60. Jahrestag der Stasi

vom 09.02.2010, 15:59 Uhr

Damit es in unserem Bewusstsein nicht vergessen wird möchte ich heute an den 60. Jahrestag der Gründung des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) der DDR, im Volksmund aber nur „Horch und Guck“ genannt, erinnern. Am 8. Februar 1950 wurde durch die Volkskammer der DDR beschlossen einen eigenen Geheimdienst nach sowjetischem Vorbild zu gründen, die Staatssicherheit (Stasi) wurde damit ins Leben gerufen. Von Anfang an als Schwert und Schild der Partei gedacht beherrschte sie bald das öffentliche Leben. Zuletzt waren 91000 hauptamtliche Mitarbeiter und 189000 Inoffizielle Mitarbeiter (IM/ Spitzel) dort beschäftigt.

Legendär ist die Datensammelwut, es wurden selbst über banalste Dinge berichtet wie zum Beispiel wer wann mit wem ins Kino geht und welchen Film es dort gab. Auch wurde gerne bei Nachbarn und Kollegen geklingelt um Auskünfte einzuholen, jeder ehemalige Kaderleiter kann sicherlich auch über die regelmäßigen Besuche der (meistens) männlichen Mitarbeiter berichten. Egal wo man war, die Stasi war immer dabei. Selbst in den Schulen und Ausbildungseinrichtungen wurde schon rekrutiert und damit meine ich nicht nur die Lehrer. Auf Grund der noch vorhandenen Datenberge kann man davon ausgehen dass ungefähr jeder fünfzigste Bürger irgendwann einmal beobachtet wurde. Der Anlass konnte banal sein wie häufiger Schriftverkehr oder der Besuch der Oma aus dem Westen, aber auch ernsthafter ausgehen wenn zum Beispiel durch Unachtsamkeit irgendwo nur Ausschuss produziert wurde. Die Stasi witterte hinter allem den Klassenfeind und Sabotage.

Querulanten und Opositionelle wurden massiv unter physischen und politischen Druck gesetzt und wenn das nicht half, individuell gebrochen. Dazu gehörten auch Berufsverbote, Gefängnis, Einzelhaft, Nahrungsentzug, die Wegnahme der Kinder, Verweigerung von medizinischen Behandlungen im Gefängnis und eben auch Mord. Es wurden auch Geruchsproben genommen oder Verdächtige mit radioaktiven Stoffen kontaminiert damit sie im Bedarfsfall besser verfolgt werden können.

Oberster Befehlshaber des MfS war Erich Mielke, gefürchtet durch sein rücksichtsloses Vorgehen und bekannt als stammelnder Redner. Wie später bekannt wurde gab es über ihn auch eine Polizeiakte weil er 1931 zwei Berliner Polizisten im Auftrag der KPD erschossen hatte. Die Flucht vor der Polizei führte ihn nach Spanien wo er am Bürgerkrieg teilnahm und dort unter seinen Mitkämpfern durch seine große Rücksichtslosigkeit gefürchtet war und nach Stalins Vorbild die eigenen Reihen säuberte. 1945 kehrte er nach Deutschland zurück wo er innerhalb kürzester Zeit zum Polizeichef aufstieg.

Seine Vorgesetzten imponierte er weiterhin mit seiner Rücksichtslosigkeit mit der Feinde im wahrsten Sinne des Wortes kaltgestellt wurden. 1957 wurde er Minister des MfS und blieb es auch bis zu seiner Ablösung 1989. Er hatte das größtmögliche Machtpotenzial auf seine Person vereint. Selbst seine engsten Mitarbeiter fürchteten sich vor ihm weil er zum Schutz des Staates auch zu brutalsten Methoden greifen durfte und es auch tat. Erinnern möchte ich nur an Tode von dem Fußballer Eigendorf und weiteren wie den ehemaligen Polizeichef Bialek, Murau und Rebenstock, Hauptmann Treske oder den Schweizer Fluchthelfer Lenzlinger der 1979 in Zürich durch Schüsse niedergestreckt wurde.

Sein Motto war „wer nicht für uns ist, ist gegen uns“. Augenzeugen berichteten dass Nachdenken nicht seine starke Seite war und das zum Ende der DDR hin sein geistiges Unvermögen noch zunahm. Ehemaligen DDR- Bürgern wird noch sein letzter öffentlicher Auftritt in ewiger Erinnerung sein. Auf seine Anklage zur Menschenrechtsverletzung antwortete er mit seinem bekannten Stammeln „Ich liebe euch doch alle, alle Menschen“.

