Patienten einfach mit Du ansprechen in Ordnung?

vom 12.12.2014, 00:28 Uhr

Ich habe an der Arbeit eine Kollegin, die Pflegerin ist und die Patienten eigentlich durch die Bank weg mit Du anspricht. Eigentlich finde ich es sehr unangebracht, weil die Leute gesiezt werden sollen und das auch jeder macht. Natürlich kommt man sich gerade bei so einem Job sehr nahe und deswegen kann ich schon nachvollziehen, dass man nach ein paar Jahren gemeinsamer Zeit das Du anfängt, aber meiner Meinung nach sollte das der Patient anbieten und nicht einfach gemacht werden.

Die Rede ist hier im Übrigen von einem Alten- und Pflegeheim, also durchaus auch Menschen, die nicht immer selber entscheiden können, wie sie angesprochen werden wollen. Eine schlimme Sache ist das mit dem Du natürlich nicht, sie ist auch wirklich eine sehr nette Person, aber ich finde, dass man es einheitlich machen sollte, gerade auch um bei den Patienten eine gewisse Sicherheit zu geben und es nicht jeder anders macht. Wie seht ihr das?

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge



Hast du sie mal gefragt, warum sie das macht? Ich könnte mir vorstellen, dass es eine ganz bewusste Entscheidung ist, um Nähe zu ihren Patienten aufzubauen. Immerhin kommt man sich eh nahe. Sie muss die Patienten auf eine Art und Weise pflegen, die für die meisten unangenehm ist, weil es eben alles sehr privat ist. Vielleicht ist sie der Meinung, dass Siezen nur eine künstliche Distanz herstellt, die die pflegerische Nähe dann umso unerträglicher macht.

Es gibt nun mal unterschiedliche Herangehensweisen. Ich kann die deiner Kollegin schon sehr gut nachvollziehen. Wobei ich auch verstehen kann, wenn man den Patienten durch das förmliche Sie noch ein Mindestmaß an Distanz gewährt. Vor allem, weil es sich ja um eine Generation handelt, die sehr viel Wert auf ein respektvolles Sie von jüngeren Generationen legen. Man kann es so oder so sehen.

Schön wäre es, wenn man es direkt jedem Patienten ansehen würde, welche Anrede ihm guttun würde. Ich glaube nicht, dass man pauschal sagen kann, dass alle das "Sie" benötigen oder dass alle ein "Du" genießen würden. Mich würde jetzt ja mal interessieren, wie denn die Patienten darauf reagieren. Ich könnte mir vorstellen, dass sie erst mal irritiert sind. Aber mit der Zeit könnte es manchen einiges erleichern.

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» Bienenkönigin » Beiträge: 9448 » Talkpoints: 19,93 » Auszeichnung für 9000 Beiträge


Sie macht das so mit jedem, weil sie es für sich als schöner empfindet, ich kann das auch verstehen, immerhin kommt man sich bei der Pflege sehr nahe, aber ich würde es beispielsweise besser finden, wenn man "Du Frau X" sagen würde, weil das zum Einen zeigt, dass man sich eben schon gut kennt, aber gleichzeitig auch die Förmlichkeit des Respektes ausdrückt.

Wobei das dann auch blöd klingt, aber es wäre sicherlich die beste Lösung bei so einer Situation. Natürlich kann man niemanden ansehen, wie er angesprochen werden will, deswegen muss man die Lösung immer für sich finden.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge



Irgendwie kann ich es schon verstehen, dass deine Kollegin es persönlicher findet, wenn sie die Patienten duzt. Aber trotzdem denke ich auch, dass sie es nicht einfach so machen sollte, weil nicht jeder Patient das toll finden wird.

Auch wenn mal Angehörige der Patienten da sind und es mitbekommen, dann kann ich mir vorstellen, dass es nicht so gut ankommt, wenn dann eine Mitarbeiterin des Heims den Angehörigen einfach so duzt. Darum würde ich auf jeden Fall klären, ob dem Patienten es recht ist, bevor ich einfach jemanden duzen würde.

