Lockerung der ärztlichen Schweigepflicht sinnvoll?

vom 06.04.2015, 10:46 Uhr

Seit dem Absturz der Germanwings-Maschine vor knapp zwei Wochen wird in der Politik darüber diskutiert, wie sinnvoll eine Lockerung der ärztlichen Schweigepflicht wäre, die einzelne Stimmen aus CDU und SPD vorgeschlagen haben.

Man macht sich die Hoffnung, dass bei einer Lockerung der ärztlichen Schweigepflicht solche Abstürze, die bewusst von psychisch erkrankten Piloten oder Co-Piloten verursacht werden, dann vermieden werden können wenn die Ärzte die Fluguntauglichkeit melden und die Betroffenen so aus dem Verkehr gezogen werden können.

Jedoch sehen Kritiker das ganze nicht besonders positiv an. Denn wenn das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient nicht vorhanden ist, was ja bei einer Lockerung der Schweigepflicht definitiv der Fall wäre, dann erzählt der Patient seinem Arzt auch viel weniger und möglicherweise werden dann auch mehr Symptome und Beschwerden verschwiegen und gezielt vertuscht. Hinzu kommt, dass psychisch Kranke möglicherweise stigmatisiert und von der Gesellschaft ausgeschlossen werden, wenn ihre Beschwerden öffentlich bekannt werden.

Ich bin der Ansicht, dass diese öffentliche Debatte total überflüssig ist. Denn ich bezweifle stark, dass sich solche Flugkatastrophen vermeiden lassen wenn erst einmal die Schweigepflicht gelockert und vielleicht sogar abgeschafft wurde. Meiner Ansicht nach löst der Ansatz einiger Politiker nicht das Problem. Das Problem wird nur an den Zweigen gepackt und nicht an der Wurzel, daher halte ich das wenig sinnvoll.

Was meint ihr? Ist eine Lockerung der ärztlichen Schweigepflicht wirklich sinnvoll und werden die einzelnen Stimmen der Politiker sich durchsetzen?

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» Olly173 » Beiträge: 14700 » Talkpoints: -2,56 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



Ich hoffe sehr, dass sich das nicht durchsetzt. Aber da spielt eben auch eine gehörige Portion Angst und Verpflichtung mit, also auch die Angst, seiner Verpflichtung gegenüber den Wählern nicht nachzukommen und Stimmen zu verlieren. Und aus dem Grund sind schon viele unsinnige Sachen beschlossen worden.

Aber ich denke auch, dass sich Betroffene dann einfach gar nicht mehr an Psychologen wenden, wenn ihr Job dadurch unmittelbar bedroht ist. Dann hat man doch schon Angst, seinem Arzt zu sagen, dass man Kopfschmerzen hat. Und so werden dann viele Menschen mit ihren Problemen alleingelassen, was die Probleme nur verschlimmert. Damit beißt man sich also wirklich selber in den eigenen Schwanz.

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» Bienenkönigin » Beiträge: 9448 » Talkpoints: 19,93 » Auszeichnung für 9000 Beiträge


Alleine mit der Diskussion richtet man schon einen ungeheuren Schaden an weil es nun jeden mit Depressionen mit einem Eintrag in irgendeiner Akte treffen kann, vermeiden nun viele lieber ein Gespräch über ihre Krankheit. Diese Diagnosen sind übrigens oft nicht zutreffend.

Für welche Berufe soll es denn nun gelten und was soll die Lockerung denn bringen? Die Ärzte wussten doch Bescheid und haben ihn als gesund entlassen.

Damit hat L. nun letztlich noch wesentlich mehr erreicht als nur ein Flugzeug abstürzen zu lassen. Das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient ist damit schwer beschädigt und wer wirklich etwas anstellen will, schafft es auch so.

