Corona: Aktuelle Berechnung zur Reproduktionszahl R

vom 19.04.2020, 20:12 Uhr

Zunächst zu einer aktuellen Berechnung des Robert-Koch Institutes auf Seite 4 des Links, der im Anschluss eingefügt ist. Davon ausgehend, dass das Ziel des Lockdowns im Runterdrücken der Reproduktionszahl R auf unter 1 bestand, verrät uns die Graphik, dass dieser Wert bereits am 22.03.20 unterschritten war, also zu Beginn der letzten Stufe des Lockdowns mit Kontaktbeschränkungen usw: Das angestrebte Ziel war also zu diesem Zeitpunkt bereits erreicht!

Danach hat sich während des Lockdowns R kaum mehr etwas geändert, d.h., R befindet sich nicht erst seit kurzem unter 1. Nun könnte man einwenden, Maßnahmen wurden ja schon vorher ergriffen und haben ihre Wirkung entfaltet. Aber auch unter diesem Aspekt sticht heraus, dass der Höhepunkt von R etwa am 11.03. erreicht war und danach rasch absank - am 17.03. waren bei uns noch die Kinos geöffnet.

Man darf gespannt sein, wie dies diskutiert wird. Im Grunde bestätigt diese Auswertung diejenigen Fachleute, die die angewandte Berechnungssimulation für den damaligen Blick in die Zukunft anzweifelten, z. B. Hr. Prof. Gerd Bosbach, oder der Sinnhaftigkeit eines Lockdowns im Vorfeld widersprachen. Die zugehörige Graphik findet sich auf S. 5 bzw. S. 14 laut Zählweise des Dokuments.

» Felix » Beiträge: 3 » Talkpoints: 0,34 »



Diese Grafik bestätigt eigentlich nur, dass diese Fachleute sich mit der Grafik gar nicht auseinandergesetzt haben. In den täglichen Lageberichten vom Robert-Koch-Institut wird R0 erst am dem 07.04.2020 mit 1,3 ausgewiesen und liegt auch in den ganzen Tagen danach überwiegend über 1,0 und auch bei Werten unter 1,0 überwiegend in einem 95%-Konfidenzintervall von nur knapp unter 1 bis deutlich über 1. Das heißt die angegebene Zahl ist ungenau und der tatsächliche Wert liegt zu 95 Prozent im den Konfidenzintervall.

Die in deinem Link gezeigte Grafik ist keine exakte Berechnung sondern eine Schätzung, der unter anderem eine Generationszeit von 4 Tagen zu Grunde liegt. Und das unabhängig von der tatsächlichen Generationszeit. Man nimmt also dafür einfach die Infektionsmeldungen und rechnet den Erkrankungsbeginn 4 Tage zurück.

Was aber eben interessant ist und die Tücken dieser Schätzung eben zeigt, dass die dann berechneten R0-Werten der Lageberichte ab 07.04.2020 nicht den Werten dieser Schätzkurve entsprechen und R0 bis Anfang letzter Woche nahezu immer über 1,0 lag, obwohl deine Kurve etwas anderes ausdrücken will. Es ist eben nur eine Schätzung.

Auch darf man nicht vergessen, dass wir den Lockdown ja schon viel länger im Land haben. So wurden Großveranstaltungen schon ab 09.03.2020 verboten, Schulen und Kitas ab 16.03.2020 geschlossen (wobei auch das effektiv heißt, dass die Kinder letztmalig am 13.03.2020 alle in den Einrichtungen waren, danach war ja Wochenende) und der restliche Lockdown dann am 23.03.2020 kam. Wenn aber schon allein Kitas und Schulen schließen, nimmt man gut 13 Millionen Kinder unter 18 Jahren in Deutschland aus der Betreuung, dazu eine knapp 750.000 Lehrer und fast eine halbe Millionen Erzieher, die ihre Kontakte drastisch reduzieren. Oben drauf kommen dann noch viele Eltern, die zur Betreuung ihrer Kinder zu Hause bleiben müssen und Urlaub nehmen, Kranktage oder gleich ins Home-Office gestartet sind.

Allein das ist ja praktisch gesehen zusammen schon ein halber Lockdown, den die Bevölkerung eingehen musste ohne dass es dazu eines offiziellen Lockdown bedurft hätte und diese Maßnahmen fielen zum Teil noch in den Anstieg der Reproduktionsrate beziehungsweise in ihren Höhepunkt und wurde seit dem ja kaum gelockert.