» Barbara Ann » Beiträge: 28933 » Talkpoints: 56,80 » Auszeichnung für 28000 Beiträge



Ich finde es seltsam, dass die Bewohner in einem Altenpflegeheim als "Patienten" bezeichnet werden, wenn doch offensichtlich kein Arzt-Patienten-Verhältnis vorliegt. Für mich sind das Wohnheimbewohner und fertig. Abgesehen davon schreibst du gar nichts von einem eventuellen Migrationshintergrund. Möglicherweise hat die Kollegin einen Migrationshintergrund, sodass "Du" und "Sie" gar kein Unterscheid ist wie im Englischen Beispielsweise?

Ich verstehe auch gar nicht, wie du darauf kommst, dass ein Mensch weniger respektiert wird nur weil er geduzt und mit Vornamen angesprochen wird. Das stimmt doch gar nicht oder hast du keinen Respekt vor deinen Freunden oder deinem Partner, nur weil du sie duzt und mit Vornamen ansprichst?

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» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge


Es kommt sicherlich auf die Patienten an. Allerdings muss ich auch sagen, dass es sich doch um Heimbewohner handelt, die in dem Sinne keine Patienten sind. Ich habe Freundinnen die in der Altenpflege tätig sind, da wird aber immer gesiezt. Aber ich denke, dass es auch auf das Pflegeheim ankommt. In manchen ist es vielleicht sogar erwünscht und üblich, dass die Bewohner geduzt werden.

Durch das Du wird sicherlich ein näheres und vertrauteres Verhältnis aufgebaut. Ich könnte mir schon vorstellen, dass dies einigen Bewohnern durchaus gefällt und es sich irgendwie familiärer anfühlt. Deswegen behandelt man diese doch nicht weniger respektvoll.

Bei Patienten in einer Arztpraxis finde ich schon, dass angebracht ist, diese mit Sie anzusprechen. Es sei dann natürlich, dass man sich schon lange kennt und irgendwann mal das Du angeboten bekommen hat oder man sich eben aus dem Privatleben schon kennt.

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» Nelchen » Beiträge: 32238 » Talkpoints: -0,25 » Auszeichnung für 32000 Beiträge


Ich war mal bei einem Frauenarzt, wobei der Arzt mich direkt mit Du angesprochen hatte, obwohl er direkt davor noch einen Blick auf seinen Computer warf und laut sagte, wie alt ich war. Ich muss schon sagen, dass ich das absolut nicht in Ordnung fand. Immerhin hätte ich den Arzt dann ja auch duzen können. So etwas gehört sich meiner Meinung nach nicht, wenn jemand volljährig ist, vor allem dann wenn der Arzt das weiß.

Ich muss aber sagen, dass ich Heimbewohner nicht als Patienten ansehe. Patienten sind für mich einfach Arztbesucher beziehungsweise Menschen, die im Krankenhaus liegen und das ist ja bei Heimbewohnern nicht der Fall. Von daher finde ich das Duzen dann wieder in Ordnung.

Eine ehemalige Klassenkameradin hat auch im Heim gearbeitet und die Bewohner dann teilweise so gut gekannt, dass sie ein freundschaftliches Verhältnis zu ihnen aufgebaut hat. Da hat sie die Bewohner natürlich auch teilweise geduzt. Das sollte man aber nur machen, wenn man die Personen eben auch schon kennt und diese das vielleicht auch von selbst angeboten haben.

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» Prinzessin_90 » Beiträge: 35273 » Talkpoints: -0,01 » Auszeichnung für 35000 Beiträge



Ich war mal in der Krankenpflege tätig und wurde an sich auch meistens von den Patienten geduzt. Der Höflichkeit halber und auch zwecks Distanzwahrung habe ich die Patienten jedoch gesiezt. Mittlerweile stört es mich jedoch nicht mehr, wenn man mich einfach mit Du anspricht. Ich bleibe zwar dann auch zunächst beim Sie, aber irgendwann switche ich bestimmt auch um, wenn es angebracht ist.

Warum deine Kollegin dies grundsätzlich macht, weiß niemand. Aber mir ist aufgefallen, dass ich in meiner Freizeit auch Leute einfach duze. Oft frage ich dann einfach nach, ob das Du dann okay ist. Bisher gab es keine Probleme damit, selbst wenn ich die Kassiererin einfach geduzt habe. Man kann auch mit duzen höflich bleiben, auch wenn es zunächst in unseren Ohren ungewohnt klingt. Für mich ist es mittlerweile okay und wenn ich Menschen nicht leiden kann, dann entziehe ich denen auch recht schnell das Du wieder.

