Sind nur schlechte Menschen im Gefängnis?

vom 14.11.2017, 00:19 Uhr

Ich schaue seit einiger Zeit die Serie „orange is the new black“. Im Laufe der Serie wird auf die Hintergründe der verschiedenen Charaktere eingegangen und auch darauf, wieso sie überhaupt im Gefängnis gelandet sind beziehungsweise wie es dazu gekommen ist. Dabei kann man nicht sagen, dass alle nur aus Bosheit oder Habgier ihre Taten begangen haben, die dazu führten, dass sie nun im Gefängnis sind. Im Gegenteil - viele haben aus Verzweiflung gehandelt oder weil sie in einem entsprechendem Umfeld aufgewachsen sind, was ihnen quasi nichts anderes übrig gelassen hat, als ebenfalls in die Kriminalität rein zu rutschen. Dementsprechend kann man also sagen, dass nicht alle Menschen, die in der Serie im Gefängnis sitzen, schlecht sind.

Ich weiß, dass es nur eine Serie ist, aber ich habe mich gefragt, ob man es auch zu geringen Teilen auf die Realität beziehen kann? Ich habe mich gefragt, ob man dies auch auf die Realität übertragen kann? Denkt ihr, dass im Gefängnis nur Menschen sind, die schlecht sind? Oder denkt ihr, dass es auch hier sicher Menschen gibt, die einfach nur aufgrund der Verkettung unglücklicher Ereignisse dort gelandet sind beziehungsweise keine andere Wahl hatten als den Pfad der Kriminalität einzuschlagen?

» Hufeisen » Beiträge: 6056 » Talkpoints: 0,00 » Auszeichnung für 6000 Beiträge



Das kommt natürlich darauf an, wegen welchem Vergehen man im Gefängnis gelandet ist. Ich kann mir gut vorstellen, dass manche Menschen keine andere Wahl hatten oder einfach keine andere Perspektive gesehen haben. Die Vorstellung ins Gefängnis gehen zu müssen schreckt manche Menschen vor kriminellen Taten mitunter nicht ab, wenn sie kein schönes Leben haben.

Es soll ja durchaus Fälle geben, wo Menschen in kriminelle Machenschaften verwickelt werden, weil sie so ihre Familie durchbringen können oder Verwandten in Not helfen können. Derzeit ist es in Deutschland nicht üblich wenn man zwei oder sogar mehr Jobs hat, um zu überleben. Wen würde es da wundern, wenn Menschen sich eher für einen kriminellen aber dafür leichteren Weg entscheiden würden, um Geld zu verdienen?

» Crispin » Beiträge: 14916 » Talkpoints: -0,43 » Auszeichnung für 14000 Beiträge


Kommt es nicht eher darauf an, wen man fragt? Denn die meisten behaupten doch von sich aus "unschuldig" im Gefängnis zu sitzen und sehen ihre Schuld doch gar nicht ein. Dann waren die Anwälte oder Polizisten eben korrupt, der Richter hat überreagiert oder die Ex wollte einem was anhängen. Ich glaube, dass nur sehr wenige Menschen wirklich die nötige Selbstreflektion besitzen, dass sie zu recht im Knast sitzen.

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» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge



Ich tue mir generell mit der Einteilung der Menschen in "gut" und "schlecht" schwer. Es gibt in meinen Augen natürlich Extreme, und ich möchte hier wahrhaftig keine Gewaltverbrecher in Schutz nehmen oder auf die berühmte "schwere Kindheit" verweisen. Aber ich halte es für absolut wirklichkeitsfremd zu glauben, dass man eine Trennlinie ziehen kann und sagen, dieser Mensch ist gut, jener schlecht, wenn es nicht gerade um Serienmörder handelt.

Dafür ist mir die Grauzone einfach zu groß, und es spielen zu viele Faktoren eine Rolle. Manche Leute haben ja tatsächlich von Anfang an quasi keine Chance, weil sie in einem Umfeld aufwachsen, das keine normale psychische Entwicklung ermöglicht, sei es durch Missbrauch, irgendwelche Krankheiten oder Behinderungen, Drogen oder was auch immer. Ist das dann wirklich ein "schlechter Mensch" oder wäre die Person in einem braven Mittelschicht-Haushalt mit jeder Menge Therapie nicht zu einem etwas beschränkten, aber angepassten Mitglied der Gesellschaft geworden?

Und umgekehrt: Woher willst du wissen, was der nette Opa auf der Parkbank oder die Mutti mit dem Kinderwagen nicht schon alles auf dem Kerbholz haben und nur nicht dabei erwischt worden sind? Häusliche Gewalt hat eine riesige Dunkelziffer, und umgekehrt kannst du auch wegen Steuerhinterziehung, Kiffen oder Schwarzfahren im Knast landen, wo du von Außen eher Sympathie bekommst, als dass man dich als "schlechten Menschen" abstempelt.