Man kann jetzt sicherlich trefflich streiten, ob die restlichen Lockdown-Maßnahmen dann noch zwingend erforderlich waren oder ob eben Kita- und Schulschließung und dann Besuchsverbote in Pflegeheimen und Krankenhäuser allein gereicht hätten. Aber auf der anderen Seite würde ich eben gerne mal die Alternative dazu hören, die man Ende März gehabt hätte.

Wir sind ja nun einmal zum Beispiel im Gegensatz zu Schweden, die diese Maßnahmen nur in Teilen durchgeführt haben, ja viel dichter besiedelt, können bisher viel weniger Homeschooling anbieten und hatten zu der Zeit eben vor allem nicht die Schutzmaterialien wie sie jetzt zur Verfügung stehen. Eine Maskenpflicht beispielsweise am 23.03.2020 als Alternative zum Lockdown wäre wohl ganz einfach praktisch nicht umzusetzen gewesen. Jetzt geht es, weil Masken gekauft, geliefert oder auch einfach selbst in großer Zahl genäht wurden.

» Klehmchen » Beiträge: 5487 » Talkpoints: 1.012,67 » Auszeichnung für 5000 Beiträge


Ja, die Reproduktionsrate ist schon vor dem Lockdown gesunken, weil da teilweise schon Maßnahmen getroffen wurden und die Leute auch schon deutlich vorsichtiger waren. Erinnerst du dich an den ersten Run auf Desinfektionsmittel? Das war BEVOR es den Lockdown gab. Da waren noch alle Geschäft geöffnet, Klopapier wurde schon knapp und in der Drogerie wurde der Verkäuferin das Desinfektionsspray fast aus Hand gerissen als sie das Regal auffüllen wollte.

Und was die Kinos betrifft, wir wollten eigentlich in der letzten Woche vor der Schließung ins Kino und haben es dann gelassen weil wir nicht zusammen sitzen konnten. Sitzen durfte man nur auf jedem dritten Platz und dazwischen war eine Reihe immer komplett gesperrt.

Fachleute sagen, dass der Schock, der zu diesem vorsichtigeren Verhalten geführt hat, nicht lange angehalten hätte und, dass die Maßnahmen deshalb dringend nötig waren. Keine Ahnung ob das stimmt, man hat ja keinen Vergleichswert.

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» Cloudy24 » Beiträge: 27476 » Talkpoints: 0,60 » Auszeichnung für 27000 Beiträge



Du tust so, als hätte es keine Maßnahmen vor deinem Stichtag gegen. Aber da hatten in meiner Stadt schon lange alle Kindergärten und Schulen geschlossen, Oper und Theater waren zu und Veranstaltungen mit mehr als 200 Personen verboten. Auch Gaststätten, Diskotheken, Bars, Fitnessstudios und Sportvereine waren hier schon lange zu. Selbst an den Puff wurde gedacht. Friseure und Nagelstudios waren zwangsgeschlossen und Einkaufzentren hatten schon Zugangsbeschränkungen. Private Feiern waren untersagt. Ich lebe bestimmt nicht in der einzigen Stadt, die schon vorher strenge Einschränkungen erlassen hat. Da wundert es nicht, wenn die Rate zu deinem Stichtag gesunken ist.

» cooper75 » Beiträge: 13330 » Talkpoints: 498,67 » Auszeichnung für 13000 Beiträge



Ich glaube, dass die Frage von Felix ist, warum der Lockdown nötig war, obwohl doch die Reproduktionsrate schon vorher unter eins war und dies ja seiner Meinung nach und so, wie es viele Leute verstanden haben, das Ziel war. Aber es gibt eben viele Parameter und damals war dies noch nicht das Hauptziel. Bei der damals herrschenden absoluten Zahl war anscheinend die Verdopplungszeit genauso wichtig. Außerdem spielt es eine Rolle, wie die Verteilung der Fälle ist. Damals waren es wohl nur einzelne Cluster wie Heinsberg.

Da ist die Reproduktionszahl wohl höher. Wenn die Fälle breiter verteilt sind, wird die Reproduktionszahl anscheinend wichtiger. Genau verstehe ich es nicht, kann man als Laie wahrscheinlich auch nicht, außer solche, die sowas verstehen. Aber ich vertraue den Wissenschaftlern, dass sie die unterschiedlichen Parameter der Funktion in Beziehung setzen können und wissen, welchen Einfluss diese jeweils haben und bei welchem man in welchem Stadium genauer hingucken muss.

