Geschäfte boykottieren, deren Artikel moralisch nicht ok?
Ich habe vor kurzem festgestellt, dass ein bestimmter Online Shop in dem ich gerne mal etwas bestelle, auch echten Pelz anbietet. Dadurch ist der Shop doch sehr in meiner Gunst gesunken und ich überlege, ob ich dort zukünftig nicht mehr bestelle, weil ich den Pelzhandel nicht unterstützen möchte.
Eine Freundin von mir kann das nicht nachvollziehen und meint, dass ich ja den Pelz nicht kaufen müsste und trotzdem andere Sachen dort in dem Shop bestellen könnte. Dadurch würde ich ja niemandem schaden und der Shop würde den Echtpelz doch so oder anbieten. Würdet ihr ein Geschäft boykottieren, dass einen Artikel anbietet, mit dem ihr moralisch nicht einverstanden seit? Oder meint ihr, dass es ja doch egal ist, wenn man eben diese Artikel nicht kauft?
Meistens sind solche Aktionen doch total scheinheilig. Du hast also ein Problem mit Pelzen und willst deshalb nichts mehr in dem Shop kaufen? Schön und gut, aber sicher hast du doch ein Problem mit Kinderarbeit oder Näherinnen, die zu Hungerlöhnen arbeiten, oder? Kaufst du dann auch nichts mehr in Shops ein wenn du dort ein Kleidungsstück mit einem "Made in Bangladesch" Schild siehst? Oder wenn die Kleidungsstücke so billig sind, dass du ganz genau weißt, dass die Arbeiterinnen davon keinen menschenwürdigen Lohn bezahlt bekommen können?
Das ist genauso wie die Veganer, die eine Show daraus machen, dass sie nicht zu McDonalds gehen, weil da ja Fleisch verkauft wird. Aber zu Hause haben sie dann die verarbeiteten veganen Lebensmitteln stehen und wenn man genauer hinschaut sieht man, dass der Erzeuger zu einem Großkonzern gehört, der natürlich auch tierische Lebensmittel herstellt.
Besser "scheinheilig" und hier und dort als gar nicht. Nur, weil es noch andere Probleme gibt, muss man doch nicht alle Probleme akzeptieren. Und ganz ehrlich, mich stören Pelze auch mehr als schlecht bezahlte Näherinnen. Aber das ist doch ein anderes Thema.
Schreib ihnen eine E-Mail, warum du bei ihnen nichts mehr kaufen wirst und bitte um die Löschung deines Accounts, falls du dort einen hast. Dann wissen sie wenigstens warum. Sicherlich ist dein Wegfallen als Kunde erst mal nur ein Tropfen auf den heißen Stein, aber wer weiß, wie viele Kunden das schon getan haben. Und vielleicht kommt irgendwann auch der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt.
Bienenkönigin hat geschrieben:Und ganz ehrlich, mich stören Pelze auch mehr als schlecht bezahlte Näherinnen. Aber das ist doch ein anderes Thema.
Nein, das ist absolut kein anderes Thema. Denn so lange Menschen und deren Grundbedürfnisse weniger interessant sind, als das Wohlbefinden von Tieren, leiden Tiere weltweit extrem und bekommen keinen hohen Stellenwert.
Und da muss man nicht die Pelztiere in China nehmen, die Straßenhunde Bulgarien oder ähnlichen Ländern oder die Pferde der Müllsammler in Indien ansehen. Da reicht ein Blick in Europas Schlachthöfe. Wer seine Mitarbeiter übelst bezahlt, in schimmeligen Bruchbuden auf dreckige Matratzen zwingt und in Schichten schlafen lässt, der kann keine gute Arbeit erwarten.
cooper75 hat geschrieben:Nein, das ist absolut kein anderes Thema. Denn so lange Menschen und deren Grundbedürfnisse weniger interessant sind, als das Wohlbefinden von Tieren, leiden Tiere weltweit extrem und bekommen keinen hohen Stellenwert.
Das ist schon ein anderes Thema. Es geht doch hier nur darum, ob es etwas bringt, wenn man als einzelner Kunde bei einem Unternehmen welcher Art auch immer nichts mehr kauft. Die einen meiden dann eben Geschäfte, die auch Pelz verkaufen, die anderen kaufen nur FairTrade. Es gibt so viele Punkte, auf die man achten könnte.
