Sollte es Strafzahlungen für unnötige Arztbesuche geben?

vom 02.11.2019, 11:23 Uhr

lascar hat geschrieben:Häufig kann ich aber doch als Patient gar nicht beurteilen, ob ein Arztbesuch sinnvoll oder unnötig ist, oder?

Nein, das geht nicht. Nicht umsonst dauert ja ein Medizinstudium 6 Jahre und die Facharztausbildung in der Regel auch noch einmal mindestens 5-6 Jahre. Wenn der Patient also so schlau wie der Arzt wäre, müsste man sich schon fragen, was die Kollegen da so mehr als ein Jahrzehnt lang treiben.

Aber auf der anderen Seite gibt es ja durchaus Hausmittelchen oder auch frei verkäufliche Medikamente oder auch mal nur ein zwei Tage Ruhe, die man selber mal ausprobieren kann als Mittel der ersten Wahl, bevor man sofort losrennt. Und die Zahl der Patienten, die schon an diesen ersten Mitteln scheitern und einen Arztbesuch brauchen um sich bei Rückenschmerzen eine Packung Ibuprofen aus der Apotheke zu holen, die nimmt immer weiter zu.

Und genau hier würde ich denken, dass eine grundsätzliche Beteiligung an den Arztkosten schon die Hürde für einen Arztbesuch erhöhen würde. Ich will da ja keine Art Praxisgebühr von 50 Euro oder noch mehr. Meinetwegen 10 Prozent Selbstbeteiligung bis 300 oder 400 Euro Maximalbetrag im Jahr und das würde sicherlich bei dem ein oder anderen das Gesundheitsbewusstsein stärken. Oder alternativ Beitragsrückerstattung, wenn man nur wenig Kosten für die Krankenkasse im Jahr verursacht. Die privaten Versicherungen machen es doch vor.

Mit solchen Summen würde man auch niemanden wirklich überlasten. Für einen einzelnen Arztbesuch, wo nicht viel gemacht wird außer vielleicht in einem Anamnesegespräch zu klären ob überhaupt mehr Untersuchungen sinnvoll wären, zahlt man dann keine 5 Euro. Vorsorgeuntersuchungen und Schutzimpfungen beispielsweise würde ich davon aber ausnehmen, da diese ja gewollt sind um Folgekosten zu vermeiden.

» Klehmchen » Beiträge: 5487 » Talkpoints: 1.012,67 » Auszeichnung für 5000 Beiträge



Hat damit vielleicht nicht direkt was zu tun, aber in Schweden zahlt man immer eine Arztgebühr, wenn man zum Arzt geht. Ich glaube 20 Euro für Hausärzte und 40 oder so für Spezialisten, wenn man keine Überweisung hat. Damit vermeidet man ja wahrscheinlich automatisch schon bis zu einem gewissen Grade, dass Leute einfach so zum Arzt gehen, vor allem wenn es um Spezialisten und Fachärzte geht.

» Herzdame » Beiträge: 82 » Talkpoints: 13,66 »


Klehmchen hat geschrieben:Und genau hier würde ich denken, dass eine grundsätzliche Beteiligung an den Arztkosten schon die Hürde für einen Arztbesuch erhöhen würde. Ich will da ja keine Art Praxisgebühr von 50 Euro oder noch mehr. Meinetwegen 10 Prozent Selbstbeteiligung bis 300 oder 400 Euro Maximalbetrag im Jahr und das würde sicherlich bei dem ein oder anderen das Gesundheitsbewusstsein stärken.

Ich würde vermuten, dass solche Gebühren eher das Vermeidungsverhalten stärken würden. Wird nicht sowieso schon häufig kritisiert, dass sich insbesondere Männer zu selten zum Arzt begeben? Mit solchen Gebühren würde man doch nur weitere Hürden schaffen, und die Menschen würden noch seltener zur Arzt gehen.

Genaugenommen sehe ich da sowieso widersprüchliche Vorwürfe: zum einen heißt es, die Leute würden zu oft zum Arzt gehen, aber es wird auch kritisiert, dass sie sich zu selten untersuchen lassen und Krankheiten schleifen lassen. Jedenfalls glaube ich nicht, dass man das Gesundheitsbewusstsein durch Praxisgebühren stärken würde - eher im Gegenteil.