» Wibbeldribbel » Beiträge: 12536 » Talkpoints: 73,01 » Auszeichnung für 12000 Beiträge


Ich feier das im wahrsten Sinne des Wortes, wenn mich Kassiererinnen & Co duzen. Nein das meine ich auch genauso wie ich es gesagt habe. Mir geht dieses formelle „Sieze“ sowas von auf den Sack. Ich brauche diese Art von Netiquette nicht und schon gar nicht, wenn ich regelmäßig komme. Die Helferinnen bei meinem Orthopäden duzen mich allesamt und das recht schnell nachdem sie offenbar gemerkt haben, dass ich das allgemein locker sehe und auch so ganz locker bin.

Natürlich ist es in einer Bank etwas anderes, aber selbst da würde es mich nicht jucken, wenn man mich duzt. Ich kann das Siezen einfach nicht leiden. Ich bestehe da auch beruflich nicht drauf. Und ja es stimmt, man kann da schon etwas persönlicher mit Menschen sprechen und man fühlt sich auch persönlicher etwas angesprochen, wenn ich meinen Berufsstand meine.

Mich hat es auch genervt, wenn mich die Lehrer ab 16 Jahren gesiezt haben. Brauche ich nicht und vorher aber duzen. Sowas affiges hatte ich damals selten erlebt und auch entsprechend zum Ausdruck gebracht. Es mag sein, dass viele auf das Sie bestehen, aber manchmal ist es einfacher, wenn man sich per Du anspricht und man fühlt sich irgendwie doch persönlicher angesprochen.

Bei Menschen, die zum Beispiel regelmäßiger irgendwo sind, wie in Pflege, im Krankenhaus oder in Heimen würde ich das Du sogar noch viel schneller bevorzugen. Das bindet eine persönliche Bindung durchaus zwischen dem Patienten und der Pflegerin. Manche Patienten fühlen sich ganz einfach wohl und wieso denn auch nicht?

Mich kann jeder duzen, wann immer es einem beliebt. Wie es die meisten Pflegerinnen mit mir bereits handhaben, so ist es richtig. Oder eben Helferinnen der Ärzte. Da ich ja auch teilweise wöchentlich 1-2 Mal dort war nach meinem Unfall, ergibt das auch Sinn. Man lernt sich dann durchaus mal kennen.

Ist eben wie im Alltag. Hier duzen mich die Kassiererinnen auch und wir quasseln mal darüber und dort rüber. Vor allem, wenn wir teilweise im selben Alter sind. Für mich spricht da nichts gegen und ich finde diese Sie eigentlich total weltfremd. Aber es gibt ja Menschen, die bestehen da eben drauf.

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» Kätzchen14 » Beiträge: 6121 » Talkpoints: 1,40 » Auszeichnung für 6000 Beiträge


Nachdem ich wieder einige Mal im Pflegeheim ausgeholfen habe, habe ich mittlerweile auch alle Bewohner geduzt. Ich war in einem Pflegeheim für demente Menschen unterwegs und dort ist es so, dass viele Menschen mit Demenz keinen Zusammenhang zwischen ihrer Person und ihrem Nachnamen mehr herstellen können, zum Beispiel wenn sie den Namen des Ehepartners angenommen haben und diesen weiterhin tragen, aber keine Erinnerungen mehr an diese Person haben.

Wenn Menschen mit Demenz auch noch personell desorientiert sind, dann können sie keine Angaben zur Person mehr machen, aber an ihren Vornamen erinnern sie sich und können einen Zusammenhang herstellen. Sie haben eine Bindung zu ihrem Vornamen und reagieren auch entsprechend darauf. Deshalb duzt diese Pflegekraft wahrscheinlich auch die Wohnheimbewohner, das war bei uns genauso.

Ich habe aber bemerkt, je länger ich in diesem Bereich unterwegs bin, umso mehr duze ich auch außerhalb der Pflege die Menschen. Das ist einigen auch unangenehm, aber ich finde dieses förmliche "Sie" auch nicht so toll. Viele reagieren erstmal irritiert, aber stören tut es scheinbar nicht wirklich. Ich duze mittlerweile nahezu jeden, wen es stört, der kann ja den Mund aufmachen.

» Wibbeldribbel » Beiträge: 12536 » Talkpoints: 73,01 » Auszeichnung für 12000 Beiträge


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