» Gerbera » Beiträge: 11292 » Talkpoints: 42,29 » Auszeichnung für 11000 Beiträge



Ich glaube nicht an gute und schlechte Menschen. Ich glaube, dass alle Menschen irgendwo im Graubereich liegen und unter bestimmten Umständen bereit wären eine Straftat zu begehen oder völlig selbstlos zu handeln.

Selbst wenn du dir Menschen anschaust, die aufgrund einer Persönlichkeitsstörung für Straftaten prädestiniert sind, sind da viele dabei, die nicht im Gefängnis sitzen sondern einem respektablen Beruf nachgehen. Man sieht dann teilweise nur an der Berufswahl, dass die psychopathischen Züge da von Vorteil sind.

Wenn du mit "schlechte Menschen" Straftäter im allgemeinen meinst dann ist es sicher so, dass die meisten Menschen nicht unschuldig im Gefängnis sitzen. Eine schlechte Kindheit, widrige Umstände oder was auch immer machen dich schließlich nicht unschuldig und zwingen dich auch nicht eine Straftat zu begehen, das ist immer noch deine freie Entscheidung.

Auf der anderen Seite sitzen viele Menschen nicht im Gefängnis, die mit Sicherheit keine "guten Menschen" sind. Es gibt genug Beispiele aus der Finanzwelt von Menschen, die andere skrupellos abgezockt haben und völlig ungeschoren davon gekommen sind weil sie sich irgendwo noch im legalen Rahmen bewegt haben. Oder viele Straftaten im häuslichen Umfeld, die gar nicht erst angezeigt werden.

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» Cloudy24 » Beiträge: 27476 » Talkpoints: 0,60 » Auszeichnung für 27000 Beiträge


Ich gehe sogar so weit und behaupte, dass jeder von uns im Knast landen könnte. Man muss nur zur falschen Zeit am falschen Ort sein oder eventuell einfach nur mit dem falschen Fuß aufgestanden sein und schon kann man den Salat haben. Wenn jemand eine schwierige Vergangenheit, falsche Freunde oder vielleicht sogar krank wird (psychisch oder physisch spielt keine Rolle), kann man sich selbst ganz schnell verlieren und eventuell dazu neigen, eher "schlecht" zu sein.

Ich finde nicht, dass nur schlechte Menschem in Knast sind. Denn die meisten Menschen lassen sich ohnehin nicht in "gut" oder "schlecht" einteilen, sondern sind eine Mischung aus beidem.

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» soulofsorrow » Beiträge: 9223 » Talkpoints: 23,42 » Auszeichnung für 9000 Beiträge


Man darf ja auch nicht vergessen, dass gut und schlecht ja eine rein subjektive Betrachtung ist und jeder diese Wertung für die gleichen Taten und die gleichen Menschen unterschiedlich vornehmen wird. Und niemand kommt ins Gefängnis, weil er ein guter oder ein schlechter Mensch ist, sondern weil er gegen irgendein Gesetz verstoßen hat.

Und bei den Verstößen gibt es ja ein riesiges Spektrum. Nicht jeder kommt ja wegen einem Gewaltverbrechen ins Gefängnis. Da sitzen ja auch Leute ein, die einfach nur kein Geld hatten um ihre Ordnungs- oder Bußgelder zu bezahlen. Die sitzen dann die Geldstrafe einfach ab, weil sie halt kein Geld haben. Sind das dann deswegen schlechte Menschen, nur weil sie überspitzt formuliert ihr Falschparkerticket nicht bezahlen konnten?

Ich denke eher, dass kaum jemand grundlos im Gefängnis sitzt, aber es dort mit Sicherheit genug Menschen gibt, die viele von uns nicht als schlechte Menschen bezeichnen würden. Aber am Ende des Tages gibt es eben Gesetze und an die haben wir uns alle zu halten.

» Klehmchen » Beiträge: 5487 » Talkpoints: 1.012,67 » Auszeichnung für 5000 Beiträge



Kenne jemanden, der wegen seiner ehrenamtlichen Tätigkeit im Strafvollzug sogar eine hohe Dekorierung vom Bundespräsidenten erhalten hat. Ich nehme an, dass das, was er im vertraulichen Gespräch alles so erzählen konnte, eher der Wahrheit entspräche, als das, was man sich so zusammenfantasieren kann und auch von den Krimis im Kino oder Fernsehen her als vermeintliche Gefängniswirklichkeit mundgerecht serviert bekommt.

Heutzutage wird von vielen Seiten bestätigt, dass Prozesse zu lange dauern, und die Gefängnisse deswegen mit Untersuchungshäftlingen überfüllt sind. In der Richterschaft hat es sich daher herumgesprochen, nach Möglichkeit auf Freiheitsstrafen zu verzichten und statt dessen auf Geldstrafen zu setzen. Das Prinzip einer Strafgesetzgebung ist ja immer noch der Gedanke an Genugtuung und Sanktionierung, um den Delinquenten "nachhaltig zu beeindrucken", was mit einer empfindlichen Geldstrafe oft besser erreicht werden soll.