» Juri1877 » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »



Ich bin psychisch krank und gehe im Moment auch alle zwei Wochen zum Psychologen, da ich leichte bis mittelschwere Depressionen habe. Dafür kann ich nichts und ich bin auch nicht selbstmordgefährdet. Und selbst wenn ich selbstmordgefährdet wäre, dann würde ich andere Menschen nicht miteinbeziehen. Man kann sich nicht einfach vor einen Zug werfen und einen Bahnfahrer traumatisieren und man kann nicht einfach andere Menschen mit sich in den Tod reißen. Das sagt mir mein klarer Menschenverstand.

Ich möchte nicht, dass die ärztliche Schweigepflicht gelockert wird. Warum? Weil ich auch etwas von mir selbst erzählen kann und einen Mund zum Sprechen habe, wenn ich das auch möchte. Niemand muss einer anderen Person von psychischen Erkrankungen erzählen und ich verstehe es gar nicht, wieso wegen so einem Einzelfall nun alles umgestellt werden muss. Der Germanwings-Flug 4U 9525 ist besonders dramatisch und ich muss zugeben, dass ich auch geweint habe. Ich war absolut geschockt. Aber das ist wohl ein Einzelfall und das wird wohl nicht zum Alltag im Luftverkehr. Ich bin gegen diese Lockerung der Schweigepflicht.

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» soulofsorrow » Beiträge: 9223 » Talkpoints: 23,42 » Auszeichnung für 9000 Beiträge



Ich bin ebenfalls psychisch krank und bin mit dem Ansinnen auch nicht wirklich glücklich. Allerdings nicht alleine wegen meiner psychischen Erkrankung.

Ganz generell kann ein Arbeitgeber schon vor der Einstellung einiges an ärztlichen Untersuchungen veranlassen und teilweise auch Gutachten einfordern. Ich erinnere hier zum Beispiel an die Jugendschutzuntersuchungen, die jeder minderjährige Auszubildende machen muss. Und es ist durchaus sinnvoll, wenn der Ausbilder frühzeitig die Untersuchung in die Wege leitet.

Ganz generell denke ich, den Arbeitgeber geht meine Krankenakte nichts an. Egal ob es psychische Erkrankungen oder körperliche Erkrankungen sind. Wobei psychische Beschwerden oft für Andere nur schwer greifbar sind. Aber welche Frau würde wollen, dass ihr Arbeitgeber weiß, dass sie x Abtreibungen, Fehlgeburten oder Fruchtbarkeitsbehandlungen hatte? Das ist vielleicht für Andere besser greifbar.

Klar ist kein Arbeitgeber begeistert, wenn seine Angestellte noch während der Probezeit mit einer Schwangerschaftsbescheinigung ankommt. Aber die Mutterschutzgesetze gibt es sicherlich nicht grundlos. Und immerhin sind Kinder auch unsere Zukunft.

Ich habe bei dem Ansinnen, dass die ärztliche Schweigepflicht gelockert werden könnte Sorge, dass bald jeder zugreifen kann. Erst mal sollen vielleicht nur Arbeitgeber in Betrieben, wie Fluggesellschaften, Zugriff auf ärztliche Akten haben. Aber bald fordert das dann jeder Arbeitgeber ein.

Klar habe ich aus persönlichen Gründen Sorge, dass es irgendwann die Möglichkeit geben könnte, dass Arbeitgeber einfach mal so in Akten schauen können. Ich kenne durchaus grob den Inhalt meiner Akten bei diversen Ärzten. Und in falschen Händen würde da vielleicht sonst was passieren?

Ob ich vor zehn Jahren in einer psychiatrischen Klinik eine Schwester beleidigt habe (so rein fiktiv), geht in zehn Jahren doch keinen zukünftigen Arbeitgeber was an. Immerhin sind Krankheiten ja auch was, was sich entwickelt.

Ich sehe kommen, dass viele Menschen aufgrund des schrecklichen Unglücks davon ausgehen werden, dass alle depressiven Menschen in irgendeiner Form schlecht sind. Da ist einer von Tausenden der Mist macht und alle müssen darunter leiden?

