Parlamentsentscheidung zum Brexit eine Schande?

vom 19.10.2019, 18:46 Uhr

Großbritannien hat per Volksabstimmung den Austritt aus der EU beschlossen. Das Ergebnis dieser Abstimmung hat viele Kontroversen ausgelöst. Die EU hat auch zuerst massiv gemauert und nun doch noch mal mit Großbritannien verhandelt. Das britische Parlament hat die Entscheidung darüber nochmals vertagt und will ganz offensichtlich den Brexit verhindern und somit den Volkswillen missachten. Es ist gut zu wissen, was für ein Demokratieverständnis unsere Demokraten haben.

» Juri1877 » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »



Wieso? Wo missachtet das Unterhaus denn den Volkswillen? Dir scheint nicht ansatzweise klar zu sein, warum die Entscheidung vertagt worden ist. Die Abgeordneten misstrauen zum größten Teil dem Premierminister. Sie gehen davon aus, dass Johnson die Umsetzung des Abkommens in britisches Recht verzögert und es dann trotz Vertragsentwurf zu einem harten Brexit kommen würde.

Dummerweise ist bereits heute am Abstimmungstag gleichzeitig die letzte Möglichkeit, eine Fristverlängerung zu beantragen. Und Johnson hat vor und während der Sitzung deutlich gemacht, dass er die nicht beantragen wird. Und realistisch reicht die Zeit nicht, einen so stark abweichenden Entwurf zu prüfen. Zumal der Premierminister sich auch weigert, ein Gutachten vorzulegen, das zeigt, welche Auswirkungen das Abkommen hat.

Du forderst also allen Ernstes, dass Volksvertreter einen harten Brexit riskieren und einem Abkommen zustimmen, dessen Auswirkungen die nicht kennen? Und komme nicht immer mit angeblicher Demokratie. Das nicht bindende Votum ist 51,89 zu 48,11 Prozent ausgegangen und basierte nicht auf Fakten. Wäre das ein Kegelverein, wären es nach der Nummer zwei Vereine. Denn eigentlich war das ein Unentschieden und du kannst es keiner Seite recht machen. Übrigens ist es auch sehr demokratisch, dass Großbritannien sich weit weniger um Nordirland schert als die EU. Das Karfreitagsabkommen ist demokratisch wohl irrelevant.

» cooper75 » Beiträge: 13379 » Talkpoints: 509,93 » Auszeichnung für 13000 Beiträge


Man macht also Volksabstimmungen, um den Willen des Volkes dann doch nicht zu beachten, weil er juristisch nicht bindend ist. :wall: Es war eindeutig, wofür man abstimmt. Jeder konnte seine Meinung sagen. Mit 72 Prozent war die Wahlbeteiligung sogar überdurchschnittlich hoch.

Außerdem frage ich mich, warum nur die Briten ein Gutachten brauchen und die anderen 27 EU-Staaten nicht? :think: Ich hätte übrigens 2015 auch noch gerne ein Gutachten extra zur Zuwanderung gehabt und die Abgeordneten hätten dafür ausreichend Zeit haben sollen. Dann erst hätte die Entscheidung getroffen werden sollen. Hat Merkel vielleicht doch etwas Illegales gemacht?

» Juri1877 » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »



An deiner Antwort sieht man deutlich, dass dich das Thema nicht im geringsten interessiert und natürlich verdrehst du wie immer die Tatsachen. Im Vereinigten Königreich hat keine Volksabstimmung stattgefunden. Es war ein konsultatives Referendum, also eine nicht bindende Volksbefragung.

Und das wird sogar berücksichtigt, obwohl es nahezu Gleichstand gegeben hat. Außerdem solltest du , wenn du so unbedingt für den Willen des Volkes bist, für eine Abspaltung von Schottland und Nordirland sein. Schließlich wollen beide Landesteile in der Europäischen Union verbleiben und das mit deutlicher Mehrheit.

