Sind Finanzberater nur auf Provision aus?

vom 05.11.2017, 12:32 Uhr

Unabhängige Finanzberater gibt es ja wie Sand am Meer. Einer verspricht besser zu sein als der andere. Man muss sich um nichts mehr selbst kümmern und alles wird von ihnen erledigt. Noch dazu kostet das alles natürlich nichts, da der Berater eine "kleine" Provision von den jeweiligen Versicherungen bzw. Banken erhält.

Auf das Schwärmen meiner Bekannten hin haben wir uns dazu hinreißen lassen auch so einen Finanzberater aufzusuchen und mal unsere Versicherungen prüfen zu lassen. Zusätzlich waren wir damals auf der Suche nach einer Finanzierung für den Ausbau des Wohnhauses.

Im ersten Gespräch hat der besagte Herr sehr freundlich und gut informiert gewirkt. Zudem hat er sich wirklich um uns bemüht und ist auf alle Fragen genau eingegangen. Bereits dort hat er versucht uns alle möglichen weiteren Versicherungen wie eine Zusatzversicherung oder Sparformen für unser Kind anzudrehen.

Betreffend des Kredites konnte er uns bei einer Bank in der Hauptstadt einen Kredit mit einem variablen Zinssatz von 1% anbieten. Dazu hätten wir natürlich auch noch zwei Fondsparvarianten abschließen sollen, die als Polster gedient hätten, sobald die Zinsen steigen. Mit dem Vorwand uns das alles noch überlegen zu müssen sind wir schließlich nach Hause gefahren und haben das ganze mal auf uns wirken lassen.

Zum damaligen Zeitpunkt war ich noch in Karenz und habe daher auch keine eigenes Einkommen gehabt. Für den Kredit konnte daher nur das Einkommen meines Mannes herangezogen werden. Ein paar Tage später haben wir den Anruf erhalten, dass die Bank von mir ein Schreiben der Firma benötigt in dem meine Arbeitgeber mir bestätigen mich nach Karenzende fix für 40 Stunden wiedereinzustellen. Zusätzlich sollten laut diesem Berater 40.000 Euro mehr aufnehmen als benötigt, da die Rate am Ende sich nach dem tatsächlich verwendeten Geld bemisst und das ja nichts macht. Zusätzlich hätten wir innerhalb von zwei Wochen fix zusagen müssen, da sonst das Angebot zurückgezogen wird.

Im Laufe des Gespräches haben bei mir immer mehr die Alarmglocken zu läuten begonnen. Am Ende haben wir ihm abgesagt und ums selbst um die Finanzierung gekümmert. Wobei ich sagen muss, dass keine Bank uns nur zwei Wochen gegeben hat um uns zu entscheiden oder uns gar mehr Geld einreden wollte als wir tatsächlich gebraucht hätten.

Bei dem besagten Finanzberater hatte ich wirklich das Gefühl, dass er nur richtig abkassieren möchte und ihm alles andere egal ist. Habt ihr auch schon solche Erfahrungen gemacht oder gibt es bei euch in der Umgebung ehrliche Berater?

» Birdy93 » Beiträge: 767 » Talkpoints: 10,23 » Auszeichnung für 500 Beiträge



Ja, also die Finanzberater werden ausschließlich nach Provision bezahlt. Als ich noch studiert habe, habe ich mal nach einem Job gesucht, um mich selbst zu finanzieren, wobei ich mich da auch auf eine Stelle beworben hatte, die sich hinterher als Finanzberater-Job entpuppt hat. In der Stellenanzeige wurde das aber ganz anders und beschönigend dargestellt. Im Vorstellungsgespräch wurde dann aber Tacheles geredet.

Da wo ich war, lief das so ab: Es war ein Unternehmen, aber verschiedene Teams mit verschiedenen Teamleitern und diese Teamleiter gehören zwar zum selben Unternehmen, stehen aber in Konkurrenz zueinander. Soll heißen, wer die meisten Verträge abschließt, bekommt als Teamleiter einen fetten Bonus. Daher sind die auch sehr daran interessiert, möglichst die Bewerber einzustellen und zu rekrutieren, die selbst sehr fleißig arbeiten und das Maximum an Vertragsabschlüssen rausholen.

Mir wurde dann gesagt, dass ich diverse Schulungen bekäme, dass ich eben lerne, wie ich mit Kunden ein gutes Verkaufsgespräch führen sollte. Mir wurde dann auch gesagt, dass ich mir meine Kunden selbst suchen muss, in meinem Fall also alle Freunde, Familie und auch Kommilitonen. Man wird wirklich dazu angestiftet, das ganze Umfeld abzugrasen und ständig jemandem was zu verkaufen, weil man ja nur die Provision kriegt und kein richtiges Gehalt. Das kam für mich aber nie in Frage, weil das die zwischenmenschlichen Beziehungen vergiftet hätte.

Mein Schwager wäre sicherlich begeistert gewesen, wenn er gemerkt hätte, dass ich ihm irgendwelchen "Schrott" angedreht habe nur wegen der Provision. Wenn man mit seinen "Kunden" dann auch noch bei Familienfeiern zusammen sitzt und die jedes Jahr zu Weihnachten, Hochzeiten und Geburtstagen sehen würde, macht es das auch nicht besser.

Mir wurde gar nicht gesagt, wie hoch die Provision genau ist oder ob man für bestimmte Vertragsabschlüsse mehr bekommt als für andere. Ich denke, dass man mir das nach der Unterzeichnung des Arbeitsvertrags gesagt hätte, das zuvor aber bewusst nicht getan hat. Ich fand das auf jeden Fall ziemlich abschreckend. Ich brauchte zwar dringend einen Job zu dem damaligen Zeitpunkt, aber eine derartige Tätigkeit geht so dermaßen gegen meine Prinzipien und Wertvorstellungen, dass ich mich dagegen entschieden habe, obwohl die mich ganz gerne einstellen wollten.

Ich meine, es ist eine Sache, wenn man einen festen Kundenstamm im Unternehmen hat, der dann regelmäßig beraten und betreut wird und wenn die Finanzberater eben ein regelmäßiges Gehalt bekämen. Aber dass man sich als Finanzberater seine Kunden komplett selbst suchen muss und dann mehr oder weniger verzweifelt irgendwem irgendwas andrehen möchte (oder "muss"), um Geld zum Überleben zu haben finde ich schon krass. Gerade Familie und Freunde vertrauen einem ja auch gewissermaßen, sodass man denen viel eher irgendwelchen Schrott verkaufen könnte. Fremden traut man in der Hinsicht ja nicht so schnell.

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» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge


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