» blümchen » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »


blümchen hat geschrieben:Ich glaube, dass die Frage von Felix ist, warum der Lockdown nötig war, obwohl doch die Reproduktionsrate schon vorher unter eins war

Die Frage ist ja warum bei Betrachtung der Reproduktionsrate derzeit immer wieder auf eine Modellrechnung schaut und dabei völlig ignoriert, dass das RKI ja eben auch jeden Tag einen Lagebericht heraus gibt, die noch bis 13.04.2020 eine Reproduktionszahl von mehr als 1,0 angaben.

Und selbst wenn ist auch diese Zahl ja nur eine von vielen und kann für sich alleine sowieso keine Entscheidungsgrundlage sein. Eine Reproduktionszahl von 1,0 sagt ja aus, dass ein Infizierter genau einen weiteren ansteigt. Das aber heißt ja nur, dass man einen Status quo erreicht und es weder besser noch schlechter wird bei der Zahl der Infizierten. Nun stelle man sich einmal vor in Italien hätte es in der Lombardei vor 4 Wochen eine Reproduktionszahl von 1,0 gegeben und die Regierung hätte gesagt, auf Grund dieser Zahl lockern sie alle Maßnahmen. Selbst wenn daraufhin diese Zahl nicht wieder angestiegen wäre, hätte das ja nur bedeutet, dass die Intensivstation dort dauerhaft überfüllt gewesen wären obwohl ja R0 gleich 1 gewesen wäre.

Genauso ist beispielsweise R0 von 4 überhaupt kein Problem, wenn du nur 10 Infizierte hast. Da kann man sich das theoretisch erst einmal ein paar Tage angucken, bevor man überhaupt etwas von einer Pandemie mitbekommt.

» Klehmchen » Beiträge: 5487 » Talkpoints: 1.012,67 » Auszeichnung für 5000 Beiträge


Dem Einwand, dass die bereits am 09.03. erhobenen Maßnahmen einen Einfluss auf die Repoduktionszahl R, die ihren Höhepunkt laut Darstellung des RKI am 11.03. erreicht hatte, ausübte, wird von mehreren Stimmen widersprochen, weil: Es dauert im Durchschnitt fünf Tage, bis die Erkrankung eintritt und ansteckend wirkt, d.h, die Maßnahmen hätten frühestens erst am 14.03. wirken können, als der Verkauf bereits eingebrochen war. Aufgrund Verzögerungen bis zur Diagnoseerstellung wird sogar davon ausgegangen, dass die Maßnahmen noch länger als 5 Tage bis zur erkennbaren Wirkung gebraucht hätten.

Es gab nach dem 09.03. noch Menschenballungen, z.B. schönes Wetter und das Rennen nach Klopapier. Am 13.03 war ich im Kino, es war gut besucht. Ich weiß das wegen einem Geburtstag. In der Schweiz kommt man zum gleichen Ergebnis. Viele Wissenschaftler interpretieren oder vermuten: Das Virus war bereits durch den natürlichen Verlauf dabei, abzuklingen. Quelle

» Felix » Beiträge: 3 » Talkpoints: 0,34 »



Versteht mich nicht falsch, aber für mich sind die Zahlen des RKI ja auch nur offizielle Zahlen der Infizierten, die eben gemeldet sind, nicht ausreichend aussagekräftig, um das auf ganz Deutschland abzuwälzen. Das ist für mich bei über 82. Millionen Einwohner in Deutschland also erst einmal auf den ersten Blick „toll“, wenn es ja „nur“ 144.800 erkrankt sind. Das sind gerundet jetzt soweit ich mich nicht wirklich verrechnet habe, 0,18%.

Doch bei all den gemeldeten Zahlen weiß keine „Sau“, wie viele sind schon längst erkrankt und wussten es nicht? Wie viele sind erkrankt und gehen nicht zum Arzt? Und wie viele sind erkrankt, aber haben noch immer nur schwer Zugriff zu Tests. Die sind ja leider nicht ausreichend vorhanden, um hier mal genauer zu gucken. Wir wissen es ja eben doch nicht und die Zahlen sind eben nur was Offizielles, aber eben auch handfestes. Eben handfester als meine Frage nach dem, wie viele haben es und wissen es nicht, aber die Möglichkeit muss man doch in Betracht ziehen können.