Genauso sollte, dass Volksvertreter im Sinne des einfachen Volkes handeln, froh sein, dass die Mitglieder des Unterhauses den Vertrag gründlich prüfen möchten und Gutachten fordern. Denn der Premierminister hat Vertragsteile geändert, die gar nicht hätten geändert werden müssen und nie zur Diskussion gestanden haben.

Und forderst plötzlich, dass Volksvertreter in blindem Gehorsam Arbeitnehmerrechte schlimmer als Thatcher beschneiden, die Produktsicherheit unter amerikanisches Niveau fällt und der Finanzmarkt vollkommen entfesselt wird? Der normale Brite verliert dabei. Am Samstag hat der Premierminister versucht das Unterhaus und die normalen Einwohner weit über den Brexit hinaus über den Tisch zu ziehen.

» cooper75 » Beiträge: 13379 » Talkpoints: 509,93 » Auszeichnung für 13000 Beiträge



2014 gab es doch schon ein Referendum über den Austritt Schottlands aus der EU. Nur hat dies niemand beachtet. Das Ergebnis war ebenso bindend wie jetzt. Vielleicht sollten es auch in Katalonien und Norditalien solche Abstimmungen geben? Vielleicht auch hier im Saarland? das angrenzende Luxemburg fährt sehr gut als Kleinstaat.

Ich finde auch sehr interessant, wie hier Panikmache betrieben wird. Zuerst kennen die Parlamentarier angeblich nicht den Einigungvertrag mit der EU. Dann sind angeblich Arbeitnehmerrechte verletzt. Die EU hat auch Verträge mit den USA oder China und ich glaube kaum, dass die EU Arbeitsmarktgesetze für diese Länder macht. :liar:

» Juri1877 » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »


Juri1877 hat geschrieben:Es war eindeutig, wofür man abstimmt.

Ach so, war es das? Ich würde mich schon als recht politikinteressiert bezeichnen und das auch über den deutschen Tellerrand hinweg. Und ganz ehrlich kann ich dir bis heute nicht sagen, wofür die Briten da wirklich abgestimmt haben. Und es würde mich ehrlich gesagt auch ziemlich wundern, wenn es einen britischen Politiker gibt oder geben würde, der dir diese Frage wirklich ganz konkret beantworten kann.

Was viel mehr der Wahrheit entspricht ist, dass die Briten wussten wogegen sie stimmen. Nämlich mit knapper Mehrheit dafür den jetzigen Status als Mitglied der EU zu ändern. Aber mit keiner Silbe wurde vorher mal erzählt, wofür sie stattdessen sind. Hat ein Boris Johnson als Hauptakteur der Brexiteers mal gesagt, was er denn tatsächlich statt der EU-Mitgliedschaft will?

Und genau da liegt doch das Problem. Das Problem ist kein knappes Ergebnis einer Volksbefragung. Es ist auch kein Problem einer angeblich blockierenden EU oder von irgendwelchen Abstimmungstricksereien. Das einzige Problem, dass die Briten haben ist doch nur, dass sie selber gar nicht wissen, was sie denn nun wollen. Im Grunde wollen sie alle Privilegien der EU, dafür aber nicht mehr bezahlen und am Ende machen was sie wollen, wenn ihnen EU-Entscheidungen nicht gefallen.

Wie genau so ein Deal aber aussehen soll, davon haben sie keine Ahnung und genau deswegen kommen sie auch jedes mal wie die Deppen aus Brüssel zurück und wundern sich, warum das Parlament keinem Deal zu stimmt. Das ist die eigentlich Schande und es spricht nun wahrlich nicht für die britischen Politiker und auch ihre Wähler, dass sie dem Spuk kein Ende bereiten können.

Würdest du auch der Meinung sein, wenn wir hier eine Volksabstimmung starten mit der Frage "Wollt ihr weiter Steuern zahlen" und wir haben keinen Plan, wo der Staat das Geld für seine Ausgaben herholen soll, dass wir doch alle klar wussten wofür wir da stimmen, wenn da 90 Prozent Nein ankreuzen und der Staat plötzlich Pleite geht und Landesbehörden, Schulen, Krankenhäuser und Infrastruktur nicht mehr bezahlt werden können?

