre Lebensentwürfe genug für den Staat leisten würden. Zu dieser Zeit war es eher ungewöhnlich gänzlich auf Kinder zu verzichten, tatsächliche Freiheit durch einfache Verhütungsmethoden gab es ja erst ab den Sechzigern. (Natürlich hatte man auch damals Möglichkeiten unerwünschte Schwangerschaften zu beenden, aber es besteht doch ein Unterschied darin zu vermeiden schwanger zu werden, weil man keine Kinder will oder eine bestehende Schwangerschaft abzubrechen.) Und wenn eine Familie gegründet wurde, so war es völlig selbstverständlich, dass es in den Händen der Frau lag den Nachwuchs groß zu ziehen und zu wertvollen Mitgliedern der Gesellschaft zu machen.

Auch die Altenpflege war nicht in dem Maße institutionalisiert, wie wir es heute kennen. Ist es heute üblich und völlig normal alte, nicht mehr zu einem selbstständigen, unabhängigen Leben fähige Menschen in einer Einrichtung unterzubringen, war es damals wohl eher die Regel, dass man seine alten Eltern oder Schwiegereltern zu sich nahm und selbst versorgte. Und da es meist die Frau war, die daheim Haus und Kinder versorgte, fiel natürlich auch die Pflege der Alten oft ihr zu. Durch diese beiden Punkte, so meinte man, leisteten die meisten Frauen bereits einen ausreichenden Dienst an ihrem Vaterland und man betrachtete es als überflüssig ihnen auch noch zwei Jahre Zivildienst abzuverlangen. Ich bin auch der Meinung, dass das durchaus richtig so war.

Inzwischen liegen die Dinge aber anders. Viele Frauen entscheiden sich vollkommen auf eine Familie zu verzichten, um ihre Karriere in den Vordergrund zu stellen und viele Männer sind an der Aufzucht des Nachwuchses intensiv beteiligt. Vielleicht ist die Zahl der Väter die in Elternzeit gehen immer noch kleiner als die der Mütter, aber es ist in den wenigstens Familien so, dass die ganze Last auf den Schultern der Frau liegt. Auch was den Haushalt angeht nicht. Allgemein bemüht man sich die Frauen zu entlasten, innerhalb der Familie und auch durch den Ausbau der institutionellen Kinderbetreuungsmöglichkeiten, um auch ihr Optionen für eine berufliche Entwicklung offen zu halten. Perfekt ist das alles noch nicht, aber man hat als Frau dennoch deutlich mehr Chancen, als es in den Vierzigern und Fünfziger, als diese Regelung getroffen wurde, der Fall war.

Auch die Altenpflege ist nicht mehr Aufgabe der Ehefrau. Es gibt zahlreiche Möglichkeiten ältere Menschen zu betreuen, relativ abgestimmt auf die Bedürfnisse. Es gibt Tagespflege, betreute Wohnungen oder echte Pflegeheime, je nachdem was der Einzelne benötigt. Natürlich ist das auch alles eine Frage des Geldes, was man sich leisten kann, aber dass die Kinder, bzw. Töchter oder Schwiegertöchter allein für die Versorgung der Eltern zuständig sind, ist sicherlich nicht mehr selbstverständlich und üblich.

Kurz und gut: Die Liste der Dienste, die eine Frau dem Staat normalerweise leistet hat sich doch sehr verkürzt. Natürlich kann man nicht vorher wissen, ob eine Frau sich für Kinder entscheidet oder nicht. Aber man kann auch beim Mann nicht mehr einfach pauschalisieren, dass er die Kinderpflege vollständig seiner Frau aufdrückt, um seine Karriere in den Vordergrund zu drängen. Das alles sind heute freiwillige Entscheidungen. Ein Stück weit werden diese sicherlich, wie derpunkt es schildert, bereits durch frühkindliche Erziehungsmuster beeinflusst, aber generell hat man die Freiheit, das zu tun, was man will. Darum finde ich, dass auch Frauen ein Jahr Staatsdienst leisten sollten, bevor sie ihre weitere Lebensplanung in Angriff nehmen. Von den Männern wird dies ja auch ganz selbstverständlich verlangt. Viele Frauen leisten bereits freiwillig ein FSJ oder ein FÖJ, während die Männer den Zivil- bzw. Wehrdienst absolvieren. Je nachdem, in welche berufliche Richtung man geht, kann einem diese Zeit sogar angerechnet werden und der Rest hat, wie die betroffenen Männer, sicher nicht nur ein Jahr verloren, sondern auch ein paar Erfahrungen gewonnen. Wenn also Staatsdienst, dann bitte für beide.

» Sorcya » Beiträge: 2904 » Talkpoints: 0,01 » Auszeichnung für 2000 Beiträge


Dein Blick, Sorcya, ist sehr beschönigend. Tatsächlich hat sich in Sachen Kinderbetreuung viel getan, jedoch sind diese Modelle alle darauf ausgelegt, das Kind außerhalb der Familie zu parken. Die Konsequenzen dieser Entfremdung sind teilweise jetzt schon zu erkennen und waren hier auch in den letzten Tagen Thema. Lösungsansätze, die Kinder in den Tag integrieren gibt es nicht und in letzter Konsequenz bleibt die Frau meist zu hause.

Das Thema Altenpflege ist genau so eine Sache. Mittlerweile steigen Frauen nicht mehr aus dem Beruf aus, weil sie ein Kind bekommen haben, sondern weil ein Elternteil pflegebedürftig ist. Nicht jeder kann und will Eltern in ein Pflegeheim geben. Deine Darlegung ist also leider Utopie.