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» lascar » Beiträge: 4412 » Talkpoints: 782,06 » Auszeichnung für 4000 Beiträge



Eine Lösungsmöglichkeit wäre doch ganz einfach: Der Arzt schickt den eingebildeten Kranken spätestens nach dem zweiten als unnötig erachteten Besuch direkt wieder nach Hause. Aber viele Ärzte sind ja froh und geradezu versessen darauf, bei den Patienten sogenannte IGEL-Leistungen abzukassieren. Da kommt ihnen ein eingebildeter Kranker mehr als Melkkuh sehr gelegen. Kühe, die man melken will, sollte man nicht schlachten.

» Gorgen_ » Beiträge: 1058 » Talkpoints: 374,04 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



Ich würde mal sagen, dass niemand zum Arzt geht, weil es ihm außerordentliches Vergnügen bereitet. Auch wenn ein Außenstehender sagen würde, dass der ein oder andere Arztbesuch unnötig wäre, heißt das ja nicht, dass das die betroffene Person auch so sieht. Wenn man aus Verunsicherung lieber noch eine Zweitmeinung einholen möchte, ist daran doch nichts auszusetzen.

Außerdem glaube ich auch, dass eine Strafgebühr das Verhalten nur geringfügig beeinflussen würde. Wenn man immer noch Schmerzen hat, oder verunsichert ist, wird man so oder so nochmal zum Arzt gehen.

» sugar-pumpkin » Beiträge: 661 » Talkpoints: 67,64 » Auszeichnung für 500 Beiträge


Bei uns gibt es schon lange eine Einrichtung, bei der telefonisch die Symptome einer Krankheit oder eines akuten Leidens geschildert werden können. Dort wird einem dann meistens auch geholfen. Nur wenn es wirklich notwendig ist, dass man dann einen Arzt konsultiert, wird einem das geraten.

Das wurde bei uns gemacht, weil die Notaufnahmen, Ambulanzen und Kassenärzte einfach überfüllt sind. Bei gewissen Metiers wie zum Beispiel Dermatologen bekommt man auch erst in drei Monaten einen Termin, obwohl man pro Behandlung fast 100 Euro bezahlt. Es ist einfach langsam nicht mehr tragbar.

Und es sind wirklich immer dieselben Hypochonder, die unser Gesundheitssystem ausnutzen. Ich würde sogar noch einen Schritt weiter gehen und sagen, dass man für eine Krankmeldung saftig Geld verlangen sollte. So wäre sicher gestellt, dass nur derjenige, der die Krankmeldung dringend benötigt, sich eine ausstellen lässt.

Wie viele gibt es, die einfach nur zu faul zum Arbeiten sind und deshalb in den Krankenstand gehen. Es ist einfach mittlerweile so, dass wegen jedem Furz zu Hause geblieben wird. Mein Opa hat immer gesagt: Früher hat es das überhaupt nicht gegeben, Krankenstand. Es wäre auch eine Möglichkeit, dass man den Krankenstand einfach nicht bezahlt. So müssten die Patienten unentgeltlich zu Hause bleiben.

Nur bei einer chronischen, nachweislich nicht selber verursachten Erkrankung wie zum Beispiel Krebs, würde ich ein Entgelt fort bezahlen lassen. Wobei das auch nicht immer klar definiert werden kann, woher ich nun die Erkrankung habe.

» nordseekrabbe » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »


Ich bin auch gegen eine solche Strafzahlung. Mag sein, dass es Patienten gibt, die "zu oft" einen Arzt aufsuchen, womöglich wegen Bagatellen. Aber ich lebe frei nach dem Glaubenssatz: Lieber einmal zu oft zum Arzt, als zu wenig. Soll heißen, dass es ja doch mal etwas ernstes sein kann, was man selbst allerdings nicht so eingeschätzt hat und dann womöglich jede Hilfe zu spät kommt, wenn man keinen Arzt aufgesucht hat.

Strafzahlungen gehen für mich gar nicht. Wenn ich unsicher bin und zum Arzt gehen möchte, um es abzuklären, gehe ich zum Arzt. Wenn rauskommt, dass es doch eine Kleinigkeit und nichts ernstes war, bin ich beruhigt, aber ich habe es immerhin abgeklärt. Es war also in dem Fall trotzdem wichtig.

Ich möchte keinem Menschen die Möglichkeit nehmen, zum Arzt zu gehen, wenn er es in dem Moment für richtig hält.