Wer schon einmal eine Stasiausstellung besuchen konnte und die Methoden des Geheimdienstes anschaulich sehen konnte der wird vielleicht verstehen warum viele ehemalige DDR- Bürger auch noch zwanzig Jahre nach deren Auflösung kein entspanntes Verhältnis zum Thema aufbauen können und die Forderung mancher Parteien nach dem Ruhen der Vergangenheit (aktuell: designierte Linkenvieze Lötzsch/ ehemalige Stasileute sollten auch Minister werden dürfen) nicht nachvollziehen können.

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» hooker » Beiträge: 7217 » Talkpoints: 50,67 » Auszeichnung für 7000 Beiträge



Jetzt bin ich kein Verteidiger der DDR oder würde die reale Lebenssituation in diesem Land in irgendeiner Weise gutheißen wollen. Auch ist es für niemanden hilfreich und nützlich, die Vergangenheit in der DDR zu verklären. Die Bedingungen dort waren widrig und natürlich hat der Geheimdienst mit dazu beigetragen.

Aber so einseitig und losgelöst kann auch in der Rückbetrachtung die Stasi nicht beurteilt oder verurteilt werden. Denn es wird ja kaum Zweifel daran geben, dass sich ein wehrhafter Staat auch gegen seine inneren Feinde zu schützen wissen soll. Welcher Staat auf der Welt hat denn keinen Inlandsgeheimdienst? Und nur, weil das Amt für Verfassungsschutz einen etwas humaneren Namen trägt, sind dessen Aufgaben ebenfalls das Überwachen von Menschen im Staate. Natürlich nur Verfassungsfeinde. Aber auch hier muss man diese erst identifizieren. Das funktioniert eben auch durch informelle Mittel. Auch das Anwerben von Spitzeln in bestimmten Kreisen hat schon Ähnlichkeiten mit dem, was man sonst der Stasi vorwerfen würde.

Ebenso ist es fragwürdig, einen Erich Mielke auf den Polizistenmord und seine Funktion ab 1957 innerhalb des MfS zu reduzieren. Eines der Probleme in der DDR war ja die Tatsache, dass es auf den Führungsebenen keine echten Ablösungen bzw. Verjüngungen gab. Dort trat man ab durch ein Putsch oder das natürliche Ableben. Was das einbringen von neuen Ideen natürlich erschwert hat. Wenn so einer nun über 30 Jahre so einen Posten inne hat, dann ist es nicht verwunderlich, dass hier der Bezug zur Realität sowie die Vorstellung der eigenen Fehlbarkeit verloren geht!

Hinzu kommt im Fall Mielke (gerne aber auch bei Honecker und wie sie alle hießen) die persönliche Geschichte! Politische Menschen, die für ihre Ideale gerade im antifaschistischen Kampf bereit waren, alles aufzugeben und auch ins Exil flohen. Das Leben im spanischen Bürgerkrieg riskierten und natürlich durch die Sozialisation im Umfeld der Nazi-Feinde ein besonderes Menschenbild (aber auch Staatsbild) entwickelt haben.

Ein Stauffenberg gilt heute als gefeierter Gegner des Naziregimes, obwohl er es lange Zeit begleitet hat. Ja, praktisch davon profitiert hat. Anderen, gerade aus dem sog. KPD Umfeld, genügte die Gegnerschaft gegen den Nazi-Terror nicht, um hier eine entsprechende Würdigung zu erfahren.

Dieser Hintergrund gilt auch zu beachten, wenn man über viele Funktionäre innerhalb der DDR urteilen möchte. Ich jedenfalls glaube ihnen, dass sie eigentlich an ein anderes, besseres Deutschland geglaubt und an dessen Verwirklichung gearbeitet haben. Leider entwickelte sich in Zuge dessen eine eigene Kaste, die das eigentliche Ziel zu schnell aus den Augen verloren hat. Das passierte aber in allen Staaten des ehemaligen Ostblocks. Aber auch in China, Nordkorea und allen anderen Staaten, die sich die Regentschaft Stalins (also, bis zum eigenen Ende) zum traurigen Vorbild genommen haben.

» derpunkt » Beiträge: 9898 » Talkpoints: 88,55 » Auszeichnung für 9000 Beiträge


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