Dass die Threaderstellerin über den Genderbegriff herzlich lachen kann ist sehr schön. Deine Sicht der Dinge ist aber zu über 50% ein Resultat deiner Sozialisation (wie bei jedem Menschen, das ist kein Angriff!) und ich denke mit einer anderen Biografie hättest du eine komplett andere Sicht der Dinge. Und hier setzt die Genderforschung an und thematisiert Dinge, die den meisten Menschen nicht bewusst sind. Warum sollte die Frage nach dem gerne Kochen oder Technikschrauben überhaupt eine Geschlechterfrage sein? Beide Geschlechter haben zwei Hände und ein Gehirn und meiner Meinung nach sollten Beide in der Lage sein zu kochen und leichte technische Dinge reparieren.

Ihr könnte mich jetzt gerne eine ekelhafte Emanze nennen, aber mich kotzt es einfach an, wenn zum Beispiel kleine Kinder durch das Playmobilhochzeitsset schon in eine gesellschaftliche Rolle gedrängt werden, wenn man TV- Werbung schaut und durchgehend Kindersüßigkeiten und Waschmittel mit Frauen beworben wird, die ihrer Familie alles schön machen wolllen, dass ich in der Schule im Geschichtsunterricht so gut wie nichts über historische Frauenbilder gelernt habe, dass so viele Frauen in Minijobs knechten und als einzigen Ausweg nur das Kinderkriegen sehen, dass Frauen mit Hängebusen und 30kg Übergewicht als ekelhaft gelten und Männer nicht. Diese Liste könnte ich ziemlich lange Fortsetzen und sicherlich darf jeder diese Punkte anders beurteilen, aber ich sehe in vielen dieser Dinge einen gesellschaftlichen Verlust für alle.

Und den selben Verlust sehe ich auch darin, dass Männer kaum in Pflegeberufen arbeiten, dass geschminkte Männer gleich irgendwie als unmännlich gelten, dass kleinen Jungs schon von vorneherein beigebracht wird, dass einige Hobbys für sie tabu sind, dass geschiedene oder leibliche (nicht anerkannte) Väter so gut wie keine Rechte am eigenen Kind haben...das wird eine ebenso lange Liste.

Was ich insgesamt damit ausdrücken möchte: Kulturelle Entwicklung findet nur statt, wenn sich Systeme verändern. Dazu muss erst einmal erkannt werden, was das System ist und was das Individuum innerhalb des Systems ist. Genderstudies und Feminismus zu belächeln und auf Salzstreuerinnenwitze zu beschränken finde ich aus diesem Grund ziemlich kleingeistig.

Benutzeravatar

» Feuerputz » Beiträge: 1415 » Talkpoints: 7,29 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



Feuerputz hat geschrieben:Sicht der Dinge ist aber zu über 50% ein Resultat deiner Sozialisation (wie bei jedem Menschen, das ist kein Angriff!)

Eben deshalb ist es so, dass Prozesse die den aktuellen Zustand verändern sollen, nicht über Nacht abzuschließen sind sondern über Generationen in vielen kleinen Schritten geschehen muss! Mit der Folge, dass man sich über die lustig macht, welche sich für Änderungen einsetzen und auf Missstände hinweisen. Und nur weil im alten Rom auch Sklaven ohne Ketten gehalten wurden, waren sie doch Sklaven. Selbst dann, wenn sie sich selbst dessen nicht bewußt waren - und sei es nur, weil andere Sklaven noch sichtbar Ketten trugen.

Feuerputz hat geschrieben:Genderstudies und Feminismus zu belächeln und auf Salzstreuerinnenwitze zu beschränken finde ich aus diesem Grund ziemlich kleingeistig.

Dem kann kaum jemand ernsthaft was entgegen setzen. Ist jedenfalls schön auf den Punkt gebracht und dem ist nichts mehr hinzuzufügen.

» derpunkt » Beiträge: 9898 » Talkpoints: 88,55 » Auszeichnung für 9000 Beiträge


Gibt es eigentlich bei Talkteria eine Gleichstellungsbeauftragte?

Nein im Ernst, ich kann diese ganze Gleichmacherei auch nicht mehr hören. Es allerdings nur auf die geschlechtsneutralen Bezeichnungen zu reduzieren wäre ein bischen einfach. Sicherlich ist es immer ganz lustig wenn so etwas in die Runde geworfen wurde. Wir hier in der Behörde sind auch aufgefordert geschlechtsneutral zu schreiben. Ich kenne aber niemanden der das auch macht, selbst die Briefe die aus dem Ministerium kommen werden in der gewohnten Art geschrieben.

Ich denke mal jede selbstbewusste Frau wird sich ihren Teil dazu denken und ob so etwas wirklich nötig ist.

Benutzeravatar

» hooker » Beiträge: 7217 » Talkpoints: 50,67 » Auszeichnung für 7000 Beiträge


Ich finde die Genderdiskussion eigentlich auch ganz interessant und durchaus wichtig. Dass es eben auch manche Leute, vor allem auch Frauen derart, die hier "Emanzen" genannt wurden, ist aber klar. Da wird dann versucht einen Zustand der nunmal besteht zu ändern und zwar durch Aktionismus. Eine "Systemänderung", wie sie in der Diskussion schon angesprochen wurde, erfordert aber eben erst die Erkenntnis des Änderungsbedarfs, dann die Erstellung eines Änderungsplans und dann kann man langsam mal damit anfangen das ganze durchzusetzen.

Da die Genderforschung noch nicht so sehr alt ist, verorte ich das Ganze erstmal noch in der Phase des Verstehens. Sozusagen das was die Prä-Newton Ära für die Physik war. Ups, wieder ein Mann...

Benutzeravatar

» Herr Lehmann » Beiträge: 558 » Talkpoints: 5,56 » Auszeichnung für 500 Beiträge


Ähnliche Themen

Weitere interessante Themen

^