Um nun auf die Tätigkeit und Gespräche mit dem im Strafvollzug unentgeltlich Tätigen zu sprechen zu kommen, kann gesagt werden, dass er mit Behördengängen, Verwandtenbesuchen und Besorgungen, die die Gefängnisinsassen nicht selbst unternehmen dürfen, beschäftigt ist.

Dabei ist ihm aufgefallen, dass es meistens wirklich "schwere Jungs" sind, die eine längere Freiheitsstrafe verbüßen, die von ihrer ganzen persönlichen Ausstrahlung her derart aggressiv, arrogant und verletzend sind, dass er schon mehrfach mit dem Gedanken gespielt hatte, seine Tätigkeit an den Nagel zu hängen. Solche Menschen zum Beispiel im persönlichen Umfeld als Wohnungsnachbarn zu haben, wäre für ihn schlichtweg untragbar.

Die Kategorisierung der Menschen in "gute" und "schlechte" müsste man eben noch genauer begrifflich eingrenzen. Man sollte sich nicht der Illusion hingeben, es gäbe solche Leute nicht, die mit Brutalität und Egoismus nur ihre eigenen Interessen verfolgten, ohne auch nur das geringste Gespür für andere zu entwickeln, und dabei dann zwangsläufig mit dem Gesetz in Konflikt geraten.

In diesem Zusammenhang wäre der Strafvollzug in erster Linie als Schutz der Gesellschaft vor derartigen Individuen im Sinne von "Wegsperren" vielleicht sinnvoll. Ob damit allerdings eine Veränderung der Persönlichkeit des Straftäters bis zur Erreichung des Ziels "Wiedereingliederung in die Gesellschaft" möglich ist, das wäre eine weitere Diskussion wert.

» Gorgen_ » Beiträge: 1060 » Talkpoints: 374,40 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


Es hängt auch stark vom politischen System ab, wer ins Gefängnis wandert. Es gibt nicht wenige Staaten, in denen man einfach wegen einer abweichenden politischen oder religiösen Meinung, einer anderen sexuellen Orientierung oder angeblicher Verunglimpfung des Staatsoberhaupts im Gefängnis landen kann. Es gibt weltweit gesehen sehr variable Haftgründe, sodass wahrscheinlich fast jeder von uns in irgendeinem Land in Gefahr geraten könnte, aus irgendeinem Grund, der einem wahrscheinlich nicht einmal bekannt ist, verhaftet werden könnte. Schon allein deswegen würde ich sagen, dass keineswegs nur "schlechte" Menschen inhaftiert sind.

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» lascar » Beiträge: 4414 » Talkpoints: 782,29 » Auszeichnung für 4000 Beiträge


In der Regel sitzt hierzulande kaum ein Mensch grundlos im Gefängnis, und auch wenn ich froh bin, in einem Land zu leben, welches die Resozialisierung in den Vordergrund stellt und der Bestrafungsgedanke nur sekundär sein soll, sehe ich auch realistisch die sehr engen Grenzen dessen, was in Bezug auf "Nacherziehung" möglich ist. Es gibt sicher welche, die sich nichts wieder zu Schulden kommen lassen, aber ich gehe davon aus, dass die Zahl der Wiederholungstäter höher sein wird, vor allem, wenn es um Gewaltverbrechen geht.

Ob man das jetzt als schlechter Mensch bezeichnen möchte, weiß ich nicht. Ich wäre nur vorsichtig hinsichtlich dessen, was man sich versprechen kann, von jemandem, der wiederholt im Gefängnis landet. Die meisten sind ja sowieso bekanntermaßen in den eigenen Augen unschuldig. Oder die Vergangenheit war schuld. Oder die anderen. Oder einfach die Tatsache, dass man selbst der Blöde war, der erwischt wurde. Ich habe auch mal jemanden kennengelernt, der sehr freimütig erzählte, dass er im Knast gesessen hat.

Aber in dem Fall kann ich sagen, dass das sicherlich kein im herkömmlichen Sinne schlechter Mensch war, im Gegenteil. Er war ein sehr ruhiger und gutmütiger Zeitgenosse, der immer jedem seine Hilfe anbot und der schlicht wegen Beschaffungskriminalität dort gelandet war. Gerade in diesem Bereich sitzen viele Bürger ein, die ohne ihre Sucht sicher niemals im Gefängnis gelandet wären, in den USA ist das ja ganz besonders ausgeprägt.

» Verbena » Beiträge: 4793 » Talkpoints: 0,57 » Auszeichnung für 4000 Beiträge


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