» Aguti » Beiträge: 3109 » Talkpoints: 27,91 » Auszeichnung für 3000 Beiträge



Ich verstehe auch nicht so recht, warum man die Menschen mit Sanktionen davon abhalten will, zum Arzt zu gehen, und dass man ihnen anscheinend gern unterstellt, unnötig deren Hilfe in Anspruch zu nehmen. Als medizinischer Laie ist es doch häufig so, dass man selbst gar nicht so genau abschätzen kann, ob die Symptome auf eine ernstzunehmende Krankheit hindeuten oder nicht. Wenn man dann noch dazu gedrängt wird, den Arztbesuch zu vermeiden, besteht doch die Gefahr, dass man den Beginn einer ernsthaften Krankheit ignoriert oder übersieht.

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» lascar » Beiträge: 4412 » Talkpoints: 782,06 » Auszeichnung für 4000 Beiträge


Es geht nicht darum Hürden zu schaffen, sondern das Gesundheitsbewusstsein wieder zu stärken. Und seien wir mal ehrlich. Wenn jemand in die Notaufnahme Sonntag Nacht rennt, dann rechnet das Krankenhaus dafür zwischen 30 und 40 Euro ab, mehr nicht. Und das trotz Sonntag und trotz Nacht. Das heißt bei 10 Prozent Selbstbeteiligung am Ende 3 bis 4 Euro die der Patient tragen muss. Da zahlst du am Wochenende beim Schlüsseldienst schon mehr Telefongebühren, mal davon zu schweigen, dass da am Ende der Nummer dafür zwischen 150 und 200 Euro los bist.

Hier muss man einfach mal die Kirche im Dorf lassen und mittlerweile von der Politik geschaffenen Schwachsinn wieder gerade rücken. Man suggeriert den Bürgern doch eine Utopie von jederzeit und überall erreichbaren Spitzenmedizin bis ins hohe Alter und bis in den medizinischen Schwachsinn (Hüftprothese mit knapp 100 Jahren und solche Späße) ohne den Patienten daran irgendwie zu beteiligen. Wenn der Arzt dann aber für Osteoporose im Sinne des Patienten, damit dieser pro Woche nur 1 Tablette nehmen muss, ein Kombipräparat aufschreibt, was über 3 Monate gerechnet 10 Euro mehr kostet als wenn er es auf verschiedene Tabletten aufschlüsselt und damit das Risiko erhöht, dass der Patient dann Tabletten vergisst, dann wird er dafür sofort in Regress genommen und darf hunderte Euro zurückerstatten.

Die Politik ist hier gefordert nicht mehr nur auf Ärzte und Krankenhäuser einzudreschen, sondern muss doch einmal aktiv sagen, was sie denn wirklich bezahlen will. Stattdessen freut man sich dann, wenn wie hier in einem Beitrag auch gleich noch die IGEL-Keule geschwungen werden darf, wo die Ärzte abkassieren. Ja natürlich machen das einige Ärzte. Aber sie machen es eben auch, weil sie von den Kassen als niedergelassene in der Regel nur noch 60-70 Prozent ihrer erbrachten Kassenleistung, die vertraglich klar geregelt ist, erstattet bekommen.

Unter dem Strich ist es doch derzeit so, dass sich weder Staat noch die Krankenkassen alle anfallenden Kosten leisten wollen, aber keiner den Arsch in der Hose hat, dass den Versicherten mal klar zu sagen. Und wenn wir unser Niveau der medizinischen Versorgung aufrecht erhalten wollen, dann müssen wir eben entweder den Leistungskatalog überarbeiten oder dafür sorgen, dass eben nicht mehr zu jeder Zeit jede Leistung in Anspruch genommen werden kann und wer es eben doch tut, der muss an den anfallenden Kosten beteiligt werden.

Und genau hier könnte ich mir vorstellen, dass zumindest für einen gewissen Prozentsatz der Patienten eine Selbstbeteiligung doch klarer machen würde, dass Medizin eben nicht zum Nulltarif zu bekommen ist und es vielleicht doch nicht nötig ist, beim Schnupfen sofort zum Hausarzt zu rennen oder man bei banalen Rückenschmerzen ja auch erst einmal eine Tablette versuchen kann. Aber mittlerweile haben ja vor allem auch die Medien den Patienten ja eingeredet, dass hinter plötzlichen Rückenschmerzen nicht die seit 30 Jahren vernachlässigten Rückenmuskeln stecken, sondern bestimmt eine Aortendissektion oder der Herzinfarkt und man gleich sterben wird, wenn man nicht zum Hausarzt rennt (der da übrigens nur auch nichts machen kann, wenn es denn so ist). Und das obwohl die Wahrscheinlichkeiten dafür verschwindend gering sind.

» Klehmchen » Beiträge: 5487 » Talkpoints: 1.012,67 » Auszeichnung für 5000 Beiträge


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