Ich finde es aber nicht notwendig, alle Probleme auf einen Schlag zu erkennen und anzugehen. Heute steigt Nelchen bei dem Onlineshop mit Pelzen aus. Warum ist das scheinheilig? Warum sollte sie das unterlassen, obwohl sie vielleicht (so genau wissen wir das ja gar nicht) noch nicht darauf achtet, dass die Näherinnen der von ihr bevorzugten Marken gut bezahlt werden? Das kommt dann vielleicht morgen oder nächstes Jahr.
Die Frage ist doch, was welchen Effekt hat? Der Shop hat offensichtlich Kunden, die Artikel mit Fell kaufen. Den Laden boykottieren wird wenig ändern. Die Fellkäufer sind dann noch da, dazu kommen die Kunden, die die Sachen ohne Fell kaufen. Kommunikation wird mehr bringen als ein Boykott, auch wenn der begründet wird.
Jetzt kommt man aber zum zweiten Hebel. Wenn die Menschen beispielsweise in China in diesen gottverlassenen Regionen für ihre Arbeit ordentlich bezahlt würden, dann wäre sauberere und leichtere Arbeit eine attraktive Alternative. Es würde weniger produziert, die Produkte müssten besser bezahlt werden und wer gut zahlt, der kann Standards fordern.
Damit verbessert der Lohn für die weniger interessante Näherin die Bedingungen der Tiere. Das fühlt sich nicht so gut an, wie Geschäfte zu boykottieren, die Produkte mit Echtfell anbieten. Es erreicht aber nicht weniger und hilft Mensch und Tier.
cooper75 hat geschrieben:Den Laden boykottieren wird wenig ändern.... Wenn die Menschen beispielsweise in China in diesen gottverlassenen Regionen für ihre Arbeit ordentlich bezahlt würden, dann wäre sauberere und leichtere Arbeit eine attraktive Alternative.
Das eine lässt sich aber von Privatmenschen wie Nelchen in ein, zwei Minuten umsetzen, das andere nicht. Es sei denn man kauft nur in Geschäften, die Näherinnen ordentlich bezahlen. Aber da ist man genauso ein kleines Rädchen wie in dem Geschäft, das Fell verkauft. Warum also nicht beide Rädchen in Bewegung bringen? Ich denke schon, dass die Fellindustrie es in den letzten Jahren und Jahrzehnten gemerkt hat, dass ihnen einige Kunden weggebrochen sind.
Persönlich habe ich jetzt nichts gegen Fell. Außer einem Schal aus Kaninchenfell habe ich zwar keins, aber ich finde, wenn andere Fell kaufen möchten, dann sollen sie das tun dürfen. Bei Kaninchenfell denke ich mir (das war vom Weihnachtsmarkt), dass das Tier halt zum Braten wurde und da ist es ja nicht schlimm, wenn man das Fell auch verwertet. Nerz oder Fuchs oder sonstwas für ein Fell würde ich mir jetzt nicht kaufen. Zum einen wegen der Tiere, zum anderen aber auch, weil ich gar nicht wüsste, wann ich das anziehen soll und es mir zu teuer wäre.
Aber das ist ja meine Entscheidung und wenn andere sich anders entscheiden und eben doch ein Nerzjäckchen wollen, dann sollte ich das respektieren und anderen nicht implizit vorschreiben, wie sie zu leben haben. Es darf ja jeder machen, was er will und es dürfen andere Menschen auch andere moralische Ansichten haben. Wenn ich aber nun durch mein Verhalten dafür sorge, dass andere irgendwann auch kein Fell mehr kaufen können, obwohl sie es vielleicht wollen, dann schreibe ich damit aber anderen ihre Lebensweise implizit vor. Und das finde ich dann kritisch.
Nun wird der Laden nicht pleite machen, wenn da einer weniger kauft. Aber wenn das mehrere machen, dann wird der vielleicht schon wirtschaftliche Einbußen haben und weiß dann eventuell gar nicht, warum und was er falsch gemacht hat. Wenn eine gewisse Anzahl von Leuten anfängt, dort gar nichts mehr zu kaufen, nur weil ein Artikel aus Fell ist, dann hat das irgendwann vielleicht zur Folge, dass der Laden schließen muss und dort gar niemand mehr kaufen kann, weder jemand der Fell will noch jemand, der einfach nur einen anderen Artikel haben möchte. Und ist das denn gerechtfertigt?