Ob der Lockdown erforderlich war? Keiner wird es jemals richtig und falsch in der Situation von der Politik machen können. Schon jetzt haben wir seit Wochen die starken „Impfgegner“, die Parole schieben, aber auch die Corona ist eine Grippe Leute, die machen, was sie wollen, gegen jegliche Auflagen und mehr. Ich habe davon schon einige mitten vor dem Supermarkt treffen dürfen und online hat man die Besserwisser sowieso eine Nase lang.

Ich finde, wir gewinnen Zeit und die ist wichtig. Zeit, um Ketten der Infektionen nachvollziehen zu können, was mithilfe der Kontaktverbote und in Teilen des Lockdowns einfacher ist, als wenn jeder schwimmen durfte, im Fitnessstudio pumpen war oder sich bei Primark am Wühltisch bedient hat. Das wird es wohl sicherlich sein.

Flächendeckende Tests müssen aber auch irgendwie her, denn so kann man auch mal schauen, wer es hat ohne es zu ahnen. Doch offenbar lassen es die Kapazitäten nicht zu, wobei ich finde, dass genau das die genaue Anzahl der unentdeckten Corona-Fälle derzeit zeigt. Denn wir wissen im Grunde nur Offizielles und nichts, was die Dunkelziffern angeht, um da mal einen Verdacht zu wagen.

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» Kätzchen14 » Beiträge: 6121 » Talkpoints: 1,40 » Auszeichnung für 6000 Beiträge


Hätte man erst die Ausbreitungshäufigkeit in der Bevölkerung testen bzw. zumindest nach dem Lockdown sofort anhand Stichproben den Erfolg prüfen sollen, um den Nutzen der Maßnahmen zu erfassen und gegebenenfalls Justierungen vorzunehmen? Wir haben ja nur von den positiv getesteten Fällen erfahren, aber nichts über die Verbreitungshäufigkeit und Immunisierung. Ich kann nicht glauben, dass das nicht möglich gewesen wäre.

Zumal hat laut meinen Recherchen ein Lockdown keine (kaum) Auswirkungen, wenn er zu spät greift (er hätte dann aber Folgeschäden wie ausgesetzte Medizinbehandlungen bzw. Operationen, Anstieg der Suizidrate, usw.), oder er schadet sogar, wenn er zu früh einsetzt, denn dann bleibt die Ausbreitung des Virus länger in der Bevölkerung bestehen. Der Zeitpunkt des Lockdownbeginns, der für das Gelingen anhand der Prävalenz zu bestimmen wäre, ist also entscheidend für die Sinnhaftigkeit der Maßnahmen. Siehe Ausführung von: Prof. Knut Wittkowski, Epidemiologe in New York. Es lohnt sich, dran zu bleiben!

» Felix » Beiträge: 3 » Talkpoints: 0,34 »


Kätzchen14 hat geschrieben:Flächendeckende Tests müssen aber auch irgendwie her, denn so kann man auch mal schauen, wer es hat ohne es zu ahnen.

Und wie stellst du dir das logistisch vor, bei über 80 Millionen Einwohnern? Willst du die alle jeden Tag zum testen antanzen lassen? Immer schön mit 1,5 Meter Mindestabstand versteht sich. Denn ein Test, der heute negativ ist, sagt doch überhaupt nichts über die Zukunft aus. Kann fünf Minuten später schon ganz anders sein.

Außerdem kann man natürlich sehr wohl von der Zahl der positiv getesteten in Kombination mit anderen Zahlen auf eine Gesamtzahl kommen. Man weiß in etwa wie viel Prozent einen asymptomatischen Verlauf haben und es gibt ja diverse Studien, die diese Zahl durch Antikörpernachweise konkretisieren wollen.

Aber im Grunde genommen ist es ja egal, weil der Prozentsatz der asymptomatischen Verläufe sich nicht großartig ändern wird. Also die Aussage, dass die Reproduktionsrate gestiegen oder gesunken ist, ist auf jeden Fall richtig. Nur die Zahlen würden sich wahrscheinlich irgendwo hinter dem Komma ändern wenn man wirklich jeden Fall erfassen könnte.

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» Cloudy24 » Beiträge: 27476 » Talkpoints: 0,60 » Auszeichnung für 27000 Beiträge


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