Sich als Hausfrau als Pflegerin des Mannes bezeichnen?

vom 22.11.2017, 01:39 Uhr

Neulich habe ich im Tierheim eine nette Dame getroffen die dort ebenfalls ehrenamtlich aushilft und die sich angeregt mit mir unterhalten hat. Nach einer Weile hat sie das Gespräch dann beendet und meinte sie müsste daheim und ihren Mann pflegen. Ihr Mann hat sie schon häufiger vom Tierheim abgeholt und daher weiß ich, dass er kein Pflegefall ist. Ich habe aber schon häufiger gehört, dass Frauen die hauptsächlich Hausfrauen sind Ausdrücke verwenden wie ''den Mann pflegen'' oder ''für den Mann sorgen''.

Ich finde diese Ausdrucksweise etwas befremdlich, denn sie unterstellt dem Mann eine gewisse Bedürftigkeit. Der Mann kann etwas nicht und daher muss man ihn pflegen und ihn versorgen. Das mag in vielen Fällen sicherlich richtig sein, denn ich kenne einige Männer die nicht selbst kochen, Wäsche waschen oder bügeln können.

Habt ihr es auch schon erlebt, dass Hausfrauen davon reden ihre Männer zu versorgen und zu pflegen? Ist das möglicherweise für viele Hausfrauen auch eine Methode um auszudrücken wie wichtig ihre Aufgabe ist? Ist es nicht dennoch eine Art Erniedrigung für die andere Person die entsprechend gepflegt und versorgt werden muss, obwohl sie erwachsen ist?

» Crispin » Beiträge: 14916 » Talkpoints: -0,43 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



Du meine Güte, es ist echt faszinierend, wie du dich an einem bestimmten Lebensmodell hochziehen kannst. Wenn man sich für die Arbeitsteilung in der Wirtschaftsgemeinschaft Ehe entscheidet, dann pflegt oder versorgt der eine eben den anderen, die evtl. vorhandenen Kinder und den Haushalt. Der andere ernährt dagegen die Familie, weil er das Geld verdient.

Das hat doch gar nichts damit zu tun, ob der eine im Haushalt überfordert wäre oder der andere keine Ausbildung hat und deshalb nur im Haushalt tätig ist. Das ist eine Lebensentscheidung, nicht mehr und nicht weniger. Auch wenn es die meisten nicht wahrhaben möchten: Eine Ehe ist eine Wirtschaftsgemeinschaft und keine romantische Angelegenheit. Liege geht ohne Trauschein. Und wie in jedem anderen Unternehmen mit zwei Eigentümern auch, kann man die Aufgaben so verteilen, wie es beiden gut passt und man den für für beide größten Vorteil erreicht.

» cooper75 » Beiträge: 13336 » Talkpoints: 500,20 » Auszeichnung für 13000 Beiträge


Und wer sagt denn, dass der Mann nicht ein Pflegefall ist? Nur weil jemand in der Lage ist, seinen Partner abzuholen, heißt das doch nicht, dass die Person völlig selbstständig den Alltag bewältigen kann.

Wenn beide älter sind, können Erkrankungen schon vorhanden sein, die vielleicht nicht so offensichtlich sind. Beispielsweise hat der Mann vielleicht einen künstlichen Darmausgang, und braucht regelmäßig zu bestimmten Zeiten die Hilfe seinen Darm zu spülen und einen neuen Beutel am künstlichen Ausgang anzubringen. Wenn altersbedingt die Feinmotorik oder die Sicht eingeschränkt ist, kann das schon schwierig allein zu bewältigen sein.

So kenne ich viele ältere Herrschaften, die mit solchen Gesundheitsdingen nicht alleine klar kommen. Beispielsweise eine ältere Person in meiner Bekanntschaft, die fast blind ist. Anziehen alleine in dem Alter mit den Augen ist schwierig, weil alleine durch die schlechte Sicht und die alten Beine es schwierig geworden ist, in solchen Situationen Gleichgewicht zu halten. Auch das Bewältigen der Treppe im Haus ist alleine nicht mehr möglich.

Beim Toilettengang feststellen, ob man sich selbst richtig gereinigt hat, ist auch nicht so einfach, wenn man kaum noch was sieht und so weiter. Wenn man die Person allerdings auf der Straße trifft, merkt man nicht sofort, was hier die Probleme sind, weil die Person weder schielt noch eine Sonnenbrille oder sonstige Embleme der Blinden tragen möchte. Die Einschränkung ist aber trotzdem da. Ist so jemand nicht in einem gewissen Grad pflegebedürftig?

Vielleicht ist der Partner ja auch schon mit einer beginnenden Demenz betroffen? Auf der Straße merkt man das als Laie nicht so schnell. Da werden jahrelang trainierte Verhaltensweisen abgerufen, die dank Langzeitgedächtnis die Demenz noch unbeschadet überstanden haben. Auch das Empfangen von Besuchern ist vielleicht in dem Fall etwas, was die Person dank langer Jahre Erfahrung noch unauffällig bewältigt. Was ist aber vielleicht, wenn die Person alleine zu Hause ist und sich riskant oder irrational verhält weil das Gehirn nicht mehr so funktioniert, wie man es erwarten würde? Ist das dann keine Form der Pflege, einfach da zu sein und Schlimmeres zu verhindern?

Möglich, dass es in diesem konkreten Einzelfall mit der Dame aus dem Tierheim anders ist. Aber ich würde nicht dazu tendieren, in Frage zu stellen, ob tatsächlich Angehörige gepflegt werden, wenn eine Hausfrau das sagt. Pflege zu Hause kann eine ganz große Belastung sein, die man nicht unterschätzen sollte.

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» trüffelsucher » Beiträge: 12446 » Talkpoints: 3,92 » Auszeichnung für 12000 Beiträge



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