Ist Geschmack vererbbar?

Ich glaube auch nicht, dass man von Vererbung sprechen kann. Man weiß ja auch gar nicht, was das Kind so alles essen würde, wenn es nicht bei den Eltern leben würde. Ich würde eher sagen, dass es eine Sache der Gewohnheit ist. Eltern haben für Kinder oft eine groß Vorbildfunktion und natürlich orientieren sich Kinder an den Eltern und schauen sich einiges ab, egal ob das nun bewusst oder unbewusst vorkommt.

Wenn ein Kind sieht, dass seine Eltern ganz vieles nicht essen, dann ist die Wahrscheinlichkeit doch auch recht groß, dass es dann selbst die Sachen nicht probieren will. Es denkt sich dann, dass bestimmte Lebensmittel nicht gut sein können, wenn schon die Mutter sie nicht mag. Von daher geben sie bestimmten Speisen möglicherweise gar nicht erst eine Chance.

Meine Eltern und ich haben einen völlig unterschiedlichen Geschmack. Unterschiedlicher könnte er kaum sein. Mein Vater liebt Fisch, Fleisch, Wurst und damit verbundene Hausmannskost - ich bin Vegetarierin und hasse Hausmannskost. Meine Mutter mag es hingegen gerne süß und liebt warme Süßspeisen, die ich nicht ausstehen kann. Dafür mag ich es gerne stark gewürzt, was meine beiden Elternteile nicht mögen.

Meinen eigenen Geschmack würde ich als eine Kombination vorgelebter Essensvorlieben und meiner Vorliebe für "exotischere" Speisen sehen, die meine Eltern nicht gern gegessen haben. Beispielsweise esse ich einerseits gern typische bayrische Hausmannskost, wie sie auch meine Eltern gegessen haben (Weißwürste, Leberknödel, ...), aber ich esse auch sehr gern Speisen, die meine Eltern immer vermieden haben, wie zum Beispiel Lammfleisch, Garnelen, Sushi oder scharfe thailändische Gerichte.

In wiefern mein Geschmack auf Vererbung beruht, mag ich nicht zu sagen. Vermutlich gibt es einen vererbten oder anerzogenen Aspekt, sowie einen Aspekt, der meiner persönlichen Neugier nach Neuem und Nichtraditionellem geschuldet ist.

Meiner Erfahrung nach muss Geschmack vererbbar sein. Sonst könnte ich mir nicht erklären, dass meine zwei Töchter, schon seit sie feste Nahrung zu sich genommen haben, so unterschiedliche Geschmäcker hatten. Sie sind vom Aussehen her auch sehr unterschiedlich, die eine rothaarig, die andere sehr dunkel. Die ältere war von Anfang an auf Süßes programmiert, während die andere gerne ihre Leberwurstbrote verspeiste.

Es hat jeder Mensch seinen eigenen angeborenen Stoffwechsel, der den Geschmack ja maßgeblich beeinflusst. Man merkt es schon bei Säuglingen am Stuhlgang. Trotz gleicher Muttermilch kann dieser in unterschiedlicher Häufigkeit und Konsistenz bei Geschwistern auftreten. War zumindestens bei meinen Kindern so. Daher ist für mich eigentlich klar, dass Geschmack vererbt wird.