Da fände ich es besser, man kauft halt einfach das Fell nicht, aber andere Artikel schon. Denn ansonsten schadet man dem Shop als Ganzes, obwohl es doch eigentlich um die Fellindustrie geht und nicht um einen kleinen Klamottenhändler, der auch noch viel mehr anzubieten hat.
So und bei den Näherinnen in China - da muss man aber auch sagen, dass China halt ein Land ist, in dem der allgemeine Standard nicht so hoch ist und die Menschen eben nicht so viel verdienen. Ich glaube, wenn man das dortige Lohnniveau betrachtet, dann bekommen die Näherinnen vielleicht auch nicht viel weniger als ein chinesischer Bauer oder ein chinesischer Produktionsarbeiter. Wir dürfen da nicht unsere Löhne als Maßstab ansetzen.
Zitronengras hat geschrieben:Es darf ja jeder machen, was er will und es dürfen andere Menschen auch andere moralische Ansichten haben. Wenn ich aber nun durch mein Verhalten dafür sorge, dass andere irgendwann auch kein Fell mehr kaufen können, obwohl sie es vielleicht wollen, dann schreibe ich damit aber anderen ihre Lebensweise implizit vor. Und das finde ich dann kritisch.
Ich versteh schon, was du meinst. Aber verlagern wir das mal in einen anderen Bereich. Du gehst in ein Geschäft, weil im Schaufenster schöne Schuhe standen. Während du dich drinnen umschaust, kommt ein Mann rein, geht an die Theke und sagt: "Ich hätte gerne eine 9 Millimeter, um meine Frau zu erschießen." Und der Verkäufer führt ihn an ein Regal, zeigt ihm verschiedene Waffen und verkauft ihm eine.
Wärst du in dem Laden gerne Kundin? Fändest du den Verkäufer dann noch sympathisch und würdest ihn weiterhin unterstützen wollen? Nein, weil es gegen deine moralischen Vorstellungen ist, dass man seine Frau erschießt. In dem Fall hast du Glück, weil deine moralischen Vorstellungen schon gesetzlich verankert sind und sowohl Mord als auch so einfacher Waffenverkauf in Kleidergeschäften verboten ist.
Aber das war nicht immer so. Moral entwickelt sich. Dass Tiere nicht unnötig leiden dürfen, ist bereits gesetzlich verankert. Bisher zählt das Abziehen der Haut, um Kleidung daraus zu machen, noch nicht zu "unnötig". Aber warum darf ich das nicht verurteilen und mich vom Unterstützen der Verkäufer zurückziehen?
Wenn die Kunden, die gerne Fell kaufen möchten, zahlreich sind, wird der Laden nicht pleite gehen. Wenn die Kunden, die das ablehnen, in der Mehrzahl sind, ist es aber nicht in deren Verantwortung, den Laden am Leben zu erhalten. Jeder Ladenbesitzer muss sich ab und zu mal Gedanken über sein Angebot machen und das Kaufverhalten seiner Kunden und Nicht-Kunden analysieren.
Das Waffenbeispiel würde tatsächlich am Gesetz scheitern. Ich hätte ein anderes Beispiel im Angebot. Mal angenommen, der Laden würde Ketten und Schmuck verkaufen, ich würde mich für den Schmuck interessieren, aber es gäbe da auch esotherische Artikel, Tarotkarten oder solches Zeug, was ich auch religiösen Gründen eigentlich ablehne.
Wenn ich dort etwas unter den Schmuckstücken finde, was mir total gut gefällt, dann würde ich das vermutlich trotzdem kaufen. Auch wenn das restliche Angebot nicht meiner Wertvorstellung entspricht. Denn ich würde selbst ja nichts kaufen, was ich nicht moralisch gut findet, ich würde ja nur Schmuck kaufen, den ich für unbedenklich halten würde.
Eigentlich ist das gar nicht so hypothetisch. Mir ist das schon mehrfach aufgefallen, dass es Schmuckstände und Schmuckläden gibt, wo man christlichen Schmuck, neutralen Schmuck, aber auch solches esotherisches Zeug finden kann. Oder nehmen wir Großhändler wie Amazon, da gibt es sicherlich auch ganz viel, was meinen moralischen Vorstellungen nicht entspricht, aber ich meide dann den Laden nicht.
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