Manche Traditionen Resultat von geringer Bildung?

vom 24.07.2017, 06:01 Uhr

Ich habe kürzlich etwas über die Beschneidung von Mädchen in Deutschland gelesen. Aus manchen ausländischen Kulturen kennt man einen derartigen Brauch ja schon und nun ist es wohl so, dass dieser Brauch zunehmend auch in Deutschland ankommt und die Migranten hier ihre Traditionen weiter pflegen.

In dem Artikel wurde dann auch die These aufgestellt, dass diese Tradition möglicherweise etwas mit zu geringer Bildung zu tun hätte und wenn die Menschen entsprechend aufgeklärt würden über die Risiken und gesundheitlichen Folgeschäden (egal ob das professionell gemacht wird oder nicht) dann würden die das doch sein lassen. Das sehe ich aber anders. Traditionen und Familienstrukturen lassen sich doch nicht einfach mit mangelhafter Bildung erklären.

Nach der Logik müssten alle Menschen dumm sein, die vom Weihnachtsmann sprechen und dass dieser eben die Geschenke bringt. Man weiß ja, dass die Eltern die Geschenke kaufen und nicht der Weihnachtsmann. Wie seht ihr das? Würde es keine Beschneidung von Mädchen geben, wenn die Menschen gebildeter wären, die diese praktizieren?

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» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge



Aber angenommen es wäre erwiesen, dass es Kinder traumatisiert und dafür sorgt, dass sie als Erwachsene große Probleme damit haben anderen zu vertrauen, wenn sie von ihren Eltern einen vom Weihnachtsmann erzählt bekommen und später heraus finden, dass es ihn gar nicht gibt. Würdest du dann deinen Kindern trotzdem vom Weihnachtsmann erzählen?

Es geht ja hier nicht pauschal um Traditionen, die keinen Wahrheitsgehalt haben, sondern um Traditionen, die nichts anderes als Körperverletzung sind. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Fakten von allen ignoriert werden würden wenn sie wissen, was eine Genitalverstümmelung für die Opfer wirklich bedeutet.

In den USA werden die Stimmen gegen die männliche Genitalverstümmelung immer lauter und es entscheiden sich immer mehr Eltern gegen diese Tradition weil immer mehr Opfer bereit sind über ihre Erfahrungen zu sprechen und weil Eltern so zum ersten Mal Beispiele dafür sehen, was alles schief gehen kann und, dass so eine kleine Operation lebenslange Probleme nach sich ziehen kann.

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» Cloudy24 » Beiträge: 27476 » Talkpoints: 0,60 » Auszeichnung für 27000 Beiträge


Cloudy, wer weiß denn besser, was dieser Eingriff bedeutet, als die betroffenen Frauen, die Hebammen und die Beschneiderinnen? Die wissen, wie traumatisch das ist und welche Risiken und Folgen es gibt. Trotzdem tun sie es ihren Kindern an. Und reiche, besser gebildete Frauen gehen dann eben mit dem Kind ins Krankenhaus, weil es sicherer ist.

Natürlich vermittelt Bildung die Folgen und nimmt teilweise die Mythen, wie die Klitoris tötet das Kind. Aber es verändert erst einmal nichts an der Angst vor dem gesellschaftlichen Aus. Das ist doch das größte Problem. Und da hilft Bildung nur bedingt. Juden würde ich im Schnitt nun auch nicht für unterdurchschnittlich gebildet halten, trotzdem muss die Vorhaut weg.

» cooper75 » Beiträge: 13330 » Talkpoints: 498,67 » Auszeichnung für 13000 Beiträge



Ich würde den Weihnachtsmann und die weibliche Genitalverstümmelung nicht unbedingt in einem Atemzug nennen wollen, was "Traditionen" aller Art angeht. Und natürlich basieren viele Traditionen auf geringer Bildung, wenn man es denn unbedingt so nennen will. Wenn man beispielsweise nicht weiß, wodurch Gewitter ausgelöst werden, aber dafür nur allzu gut weiß, was passiert, wenn der Blitz einschlägt und der Hof abbrennt, zündet man eben eine Wetterkerze an und betet zum heiligen Florian oder was auch immer.

Ich würde auch sagen, dass es hier mit "Bildung" im Sinne von "gesundheitlicher Aufklärung" noch lange nicht getan ist. Wie schon erwähnt, glauben bestimmt die wenigsten Betroffenen, dass diese Praktik gesund ist und Spaß macht, gerade, weil sie es am eigenen Leib erlebt haben und bestimmt auch Verwandte haben, die an diesem völlig sinnlosen, brutalen Akt gestorben sind. Aber wenn man sonst aus der Gemeinschaft ausgestoßen wird und das Verweigern dieses Rituals sozialem Selbstmord gleichkommt, habe ich auch ein gewisses Verständnis für Leute, die dieses Schicksal als noch schlimmer ansehen als Genitalverstümmelung. Sozialer und familiärer Zusammenhalt ist in vielen Kulturen das Einzige, was vor einem brutalen Tod bewahrt, das darf man nicht vergessen!

Bildung ist daher in meinen Augen in diesem Zusammenhang dennoch hilfreich, weil sie eben auch alternative Lebensformen ermöglicht, die frühere Generationen gar nicht hatten. Wenn jemand also beispielsweise sagen kann: Ich habe folgenden Beruf gelernt, ich kann alleine für mich sorgen und deswegen meine Familie oder Gemeinschaft zur Not auch verlassen!, hat diese Person ganz andere Möglichkeiten, als wenn ihr wirklich nur ein armseliges Dasein als Ehefrau und Mutter bleibt und die Alternative darin besteht, in Schimpf und Schande verjagt zu werden. Bildung führt sogar dazu, dass in den Menschen überhaupt die Idee aufkeimt, dass manche Traditionen falsch und gefährlich sind und dass es andere Leute anders handhaben. Woher soll man das auch wissen, wenn man weder lesen noch schreiben kann?

» Gerbera » Beiträge: 11292 » Talkpoints: 42,29 » Auszeichnung für 11000 Beiträge



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