Volksentscheide machen nur dann Sinn, wenn es konkrete Fragen gibt und man tatsächlich zwischen zwei durchdachten Alternativen wählen kann. Und genau das gab es bei der Brexitabstimmung nicht. Nicht nur, dass man den Leuten nie erzählt hat, wie man sich das Leben nach der EU vorstellt, stattdessen hat man auch bewusst mit Lügen und falschen Zahlen argumentiert. Und das man Jahre später solchen Leuten dann noch das wichtigste Amt im Staat überlässt ist noch die größte Farce an der Sache.

» Klehmchen » Beiträge: 5487 » Talkpoints: 1.012,67 » Auszeichnung für 5000 Beiträge


Juri1877 hat geschrieben:2014 gab es doch schon ein Referendum über den Austritt Schottlands aus der EU. Nur hat dies niemand beachtet.

Es hat schon einen gewissen Unterhaltungswert und eine traurige Komik dir zuzuschauen, wie du dich immer weiter rein reitest weil du bei einem Thema mitreden willst, von dem du so gar keine Ahnung hast. Da schlägt der Dunning-Kruger-Effekt wirklich hart zu.

Schottland hat über die Unabhängigkeit von Großbritannien abgestimmt, was damals tatsächlich ziemlich viel Beachtung fand. Ich erinnere mich an Plakate und Kundgebungen in Schottland und Wales und auch an Berichte in Deutschland. Das Wahlergebnis wurde hier mit Spannung erwartet.

Die Mehrheit hat sich für den Verbleib im UK ausgesprochen und da Schottland heute nicht unabhängig ist kann man auch nicht davon sprechen, dass das Ergebnis der Abstimmung von den Politikern ignoriert worden ist. Wer ist also dieser "niemand"?

Schottland wäre mit der Unabhängigkeit automatisch auch aus der EU ausgetreten (darüber wurde aber nicht abgestimmt) und hätte dann die Mitgliedschaft wieder neu beantragen müssen und das ist ja ein längerer Prozess. Das war damals ein wichtiges Argument für die Leute, die einen Verbleib im UK befürwortet haben. Und da sich das mit der EU Mitgliedschaft nun bald anders darstellen wird, werden in Schottland die Rufe nach einem weiteren Referendum lauter.

Ich sehe gerade das du Wikipedia verlinkt hat. Da steht das doch alles. Warum muss ich das noch mal erklären und richtig stellen? So kompliziert ist Wikipedia jetzt auch nicht geschrieben, das nutzen schon Schüler für ihre Hausaufgaben.

Volksentscheide machen nur dann Sinn, wenn es konkrete Fragen gibt und man tatsächlich zwischen zwei durchdachten Alternativen wählen kann.

Das Problem, das ich mit Volksabstimmungen habe ist, dass die meisten Fragen dafür viel zu komplex sind. Selbst wenn du in dem Fall zwei Alternativen gehabt hättest, hätten die meisten wohl nicht die Zeit investiert und sich da eingelesen. Und wenn ich sehe, dass der Kollege hier schon an Wikipedia scheitert, kann man sich vorstellen wie es mit juristischen Texten aussieht, die schon mal Sätze von einer halben Seite Länge produzieren.

Volksabstimmungen sind in der Lokalpolitik super, da weißt du wo das neue Schwimmbad hin soll, du kannst dir die Kosten vorstellen und du verstehst den Zweck von einem Schwimmbad, aber ich könnte dir spontan zum Beispiel nicht im Detail erklären, was alles zu einem Freihandelsabkommen gehört oder wie die Währungsunion genau funktioniert.