» LittleSister » Beiträge: 10426 » Talkpoints: -11,85 » Auszeichnung für 10000 Beiträge


Viel Lärm um nichts, die Debatte ist ja auch schon wieder abgeflaut. Auch mir stellt sich die Frage, was das bringen soll. Denn wie man heute weiß, hat der Pilot doch alles versucht, um seine Erkrankung zu verbergen. Was wird passieren, wenn die Schweigepflicht für Piloten gelockert wird? Da werden sich andere Wege finden, die Erkrankung zu vertuschen.

Doch gehen wir einmal davon aus, der Vorschlag setzt sich durch, was wenn erst einmal für Piloten die Schweigepflicht bei psychischen Erkrankungen gelockert wird, was kommt dann als nächstes? Müssen sie dann auch befürchten, dass bald auch harmlosere Erkrankungen nicht mehr privat bleiben? Was ist mit Verdachtsdiagnosen, was fehlerhafter Diagnostik?

Und wenn Arbeitgeber von Piloten diese Rechte haben, wer garantiert dann, dass nicht auch andere Arbeitgeber entsprechende Rechte wünschen? Wo soll das enden?

» JotJot » Beiträge: 14058 » Talkpoints: 8,38 » Auszeichnung für 14000 Beiträge


Das ist meiner Meinung nach die dümmste Idee seit langen. Wie man bei einem Fall so über reagieren kann, dies war ein bedauerlicher Einzelfall. Bedauerlich aber ein Einzelfall.

Es fängt ja schon damit an, dass man seinem Arzt überhaupt nicht sagen muss, welchen Beruf man ausführt und wer entscheidet den, welche Berufe eine Hohe Verantwortung haben. Sind es nur Piloten oder vielleicht nicht auch Zugfahrer, Busfahrer oder auch Pfleger. Hat nicht im Endeffekt jeder Autofahrer eine Hohe Verantwortung. Wenn man so anfängt dann müsste man es meiner Meinung nach einfach zu weit ausweiten um fair zu bleiben.

Man muss auch bedenken, dass es nicht normal für Leute mit Depressionen ist andere in den Tod mitzunehmen. Psychische Erkrankungen gehören zu unserer Gesellschaft und wir brauchen eine offene Kommunikation um die Leute zu unterstützen die von diesen Betroffen sind. Wer lässt sich den noch freiwillig behandeln, wenn er Angst haben muss seinen Traumberuf nicht weiter oder erst gar nicht ausüben zu können. Es ist wichtig, dass Betroffene sich behandeln lassen können ohne Angst vor schwerwiegenden Folgen zu haben.

Die Schweigepflicht von Ärzten ist eine sehr gute und vor allem wichtige Sache und sollte nicht gelockert werden. Ich kann nur ein Vertrauensvolles Verhältnis zu meinem Arzt aufbauen, wenn ich weiß, dass dies alles zwischen uns bleibt und ich keine Folgen durch meine Ehrlichkeit befürchten muss.

Wenn es soweit kommt, dass Ärzte Psychische Erkrankungen melden müssen, wird es viele Leute geben, die sich nicht mehr behandeln lassen werden und so Lebensqualität einbüßen und eventuell sogar zu einer Gefahr für sich selber werden. Diese Folgen sollte man wirklich nicht übersehen.

Man muss bedenken, es geht schließlich nicht nur um akute Psychische Probleme sondern auch um frühere. So könnte schließlich kein Teenager der sich einmal wegen Depressionen oder ähnlichem behandeln hat lassen später seinen Traumberuf erlernen, wenn dieser dazu gehört. Ich finde es nicht in Ordnung, wegen einem Vorfall alle Leute zu bestrafen welche bereit waren, sich ihre Psychischen Probleme einzugestehen und daran zu arbeiten.

Ich kann wirklich nur hoffen, dass sich dieses Vorhaben nicht umsetzen lässt, kann mir allerdings auch nicht vorstellen, dass es möglich wäre, dieses Gesetz mit dem Grundgesetz zu vereinbaren.

» llohv » Beiträge: 250 » Talkpoints: 0,39 » Auszeichnung für 100 Beiträge



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