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» Cloudy24 » Beiträge: 27476 » Talkpoints: 0,60 » Auszeichnung für 27000 Beiträge



Cloudy24 hat geschrieben:
Volksentscheide machen nur dann Sinn, wenn es konkrete Fragen gibt und man tatsächlich zwischen zwei durchdachten Alternativen wählen kann.

Das Problem, das ich mit Volksabstimmungen habe ist, dass die meisten Fragen dafür viel zu komplex sind. Selbst wenn du in dem Fall zwei Alternativen gehabt hättest, hätten die meisten wohl nicht die Zeit investiert und sich da eingelesen.

Ich hatte einfach keine Lust mehr das noch so auszuweiten. Aber im Grunde bin ich da völlig bei dir. Vor allem Entscheidungen von internationaler Tragweite sind für viele Menschen kaum halbwegs nachvollziehbar. Da hängen zu viele Dinge dran, um die sich die wenigsten Menschen kümmern wollen oder wofür sie sich interessieren. Das dürfte auch der Grund sein, warum so etwas eben kaum durchgeführt wird. Es gibt einfach Dinge, die kann man von einfachen Bürgern nicht entscheiden lassen.

Es gibt ja gute Gründe, warum die Demokratien seit den Griechen schon überwiegend mit gewählten Vertretern funktionieren. Dafür sind Länder heute einfach zu groß und viel zu sehr untereinander verzweigt und vernetzt, so dass jede größere Entscheidungen eben auch immer unmittelbare Folgen für andere Länder nach sich zieht und dass dann teilweise unvorhergesehene Wechselwirkungen auslöst.

Von daher sehe ich das genauso wie du. Lokal mag das super funktionieren, da viele Entscheidungen dort wirklich direkt das Leben der Stimmberechtigten betreffen und man dort Fragen zu Themen stellen kann, mit denen fast jeder etwas anfangen kann.

» Klehmchen » Beiträge: 5487 » Talkpoints: 1.012,67 » Auszeichnung für 5000 Beiträge


Die Feinde der Demokratie verklären jetzt wieder alles. Vor über 2 Jahren fand eine Volksabstimmung statt und die britischen Bürger konnten nach monatelangen Debatten genau zwischen 2 Sachen entscheiden: "in der EU bleiben" oder "die EU verlassen" und die Mehrheit der Wähler entschied sich in einer demokratischen Wahl mit 72 Prozent Wahlbeteiligung gegen die EU. Der damalige Premier Cameron hat auch klar gesagt, dass das Ergebnis für ihn bindend sei. Danach war klar, dass Großbritannien innerhalb von 2 Jahren die EU verlassen wird.

Diese ganze Diskussion zeigt nur eines. Man hintertreibt systematisch eine demokratische Entscheidung und redet sich dabei ein, dass die lieben Mitbürger sowieso zu blöd für die Demokratie sind. :wall:

» Juri1877 » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »


Entschuldige, deine Argumentation zeigt deutlich, dass du keine Ahnung hast, was auf der Insel passiert. Und es zeugt von Verschleierung, wenn du immer wieder das Ergebnis als deutlich hinstellst, aber statt anzumerken, dass es nahezu halbe-halbe ausgegangen ist, lieber die Wahlbeteiligung nennst. Das heißt dann nämlich gut ein Drittel der Einwohner hat dafür gestimmt. Das relativiert deine angeblich so deutliche Mehrheit.

Und was hat das jetzt bitte mit einer Verhinderung des Brexit zu tun? Niemand hat das wertvolles Volk befragt, wie es sich diesen Austritt vorstellt. Dummerweise ist es nicht so einfach, wie du es dir vorstellst. Scheinbar soll man dein wichtiges Volk über die Klinge springen lassen. Wenn ein harter Brexit so super ist, warum haben dann eigentlich die reichen Hardliner wie Rees-Mogg ihre Unternehmen längst in die Republik Irland verschoben?

» cooper75 » Beiträge: 13379 » Talkpoints: 509,93 » Auszeichnung für 13000 Beiträge


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